❄️ Winter ❄️
Wenige Tage vor Weihnachten ...
Um für ein paar Tage der Stadt zu entfliehen, habe ich mich kurzerhand für einen Urlaub entschieden. Meiner Freundin Solveig – ich nenne sie lediglich Sol – habe ich nicht gesagt, wohin es geht. Es soll eine kleine Überraschung sein, da sie durch ihre Arbeit immer im Stress ist und Entspannung dringend gebrauchen kann.
Es ist kein spontaner Einfall gewesen, ich habe alles geplant. Mit zwei Hunden kann man nicht anders und Sol ist auch nicht der spontane Typ. Die letzten zwei Wochen hat sie immer wieder versucht, mich auszufragen und in Erfahrung zu bringen, wohin ich sie mitnehmen will. Dabei kennt Sol mich gut genug und weiß genau, dass ich wie ein Grab schweige – nach zehn Jahren Beziehung sollte das zumindest der Fall sein.
Während der Fahrt hat Sol die ganze Zeit geschlafen. Erst jetzt, kurz vor unserem Ziel, wird sie langsam wach. Sie zieht ihre Jacke, die sie als Decke benutzt, etwas höher und brummt leise. Ich kann aus dem Augenwinkel sehen, wie Sol sich umsieht und wahrscheinlich versucht, zu erkennen, wo wir gerade sind.
Doch alles, was sich um uns herum befindet, ist der Wald. Eine weiß-grüne Landschaft erstreckt sich so weit das Auge reicht, eine Nadeltanne neben der nächsten und Massen an Schnee. Sehr viel Schnee. Ich bin wirklich froh, dass die Straße geräumt ist und wir mit dem Auto überhaupt vorankommen.
»Nora ...«, murmelt Sol neben mir, weshalb ich ihr einen kurzen Seitenblick zuwerfe. »Wo zum Teufel sind wir hier?« Ich lache leise und nehme eine Hand vom Lenkrad, nur um sie kurzerhand nach Sol auszustrecken und ihr durch die langen, braunen Locken zu streichen. Hinter uns fangen Mylo und Akisha an, sich zu regen. Die beiden Huskys sind die Fahrt über recht still gewesen.
Doch jetzt, wo sie Sols Stimme zu hören bekommen haben, scheinen sie hellwach zu sein. Mylo jammert theatralisch, womit er das ganze Auto beschallt. Akisha dagegen bleibt ruhig und schnaubt nur.
»Lass dich überraschen, wir sind bald da.« Noch einmal fahre ich ihr durch das leicht zerzauste Haar, bevor ich meine Hand wieder auf das Lenkrad lege und mich weiter auf die Fahrt konzentriere.
Sol kuschelt sich erneut unter ihre Jacke und lehnt den Kopf an die Scheibe. Den Rest des Weges sagt sie nichts, sodass ich davon ausgehe, dass sie wieder eingeschlafen ist. Meine Annahme bestätigt sich, als ich sie irgendwann leicht anstupse und sie zusammenzuckt. Verwirrt schaut sie sich um, dann sucht sie Blickkontakt zu mir.
Ihre warmen, braunen Augen richten sich auf meine. Und ehe sie dazu kommt, ihre Frage zu stellen, antworte ich auch schon: »Wir sind da.« Sols Augen weiten sich ein kleines Stück, dann schiebt sie ihre Jacke hinab, sodass ich das Lächeln auf ihren vollen, rosigen Lippen erblicken kann.
