#5 Truth

Pov Jimin

Abwesend schlurfte ich durch die Flure auf dem Weg zur Mensa.
Auf einmal hörte ich hinter mir meinen Namen. Taehyung holte mich ein und warf einen Arm um mich.
"Na, Jiminie?" Sein grinsen steckte mich an und heiterte meine Laune etwas nach dem heutigen Morgen auf.

Er bemerkte jedoch, dass ich nicht wie immer lächelte. Zugegeben, ich war ein Mensch der sehr oft gut Gelaunt war. Ich war durch und durch ein Optimist und sah die Dinge oftmals unbedrohlicher als sie wirklich waren. Sozusagen das komplette Gegenteil von Yoongi. An dem Punkt hörte ich auf zu denken, denn ich merkte, wie er sich wieder durch die Hintertür meiner Gedanken reinschlich und sich auf das imaginäre Sofa versuchte zu setzten, dass Mittelpunkt meines Gehirns war.

"Ich will deine Laune ja nicht weiter mit meiner Fratze runterziehen, aber hast du nach der Schule irgendwas vor?"
"Nein." War er nicht noch sauer wegen gestern?
"Würden sie mich freundlichster Weise in den Park begleiten, um dort vielleicht ein Eis zu verkosten und danach ein nettes Gespräch zu führen?" Er zog beide Augenbrauen in die Höhe und erwartete eine Antwort. Ein Kichern konnte ich mir nicht verkneifen. "Natürlich."
"Super, wir sehen uns dann am Schultor!" Er lachte auf und gab mir einen leichten Schlag auf den Rücken, bevor er hinter der nächsten Ecke verschwand.

Dieser Typ war mehr als in Ordnung. Vielleicht hatte Namjoon recht damit gehabt, dass es seine Art war Menschen zu beschützen. Sicher war ich mir nun, dass er nichts gegen mich hatte, denn sonst würde er nicht so mit mir reden.

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Ungeduldig wartete ich am vereinbarten Treffpunkt. Doch noch bevor Taehyung eintraf, kam mir Jungkook entgegen.
Ich lächelte ihm zu. Er war von Anfang an nett zu mir gewesen. Und bei ihm hatte ich nicht das Gefühl, dass er wegen jeder Sache sauer werden würde. Er wirkte auf mich wie ein gelassener, sympathischer und freundlicher Mensch und ich wollte mehr Zeit mit ihm verbringen.

"Hey Jimin." Seine Stimme war sanft und gab mir ein gutes Gefühl.
"Hi."
"Auf wen wartest du?" Wollte er wissen und guckte meinem Blick nach.
"Auf Taehyung. Wir wollten noch was essen gehen oder so." Seine Augen blitzten auf.
"Du, kann ich nicht vielleicht mitkommen? Sonst säße ich den ganzen Tag nur Zuhause rum und wir könnten uns noch ein bisschen besser kennenlernen."
"Gerne!" Dieses Angebot wollte ich ihm nicht ausschlagen. Ich wollte ihn kennenlernen und mehr über ihn erfahren und ehrlich gesagt, war ich froh darüber, dass jemand an mir, meiner Person, interessiert war. Nicht, dass es sonst niemand war, aber auf dieser Schule war im generellen alles umgekehrt.

"Also, ich meine, wenn Taehyung damit einverstanden ist."
"Och, bestimmt." Sein Lächeln wurde immer breiter.

"Sag mal, kann ich dich was fragen?"
"Ja klar." Er wandte sich mir wieder zu.
"Das ist eine dumme Frage, aber wie sind du und Taehyung so aneinander gewachsen?" Ich versuchte die Frage vorsichtig zu stellen, um nicht unnötig irgendwelche vergangenen Gefühle wieder aufzuwühlen, was aber völlig überflüssig war.

"Weißt du," er guckte wieder in meine Blickrichtung, in der mittlerweile Taehyung aufgetaucht war und uns mit jedem Schritt näher kam, "Das Band einer Freundschaft wird erst dann richtig stark, wenn beide durch die gleiche Scheiße gegangen sind und man sich gegenseitig vertraut. Tae wird dir das heute wahrscheinlich erklären wollen."

