Kapitel 55: Versager
Das kann nicht wahr sein. Das ist ein Albtraum, aus dem ich nicht aufwache. Yunho liegt reglos vor mir, seine Haut wird schon kalt. Wie konnte es so weit kommen? Meine Finger zittern, während ich versuche, seinen leblosen Körper zu umfassen, als könnte ich ihn noch festhalten, als könnte ich ihn zurückholen. Aber er kommt nicht zurück. Er ist weg, und es ist meine Schuld. Heiße Tränen brennen in meinen Augen, laufen meine Wangen hinunter und tropfen auf sein stilles, friedliches Gesicht. Wie kann er so ruhig aussehen, wenn mein Inneres auseinanderfällt?
„Yunho...", kommt bloß ein raues Flüstern aus mir, das kaum lauter als ein Atemzug ist.
Ich fühle die Tränen, wie sie sich mit dem Schweiß auf meinem Gesicht vermischen, als ich mich über ihn beuge, ihm so nah wie möglich. Ich kann ihn nicht hier lassen. Ich kann ihn diesen Monstern nicht überlassen. Was würden sie mit ihm machen? Die Gedanken sind wie Rasierklingen, schneiden tief und unbarmherzig.
„Hey...", reißt mich eine Stimme aus dem Sturm meiner Verzweiflung.
Blauauge, mit dieser unverschämten Ruhe, die mich nur noch wütender macht. Er greift nach meinem Arm, doch bevor ich es richtig begreife, schlage ich seine Hand weg.
„No!", knurre ich tief und spüre meine Kehle vibrieren.
Ich kralle mich fester an Yunho, als würde er mir genommen werden, wenn ich loslasse.Meine Sicht verschwimmt, doch ich sehe sie deutlich genug... diese ekelhaften Kreaturen, die Yunho in seinen letzten Momenten gequält haben. Die Wut in mir brodelt wie Lava, bereit auszubrechen. Sie sitzen da, stumm, versteinert, weil sie Angst vor Blauauge haben. Aber in ihren Augen sehe ich nichts – keine Reue, nur Leere. Sie sind es nicht wert, auf dieser Erde zu bleiben. Sie verdienen es nicht, zu leben, während Yunho tot ist.
Blauauge spricht wieder, seine Stimme durchdringt den Nebel meiner Gedanken.
„Come on. We have to go", spricht Blauauge wieder, seine Stimme durchdringt den Nebel meiner Gedanken.
Er reicht mir die Hand, sieht mir tief in die Augen, als könnte er verstehen, was in mir vorgeht. Vielleicht tut er das sogar. Aber das ändert nichts.
„Okay," flüstere ich, doch es ist nur ein Täuschungsmanöver.
Als er mich hochzieht, spüre ich, wie die Wut in mir explodiert. Als er seine Hand zurückziehen möchte, lasse ich sie nicht los, sondern halte sie fest in meiner. Irritiert schaut er mich an und im gleichen Moment täusche ich an, mein Knie in seinen Schritt zu rammen. Er zuckt zusammen und ich zerquetsche mit meinen Fingern seinen Nerv zwischen Daumen und Zeigefinger. Sein Schmerzensschrei hört sich wunderbar in meinen Ohren an, als ich seinen Arm mit einem Ruck verdrege und ihn somit zu Boden zwinge. Ich beuge mich schnell vor und schnappe mir aus seiner Hosentasche die kleine Pistole. Danach trete ich ihm fest gegen den Brustkorb, sodass er nach hinten fällt und nach Luft ringt. Meine Finger schließen sich fest um den Abzug der Pistole, die sich sehr warm an meiner Haut anfühlt.
Ich drehe mich zu den beiden Arschlöchern, und alles um mich herum wird taub. Es gibt nur noch diesen einen Gedanken: Sie müssen sterben. Yunho liegt tot vor ihnen, und sie haben kein Recht zu leben.
Einer von ihnen schreit etwas, aber es ist mir egal. Der Knall der Waffe hallt in meinen Ohren wider, als ich abdrücke, und dann ist da nur noch Stille. Ein Körper sackt zusammen, Blut spritzt, und die Welt kippt kurz, als ich den Rückstoß spüre. Aber es reicht nicht. Der andere versucht zu fliehen, doch ich schieße wieder und wieder, bis er blutend am Boden liegt.
Plötzlich trifft mich etwas mit voller Wucht, und ich werde gegen die Wand geschleudert. Blauauge. Sein Gesicht ist verzerrt vor Wut, während er mir die Waffe entreißt.
„WHAT THE FUCK ARE YOU DOING!?", schreit er und hört sich so hohl in meinen Ohren an, als würde er aus weiter Ferne kommen.
Ich presse die Zähne zusammen, aber durch den Schmerz sehe ich ihn an, diesen Wichser, den ich in den Bauch getroffen habe.
„Hoffentlich stirbst du an deinen inneren Blutungen, du beschissener Wichser!", spucke ich das Blut aus, das mir im Mund zusammenläuft.
Der metallische Geschmack brennt auf meiner Zunge.
„NUMMER 7, VERLASSE SOFORT DEN SCHWARZEN RAUM!", dröhnt die Stimme des Professors aus den Lautsprechern, schneidet durch die Dunkelheit in meinem Kopf.
Blauauge packt mich, härter als zuvor, versucht mich wegzuschleppen. Ich wehre mich, schlage um mich, bis ich etwas Greifbares in den Händen halte – seine Skimaske. Mit einem Ruck reiße ich sie herunter.