»Endlich!« Sie gähnt und versucht, sich im viel zu engen Auto zu strecken. »Und wo zur Hölle sind wir nun?«
»Im Ferienhaus meiner Verwandten«, sage ich knapp und schnalle mich ab. Es ist das erste Mal, dass ich sie hierher mitgenommen habe, wodurch Sol nach wie vor keine Ahnung haben sollte. »Ich war hier das letzte Mal vor ...« Ich denke nach und beuge mich etwas vor, sodass ich die hübsche Waldhütte besser sehen kann. Sie ist aus Holz, mit großen Fenstern und einer Terrasse, auf der man es sich im Sommer gemütlich machen kann. Das dunkle Dach ist kaum zu erkennen, da der Schnee es bedeckt. »Mehr als fünfzehn Jahren, würde ich sagen.«
Sol macht es mir nach und schaut durch die Frontscheibe hinaus. Doch ich habe meinen Blick längst von der Hütte abgewandt und betrachte nun sie. Völlig egal, ob ich sie jeden Tag sehen kann oder nicht, an ihrem Anblick werde ich mich nie sattsehen können. Für mich ist sie das schönste Geschöpf auf der Welt.
»Gibt es hier Fernsehen oder Internet?« Ich verdrehe bei Sols Frage die Augen. »Und ... fließendes Wasser?«
»Gibt es. Das Dorf ist auch nicht weit, aber hier haben wir unsere Ruhe.« Daraufhin dreht Sol ihren Kopf in meine Richtung und schenkt mir ein zufriedenes Lächeln, das ich sogleich erwidere. »Lass uns reingehen und die Hütte aufheizen. Währenddessen können wir mit den beiden eine Runde spazieren gehen.«
Wie aufs Stichwort meldet sich Mylo, seine Krallen scharren über den Boden im Kofferraum, wo sich die beiden befinden. Sicher in der großen Transportbox, wegen der Sol und ich unsere Koffer auf dem Rücksitz verstaut haben.
»Klingt ganz so, als wäre es nötig«, entgegnet Sol und zieht sich ihre Jacke über. Ich tue es ihr gleich und steige anschließend aus dem warmen Auto aus.
Ich erzittere, als mir die kalte Luft ins Gesicht schlägt und durch meine Kleidung weht. Schnell richte ich sie und versuche dadurch, die Kälte von mir fernzuhalten. Als ich mich schließlich in Bewegung setze, knirschen unter meinen Stiefeln die kleinen Steinchen, die hier als Weg dienen. Ich gehe zum Kofferraum und öffne ihn. Mylo wedelt mit der Rute und presst sein Gesicht gegen das Gitter - dieser Hund ist einfach ein Trottel.
Kein Wunder also, dass der braune Husky mit den blauen Augen direkt aus dem Kofferraum springt, kaum dass ich die Tür des Hundetransporters geöffnet habe. Wie ein Irrer rennt er an mir vorbei, direkt in den Schnee am Wegesrand. Als ich in seine Richtung blicke, sehe ich lediglich seinen Hintern, der aus dem Schnee ragt – die Rute wedelt weiterhin erfreut.
Akisha dagegen schaut mich skeptisch an. Ihre zwei verschiedenfarbigen Augen auf mein Gesicht gerichtet. Sie macht keine Anstalten, sich aus dem Auto zu bewegen.
»Na los, beweg deinen Hintern raus. Nimm dir ein Beispiel an deinem bekloppten Bruder.« Sie neigt den Kopf und ich habe das Gefühl, dass sie mich für verrückt hält, weil ich erwarte, dass sie das warme Auto verlässt.
Seufzend lasse ich den Kofferraum einfach offen stehen – die Wärme verfliegt ohnehin gleich – und gehe zu Sol, die ebenfalls ausgestiegen ist.
»Wie schön ...«, sagt sie und sieht sich um. »Ein Traum von einem Ort.« Sie umarmt mich und drückt ihr Gesicht gegen meinen Hals.
»Wenn du willst, können wir mit den beiden eine kleine Runde um den See drehen. Auf einem Schlitten natürlich.«
Sol schaut auf und nickt sogleich. Ich kann sehen, wie sehr sie sich freut, mit mir hier zu sein. Sie gibt mir einen Kuss auf die Lippen, dann tritt sie zurück, sodass ich unsere Koffer aus dem Auto holen kann. Akisha ist währenddessen tatsächlich aus dem Kofferraum gekommen und beschnuppert die fremde Umgebung. Wo Mylo ist? Ich habe keine Ahnung. Vermutlich rennt er wie ein Welpe durch die Gegend und erkundet alles. Kaum zu glauben, dass diese Hunde Geschwister sein sollen.
