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Schnell schüttelte er die bösen Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche: Die Liste, die vor ihm auf dem Tisch lag. Erneut keimte dieses Gefühl voller Erwartung, Hoffnung und auch Vorfreude in ihm auf. Als er den ersten Punkt durchlas, musste er grinsen. Er war schon immer jemand gewesen, von klein auf, der anderen Leuten gerne Streiche spielte. Da er keine Geschwister hatte mussten seine Eltern, Lehrer, Freunde und Mitschüler dafür hinhalten. Begonnen hatte es im Kindergarten als er seinen damaligen Kumpel in das Sandkasten geschubst hatte, nachdem sie im Regen herumgelaufen waren. Zwar hatte er durch das Geheule des Anderen selbst angefangen zu weinen, doch er konnte sich noch gut an das Gefühl von Schadenfreude und Belustigung zurückerinnern. Weiter gegangen war es mit Beinen stellen, Hosen herunterziehen, Wasserbomben werfe, Zahnpasta an Türklingen kleben, Wasserhahn mit Tesafilm zukleben... Selbst dann als er auf dem Nachhauseweg seine Klassenlehrerin mit einem Schneeball abgeworfen hatte und Liebesbriefe an Mitschüler geschrieben hatte (natürlich nicht mit seinem Namen, sondern dem eines anderen) war er nie verdächtigt worden. Er war eben immer als der zwar lustige, aber auch brave Junge gesehen worden.

Wenn er nun so daran zurückdachte musste er grinsen, obwohl die meisten seiner Streiche wirklich kindisch und einfallslos gewesen waren. Also stand er auf, zog sich eine Jacke über und Schuhe an und verließ das Haus.

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Die darauffolgenden Wochen bereiteten Nevidian Cyrell wirklich große Freude. Begonnen hatte er damit, fremden Leuten im Einkaufszentrum die Hosen herunterzuziehen, ihnen auf die Schulter zu tippen, ihnen Beine zu stellen, Eis essenden Menschen die Creme in das Gesicht zu drücken und eine Essenschlacht zu veranstalten. Eine Nacht hatte er im IKEA verbracht, war dort auf den Betten herumgesprungen und hatte (aus Versehen) dabei eines kaputt gemacht. Kurzzeitig hatte er sich auch als Amor versucht und zwei Menschen, die aus seiner Sicht gut zusammen gepasst hätten, so gedreht, dass sie direkt vor einander standen. Die Ohrfeige, die der arme, unwissende Mann erhielt tat mir selbst weh. Er sprudelte nur so über vor Ideen! Leute, die er nie hatte leiden können, konnte er in Pfützen schubsen oder Essen ins Gesicht werfen, so schlimm war das mit der Unsichtbarkeit gar nicht.

In seiner zweiten Woche hatte er an einem Tag auch die Schule für geistig behinderte Kinder besucht, an der er eigentlich ein Freies Soziales Jahr machte. Kurz hatte er gemeint, dass Elena, eine seiner Lieblingsschülerinnen, ihn angeblickt und gelächelt hätte, doch er verwarf diesen Gedanken. Allein nach diesem Besuch war er traurig, von der übersprudelnden Fröhlichkeit war nichts mehr zu sehen gewesen (nicht, dass man sie hätte sehen können). Er nahm sich vor, jede Woche mindestens ein Mal hier her zurückzukehren und mit den Kindern zu reden.

Ansonsten ging es ihm wirklich gut, endlich konnte er sein Leben wirklich ausleben, ohne Verpflichtungen, und er hatte sich sogar -zumindest teilweise- an seine Unsichtbarkeit gewöhnt, auch wenn der Anblick seiner Eltern jeden Abend noch immer schwierig für ihn waren.

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