Kapitel 51: Psychosen

Jeongguks Sicht:

Als die Lichter ausgeschaltet werden, bleibe ich als Einziger wach und sitze ruhig auf meinem Bett. Ich habe den ganzen 'Tag' über geschlafen, sodass ich kein Auge zudrücken kann. Es ist so still, dass ich die Lüftung an der Decke wieder hören und den schweren Atmungen der anderen Jungs lauschen darf. Hin und wieder wimmern die anderen in ihrem Schlaf und bewegen sich unruhig.

Mein ganzer Kopf dröhnt durch die ständigen Gedanken und Sorgen, die auf mich einprasseln. Ich weiß nicht, wie viele Menschen dieses Experiment unterstützen, aber es jagt mir eine riesige Angst ein, dass ihr Ziel ist uns nacheinander zu brechen. Bei mir haben sie es schon längst geschafft. Ich kann und will es auch nicht verleugnen, weil ich nicht mehr derselbe bin. Durch das Experiment habe ich alles verloren. Falls ich wieder in mein altes Leben zurückkomme, wird nichts mehr so sein wie vorher. Mein bester Freund, der wie ein kleiner Bruder für mich war und für den ich wirklich alles getan hätte, hat mich belogen und betrogen. Die Leere und Enttäuschung in mir sind nicht in Worte zu fassen.

Plötzlich schluchzt Taehyung rechts von mir auf, sodass ich in seine Richtung schaue, jedoch erkenne ich nichts durch die Dunkelheit. Ruhig bleibe ich sitzen und wende meinen Blick auch schon wieder ab. Der Professor hat mich wohl genug gebrochen, da er Taehyung jetzt vollkommen in die Mangel nimmt. Wir werden alle nacheinander komplett von ihm zerstört. Das ist wohl das Ziel und sie werden es höchstwahrscheinlich auch schaffen.

Taehyung wälzt sich hin und her und wimmert im Schlaf immer lauter. Unsicher taste ich in der Dunkelheit nach seinem Arm und als ich seine erhitzte Haut spüre, streiche ich sanft über diesen. Jedoch schreckt er dadurch aus seinem Schlaf und setzt sich auf. Er atmet schwer und streift sich die Decke vom Körper.

„Ich halte das nicht mehr aus", winselt er leise vor sich hin und mir schießen direkt die Tränen in die Augen, weil es mir ebenfalls so ergeht.

Meine Unterlippe fängt an zu beben und ich schließe meine Augenlider, aber einzelne Tränen bahnen sich auch schon ihren Weg über meine Wangen. Ich höre, wie der Ältere sich vor und zurückwiegt und über seine eigenen Arme streichelt, um sich zu beruhigen. Ich schniefe etwas und fahre mir schnell über die Wangen. Es bringt nichts mehr zu weinen, auch wenn mir die ganze Zeit danach ist.

„Denkst du, dass wir das alles überleben werden?", fragt mich Taehyung und man kann die Angst in seiner Stimme heraushören.

„I-Ich weiß es nicht", stottere ich und versuche den Kloß in meinem Hals runterzuschlucken.

„Wir werden bestimmt hier drin draufgehen... Vielleicht ist es auch gut so. Wie sollen wir denn unser Leben weiterführen, nachdem wir das alles erlebt haben?", flüstert er leise.

„Sag sowas nicht. Wir können froh sein, wenn wir das überleben", murmle ich ihm zu.

„Warum nicht? Ich kann mir doch nicht mehr einreden, dass alles gut wird. Wir werden sterben und niemand wird uns retten. Du weißt es doch selbst, dass das alles hoffnungslos ist. Dein eigener bester Freund hat dich an sie verkauft. Sie haben uns extra ausgesucht, weil uns niemand vermissen würde. Ich bin das schwarze Schaf der Familie und du hast nicht mal mehr eine. Wofür sollten wir noch weiterleben? Vielleicht... Vielleicht sollten wir es einfach selbst beenden. Wie wäre es? Im Duschraum gibt es Rasierklingen-...", wispert er vor sich hin und lässt mich an seinen dunkelsten Gedanken teilhaben, was mir eine Gänsehaut verpasst und mein Herz vor Furcht zum Rasen bringt.

„Hör auf! Du bist nicht klar bei Verstand!", unterbreche ich ihn ängstlich und haue ihm fest gegen die Schulter.

„Aber wir würden nicht mehr leiden, Jeongguk. Du könntest dann endlich wieder bei deiner Schwester sein. Wie hieß sie nochmal? Kairi? Ihr wärt dann für immer vereint und euch kann niemand mehr verletzen", sagt er in solch einem ruhigen Tonfall, dass sich alles in mir zusammenzieht.

„Nein, ich möchte das nicht", schüttle ich den Kopf und rücke etwas weiter von ihm weg, als ich merke, dass er mir näherkommt.

„Liebst du deine Schwester etwa nicht? Du solltest sie nicht allein lassen, Jeongguk. Wenn du dich nicht traust, kann ich dir auch helfen. Erst du und dann ich, okay? Hört sich doch nach einem guten Plan an. Ich mach auch ganz schnell, okay?", erwidert er mit einer ganz komischen Stimme und stürzt sich in der nächsten Sekunde mit seinem ganzen Körpergewicht auf mich.

Er schubst mich auf den Rücken und klettert über mich, um sich auf meinen Bauch zu setzen. Ich schreie lauthals los und versuche seine Hände wegzuschlagen, mit denen er über meine Brust bis zu meinem Hals wandert. Durch meine panischen Schreie werden die anderen auch wach und fragen hysterisch, was denn los sei.

„TAEHYUNG WILL MICH UMBRINGEN!", kreische ich schmerzerfüllt und spüre, wie er mir die Hände und Arme zerkratzt, damit ich meine eigenen wegziehe.