»Klingt gut, nach so einer langen Fahrt und nur einer einzigen Pause können wir es gebrauchen«, sagt Sol und nimmt mir einen der Koffer ab. Sie zieht das pinke Ungetüm mit den vielen Stickern an sich und streichelt Akisha über den Kopf.
»Lass uns erst einmal reingehen und schauen, dass wir unsere Koffer verstauen.« Und die Hütte aufwärmen, fügte ich in meinen Gedanken hinzu, dann schließe ich die Türen und den Kofferraum meines Autos.
Kaum, dass ich die Haustür geöffnet habe, kommt Mylo angerannt und versucht, an uns vorbei in das Haus zu kommen. Mein Koffer versperrt ihm den Weg, sodass er dagegen prallt und ein paar Schritte zurück macht. Ich greife nach seinem Halsband und ziehe das Ungetüm eines Hundes mit herein.
Sein Fell ist leicht feucht, auch wenn er den Schnee abgeschüttelt hat. Sol, ihr pinker Koffer und Akisha folgen uns hinein. Die Temperatur im Inneren des Hauses ist kaum wärmer als draußen. Kein Wunder, denn hier ist seit einigen Monaten niemand mehr gewesen. Meine Verwandten kommen nur in den warmen Monaten hierher. Zum Angeln, Sonne genießen und entspannen.
Umso besser für uns, denn Sol und ich lieben den Winter. Es gibt keine bessere Jahreszeit für uns, weshalb dies der perfekte Ort ist. Eine einsame Hütte am Rande eines kleinen Dorfes irgendwo in Norwegen. Wald und See sind ein netter Bonus, der es wert macht, herzukommen.
»Ouff ... Die Luft hier ist furchtbar«, jammert Sol und reißt sogleich die Fenster im Wohnzimmer auf. Ich dagegen schaue mich um und stelle meinen Koffer an die Seite. Hier hat sich fast nichts geändert. Die Möbel sind neu, stehen jedoch am selben Platz wie damals. Ihr Aussehen hat sich nur minimal verändert. Meine Verwandten haben sich lediglich etwas moderner eingerichtet.
Mitten im Raum steht eine einladende Couch. Mit Kissen und Decken beladen, die ordentlich an ihren Plätzen liegen und zum Verweilen einladen. Der Kamin, den ich sogleich erblicke, schreit geradezu danach, dass ich ihn mit Feuerholz füttere und ein wärmendes Feuer entfache. In der unmittelbaren Nähe des Kamins befindet sich ein flauschiger Teppich, den Akisha gleich in Beschlag nimmt und sich dort niederlässt.
Sie prüft, ob es ihren Ansprüchen genügt und rollt sich ein. Ihre Augen richtet sie dabei auf mich.
»Was denn? Schau mich nicht so an, nur weil du deinen flauschigen Hintern für ein paar Tage nicht in deinem Korb parken kannst.« Als würde sie mich verstehen, schnaubt Akisha und rollt sich zusammen, sodass ihre Rute auf ihrer Schnauze liegt.
»Redest du wieder mit dir selbst, Nora?« Meine Freundin kommt wieder in das Wohnzimmer und bleibt vor mir stehen. »Oder mit den Hunden?« Mylo gesellt sich zu seiner Schwester und nimmt ebenfalls einen Platz vor dem erloschenen Kamin ein.
»Mit dem Hund«, sage ich und zeige auf die grau-weiße Huskydame, die uns keines Blickes würdigt.
»Die sehen beide nicht so aus, als hätten sie Lust, mit uns eine Runde um den See zu drehen.« Sol zwinkerte mir zu. »Wie wäre es, wenn wir den Kamin anheizen, etwas zu essen zubereiten und es uns anschließend gemütlich machen?« Unsicher sehe ich sie und dann die beiden Hunde an. Schließlich gebe ich mich geschlagen und nicke.
