Kapitel 56: Blind vor Wut

Yoongis Sicht:

Jeongguk bricht plötzlich zusammen und beginnt bitterlich zu weinen. Er fällt hart auf die Knie und verdeckt sein Gesicht mit seinen Händen, während er sich zusammenkrümmt. Mein Herz setzt mehrere Schläge aus und ich versuche mich aus meinen Fesseln zu lösen, jedoch bereitet mir dies nur noch weitere Schmerzen. Die anderen fangen an zu schreien, während dieser blauäugige Kerl zu uns rüber rennt und beginnt Jimin und Namjoon von den Fesseln zu lösen. Sie rennen sofort zu Jeongguk und reden auf ihn ein, aber er reagiert nicht auf die beiden, sondern weint nur noch stärker und lehnt sich gegen Namjoons Brust, der ihn sofort in die Arme schließt.

Was zur Hölle ist in diesem Raum passiert?

Nach wenigen Sekunden löst mich der Kerl aus meinen Fesseln, wodurch ich ruckartig aufstehe und ihn feindselig anstarre. Die anderen Jungs bleiben mit etwas Abstand vor Jeongguk stehen, da sie ihn nicht bedrängen wollen. Was hat dieser Bastard ihm angetan? Jeongguk hat genug in diesem Experiment gelitten und ich befürchte, dass er es geschafft hat, ihn endgültig zu zerstören. Dieser Wichser besitzt auch noch die Frechheit Jeongguk anzuschauen und wenn ich mich nicht täusche, strahlt etwas Mitleid aus seinen Augen. Warum sollte ER Mitleid mit ihm haben? Er hat den Kleinen gezwungen, in diesen Raum zu gehen.

"Hey, what happened!?", fauche ich ihn an und schubse ihn etwas nach hinten, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.

Seine blauen Augen durchbohren mich und er spannt seinen gesamten Körper an. Mehrere Sekunden sagt er nichts, aber als er merkt, dass ich meinen Blick nicht von ihm abwende und nicht locker lassen werde, seufzt er und richtet seine Skimaske, die nicht mehr richtig sitzt, weil ich seinen Hals sehen kann. Hat er die etwa abgenommen, als er im schwarzen Raum war?

"His friend... died", beantwortet er meine Frage zögerlich und seine fühlen sich wie ein Schlag in die Magengrube an.

"What? How?", kommt es aus mir geschossen und meine Augen weiten sich schlagartig.

"It was an overdose and his body finally gave up after everything. I didn't understand what they were talking about, but he obviously regrets what he said to him", erzählt er weiter und senkt seinen Kopf, da er mir nicht mal mehr in die Augen schauen kann.

"Nein... Das kann nicht wahr sein", murmle ich und wende mich abrupt von ihm ab, um zu Jeongguk zu eilen und mich zu ihm auf den Boden zu knien.

Sein heftiges Schluchzen hat aufgehört, aber er klammert sich fest an Namjoon und weint im Stillen vor sich hin. Sein Gesicht ist von Tränen übersät und seine Augen haben ihren kompletten Glanz verloren. Als wäre er nur noch der Schatten seiner Selbst. Mein Herz zerbricht, wenn ich ihn so sehe. Vorsichtig lege ich meine Hand auf seinen Rücken und streichle drüber.

"Jeongguk... Ist es wahr? Ist Yunho tot?", frage ich ihn leise und bekomme erst keine Reaktion, bevor er leicht nickt.

Namjoon schaut mich schockiert an und ich höre, die anderen nach Luft schnappen. Jimin fängt an zu weinen und schmeißt sich zu uns auf den Boden, um Jeongguk zu umarmen, der keine Miene verzieht und in die Leere schaut.

"Hat dieses Arschloch ihn umgebracht?", möchte Jin wissen und zeigt auf das Arschloch hinter uns, der einfach nur noch da steht und uns beobachtet.

"Why is he pointing at me?", fragt dieser Idiot und legt seinen Kopf schräg.

Jeongguk schüttelt ruckartig den Kopf und drückt uns alle von sich weg, um den Blauäugigen mit toten Augen anzuschauen. Dieser schluckt hart und senkt den Kopf. Der Jüngste steht mit wackeligen Beinen auf und taumelt auf ihn zu. Irritiert runzle ich die Stirn und weiß nicht, was er vor hat. Er läuft an Hoseok und Taehyung vorbei, aber stolpert über seine eigenen Beine. Taehyung fängt ihn ruckartig auf und hält ihn auf den Beinen.

