#4 Come back

Pov Yoongi

Schmerzerfüllt hielt ich meinen Unterarm in das kalte Wasser des Flusses. Dieser Penner hatte es heute wirklich drauf angelegt. Selbst im nahezu schwarzen Wasser der Nacht sah ich deutlich die rot-blauen Verfärbungen unter der Haut.

Orientierungslos schaute ich mich um. Eine kleine Straßenlampe beleuchtete sperrlich den unteren Teil der Brücke.

Mein Leben lief mehr als bergab. Nicht nur, dass ich mich um ein Dach über dem Kopf sorgen musste, sondern auch, dass nach einigen Jahren irgendein Idiot Interesse an mir zeigte und mich nicht mehr aus den Augen ließ. Wie mich das nervte. Durch diesen Jungen würde ich noch den letzten Rest Respekt an der Schule verlieren. Wieder würde ich Leute an meiner Seite haben und wieder würde ich dadurch Panikattacken bekommen.

Ehe ich weiter denken konnte, hörte ich bekannte Stimmen, die ich jedoch so schnell nicht zuordnen konnte. Doch näher, als mir diese schon waren, bemerkte ich andere Stimmen - fremde. Da ich mit dem Rücken zum Gehweg hockte, blieb mir nichts anderes übrig, als mir die Kapuze meiner Schwarzen Stoffjacke überzuziehen und zu hoffen, dass sie mich als irgendeinen Obdachlosen ansahen. Hätte ich mir diesen Wunsch doch nicht erlaubt.

Die Gestalten liefen also hinter mir lang.
"Nicht im Ernst?"
"Doch! Ich schwöre bei Gott!"
"Jungs, Jungs, guckt mal hier."
Fuck.
Ich hörte wie einer, der wahrscheinlich drei Jugendlichen, sich mir näherte.

"Hey du! Kein Zuhause?" Als ich weiter hinter mir zustimmendes Gelächter hörte, rollten meine Augen fast von allein den oberen Rand meiner Augen entlang. Dieses typische Dreiergespann von einem Anführer-Trottel und zwei Idioten, die über jeden trockenen Furz lachten.

"Haltet den Rand und verschwindet einfach." Meine Stimme hatte nicht einmal den Hauch einer Männlichkeit und das ganze war mir im selben Moment extrem peinlich.
"Yoongi? Hah, außerhalb der Schule wirst du wohl zum Mädchen, was?" Was sich dieser Schwachkopf auf einmal erlaubte.

Doch noch bevor ich meine Wut in einen Konter wandeln konnte, spürte ich einen starken Tritt in meinem Kreuz. Ich konnte mein Gewicht nicht halten, da ich sowieso schon zu nah am Ufer stand, wodurch ich wie ein Stein in das kalte Wasser kippte.

Durch den Schock der Kälte fiel mein Herzschlag für einen Moment aus. Aus Reflex öffnete ich meine Augen. Verschwommen, alles war dunkel.
Ich bekam Panik.
Schon früher war ich kein guter Schwimmer, was mir jetzt zum Verhängnis wurde. Angsterfüllt schlug ich um mich, versuchte die Oberfläche zu erreichen, welche mir etwas heller vorkam als die komplette Dunkelheit unter mir. Ich schluckte mehrmals Wasser, bevor ich die Oberfläche wieder erreichte.

Noch bevor ich nachdenken konnte, zog mich jemand an meiner Jacke nach oben. Mehrere Hände griffen sich in meiner Jacke fest und gemeinsam schafften sie es meinen herumzappelnden Körper aus dem Wasser und über die Uferkante zu ziehen.
Zugegeben, ich war nicht schwer. Auch nicht der größte, was die Sache wohl vereinfachte.

Kurz nach dieser Aktion drehte ich mich blitzartig um, um die Gesichter der Hände zu sehen, worauf ich gleichzeitig panisch versuchte mich von diesen zu entfernen.

"Jimin, komm zurück."

Sagte der mir bekannte Junge ruhig, als er mich erkannte und zog seinen Bruder etwas zurück. Sein warnender Blick lag die ganze Zeit auf mir, ließ mich jedoch kalt.

