Kapitel 12
Kapitel 12
„Plagg, was soll das. Das kitzelt. Lass mich schlafen. Deinen Käse bekommst du später."
Ohne seine Augen zu öffnen, versuchte er seinen Kwami von seiner Wange zu schieben, als ihm auffiel, dass irgendetwas auf seinem Brutkorb lag. Wie konnte Plagg denn an seinem Gesicht sein und gleichzeitig auf seiner Brust liegen? Wann war er überhaupt nach Hause gegangen? Das Letzte, an das er sich erinnerte war, dass er mit Marinette zusammen den Film angesehen hatte. Aber was war dann? Langsam öffnete er seine Augen, blinzelte ein paar Mal und sah an sich herunter. Marinette lag schlafend, mit ihrem Kopf auf seiner Schulter, neben ihm und hatte ihre Hand auf seine Brust gelegt. Es war gar nicht Plagg, der ihn gekitzelt hatte, sondern Marinette, die sich an ihn gekuschelt hatte, stellte er schmunzelnd fest. Doch dann hielt er inne. Moment. Marinette, die sich an ihn gekuschelt hatte? Augenblicklich bekam er große Augen, als ihm bewusst wurde, dass er immer noch als Chat Noir bei ihr im Krankenhaus war und sie zusammengekuschelt in ihrem Bett lagen.
Sie mussten eingeschlafen sein. Wann genau, beziehungsweise, wer zuerst, eingeschlafen war, konnte er gar nicht sagen. Er wusste nur noch, wie seine Augen auf ein Mal so schwer wurden und ihn die Müdigkeit überrollt hatte. Es war eigentlich klar, dass ihn der Schlafmangel irgendwann einholte. Nur blöd, dass es jetzt in so einer Situation sein musste. Zum Glück hatte er sich noch nicht zurückverwandelt und lag nun als Adrien neben ihr. Sie hätte bestimmt einen riesigen Schock bekommen, wenn sie vor ihm wach geworden wäre. Er hatte zwar vor, ihr zusagen, dass er Adrien war, aber nicht so. Sie war noch krank und lag im Krankenhaus. Er wusste ja nicht, wie sie auf ihn als Adrien reagierte. Vielleicht mochte sie Adrien ja gar nicht. Wer wusste das schon. Er hatte mit ihr, als ihr Klassenkamerad, noch nicht wirklich viel Zeit verbracht.
Er sollte am Besten einfach schleunigst nach Hause. Nicht, dass noch eine Schwester hereinkam, und sie so zusammen sah. Was sollte die dann nachher denken. Er sah schon die Schlagzeile vor seinen Augen, Chat Noir belästigt junge Frauen im Schlaf. Das musste wirklich nicht sein.
Wie spät es wohl überhaupt war? Ein Blick nach draußen verriet ihm, dass es zumindest noch nachts sein musste, da es noch stockfinster war. Da der Fernseher aber immer noch lief, war Marinette vermutlich auch bei dem Film eingeschlafen.
Ein leiser Seufzer entwich ihr im Schlaf und lächelnd betrachtete er sie. Sie sah wirklich niedlich beim Schlafen aus. Langsam zog er seinen Arm unter ihr heraus und schob ihren Kopf sanft auf das Kissen zurück. Er drehte sich auf die Seite und blickte ihr nun direkt ins Gesicht. Eine Haarsträhne hatte sich in ihrem Gesicht verirrt. Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre Wange und strich ihr die Strähne mit seinen Fingern wieder zurück hinter ihr Ohr.
„Chat ...", flüsterte sie aber auf ein Mal und öffnete langsam ihre Augen.
„Mari..."
Seine Hand lag immer noch auf ihrer Wange und erschrocken verharrte er in seiner Position. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie genau in diesem Moment wach werden wurde. Er sollte vielleicht etwas sagen, irgendetwas. Aber er brachte einfach keinen Ton zustande. Sie sagte aber auch nichts, und so sahen sie sich einfach schweigend an. Allerdings war es keine unangenehme Stille, viel mehr so, dass keiner etwas sagen brauchte. Es war die Art von Stille, die zwischen zwei Menschen herrschte, die einander sehr gut kannten.
