5. Wie Gold leuchten
Adalar fühlte sich wirklich seltsam. Lani hatte ihm keine einzige Frage beantwortet. »Ich kann dir nur einzelne Fragen beantworten. Aber noch nicht. Du musst erst ins warme und brauchst was zum anziehen.«
Gesagt, getan.
Es war nicht so, als würde er sich an rein gar nichts mehr erinnern können. Er hatte nur wesentliche Lücken in seinem Gedächtnis. Zu einem hatte er keine Ahnung wer Lani war und vor allem in welchem Verhältnis sie zu einander standen.
Waren sie Freunde?
Zusätzlich konnte er sich auch beim besten Willen nicht erinnern, wie er im Wasser gelandet war. Auch die letzten Wochen waren verschwunden.
Er hatte Erinnerungen. Unwichtige. Da war zum Beispiel der Tag im Freizeitpark mit seiner Schwester vor einem Monat. An die kleine Marie konnte er sich zum Glück auch noch erinnern. Oder das Grillfest im Garten seines besten Freundes Milos letzte Woche. Er wusste wer er war. Er kannte sein Leben, aber irgendetwas fehlte. Das wusste er auch.
Schließlich hätte er schwören können noch bei seinen Eltern zu wohnen. Aber anscheinend war dem nach nicht so. Lani hatte ihm nämlich eine komplett andere Adresse genannt. Aber mit dreiundzwanzig alleine zu wohnen war wahrscheinlich auch nichts seltenes.
Sie liefen an einem Waldrand entlang, nicht unweit vom Meer entfernt. Sie waren eine kleine Sanddüne hochgeklettert und an einer alten mickrigen Hokzbrüstung entlang gelaufen, bis der Sand auf dem Boden mehr und mehr mit satten grünen Blättern bedeckt war. Irgendwann machte der Strand der Erde Platz und Wurzeln wucherten über den erdigen Boden.
Es war Sommer. Es war warm. Dennoch schmerzten seine Glieder, durch die Kälte und vorallem die Steine und Äste auf dem Boden setzten seinen Füßen zu.
Lani bog rechts ab, einen kleinen Weg entlang. Sie gingen nun weiter vom Meer weg. Tiefer in den Wald hinein. Einen buckligen Hang hinauf, den Adalar nur überwinden konnte, indem er sich an einigen Wurzeln hochzog. Lani hingegen stapfte den Hügel hinauf, als hätte sie ihr lebenlang nichts anderes getan. Ihre roten Haare schimmerten dabei immer wieder in den einzelnen goldenen Sonnenstrahlen, die sich immer wieder durch die Lücken des dichten Blätterdachs kämpften.
Sie kam lange vor ihm oben an, sah triumphierend zu ihm hinunter und rief ihm ein keckes »Darin warst du schon immer schlecht!« zu. Er schnaubte.
Wäre schön, wenn ich mich daran erinnern könnte.
Oben angekommen fragte er sich, wie bescheuert er gewesen sein musste, ein Haus im Wald zu kaufen.
»Ich hätte mir ein Haus suchen müssen, dessen Weg dahin mich nicht umbringt«,stöhnte er außer Atem. Lani lachte melodisch. Sie stand direkt im Lichtkegel eines goldenen Sonnenstrahls und leuchtete wie gold.
Sie schien darin ein Talent zu besitzen. Wie Gold leuchten. Das tat sie nämlich für Adalar schon die ganze Zeit.
Es klang verrückt, aber sie hatte etwas Fabelwesenähnliches an sich.
Ich habe mir irgendwo echt den Kopf gestoßen.
»Das war ja auch ein Umweg. Der eigentliche Weg geht da hinten lang.«
Mit dem Finger zeigte sie hinter sich, wieder in Richtung Meer. Er schnaubte wieder verächtlich,konnte aber ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken. Es war wahnsinnig. Ihr Verhalten kam ihm bekannt vor, aber er erinnerte sich kein Stück an sie.
Wie konnte man einen kompletten Menschen vergessen?
»Du Monster«,knurrte er und ging weiter. Lani blieb stehen und das bekam auch Adalar mit. Sie stand immernoch da, leuchtete wie gold und sah aus wie Stein.
Er drehte sich zu ihr.
»So hast du mich auch früher immer genannt. Erinnerst du dich?«, wollte sie wissen.« Er gab wirklich sein bestes,aber beim besten Willen, da war nichts.
»Wieso nenne ich ich dich so?« Lani lächelte,löste sich aus ihrer Starre und schritt an Adalar vorbei. »Ich bin wie King Kong. Das hast du früher immer gesagt.« Sie blieb stehen und sah ihn an. Das Lächeln immernoch auf ihren rosigen Lippen. »Weil«,setzte sie fort, aber all zu weit kam sie nicht. Es traf ihn wie ein Schlag. Er wusste es wieder. Zwar nicht alles, nur das. Aber es fühlte sich an wie ein Triumph. Deshalb unterbrach er sie. »Weil du genauso zerstörerisch bist, wie dieser Riesenaffe und ich dich trotzdem liebe.«
Er konnte nicht mehr Atmen.
Unmöglich.
Es konnte, sollte und durfte nicht sein, dass er sich an alles, außer den Menschen den er liebte erinnern konnte.
Liebte er sie denn überhaupt?
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