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,,Nev?", ertönte es prompt aus dem Wohnzimmer, nachdem dieser die Wohnungstüre mit einem lauten Krachen hatte zufallen lassen. Noch immer, so wie die ganze Fahrt mit der Bahn, dachte der Unsichtbare über die Worte Kjells nah. Du bist süß. Das konnte so viel heißen und Nevid war schon immer miserabel darin gewesen, das Gesagte von Mitmenschen zu interpretieren. ,,Da bist du ja endlich", hörte er es auch schon grummeln, ,,das verdammte Essen ist jetzt kalt, du Idiot. Wo warst du denn so lange, du wolltest doch nur kurz Weihnachtsgeschenke kaufen gehen..."

Ups, die Geschenke hatte der Unsichtbare ja ganz vergessen... So sehr war er in das Gespräch mit dem Brünetten vertieft gewesen.

Ein blauer Haarschopf tauchte im Flur auf und richtete Nevids Aufmerksamkeit auf den Besitzer des bunten Kopfes. ,,Tut mir Leid", entschuldigte Nevid sich zerknirscht, während er daran dachte, wie viel Mühe Mille sich vermutlich Mal wieder mit dem Essen gemacht hatte. Ich bin zwar Student aber ich habe keine Lust täglich Nudeln und Fertiggerichte zu essen, hatte dieser ein Mal erklärt.

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,,Ich habe Kjell getroffen und wir waren in einem Café", erzählte Nevid mit vollem Mund und staunte derweil über die guten Kochkünste der Brillenschlange. Er selbst brannte jedes Mal irgendetwas an, wenn er versuchte zu kochen und außerdem hatte er nichts gegen Tiefkühlpizzen und Fertignudeln- im Gegenteil.

,,Kjell...", wiederholte sein Gegenüber mit merkwürdiger Stimmlage und zog die Augenbrauen nach oben. ,,Ja, der gutaussehende von Jannis Exliebhabern. Der mit den braunen, weichen Haaren und den grauen Augen und-", begann Nevid zu schwärmen, ohne dass es ihm bewusst wurde. Mille unterbrach ihn. ,,Ich weiß, wer Kjell ist", antwortete dieser pampig, was den Unsichtbaren irritierte, da er nicht verstand, was jetzt los war, ,,aber wieso warst du mit dem Volltrottel in einem Café? Warte, war das ein Date?! Seid ihr zusammen?" Nevid musste bei der übertriebenen Reaktion seines Mitbewohners lachen.

,,Beruhig dich, Mille. Er ist kein Volltrottel und nein, wir sind nicht zusammen und es war auch kein Date, wir haben uns einfach zufällig getroffen. Wobei er mir am Ende seine Nummer gegeben hat und behauptet hat, dass ich süß bin und gezwinkert hat...", gab der Unsichtbare zu und war verwundert, als der Gesichtsausdruck Milles sich verdüsterte.

,,Habt ihr gefickt?", ertönte da geradeheraus die genervt klingende Frage. Erschrocken blickte der Angesprochene auf und schüttelte mit dem Kopf. Betont langsam schnitt Nevid sich ein Stück Fleisch ab und begann zu kauen. ,,Mille, was zur Hölle ist dein Problem? Wir haben nicht gefickt und ich wüsste auch nicht, was dich das angeht. Kjell ist ein toller Mensch, genauso wie du, aber keiner von euch hat das Recht mir zu sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe, okay?", sagte Nevid mit ruhiger Stimme. Der Blauhaarige schien sich stark zurückhalten zu müssen, nicht etwas zu erwidern, was er später bereuen würde, denn er atmete tief ein und stand dann mit einem Ruck und den Worten ,,ich geh eine rauchen" auf.

,,Rauchen ist scheiße", schrie Nevid ihm noch hinterher, doch da war die Wohnungstüre bereits ins Schloss gefallen.

Stille trat ein und nur noch das Kauen Nevids war zu hören. Plötzlich schmeckte ihm das Essen nicht mehr und er schob seinen noch halbvollen Teller von sich. Er verstand wahrlich nicht, was in Mille gefahren war [Min_ngtv spar dir den Kommentar] und wie er es auch drehte und wendete, die möglichen Gründe, die zu dieser heftigen Reaktion geführt hatten, ließen ihn unbehaglich fühlen. Denn entweder war noch etwas mit Janni vorgefallen oder, und was Nevid für schier unmöglich hielt, Mille war doch tatsächlich eifersüchtig. Auf ihn oder auf... Kjell.

