time
Während ihres ganzen Krankenhausaufenthaltes sahen sie sich nicht, hatten sich dagegen entschieden, da sie beide nicht in guter Verfassung waren.
Doch Kontakt hatten sie. Man hätte es fast schon eine Internetfreundschaft nennen können, abgesehen davon, dass sie Gefühle füreinander hatten und es deutlich wurde, aber wie das so ist, nahm der jeweils andere es kaum wahr. Schrieb es als Einbildung, oder aber ganz normal, ab. Sie verschlossen die Augen, bis sie sich begegneten, als Jeno das Krankenhaus verließ.
Jaemin war bereits einige Tage vor ihm entlassen worden, war von Jenos Körper abgeschirmt gewesen, sodass es diesen härter erwischt hatte. Der Fahrer hatte bereits Kontakt zu Jaemin und seiner Familie aufgenommen, der Zugang zu Jeno war ihm noch verweigert worden. Was Jeno ganz recht war, er wollte ihn nicht vor Jaemin sehen, hatte sich geweigert, als seine Eltern angeboten hatten, sich so bald wie möglich mit dem Fahrer zu treffen.
Wie jedem war es auch ihnen ein Rätsel, wieso Jeno sich so verhielt, so vernarrt war in diesen Jungen, den er vor einem Auto geschützt hatte, gerade so einen Tag kennen konnte. Wie jeder wussten sie nicht, dass Jaemin der Junge war, der Jenos Herz seit Monaten besetzte und niemanden sonst hineinließ. Dass er der Junge war, der Jeno in einen träumerischen Zustand versetzte, in dem er stundenlang verweilen konnte, der Junge, mit dem er seinem gesamten Freundeskreis den letzten Nerv raubte. Und niemand ahnte es auch nur, da keiner, der von Jenos Schwarm wusste, die ganze Geschichte des Unfalls kannte. Und die, die sie kannten, wussten nicht, dass Jeno einen Schwarm hatte.
Er war ganz froh darüber, hatte keine Lust auf blöde Fragen, konnte ihnen so ganz leicht aus dem Weg gehen.
Jaemins Fragen konnte er allerdings nicht aus dem Weg gehen, weder während sie geschrieben hatten noch in einigen Stunden, in denen sie sich sehen würden.
Jeno war nervös, ahnte nicht, dass es Jaemin ebenso ging. Beide wollten sie auf eine entscheidende Frage hinaus, beide wussten sie nicht, wie sie das anstellen sollten. Jeno hatte zudem Angst vor Jaemins Fragen, Jaemin hatte Angst, seine Fragen zu stellen.
Also war es kein Wunder, dass sie beide nicht zur Ruhe kamen, obwohl noch einige Stunden zwischen ihrem Wiedersehen lagen.
Wenige Minuten waren noch übrig, und Jeno stand vor dem Spiegel, versuchte verzweifelt, eine widerspenstige Strähne zu richten. Bis seine Mutter ihn rief, er zusammenschreckte und die Treppe hinuntereilte. Sie würde ihn zu seinem und Jaemins Treffpunkt bringen, wollte nicht, dass ihm erneut etwas passierte. Verständlich, doch es war Jeno etwas unangenehm, mit seiner Mutter aufzutauchen.
Glücklicherweise musste sie einige Meter entfernt parken, und Jeno verabschiedete sich eilig, um garantiert rechtzeitig zu kommen.
Er war trotzdem noch nach Jaemin in dem Café, fand es ein wenig unangenehm, vergaß es aber, sobald der blonde Junge zu ihm aufsah und ein Lächeln auf seinem Gesicht erschien. Er stand auf, kurz sahen sie sich an, bevor sie sich umarmten. Lange, waren froh, den anderen unversehrt zu sehen, obwohl sie es eigentlich schon gewusst hatten. Die Freude darüber, sich wiederzusehen, spielte aber wohl die größere Rolle.
Wie beim letzten Mal redeten sie viel, saßen am gleichen Tisch, tranken die gleichen Heißgetränke. Es tat beiden unglaublich gut, sich zu sehen, miteinander zu sprechen, zu lachen. Sie merkten es kaum, waren zu abgelenkt von dem jeweils anderen.
Stunden dauerte es, bis sie das Café verließen, sich eine ruhige Ecke suchten und auf einem Steinvorsprung Platz nahmen. Für eine stille Minute sahen sie nur dem Treiben um sie herum zu, mieden unbewusst den Blick auf die Straße.
„Jeno“, fing Jaemin an, sah auf seine Finger hinab. Auf einmal vermisste er sein Buch wieder.
„Jaemin?“
Er holte tief Luft, ließ die Frage heraus, die ihm seit Wochen auf der Seele lag. „Wieso hast du mich gerettet?“
„Weil du mich geküsst hast.“
„Was... was hat das Eine mit dem Anderen zu tun?“
„Wenn du mich küsst, hoffe ich doch sehr, dass du mich magst. Und da ich dich auch mag, sehr sogar, wollte ich nicht, dass dir etwas passiert.“ Jaemin stand auf, sah Jeno überaus überrascht an.
„Aber... Du hättest sterben können! Wir kannten uns doch gerade so einen Tag!“
„Du kanntest mich einen Tag.“ Jeno lächelte, stellte sich Jaemin gegenüber.
„Was... Hä?“, kam es äußerst gescheit aus Jaemins Mund, und Jeno lächelte darüber, wie überrumpelt er war.
„Ich habe dich schon seit geraumer Zeit beobachtet, Jaemin. Das klingt, als hätte ich dich gestalkt, aber ich hatte und habe ehrliches Interesse an dir. Ich wollte dich kennenlernen.“
„Wieso bist du nie auf mich zugekommen?“
„Warum hättest du dich mit jemandem wie mir abgeben wollen? Es überrascht mich ja immer noch. Du schienst immer so weit entfernt, so viel besser in allem als ich, ich fühle mich deiner nicht würdig.“
„Das bist du aber“, flüsterte Jaemin, wagte es kaum, Jeno in die Augen zu sehen.
„Darf ich dir jetzt auch eine Frage stellen?“ Jaemin war nicht klar, ob Jeno seinen Satz überging oder nur nicht gehört hatte.
„Wenn du das möchtest...“ Die Arme um seinen Körper erkannte er, wehrte sich nicht, sah nur zu Jeno auf.
„Wenn ich dich nochmal küsse, rennst du nicht wieder auf die Straße, oder?“
„Du hältst mich fest, das wird wohl schwierig.“
„Ansonsten komme ich dir eben wieder hinterher.“ Sie lächelten, Braun wurde zu Schwarz und der Abstand zu nichts.
19-11-03
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