"Was machst du?", fragt Hoseok ihn besorgt und möchte ihn vom weitergehen abhalten, aber Jeongguk löst sich von ihren Griffen.

Er geht weiter auf diesen Schrank zu und bleibt dann genau vor ihm stehen. Er hebt seine Hand und haut ihm mit der Faust leicht gegen die Brust. Jeongguk kann sich dabei nicht richtig auf den Beinen halten und verliert sein Gleichgewicht, jedoch fängt der Kerl ihn überraschenderweise auf und der Kleine sackt in sich zusammen und hängt diesem riesigen Kerl in den Armen. Er krallt sich mit beiden Händen in den schwarzen Stoff und schubst ihn mit seiner ganzen übriggeblieben Kraft nach hinten.

"Wieso hast du mich in diesen Raum gelassen?! I-Ich... Ich... Ich habe ihn mit meinen Worten den letzten Messerstich ins Herz verpasst! Ich habe ihn in diesem Raum zurückgelassen und weiß nicht mal, was ihr mit ihm macht! Was soll ich ohne ihn machen?! Ihr habt mir meinen besten Freund weg genommen!", schreit er ihn an und rauft sich mit beiden Händen durch die Haare.

Der Typ rührt sich nicht und schaut zu Boden, da er offensichtlich nicht in Jeongguks Gesicht schauen kann. Der Jüngste hat die Augen weit aufgerissen und lässt sich langsam zu Boden sinken, während er sich selbst über den Kopf streichelt und tief Luft holt. Es schmerzt so sehr, ihn so zu sehen. Zögerlich nähere ich mich dem Kleinen und knie mich vor ihm hin. Jeongguk stoppt in seinen Bewegungen und sieht mich ausdruckslos an.

In diesem Moment scheint die Zeit stillzustehen. Die Luft im Raum ist schwer von Verzweiflung und Trauer, und jeder Atemzug fühlt sich wie eine Qual an. Jeongguk sieht so zerbrechlich aus, als würde er im nächsten Augenblick in tausend Stücke zerfallen. Sein Anblick lässt einen Kloß in meinem Hals entstehen, doch ich versuche, ruhig zu bleiben. Vorsichtig lege ich meine Hände auf seine Schultern, um ihn zu stützen und ihm zu zeigen, dass er nicht allein ist.

"Jeongguk, wir sind hier. Du bist nicht allein", sage ich sanft und wandere mit meiner rechten Hand zu seiner Wange, um über diese zu streicheln.

"Ich bin nicht allein? Wen habe ich denn noch, falls wir dieses Experiment jemals verlassen? Ihr geht alle nach Hause und trefft auf eure Freunde und Familie. Ich habe niemanden. Also sag mir nicht, dass ich nicht allein bin", gibt er im bitteren Ton von sich und bohrt seine Finger in mein Handgelenk.

"Wir werden-", versuche ich zu erwidern und verziehe das Gesicht, da sein Griff immer fester wird.

"Denkst du wirklich, dass DU mich trösten könntest? Yunho ist tot. TOT! FUCK! ICH HABE IHN UMGEBRACHT! I-Ich hätte einfach mit ihm gehen sollen. Wieso muss ich das Wohlergehen anderer immer über meins stellen? Nur wegen meiner dummen Entscheidung ist er jetzt tot. ICH HÄTTE EUCH NICHT ÜBER IHN STELLEN SOLLEN!", rastet Jeongguk komplett aus und bringt mich dazu, mich verängstigt von ihm loszureißen und hektisch nach hinten zu rutschen.

"Jeongguk, beruhig dich!", ruft Namjoon entsetzt und zieht mich am Arm hoch, um mich hinter ihn zu ziehen.

"HALT DEINE VERDAMMTE FRESSE! DU HAST MIR GAR NICHTS ZU SAGEN!", brüllt Jeongguk und zittert vor Wut, während er aufsteht und uns mit hasserfüllten Augen anstarrt.

"Wir können nichts dafür, dass sie Yunho auf den Gewissen haben. Lass deine Wut nicht an uns raus. Du machst den anderen Jungs Angst", sagt Namjoon im ruhigen Ton und geht einen Schritt auf ihn zu, aber Jeongguk schnappt sich ruckartig einen Holzstuhl und schmeißt ihn mit voller Wucht vor Namjoon auf den Boden.