»In Ordnung. Aber später müssen wir mit den beiden dennoch raus.« Sol strahlt mich an und fällt mir um den Hals.
»Du bist die Beste!«, quietscht sie und löst sich gleich wieder von mir. »Du machst das Feuer und ich hole noch den Proviant aus dem Wagen?« Ohne eine Antwort abzuwarten rennt sie auch schon nach draußen – und Mylo flitzt ihr hinterher. Ich dagegen mache mich daran, den Kamin vorzubereiten. Noch sind überall die Fenster geöffnet, weshalb ich die Heizung gar nicht erst aufgedreht habe.
Während ich das Feuerholz, das man netterweise hier im Haus gelagert hat, in den Kamin werfe, höre ich auch schon, wie Sol wieder ins Haus kommt und die Tür schließt. Mein Blick schweift zu Akisha, die mich die ganze Zeit beobachtet und allem Anschein nach darauf wartet, dass ich fertig werde. Ich schenke ihr keine weitere Beachtung und suche die Streichhölzer heraus, um das Feuer zu entzünden.
Anschließend schließe ich alle Fenster, damit keine kalte Luft mehr hereinkommen kann und stelle zusätzlich die Heizung an. Vor allem im oberen Geschoss, wo sich das Schlafzimmer befindet. Hierher wird die Wärme des Kamins kaum reichen. »Hey, Nora ...« Die liebliche Stimme meiner Freundin lässt mich zu ihr blicken.
»Was denn?«, frage ich nach.
»Hast du deine Kamera eingepackt? Dann können wir hier ein paar Fotos machen und bei unseren Freunden angeben.« Ich lache auf und zeige auf meinen Koffer.
»Ist darin verstaut. Habe ich diesmal dran gedacht.« Nicht wie beim letzten Mal, da mussten wir Fotos mit dem Smartphone machen. Was an und für sich nicht so schlimm war, nur sahen die Bilder nicht ganz so gut aus.
»Sehr gut«, antwortet sie und grinst breit. »Dann lass uns jetzt das Essen zubereiten und die Hunde füttern. Ich will es mir danach mit dir auf dem Sofa gemütlich machen.« Sol wackelt mit den Augenbrauen, dann ergreift sie meine Hand und schleppt mich in die Küche.
Als wir mit dem Abendessen fertig und alle gesättigt sind, machen wir es uns auf der Couch vor dem Kamin gemütlich. Das Wohnzimmer ist schön warm, Mylo und Akisha liegen faul auf dem Teppich, während Sol und ich uns unter die Decke kuscheln. Das Feuer knistert leise und erhellt den Raum in seinem warmen Licht. Draußen schneit es wieder und ich bin froh, dass ich vor dem Essen das Auto unter den Carport gestellt habe, damit es nicht über ℕ𝕒𝕔𝕙𝕥 zuschneit.
Sol schmiegt sich an mich und vergräbt das Gesicht halb unter der Decke, sodass nur noch ihre Stirn und die Augen zu sehen sind. Kurz überlege ich, uns noch einen warmen Kakao oder Tee zu machen, verwerfe es jedoch. Stattdessen rutsche ich etwas tiefer und umarme sie.
»Bist du müde, meine Schöne?«
Sie kichert und antwortet dann: »Nein, ich habe so viel im Auto geschlafen, dass ich erst einmal genug habe. Außerdem will ich meine Zeit lieber mit dir verbringen.«
Ihre schönen Augen funkeln mich an und ich weiß ganz genau, was sie will und erwartet.
»Geht mir genauso«, sage ich und beuge mich so weit vor, dass meine Lippen die ihren berühren. Sol schließt die Lider und erwidert meinen Kuss, drückt sich noch etwas enger an mich.
»Nora ... Ich liebe dich.«
»Und ich dich, Solveig.«
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Danke an JessicaChristiane0 für die Idee und dell_a_story für die Korrektur.
Schaut bei beiden vorbei und lest ihre wundervollen Geschichten. ❤️
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