Ohne zu sprechen, sahen sie sich einfach weiterhin tief in die Augen und wie von selbst kamen sich ihre Gesichter dabei immer näher. Sein Herz beschleunigte sich in seiner Brust. So nah war er ihr bisher noch nie gewesen. Sonst hatte sie ihn immer sofort von sich gestoßen. Sein Blick wanderte kurz zu ihren Lippen herunter. Er spürte ihren warmen Atemhauch auf seiner Haut. Zaghaft legte er nun seine andere Hand auf ihre andere Wange, nahm ihr Gesicht somit in seine Hände und hoffte inständig, dass sie ihn nicht wieder von sich stoßen würde. Er schloss seine Augen, überwand die letzten Millimeter, die sie noch trennten, und legte sanft seine Lippen auf ihre.
Erleichtert, dass sie sich nicht, wie befürchtet, von ihn abwandte, sondern ihre Hände sogar auf seine Brust legte und den Kuss erwiderte, seufzte er kurz leise in den Kuss hinein. Wie lange hatte er sich nach diesem Moment schon gesehnt.
„Was ist denn hier los?", ertönte es plötzlich neben ihnen und erschrocken fuhren die beiden auseinander.
Angespannt blickte er in Marinettes gerötetes Gesicht. Musste dann aber schmunzeln, sein Gesicht hatte vermutlich gerade die gleiche Farbe angenommen. Sie hatten beide überhaupt nicht gemerkt, dass eine Nachtschwester das Zimmer betreten hatte und sich neben das Bett gestellt hatte. Musste sie auch ausgerechnet in diesem Moment hereinplatzen?
„Ich sollte vielleicht lieber gehen", räusperte er sich.
Schnell flüsterte er ihr noch ein Leises, bis morgen Abend zu, und rutschte dann hastig vom Bett herunter. Kurz grinste er noch zum Abschied der Nachtschwester zu, lief zum Fenster herüber und sprang mit einem Satz auf das Fensterbrett. "Meine Damen." Lächelnd verbeugte er sich und verschwand dann im Dunkeln der Nacht.
Mit hochgezogener Augenbraue blickte die Schwester immer noch auf Marinette herunter und schüttelte dann schmunzelnd ihren Kopf.
„Am Besten du schläfst jetzt."
Sie konnte immer noch nichts sagen und nickte daher bloß.
„Diese Jugend", murmelte die Schwester leise, schaltete den Fernseher aus und verließ wieder das Zimmer.
Sofort, nachdem die Tür wieder geschlossen war, flog Tikki unter dem Bett hervor.
„Was macht du denn unter dem Bett?"
Marinette, die ihre Sprache wieder gefunden hatte, beobachtete ihren Kwami verwirrt, wie sie sich vor sie auf die Bettdecke setzte.
„Naja, es war so leise, also hab ich geguckt, was los ist und hab euch dann schlafend auf dem Bett gefunden."
Tikki konnte ihr Grinsen nicht verbergen und fixierte sie, wodurch sie prompt rot anlief.
„Das erklärt aber immer noch nicht, warum du nicht in der Schublade, sondern unter dem Bett warst. Was, wenn Chat dich gesehen hat?"
„Ich wollte dich wecken, dann hättest du ihn wecken können. Aber bevor ich dich erreicht habe, habe ich gemerkt, dass er wach wurde, und bin sofort unter das Bett. Also keine Sorge."
„Du hast also nicht gesehen, wie wir ..."
Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum und sah ihre kleine Freundin aufgeregt an.
„Wie ihr euch geküsst habt? Nein, das hab ich nicht gesehen. Aber das muss ich auch gar nicht."
„Ach Tikki."
Stöhnend ließ sich sie vorsichtig zurück in die Kissen sinken und starrte gegen die Decke.
„Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte. Ich meine, es war nur ..."
„Du magst ihn halt."
„Ja ... schon. Ach ich weiß doch auch nicht. Aber falls es so sein sollte ... Macht es das alles nicht einfach unnötig kompliziert? Ich meine ... "
Tikki flog in die Luft und schwebte nun vor ihrem Gesicht.
„Marinette. Du hast dich halt ..."
„Tikki bitte. Ich meine, ich weiß doch gar nicht, wer hinter dieser Maske steckt. Was ist, wenn ich ihn schon kenne?"
„Würde das etwas ändern?"
Schwer atmete sie ein und strich sich mit dem Finger über ihre Lippen. Wie konnte sich das Ganze in diese Richtung entwickeln?
„Ich weiß es nicht ... Außerdem ist da noch Adrien und ..."
Nachdenklich nahm sie ihr Smartphone in die Hand. Immer noch keine Nachricht von ihm. Warum schrieb er denn nicht zurück?
„Adrien ..."
Müde fielen ihr jedoch allmählich die Augen zu und Tikki legte sich neben sie auf das Kopfkissen.
„Schlaf etwas. Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus."