"Jishit." Scharf sog ich die kalte Abendluft ein.

"Bist du okey?" Anders als sein Körper, zitterte seine Stimme. Wahrscheinlich war er selbst nicht sicher, wie er die Situation deuten sollte. Seine Augen waren weit aufgerissen und vielleicht war seine Frage ernst gemeint. Doch ich machte keine Anstalten sie zu beantworten.

"Verschwinde." Zischte ich.
Langsam kam der jüngere wieder in die Realität zurück. Zögernd rappelte er sich auf, beide starrten mich an. Hoseoks Augen hatten sich nicht verändert. Mit dem selben finsteren Blick versuchte er mich zu durchbohren.

Noch immer standen die Parks vor mir und noch immer wollte mein Körper nicht aufhören zu zittern. Von meinen Strähnen fielen fast regelmäßig durchsichtige Tropfen ab, worauf ich ein paar mal blinzelte und meinen verärgerten Blick von Jimin abwandte. Es hatte nun eher den Anschein einer Situation zwischen Ehepaar und Hund, der soeben die Couch auseinander genommen hatte. Herrchen waren geschockt und Hund guckte erniedrigt zu Boden.

Ich wollte nicht, dass er mich so sah. Ich wollte nicht, dass er mich schwach sah. Am Ende dachte er höchstwahrscheinlich noch, dass ich schwach und hilflos war.

"Sag, kann ich dir irgendwi-"
"Verschwinde! Lass mich in Ruhe, ein für allemal!" Meine Aggressivität stieg um ein Vielfaches, sobald er sich in meiner Nähe aufhielt oder ich seine Stimme hörte. Warum konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen?

"Ich will nie wieder auch nur im Ansatz einen Mucks von dir hören, wenn du mich siehst. Hat dir niemand ges-"
"Entschuldigung." Unterbrach er mich, verbeugte sich tief und stolperte an mir vorbei - Hoseok ihm hinterher.

In mir regte sich kein Muskel und ich guckte ihnen nicht hinterher. Erst als ich mir vollkommen sicher war, dass sie weg waren, ließ die Anspannung nach und meine unregelmäßige Atmung normalisierte sich.
Ich zog, immer noch zitternd, meine Knie an mich heran, schlang meine Arme um sie und vergrub meinen Kopf praktisch in meinem Schoß.

Warum musste alles so ablaufen, warum konnte nicht einmal etwas in meinem Leben richtig laufen? Ich hatte, bis ich Geld hatte, kein Zuhause mehr, meine Würde existierte für Jimin nicht mehr und meine Sachen waren nass.

Ich drehte meinen Kopf zur Seite und blickte in das Lichtermeer auf der anderen Seite des breiten Flusses.
Als sich meine müden Augen schlossen, kam es ganz verängstigt über meine Lippen.

"Komm zurück."

*************************

Ich hatte meine Jacke zum Anfang der Stunde auf die wärmende Heizung unserer Klasse gelegt, um auch noch das letzte Bisschen Feuchtigkeit in ihr herauszuziehen. Ich war zur Schule gegangen, wahrscheinlich weil es der einzige Ort mit Wärme war, den ich noch besuchen konnte.

Um mal nicht zu erwähnen, dass mir recht kalt war, wie ich dort in meinem weißen Shirt und der zerrissen Jeans saß, wusste ich sowieso nicht, wie ich die letze Nacht überlebt hatte. Und ich weder ins Wasser gefallen, noch erfroren war.

Mit monotonem Gesichtsausdruck kam Park Jishit dann auch schon durch die Tür gestolpert. Rempelte ein paar Schüler an, bei denen er sich mit einer Handgeste und einem verschwitzten Lächeln entschuldigte, doch sein Gesichtsausdruck verfiel wieder in die gleichen Züge. Er versuchte mich nicht anzusehen, setzte sich normal hin und packte seine Sachen aus.

Pov Jimin

Ich hatte ihn gesehen, ich hatte gesehen, dass er seine Jacke über die Heizung gelegt hatte und ich hatte gesehen, dass selbst seine Kleidung noch feucht war. Und es tat mir leid. Ich wollte ihm helfen, ich hatte die Mittel, doch war zu schüchtern und er zu verschlossen.