Viel konnte ich mit diesen Worten nicht anfangen, nur dass er wahrscheinlich seinen Freund sehr gut kannte, welcher soeben vor uns stehen geblieben war.
"Sollen wir dann?"
"Jungkook möchte mitkommen."
"Kein Problem, hab ich mir schon gedacht." Taehyung lächelte uns beide freudig an und zog uns hinter sich her.

Wir gingen etwas weiter von der Schule entfernt in einen Park, holten uns wie vermutet Eis und setzten uns auf eine Parkbank vor einem Teich. So lief es hier anscheinend immer. Dass man sich etwas zu essen holt und sich dann auf eine Bank setzt zum Reden.

Die Sonne schien und das Laub des Herbstes erstrahlte in warmen Farben.
"So," fing Taehyung an, "Worüber sollen wir reden? Liegt dir irgendwas auf dem Herzen?" Er blickte uns beide nicht an, sondern starrte in den Wolkenlosen Himmel.
"Taehyung, du wolltest mir irgendwas erzählen."
"Du nennst mich immernoch Taehyung? Nach fast 2 Wochen? Manno man," Er seufzte, "Aber es gibt tatsächlich ein paar Sachen, die ich dir erklären will."

Ich guckte auf Jungkook, der in der Mitte saß. Er wusste anscheinend genau, wovon er sprechen wollte und starrte leer auf seine Hände.
"Da du die ganze Zeit von Yoongi quasselst und anscheinend auch an irgendwas von ihm interessiert bist," er setzte kurz aus, Jungkook zuckte beim genannten Namen kurz auf, "will ich dir wenigstens die Chance geben, nicht blind ins offene Messer zu laufen."
Er räusperte sich mehrmals, was darauf schließen ließ, dass es ihm schwer fiel, die nächsten Sätze auszusprechen.

"Wir haben mit Yoongi eine Vergangenheit."
Nervös spielte er am Reißverschluss seiner Jacke rum.
"Um genau zu sein, waren wir drei Freunde." Fügte Jungkook hinzu. Seine Stimme klang kläglich und verletzlich rau.

"Und dann kam diese eine Sache."
"Ich wusste nicht, dass er so reagiert!"
"Ich weiß, es ist nicht deine Schuld." Schön, dass die beiden sich gegenseitig ergänzen konnten, doch im Moment war ich das dritte Rad am Wagen und sie ließen mich völlig außen vor. Ich beugte mich ein Stück vor, sodass ich wieder in Taehyungs Blickfeld gelang. Durch meine fragende Geste räusperte er sich zum gefühlten zehnten Mal.

"Sorry, also.." dieses ganze Gestoppe machte mich extrem nervös und ich bekam langsam aber sicher Angst vor der Wahrheit. Denn wenn es so schwer war sie auszusprechen, musste sie schwer auf seinem Herzen liegen. Und ich begann mich schlecht zu fühlen, da ich der Grund war, warum man in der schmerzvollen Vergangenheit kramte.

"Wir waren Freunde, nur für Kookie war er zu der Zeit etwas mehr. Ich hoffe du hast da kein Problem mit.. Jungkook ist schwul."

Beide guckten mich, abwartend auf eine Reaktion, an. In meinem Inneren wurde es heiß. Eine Hitze ging von meinem Magen aus und verbreitete sich rasend in meinem gesamten Körper.

"Ich auch." Gab ich knapp zurück. Hatte ich mich somit geoutet? Eigentlich lustig, diese Überlegung. Ich hatte es zwei Menschen erzählt, die ich etwas mehr als zwei Wochen kannte, doch meinen Eltern noch nicht. Noch nicht mal Hoseok. Es war für mich so normal geworden, dass ich nicht mehr drüber nachgedacht hatte. Für mich war es das normalste der Welt, doch für andere war es das natürlich nicht.