„Mhm", flüsterte sie leise und keine Sekunde später schlief sie auch schon wieder ein.
„Na komm schon. Ich hab Hunger!", maulte Plagg und zog Adrien an den Haaren.
„Hey. Lass das."
Müde öffnete er seine Augen und streckte seine Arme von sich. Zum Glück war heute Samstag und er konnte mal etwas ausschlafen.
Erst in den frühen Morgenstunden war er zu Hause gewesen. Er hatte zwar schon etwas Schlaf, durch das kleine Nickerchen im Krankenhaus, gehabt. Aber das reichte bei Weitem nicht aus, um den Schlafmangel auszugleichen. Ein Lächeln huschte ihm bei dem Gedanken an die letzte Nacht übers Gesicht.
„Adrien!"
Genervt brummelte er in sein Kissen und drehte sich auf die andere Seite. Musste Plagg so einen Alarm machen. Er schlief doch selbst gerne lange und meckerte sonst immer, wenn er ihn früh aus dem Bett holte.
„Seit wann machst du so früh morgens denn so einen Alarm."
Mit einer Handbewegung wedelte er Plagg von sich weg und rollte sich in seine Decke ein.
„Früh am Morgen? Schon mal auf die Uhr gesehen. Schon schlimm genug, dass ich so etwas sage, aber, es ist schon längst Mittag. Steh auf. Na los, ich hab Hunger!"
„Was?", schrie er laut und riss seine Augen auf.
Abrupt richtete er sich in seinem Bett auf. So lange wollte er nun wirklich nicht schlafen. Schwungvoll schwang er seine Beine über die Bettkante und stand auf.
„Also, was ist nun mit meinem Käse! Eigentlich bist du mir ja eine extra Portion schuldig. Jede Nacht schwingst du dich, als Chat Noir, durch die Stadt. Und das nur, weil du zu ihr willst. Mein armer abgearbeiteter Körper braucht eine Pause."
Kopfschüttelnd rollte er mit seinen Augen. Dass Plagg auch immer so maßlos übertreiben musste. Aber so war er nun mal. Grinsend schlurfte er dann aber zu seinem Schreibtisch.
„Ich gebe dir ja gleich deinen Käse."
Verwundert sah er auf seinen Tisch. Da lag ja ein Smartphone. Wo kam das denn auf ein Mal her?
„Gestern lag das aber noch nicht hier."
Irritiert griff er da nach und drehte es in seinen Händen.
„Nathalie hat es dir, als du noch geschlafen hast, auf den Tisch gelegt."
„Ah. Dann wird das wohl mein neues ..."
Doch weiter kam er nicht, da es plötzlich an seiner Tür klopfte.
„Ist alles in Ordnung? Ich hab einen lauten Schrei gehört."
Bevor er jedoch antworten konnte, wurde auch schon die Tür geöffnet. Sofort wanderte sein Blick zu Plagg, der glücklicherweise das Weite gesucht hatte.
„Adrien?"
„Ja, alles in Ordnung. Ich bin ... ähm ... nur gestolpert."
Skeptisch zog Nathalie ihre Augenbraue in die Höhe und musterte ihn.
„Wenn du das sagst ... Gut, dass du wach bist. Ich wollte dich sowie so gerade wecken kommen. Mach dich bitte fertig. Wir haben kurzfristig eine weitere Werbekampagne hereinbekommen ... Ah, wie ich sehe, hast du auch das Smartphone entdeckt. Deine Passwörter sind die Alten. Mach dich jetzt bitte fertig. In dreißig Minuten geht es los."
Ohne auf eine Antwort von ihm zu warten, verschwand sie auch schon wieder aus dem Zimmer.
„Oh man. Die gönnt uns auch keinen Tag Pause", stöhnte Plagg, der wieder hervorgekommen war.
„Da hast du wohl recht."
Genervt ließ er sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen und schaltete sein neues Smartphone ein. Wartend, dass es endlich an war, starrte er auf das Display.
„Adrien!", schrie Plagg auf ein Mal wieder und funkelte ihn böse an.
„Was ist denn?"
„Wo bleibt mein Camembert!"
„Ist ja gut. Ich hol dir ja schon deinen stinkenden Käse."
Schnell legte er das Smartphone auf den Schreibtisch zurück, stand auf und eilte aus dem Zimmer.
Kurze Zeit später betrat er wieder sein Zimmer und wedelte, nachdem er die Tür geschlossen hatte, mit dem Käse herum.
„Bitte. Und nun hör auf zu nerven."
„Na geht doch."
Gierig stürzte sich Plagg auf den Käse und blickte zu ihm herüber.