Die Holzbeine brechen mit einem lauten Krach ab und Holzspähne fliegen durch die Luft. Namjoon erschreckt sich und stolpert nach hinten, wodurch er gegen mich knallt. Ich halte ihn fest, damit er nicht fällt und spüre mein Herz heftig gegen meinen Brustkorb klopfen. Ich höre die anderen Jungs hinter mir wimmern, jedoch kann ich meinen Blick vom wutentbrannten Jeongguk nicht abwenden.

"Fass. Mich. Nicht. An", kommt es beinahe flüsternd aus ihm.

Der Raum fühlt sich plötzlich wie ein Pulverfass an, das kurz vor der Explosion steht. Jeongguks gebrochene Stimme, die sich in einem gefährlichen Flüstern verliert, hallt in der bedrückenden Stille wider. Niemand wagt es, sich zu bewegen. Die Anspannung ist greifbar, als wären wir alle in einem Netz aus Wut, Schmerz und Schuldgefühlen gefangen, unfähig, uns zu befreien.

Jeongguk steht da, seine Schultern heben und senken sich schwer, und in seinen Augen tobt ein Sturm aus Verzweiflung und Zorn. Er sieht uns an, als wären wir Fremde, als hätten wir ihm etwas Unverzeihliches angetan. Und vielleicht haben wir das auch. Ich weiß nicht mehr, was richtig oder falsch ist. Alles, was ich sehe, ist ein gebrochener Junge, der gegen die Dunkelheit in sich ankämpft – eine Dunkelheit, die ihn zu verschlingen droht.

Namjoon will etwas sagen, vielleicht um die Situation zu entschärfen, aber ich halte ihn am Arm zurück. Jeongguk ist wie eine tickende Zeitbombe, und ich weiß, dass jedes falsche Wort ihn nur noch weiter in den Abgrund treiben könnte. Stattdessen wende ich mich langsam zu den anderen um, meine Gedanken rasen. Wir müssen ihn irgendwie beruhigen, bevor etwas Schlimmeres passiert.

"Jeongguk... Wir sind bei dir. Egal, was du denkst – wir lassen dich nicht allein. Es tut mir leid, was passiert ist. Wirklich. Aber wir müssen einen Weg finden, das hier gemeinsam zu überstehen“, wage es noch einmal, meinen Blick auf ihn zu richten, meine Stimme so ruhig wie möglich.

Er starrt mich an, als ob er die Worte kaum wahrnimmt, aber für einen Moment flackert etwas in seinen Augen. Ein winziger Funken von irgendetwas – vielleicht Hoffnung, vielleicht einfach nur Erschöpfung. Doch bevor ich weiterreden kann, hebt er wieder die Hand und zieht die Finger in eine Faust, seine Lippen zittern vor unterdrückter Wut.

"Hör auf. Du verstehst es nicht. Niemand versteht es. Und wenn ihr es versucht, macht es nur alles schlimmer", flüstert er, die Worte brechen rau aus seiner Kehle.

Jimin tritt zögerlich einen Schritt nach vorn, Tränen laufen unaufhaltsam über seine Wangen.

"Jeongguk, wir... wir können Yunho nicht zurückholen. Aber wir sind immer noch hier. Für dich. Bitte, lass uns dir helfen", fleht er ihn beinahe an.

Jeongguk wirbelt plötzlich herum, seine Augen funkeln gefährlich, als er auf Jimin zeigt.

"Ihr habt zugesehen, wie ich ihn verloren habe! Wie wollt ihr mir jetzt helfen?“, kommt es verächtlich aus ihm.

Jimin weicht einen Schritt zurück, als ob ihn Jeongguks Worte körperlich getroffen hätten. Verzweiflung liegt in seinen Augen, doch er sagt nichts mehr. Ich kann den Schmerz in uns allen spüren, aber bei Jeongguk ist es, als hätte der Schmerz eine neue Gestalt angenommen – eine, die alles um ihn herum zerstören will.

Der Mann mit den blauen Augen, der alles still beobachtet hat, macht plötzlich einen Schritt vorwärts, als wolle er eingreifen. Aber Jeongguk sieht ihn scharf an und hebt drohend die Hand.

"And you... don't you dare take one step closer", zischt er ihn an.

Es herrscht erneut Schweigen. Der Mann bleibt regungslos, aber ich sehe, wie sich seine Kiefermuskeln anspannen. Es ist klar, dass er genauso in diesen Albtraum verstrickt ist wie wir. Doch das ändert nichts an Jeongguks Wut.