Die Luft bleibt mir in der Kehle stecken, als ich sein Gesicht sehe. Vernarbt, zusammengeflickt, als wäre er in einem Albtraum von einem Chirurgen behandelt worden. Narben so rot und dick, die den Anschein machen, dass sie nie verheilen würden. Schweiß glänzt auf seiner Stirn, klebt seine blonden Haare fest. Für einen Moment stehen wir beide regungslos da, gefangen in diesem Blick.
Er hat das alles durchgemacht. Er hat mir bloß geholfen, weil er dieses Experiment überlebt hat. Diese Narben... Sie sind das Zeichen dafür. Ich starre ihn an, das Blut rauscht in meinen Ohren. Plötzlich fühle ich nichts mehr außer einem tiefen, kalten Schauer. Zitternd reiche ich ihm die Maske zurück, und er reißt sie mir hektisch aus den Händen, zieht sie über, als könnte sie ihn vor mir verstecken.
„Nummer 7, verlasse sofort den schwarzen Raum", wiederholt die Stimme.
Diesmal ist sie leiser, eindringlicher. Blauauge fasst meinen Arm fester, aber jetzt mit weniger Gewalt, und zieht mich zur Tür. Sie öffnet sich mit einem leisen Zischen. Er schubst mich durch, aber ich spüre, wie er selbst zittert.
Als ich die anderen sehe, bricht etwas in mir. Sie sitzen da, noch immer angekettet. Die Erleichterung in ihren Augen schmerzt.
„JEONGGUK! Was ist da drin passiert? Die Verbindung wurde abgebrochen, nachdem du rein gegangen bist!", sprudelt es aus Jin.
„Wir haben bloß laute Schüsse gehört. Geht es dir gut?", mustert mich Hoseok, sucht nach Verletzungen, während die anderen mich genauso intensiv anstarren.
„Was hat dieser Bastard mit dir gemacht?", fragt Yoongi wütend und sein Blick bohrt sich feindselig in Blauauge.
Sie wissen nichts? Ich will etwas sagen, ihnen erklären, was passiert ist, aber ich weiß nicht, wie. Wie könnte ich ihnen das erklären? Yunho ist tot, und ich habe Blut an meinen Händen kleben. Sie haben nichts davon mitbekommen. Sie wissen nicht, was ich getan habe. Wie sollte ich das je erklären?
Die Worte stecken mir im Hals, unerreichbar, als wären sie hinter einer Mauer aus Schmerz und Schuld eingeschlossen. Ich spüre die Blicke der anderen auf mir, aber es ist, als ob sie durch mich hindurchsehen würden. Meine Hände zittern unkontrolliert, und das Adrenalin, das mich bis jetzt aufrecht gehalten hat, beginnt nachzulassen. Die Realität schlägt mit voller Wucht zu.
Yunho ist tot und ich habe zwei Menschen gnadenlos erschossen. Ich bin ein Mörder, genauso wie diese Bastarde aus diesem Experiment.
Die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag in den Magen, raubt mir den Atem. Alles in mir schreit, versucht es zu leugnen, aber ich kann nicht weglaufen. Meine Beine werden weich, die Kraft verlässt mich. Der Boden unter mir scheint zu schwanken, und plötzlich ist alles zu viel. Die Stimmen um mich herum werden zu einem undeutlichen Murmeln, als ob sie aus einer anderen Welt kommen.
Ich spüre, wie meine Knie nachgeben. Meine Hände greifen ins Leere, versuchen, sich an etwas festzuhalten, aber da ist nichts. Mit einem dumpfen Geräusch falle ich zu Boden, die kalte Oberfläche drückt sich schmerzhaft gegen meine Knie. Ein heftiges Schluchzen bricht aus mir heraus, und ich kann es nicht mehr zurückhalten. Die Tränen, die ich so lange unterdrückt habe, strömen jetzt unaufhaltsam über mein Gesicht.
"Jeongguk!"
Jimins Stimme durchdringt das Rauschen in meinem Kopf, seine Hände greifen nach meinen Schultern, aber ich kann nicht reagieren. Alles, was ich fühle, ist der unerträgliche Schmerz, der in meiner Brust brennt, als ob mein Herz auseinandergerissen wird.
Ich hatte versprochen, Yunho zu beschützen. Doch jetzt liegt er tot in diesem Raum, und ich habe nichts tun können. Das Gewicht der Schuld drückt auf meine Brust, macht das Atmen schwer. Meine Finger krallen sich in den Boden, als könnte ich mich an der Realität festhalten, aber sie entgleitet mir.
Namjoons Stimme ist sanft, fast flehend. „Jeongguk, wir sind hier. Es wird alles gut." Doch seine Worte erreichen mich nicht. Wie könnte es jemals wieder gut werden?
Die Dunkelheit um mich herum scheint dichter zu werden, zieht mich hinein. Ich schließe die Augen, lasse die Tränen einfach laufen. Meine Schultern beben unter den Schluchzern, die ich nicht mehr unterdrücken kann. Die anderen reden weiter, versuchen mich zu beruhigen, aber ich bin längst fort.
Ich habe versagt.
Und mit diesem Gedanken, einer alles verzehrenden Erkenntnis, schwindet das letzte bisschen Kraft, das mich aufrecht gehalten hat. Mein Körper gibt nach, und ich lasse mich nach vorne sinken, bis mein Kopf den Boden berührt. Die Kälte des Bodens ist ein schwacher Trost, aber es ist das Einzige, was ich noch fühle.
Der Schmerz, die Schuld, die Trauer – alles verschmilzt zu einem lähmenden Dunkel. Und in diesem Moment, inmitten der Schreie und Tränen, breche ich vollständig zusammen.
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