„Dein Handy hat übrigens gepiept."
Eilig schnappte er sich daraufhin sein Smartphone und öffnete die Nachricht. Sie war von Marinette. Sein Herz machte einen Hüpfer, als er ihren Namen im Display sah. Allerdings war sie schon einige Tage alt. Schnell schrieb er ihr zurück und ließ sich mit einem Seufzer gegen die Stuhllehne fallen.
Ein unglaubliches Glücksgefühl breitete sich in ihm aus, als er an den Kuss von letzter Nacht zurückdachte. Sie hatten sich tatsächlich geküsst. Aber, was hieß das jetzt? Sie hatten noch keine Gelegenheit darüber zu sprechen. Nachdenklich tippte er mit den Fingern auf seinem Schreibtisch herum, wodurch die Bildschirme ansprangen und den Ladybug-Blog zeigten.
„Ladybug", flüsterte er, gefolgt von einem weiteren tiefen Seufzer.
Sein Herz hatte er an Ladybug verloren und lange Zeit kein Platz für jemanden anderen gehabt. Doch in den letzten Tagen hatte er sich in das Mädchen hinter der Maske verliebt. Dies wurde ihm gerade klar. Warum war ihm nie auffallen, wie viel gemeinsam sie doch hatten? Sein Blick wanderte dabei auf die Jagged Stone CD, die sie ihm signiert hatte.
„Och nicht doch. Du denkst doch schon wieder an Marinette alias Ladybug."
„Du kannst das halt nicht verstehen. Ich liebe sie halt."
Plagg schüttelte sich und machte ein Würgerausch, als müsste er sich übergeben.
„Das ist ja nicht zum Aushalten."
Nachdenklich sah er wieder das Bild von Ladybug an. Er musste mit ihr sprechen. Er musste ihr sagen, dass er wusste, dass sie Ladybug war. Außerdem musste sie wissen, dass er unter der Maske Adrien war. Sie musste die Wahrheit wissen. Was dachte sie sonst nachher, wenn er als Chat Noir Marinette küsste und Ladybug an flirtete. Das würde sie doch nur in den falschen Hals bekommen. Sie mochte ihn als Chat Noir, sonst hätte sie den Kuss bestimmt nicht erwidert. Aber, wie stand sie zu Adrien?
„Adrien. Wir müssen los."
Nathalie, die an die Tür klopfte, holte ihn mit einem Schlag zurück aus seinen Grübeleien. Es half nichts. Er musste es herausfinden. Eilig stand er auf und ging zur Tür. Und zwar heute Abend.
„Ich komme ja schon."
„Tikki, was soll ich denn jetzt machen?"
„Hör einfach auf dein Herz."
Sie stöhnte laut aus und zog sich dann die Decke über ihren Kopf.
„Aber genau das, weiß ja nicht, was es will", murmelte sie durch die Decke hindurch und streckte danach ihren Kopf wieder heraus.
Verwundert sah sie sich um. Wo war denn Tikki hin? Eben saß sie doch noch neben ihr. Leise klopfte es ans Fenster und erschrocken zuckte sie kurz zusammen. Was ihr jedoch ein weiteres schmerzhaftes Ziehen in der Brust verpasste. So langsam war sie diese blöde Rippe leid. Ihr Blick wanderte zum Fenster. Chat Noir stand draußen auf dem Fenstersims und winkte hinein. Deshalb war Tikki also weg. Sie hatte wirklich gute Antennen für so etwas, das musste sie schon sagen.
Vorsichtig schob sie ihre Beine über die Bettkante, stand auf und ging ein Schritt nach den anderen auf das Fenster zu. Sie war noch ziemlich wackelig auf den Beinen, aber kleine Wege konnte sie mittlerweile schon wieder gehen.
Mit jedem Schritt auf das Fenster zu, beschleunigte sich allerdings auch ihr Herzschlag.
Kurz atmete sie noch mal tief durch, als sie das Fenster erreichte hatte, öffnete es und beobachtete Chat Noir, wie er ins Zimmer sprang.
„Hey."
Grinsend ging er auf sie zu und legte seine Hände auf ihre Hüften.
„Ich hab dich vermisst", flüsterte er und beugte sich mit seinem Gesicht zu ihrem herunter.
Tränen sammelten sich plötzlich in ihren Augen und abrupt drückte sie ihn von sich weg.
„Ich kann das nicht."
Langsam entfernte sie sich noch einen Schritt und blickte dann in sein sichtlich verwirrtes Gesicht.
„Chat ... Es ... es tut mir leid."
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