Taehyung fing an zu lächeln. Doch schnell verschwand dieser Gesichtsausdruck und er fuhr fort.
"Nun, Jungkook dachte es wäre eine gute Idee ihm das mitzuteilen und er hatte ja auch eigentlich nichts zu befürchten, denn Yoongis früherer Kumpel war auch homosexuell."
Das ganze schlug in eine Richtung ein, die ich so niemals erwartet hatte. Ich weiß nicht mehr, was ich erwartet hatte, doch das übertraf alle meine Erwartungen.
"Also, Yoongi, naja er.."
"Sagen wir, er nahm das ganze nicht so gut auf." Versuchte Jungkook mir klarzumachen, noch bevor Taehyung irgendwas sagen konnte.

"Kookie, er hat dich gegen den Spiegel gestoßen, der daraufhin übrigens zerbrochen ist, weißt du noch? Dich sollte diese Narbe eigentlich daran erinnern. Wenn ich damals nicht gewesen wäre-"
"Ist gut!" Gereizt stand Jungkook auf. Er nahm sich einen Kieselstein vom Weg und warf ihn in den modrigen Teich.
Taehyung lehnte sich zu mir rüber und sprach etwas leiser.
"Er glaubt immernoch, dass es nicht Yoongis Schuld war. Damals hat dieser übrigens noch sowas geschrien wie, 'nein' und dass er damit aufhören sollte, total bescheuert." Er schüttelte ungläubig den Kopf.

Erst jetzt war mir die kleine Narbe auf Jungkooks linker Wange aufgefallen. Sie war kaum sichtbar, doch wenn man danach suchte, fand man sie sofort.
Taes Worte gingen mir noch einmal durch den Kopf. Ich hatte schon mehrmals erlebt, wie Yoongi handgreiflich oder laut wurde, doch als homophob hatte ich ihn nicht eingeschätzt. Hatte er tatsächlich etwas gegen Schwule? Wenn ja, standen meine Chancen mit ihm befreundet zu sein relativ schlecht.

"Was ist mit seinem Kumpel passiert?" Alles war irgendwie sehr schwammig und mir suspekt, denn nichts hatte irgendwie Anfang und Ende.
Mein Nebenmann biss sich auf die Lippe.
"Der wurde.. Überfahren."
Lang hielt die Pause zwischen seinen Worten nicht an.
Vielleicht litt Yoongi unter so etwas, wie einem Trauma und ließ deswegen nur schwer jemanden an sich ran.
"Du siehst ja, dass es mit ihm von Zeit zu Zeit schlimmer wird. Er will niemanden um sich haben und kämpft fast schon krankhaft darum, alleine zu sein. Wir wollen nur nicht, dass er dir etwas antut."

Was wiederum auch nur ein kalter, umformulierter Befehl war, mich von ihm fernzuhalten. Mein Kopf brauchte etwas, um die neuen Informationen zu verarbeiten.
Min Yoongi. Diese einfachen zwei Wörter, Namen, gingen mir wohl nie wieder aus dem Kopf. Obwohl mich diese Geschichte hätte abschrecken sollen, ließ sie mein Mitleid und meinen Beschützerinstinkt um ein vielfaches steigen.
Warum wollte ich diesem Kerl nur so dringend helfen?

***************************

Jungkook und ich liefen die Straße hinunter. Er hatte sich bereiterklärt, mich nach Hause zu bringen, nachdem die beiden mich noch ein bisschen über mich ausgefragt hatten. Inzwischen war es dunkel geworden und die Straßenlaternen beleuchteten unseren Heimweg.

"So, hier muss ich rein. Wir sehen uns dann am Montag in der Schule." Wir blieben an einer Kreuzung stehen.
"Klar, schlaf gut." Flüsterte ich und verabschiedete mich. Nun war ich allein. Doch das sollte noch nicht alles vom Tag gewesen sein.

Mit regelmäßiger Schrittfolge folgte ich der kaum befahrenen Straße, bis ich in eine dunkle Gasse einbog. Zu meiner Rechten waren viele Hintertüren von Geschäften oder Resturants aneinandergereiht. Vor einem der vielen Häuser standen zwei Personen. Anscheinend stritten sie miteinander, was ich kurz danach auch mitbekam.