Die angespannte Stille zieht sich endlos in die Länge, und jeder Atemzug fühlt sich an, als könnte er der letzte sein, bevor etwas Unkontrollierbares passiert. Jeongguks Augen lodern vor unterdrückter Wut, und niemand wagt es, sich zu bewegen. Es ist, als ob der gesamte Raum unter seiner Anspannung knirscht, jeder von uns gefangen in der Dunkelheit, die ihn umgibt.

Der Mann mit den blauen Augen hält inne, seine Hände leicht erhoben, als wollte er zeigen, dass er keinen Schaden anrichten will. Doch Jeongguk lässt ihn nicht aus den Augen. Jede kleine Bewegung scheint ihn nur weiter zu provozieren.

"Ihr alle habt keine Ahnung, was ich durchgemacht habe. Ihr redet immer davon, dass wir das gemeinsam durchstehen. Aber das hier? Das kann niemand von euch verstehen" zischt Jeongguk, seine Stimme brüchig, doch von einer verzweifelten Entschlossenheit durchzogen.

Er lässt seinen Blick über jeden von uns gleiten, seine Augen voller Bitterkeit.

"Ihr habt eure Familien, eure Freunde… Aber ich? Wer ist noch für mich da? Yunho war der Einzige, der mich wirklich verstanden hat. Und jetzt ist er weg!“, spricht er weiter und in mir schmerzt es nur noch.

Jimin versucht erneut, etwas zu sagen, doch Jeongguk schneidet ihm das Wort ab, bevor er überhaupt die Chance hat.

"Sag nichts! Keiner von euch kann irgendwas sagen, was das hier besser macht!“, seine Stimme wird lauter, seine Hände zittern, als ob er selbst die Kontrolle über sich verliert.

Namjoon, der immer noch ruhig geblieben ist, tritt vorsichtig einen Schritt vor.

"Jeongguk, du musst nicht alleine durch das alles gehen. Ja, wir verstehen nicht alles, aber wir sind trotzdem hier. Wir sind deine Freunde. Lass uns dir helfen", erwidert er und ich bin erstaunt, dass er so gefasst bleiben kann in dieser Situation.

Jeongguks Augen verengen sich, als ob Namjoons Worte ihn nur noch mehr auf die Palme bringen.

„Freunde? Wirklich? Wir kennen uns seit ein paar Tagen. Ihr könnt niemals die Freundschaft zwischen mir und ihm ersetzen“ Seine Stimme bricht kurz ab, bevor er sie mit einem Zucken seiner Schultern wiederfindet. „Ihr habt mich am Anfang alle gehasst."

Die Worte treffen uns hart, und für einen Moment scheint es, als wäre alles, was zwischen uns war, in einem Augenblick zerbrochen. Aber Namjoon gibt nicht auf. Er senkt die Stimme, fast so, als würde er versuchen, durch die Wut hindurch zu Jeongguk vorzudringen.

„Wir haben Fehler gemacht, Jeongguk, aber das bedeutet nicht, dass wir nicht hier sind. Sein Tod ist nicht deine Schuld.“

„Nicht meine Schuld?“ Jeongguk lacht bitter auf, und das Geräusch schneidet durch den Raum wie ein Messer. „Wenn ich gegangen wäre, wäre er vielleicht noch hier. Ihr könnt mir nicht sagen, dass das nicht meine Schuld ist.“

Es gibt nichts, was wir in diesem Moment sagen können, das ihn erreichen könnte. Sein Schmerz ist zu tief, seine Wut zu groß. Und doch bleiben wir stehen, unfähig, uns zu rühren, gefangen in der Spirale seiner Verzweiflung.

Der Mann mit den blauen Augen, der immer noch schweigend am Rand steht, scheint etwas sagen zu wollen, doch er bleibt still. Vielleicht weiß er, dass es nichts gibt, was er sagen könnte, um Jeongguks Schmerz zu lindern. Vielleicht versteht er sogar, dass seine Anwesenheit die Situation nur noch schlimmer macht.

Jeongguk holt tief Luft, als ob er versucht, die Kontrolle zurückzugewinnen, doch es gelingt ihm nicht ganz. „Ihr versteht nichts. Keiner von euch versteht irgendwas.“

Er dreht sich abrupt um und läuft in Richtung Waschraum, seine Schritte fest und entschlossen, als hätte er genug von allem. Niemand wagt es, ihm zu folgen.

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