Dann, nach einer Weile, platzte es aus mir heraus, jedoch flüsterte ich, um die Lebensgeschichten unseres Lehrers nicht zu stören.
"Hast du die ganze Nacht draußen verbracht?"
Leicht lehnte ich mich zu ihm rüber, keine Ahnung, woher dieser Mut auf einmal kam. Er presste die Lippen aufeinander und drehte sich in meine entgegengesetzte Richtung.

Ich konnte mir nicht ansatzweise vorstellen, wie er die Nacht verbracht hatte. Es war kalt, dunkel und feucht, wie packte er das alleine?
Doch meine Frage beantwortete sich eigentlich schon von selbst, als ich bemerkte, dass seine Klamotten die Gleichen, wie Gestern waren. In dem Moment hatte er vielleicht sogar Glück, dass sich niemand um ihn kümmerte, da mir jetzt erst auffiel, dass er seine Uniform nicht anhatte.

Frustriert seufzte ich.
War ich wirklich so nervtötend? Ich wusste ja, dass ich nerven konnte, aber wenn man sich sorgen um jeman- Sorgen? Machte ich mir sorgen um ihn? Dass ich ihm gestern zu Hilfe gekommen war, war Teils nur aus Reflex, mir war noch nichtmal bewusst, dass es Yoongi war und dennoch hatte ich tief in meinem Gewissen verankert, dass er nicht nach Hause konnte - Schon am Nachmittag.
Er wirkte außerhalb der Schule so hilflos und ungeschützt, dass ich auf ihn acht geben wollte. Ja, ich denke so konnte man es ganz gut beschreiben.

Ich wurde ungewollt aus meiner Gedankenwelt gezerrt, als der fünfundsechzig jährige Lehrer die Klasse befragte, wer denn wohl ein bestimmtes Stück am Piano spielen konnte. Doch ganz so ungewollt, war das Ganze dann doch nicht.
Neben mir regte sich etwas, Yoongi blickte auf. Er ließ sich die Frage sichtlich noch einmal durch den Kopf gehen und meldete sich danach zögerlich, wobei er der einzige unter neunundzwanzig Schülern war.

Der Fragende sah ihn, wandte seinen Blick jedoch schnell wieder ab und fügte hinzu: "Schade, na dann wollen wir uns auch nicht damit aufhalten.", was für mich eher hieß, dass er sich lieber nicht mit Yoongi aufhalten wollte. Ich war entsetzt, was man an meinem offenen Mund sehr gut erkannte.

Dann geschah etwas, was ich nicht erwartet hatte.
Der, der sich eben noch gemeldet hatte, drehte sich nun in meine Richtung, führte seine Hand unter mein Kinn. Doch die zärtliche Bewegung war sogleich wieder vorbei, als er mein Kinn mit einer ruckartigen Bewegung hochdrückte und so meinen Mund schloss. Gleich danach stützte er seinen Kopf auf dieser gerade benutzten Hand wieder ab.

"Du musst noch viel lernen."
Gab er brummend von sich. Diesmal mit einer Ruhe, die man seiner Stimme nicht zugetraut hätte.
"Was denn zum Beispiel?" Fragte ich charmant nach und war relativ schnell davon überzeugt, dass er das falsch aufnehmen würde.
"Zum Beispiel, Leute in Ruhe zu lassen."

Zack! Da war sie wieder. Diese trockene und halbherzige Art. Neben ihm guckte ich verdutzt aus der Wäsche. Ich stieß mir selber gegen die Stirn, als ich mich von ihm abwandte. Was hatte ich mir dabei gedacht? Ich war tatsächlich darauf reingefallen und glaubte, dass er sich mir gegenüber so anders verhielt, dass er sich mir mit einem Mal öffnete.
Dieser Junge sollte mich noch um den Verstand bringen.
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Ayoo~
Ich will, dass 2016 endlich vorbei ist meh._.
Naja, viel Spaß hierbei.
Ich freue mich über und bedanke mich für jedes Kommentar, Voting etc~

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