"Hör auf mir in den Arsch kriechen zu wollen! Jeder kennt dich und hasst dich hier, du vertreibst meine Kunden!" Der Italienische Akzent war zwar ungewöhnlich für diese Gegend, passte aber zum Feinschmecker-Bauch und der weißen Schürze.
"Sie könnten doch jede helfende Hand gebrauchen, ich brauche auch nur einen Tageslohn!" Als ich die Stimme erkannte, blieb ich wie angewurzelt stehen.

"Los Junge, hau ab. Ich weiß, dass du es nicht leicht hast, aber das kann ich echt nicht verantworten. Niemand mag dich hier." Sprach er, bevor er durch eine der Hintertüren verschwand.
Es war Yoongi. Seine Statur, seine Stimme und die Kleidung, die er trug, alles hatte sich in meinem Kopf festgehakt.

Nachdem er eine Zeit lang Inne gehalten hatte, drehte er sich wutentbrannt um und trat auf die Mülltonne neben sich ein. Er ließ erst von ihr ab, als der gesamte Inhalt verstreut auf dem Boden lag. Er hatte wohl tatsächlich vorgehabt, Geld zu beschaffen.
Ich löste mich aus meiner Schockstarre und lief auf ihn zu. Yoongi hockte sich hin und raufte sich die Haare. Hilflosigkeit und Panik waren ihm anzusehen.

Kurz vor ihm blieb ich stehen, er hatte mich noch nicht bemerkt. Mein Gewissen sprach immer wieder auf mich ein, befahl mir abzuhauen, wegzurennen. Doch geistesgegenwärtig legte ich meine Hand auf seine Schulter und wollte einen Satz beginnen, als er plötzlich, wie aus dem Nichts aufsprang und mich mit dem Unterarm am Hals gegen die nächstbeste Wand knallte.

"Was machst du hier? Wo ist deine Mama, hm? Du solltest wissen, dass man sich nicht alleine draußen rumtreiben sollte."
Seine Stimme ließ mich zusammenzucken. Er platzierte seine Hand auf meiner Brust, hielt mich so zurück und zog mich mit der anderen an den Haaren an sich heran, sodass meine Stirn die seine berührte.
"Wie viel hast du gesehen? Was soll ich dir geben, damit du einfach alles vergisst und es nicht wie ein Vollidiot jedem erzählst? Dafür hast du ja bei deiner Clique ordentlich an Anerkennung gewonnen mit der Situation von Gestern Morgen, richtig?"

Seine Stimme schnitt wie tausend Dolche durch meinen Mut und meine Selbstsicherheit. Seine Augen waren weit aufgerissen und der Hass den die dunkelbraune Farbe darin ausstrahlte, ließ mich innerlich umso mehr schrumpfen. Dennoch war mein menschlicher Verstand wohl noch nicht ganz auf seinem höchsten Punkt.
"Dein Handy." Zu meinen Lippenbewegungen kam kaum ein passender Ton.
"Mein Handy?!" Seine Stirn legte sich in Falten.
"Lass mich dir meine Nummer geben."
"Ich habe kein Handy." Anders als ich, war er wohl ganz klar und deutlich bei Verstand.
"Achso, und das in deiner Hosentasche ist Pappe?" Vor Augen hatte ich mir schon meinen Sarg ausgemalt, wie konnte ich nur so patzig sein? Doch zu meiner Verwunderung hielt er kurz Inne und betastete seine eben genannte Tasche und holte ein schwarzes Smartphone hervor. Nahezu prüfend starrte er in meine Augen. Ich hätte schwören können, dass er meine Emotionen hätte lesen können, denn nichts als Ehrfurcht war mir ins Gesicht geschrieben.

"Du musst gucken, ob es noch richtig funktioniert."
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Ich bin's nochmal~
Habt ihr -minholly zu verdanken hehe

Es tut mir leid. Aber Memel macht mich fertig<3
Schöne(n) Morgen/Nachmittag/Nacht noch ^3^

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