Auf einmal wird das Licht wieder eingeschaltet, sodass ich in Taehyungs weit aufgerissenen Augen schaue, die rot und angeschwollen sind. Ihm laufen Schweißtropfen und Bäche aus Tränen über das Gesicht. Schockiert rege ich mich nicht mehr und starre ihn an, wodurch er die Möglichkeit bekommt seine Hände, um meinen Hals zu legen und fest zu zudrücken. Ich gebe einen erstickten Laut von mir, der eigentlich ein schmerzerfülltes Schreien sein sollte.

Keine Sekunde später packt Jimin ihn von hinten an den Schultern und zerrt ihn gewaltsam von mir runter. Taehyung kratzt mir dabei über den Hals, weil er sich festhalten wollte, und fällt anschließend hart auf den Boden. Ich schnappe hektisch nach Luft auf und reibe über meinen Hals, bevor ich einen Hustenanfall bekomme, der mich zum Würgen bringt. Taehyung weint laut und schreit, dass sie ihn loslassen sollen. Namjoon, Jimin und Hoseok fixieren ihn an Händen und Füßen auf dem Boden, während Jin sich vor mich setzt und meinen Hals analysiert. Der pure Horror spiegelt sich in seinen Augen und ich kann dadurch nur erahnen, was für Kratzer ich nun auf meiner Haut trage, die ziemlich brennen.

„KRIEG DICH GEFÄLLIGST WIEDER EIN, TAEHYUNG!", brüllt ihn Namjoon an und dann hört man ein lautes Klatschen im Raum.

Taehyung verstummt sofort und die Jungs lassen ihn langsam los, während es so scheint, als würde er aus irgendeiner Trance herauskommen. Er blinzelt mehrmals und hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf. Was zur Hölle war das gerade?

„W-Was ist p-pa-passiert?", fragt er mit zittriger Stimme, als er mich ansieht.

„Sag mir jetzt nicht, dass du gerade am Schlafwandeln warst. Du hast versucht, ihn umzubringen!", faucht Jimin ihn wütend an.

„Was? Das... Das stimmt nicht! Ich würde ihm niemals etwas antun!", ruft Taehyung aufgebracht und hält sich das linke Auge zu, was scheinbar schmerzt.

„Lüg nicht!", ruft Yoongi aufgebracht, der hinter Namjoon steht und auf ihn herabsieht.

Taehyung sieht uns allen mit wässrigen Augen an, bevor er den Kopf senkt und leise weint. Meine Atmung beruhigt sich langsam, jedoch zittere ich am ganzen Körper. Mir sitzt der Schock tief in den Knochen, weil er mir wie eine andere Person vorkam. Er hat doch irgendwelche Probleme, von denen er uns nicht erzählt hat.

„Urgh... Es tut mir leid...", winselt er und ist sich wohl doch ein wenig bewusst, was er getan hat.

„Verdammte Scheiße, Taehyung! Du wolltest mich gerade erwürgen! Denkst du mit einer einfachen Entschuldigung, ist alles wieder gut? Was sollte das?", frage ich ihn wütend und stehe vom Bett auf, um vor ihm in die Hocke zu gehen.

„Ich weiß es nicht. Mir steigt das alles zu Kopf", haucht er gebrechlich und fährt mit beiden Händen in seinen hellbraunen Haarschopf.

Schweigend betrachten wir ihn und in meinem Magen bildet sich ein ungutes Gefühl. Vielleicht entwickelt er eine Psychose. Das hat uns gefehlt. Ich bin auch nicht mehr bei gesundem Verstand, aber er ist schon vor dem Experiment stetigem Stress ausgesetzt gewesen. Er hasst sein Leben wie die Pest. Ich möchte gar nicht wissen, wie dunkel seine Gedanken wirklich sind. Selbst meine Gedanken sind nicht ganz ohne, jedoch spielen seine auf einer ganz anderen Liga. In den letzten Tagen hat der Professor ihm ebenfalls den Rest gegeben.

„Zwei von den sieben Versuchskaninchen wurden schon gebrochen", murmle ich mir selbst zu und stehe ächzend auf.

„Wie bitte?", fragt Namjoon verdutzt nach, weil er mich scheinbar verstanden hat.

„Nichts. Wir sind einfach am Arsch. Ich würde vorschlagen, dass wir den Vorfall eben einfach vergessen", antworte ich und setze mich zurück auf mein Bett, während die anderen mich entsetzt anschauen.

„Ehrlich? Du bist mir nicht böse?", fragt mich Taehyung hoffnungsvoll.

„Doch, ich bin richtig angepisst. Denk ja nicht, dass du ungeschoren davonkommst. Aber du warst nicht bei klarem Verstand und auch so krank wie es klingt. Du hast es nur gut gemeint", erwidere ich und seufze anschließend.

„Er hat es nur gut gemeint? Wollte er Gott spielen und dich von deinem Leid erlösen?", bringt Yoongi belustigt heraus und bringt mich beinahe zum Lachen.

„Ähm, Leute... Taehyung blutet aus der Nase", macht uns Hoseok aufmerksam und hält Taehyung an der Schulter fest.

„Ich s-sehe verschwommen", bringt er heraus und ist noch blasser als die letzten Tage, während ihm eine ganzer Blutschwall aus der Nase und über seinen Mund fließt.

Zögernd tastet er mit seinen Fingern über seinen Mund und verschmiert das ganze Blut an seinem Kinn. Keine Sekunde später verdreht er die Augen und verliert das Bewusstsein. Zum Glück hat ihn Hoseok nicht losgelassen, sodass er nicht nach hinten kippt. Wie auf Knopfdruck fangen wir alle an zu fluchen und stürzen uns förmlich auf Taehyung, der immer mehr Blut verliert.

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