Aber wieso?, fragte er in Gedanken und antwortet sich prompt selbst, naja, entweder hat er Angst, seinen besten Freund zu verlieren, so verlustängstlich wie er ist, oder er... steht auf dich oder auf Kjell. Von seinen eigenen Gedanken überrascht verwarf Nevid sofort die vorletzte Idee. Mille würde nie mehr für ihn fühlen als freundschaftliche Gefühle. Was dieses ,,leider" zu bedeuten hatte, das ihm im selben Moment durch den Kopf ging, das verstand er selbst nicht.

Rasch trug er das Geschirr in die Küche, zog sich dann Schuhe an und lief die Treppenstufen des Hauses nach unten. Er wusste, wo er seinen besten Freund zu finden hatte- an der alten Brücke, die mitten in der Landschaft stand und eigentlich keinen Zweck erfüllte. War der ,,Fluss" darunter im Sommer doch stets ausgetrocknet und im Winter kaum mehr als eine Matschpfütze. Schon von weitem sah Nevid den Blauhaarigen an das Geländer gelehnt und rauchend. Je näher er kam, desto mehr bemerkte er Mal wieder wie gut sein bester Freund doch eigentlich aussah. Durch die dunkle Brille stachen seine grünbraunen Augen und die Sommersprossen hervor und das kantige Gesicht lenkte von den verschobenen Proportionen ab.

,,Hey", gab er sich sanft zu erkennen und blickte besorgt in das müde aussehende Gesicht seines Mitbewohners, welcher mit einem tiefen Zug an seiner Zigarette zog und den Rauch in die Luft pustete. Nevid hasste Rauchen, doch er widerstand dem Drang, wie so oft die Zigarette zu nehmen und sie wegzuschmeißen. Maximilian schien es gerade zu brauchen.

,,Ist alles gut?", fragte Nevid leise und verdrehte die Augen, als Mille nur mit den Schultern zuckte und ein ,,alles bestens" von sich gab, denn offensichtlich war nicht alles bestens. ,,Mille ich glaub dir nicht, aber wenn du nicht darüber reden magst, ist es auch okay. Und falls du Angst hast, mich als deinen besten Freund zu verlieren, dann glaub mir: Das wirst du nicht. Niemals, ja?", betonte der Unsichtbare und beobachtete die Regungen im Gesicht Milles. ,,Danke", sagte dieser bloß stumpf und zog an seinem Glimmstängel. Der Unsichtbare seufzte und fuhr sich durch die weißblonden Haare.

Erst nach langem Schweigen räusperte der Blauhaarige. ,,Ich habe seit zwei Wochen nicht mehr geraucht... Ich dachte mir, ich will versuchen aufzuhören, weil es dich immer so stört. Also, ich will dich halt nicht noch Mal verlieren." Er deutete mit einem kurzem Zucken seines Kinnes auf die Kippe. ,,Tut mir Leid. Auch, dass ich so merkwürdig reagiert habe, ich... kann Kjell nur nicht leiden", murmelte er.

Eins sanftes Lächeln legte sich über Nevids Lippen und er wuschelte seinem Mitbewohner durch die Locken. ,,Nicht schlimm", meinte er. Lange standen sie so da, Schulter an Schulter an das Geländer gelehnt und schweigend. Die Zigarette war schon lange verraucht, doch es bewegte sich keiner der beiden.

,,Sag Mal, du hast vorher gemeint, dass der Gartenzwerg der gutaussehende von Jannis Liebhabern war... Und was ist mit mir?! Sehe ich etwa nicht gut aus?", erkundigte Maximilian sich gespielt empört und hob beleidigt sein Kinn an. Nevid musste lachen. ,,Erstens ist Kjell nicht so klein, dass du ihn als Gartenzwerg bezeichnen musst, und zweitens... Natürlich siehst du gut aus! Sogar sehr gut", gab er zurück, murmelte den letzten Teil jedoch nur noch leise. Jedoch hatte Mille es wohl gehört, denn er begann augenblicklich zu strahlen.

Der hatte eindeutig Stimmungsschwankungen!

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Mal ein langes Kapitel :D

Was haltet ihr von Milles Reaktion? Wie ist die zu verstehen?

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