Take me out

"Die in Ermangelung von..."Blablabla, blabla, blabla...

Ich schwöre bei Gott, wenn es eure Aufgabe wäre, Studenten Informationen zu vermitteln, damit diese ihre Prüfungen bestehen konnten, um dann hoffentlich hinauszuziehen, um etwas in der Welt zu bewirken, würdet ihr dann eure Vorlesungen absichtlich so langweilig wie möglich gestalten? Nun, ich würde das nicht tun, aber offenbar teilen meine Professoren diese Ansicht nicht.

Kennt Ihr die Redewendung "Ich kann sehen, wie sich deine Lippen bewegen, aber alles, was ich höre, ist bla, bla, bla"? Nun, mir war nie klar, wie wahr das sein kann, bis ich an die Uni kam. Sogar in der Schule war der Unterricht nicht so schlimm, denn da gab es wenigstens die Möglichkeit, mit dem Lehrer zu interagieren, und wir bekamen normalerweise etwas zu tun, anstatt nur dazusitzen.

Ich seufzte schwer und begann, in die Ecke meiner Notizen zu kritzeln. Ich sage Notizen, aber in Wirklichkeit war es nur ein Haufen Kauderwelsch, das ich hingekritzelt hatte, um nicht mit leeren Händen aus der Vorlesung zu gehen. Nein, ich würde stolz mit Notizen hinausgehen, die ich morgen sowieso nicht mehr lesen konnte, großartig.

Der Typ neben mir schien zu schlafen, der Glückspilz! So gelangweilt und müde ich auch war, ich konnte mir nicht vorstellen, mitten in einer Vorlesung einfach einzuschlafen. Dieser Kerl war entweder wirklich müde oder unglaublich selbstbewusst.

"In Kapitel 3 des australischen Verfassungsgesetzes von 1901 wird die Rolle des Gerichtswesens untersucht ..."

Wow! Ich hatte tatsächlich jedes Wort deutlich verstanden! Ich blätterte in meinem Textbuch bis zu der Stelle, an der es um Kapitel 3 der Verfassung ging, und schaute nach, wovon der Dozent da eigentlich sprach. Leider endete meine Begeisterung da auch schon wieder. Mein Fokus auf die Vorlesung schwand und ich hielt Ausschau nach der Uhr, und stellte fest, dass die Vorlesung nur noch fünfzehn Minuten dauerte.

Woher wusste ich nur, dass es die längsten fünfzehn Minuten der Geschichte werden würden? Ich seufzte und stützte mein Kinn mit den Händen ab, während ich, wenn auch unfokussiert, auf den Dozenten schaute.

"Was die Dauer der Ernennung eines Richters am Gerichtshof betrifft ..."

Es folgte eine lange Pause, in der ich mich wieder darauf konzentrierte, was vor sich ging. Der Dozent schien mich direkt anzustarren!

In Panik blickte ich auf das Buch hinunter und sah, dass die Stelle, auf die er sich bezog, ganz oben auf der aufgeschlagenen Seite stand. Als ich wieder aufblickte, fuhr der Dozent fort:
"Nun, vielleicht könnte uns der junge Mann, der es vorzieht in der letzten Reihe zu schlafen, uns alles darüber erzählen, da er offensichtlich genug Ahnung davon hat, um nicht aufpassen zu müssen!"

Einen Moment lang war ich einfach nur erleichtert, dass er nicht mich in meinem scheinbar betäubten Zustand meinte, aber dann, als die Leute in der Vorlesung anfingen zu starren und zu kichern, tat mir der arme Kerl leid.

Ich stieß ihn unauffällig mit dem Ellbogen an, woraufhin er ruckartig aufwachte und sich benommen im Hörsaal umsah.

"Ah, wie ich sehe, sind Sie aus Ihrem Nickerchen erwacht, wie nett. Könnten Sie uns dann allen die Antwort auf meine Frage geben?"

Was für ein bissiges Arschloch unser Dozent doch war.

Der Typ neben mir versteifte sich und lief rot an, der Professor hätte wirklich einfach akzeptieren sollen, dass er der Sieger war, und weitermachen sollen, aber er schaute weiterhin erwartungsvoll zu den hinteren Reihen hinauf.

Die unangenehme Stille und die feindseligen Blicke, die mir zugeworfen wurden, machten mich ein wenig nervös, deshalb wartete ich, bis der Dozent demonstrativ auf die Uhr schaute, um mein Lehrbuch quer über den Tisch zu schieben, sodass es vor dem armen Unglücklichen neben mir lag.

"Da.", flüsterte ich und zeigte auf die Stelle in meinem Buch, die er wissen sollte. Es war ihm hoch anzurechnen, dass er sofort verstand, und ohne auch nur den Eindruck zu erwecken, aus meinem Buch zu lesen, zitierte er perfekt:

„Die Ernennung eines Richters eines Gerichtshofs, wird durch das Parlament erteilt, und beträgt eine Amtszeit oder aber längstens bis zur Altersgrenze. Zum Zeitpunkt seiner Ernennung wird die maximale Altersgrenze festgelegt, bis zu welchem das Amt vollzogen werden kann. Eine erneute Wiederwahl ist nicht möglich."

Gott, die australische Verfassung ist wortreich. Dennoch würde ich gerne hören, wie sie das bemängeln, Professor Gray, dachte ich triumphierend und bemühte mich, nicht zu dem Dozenten hinunter zu grinsen.

Der Professor schürzte die Lippen. Er sah unglaublich enttäuscht aus und schnauzte: "Nun, das ist die Passage, ja, aber in der Prüfung wird Ihre Freundin nicht in der Lage sein, Ihnen die entsprechende Textstelle im Buch zu zeigen, also schlage ich vor, dass Sie in Zukunft besser in meinen Vorlesungen aufpassen."

Der Typ neben mir nickte zerknirscht und murmelte ein "Sorry".

Ich errötete, weil ich in die Kritik einbezogen wurde, und beugte meinen Kopf über meine Notizen, um den anhaltenden Blicken meiner Kommilitonen zu entgehen.

Endlich war die Vorlesung zu Ende, und ich räumte schnell die Unterlagen von meinem Tisch in meine Tasche. Da ich in der letzten Reihe saß, konnte ich dem größten Teil des Gedränges entgehen, denn die Leute drängten förmlich danach, den Hörsaal zu verlassen. Mit meinem Rucksack auf dem Rücken bog ich in den Weg ein, der hinunter zur großen Bibliothek führte, die sich ziemlich genau in der Mitte des Campus befand. Ich musste einige Fälle für mein Seminar am Montag recherchieren, aber danach war für mich Wochenende.

Ich überlegte gerade, was ich am Wochenende machen sollte, da ich durch die Trennung von Brad so viel mehr Freizeit hatte, als ich jemanden hinter mir rufen hörte.

„Hey."

Ich drehte den Kopf, um zu sehen, ob der Ruf mir galt, und sah den Kerl, der in der Vorlesung geschlafen hatte, den Weg entlang auf mich zustürmen.

"Warte mal kurz!", rief er und so blieb ich stehen, obwohl ich mir nicht sicher war, dass er mit mir sprach. Kaum eine Sekunde später kam er keuchend neben mir an. "Gott, du läufst schnell!", sagte er mit einem breiten Grinsen, während er sich ein paar Haarsträhnen aus den Augen wischte.

Ich zuckte unsicher mit den Schultern. "Ich denke schon.", erwiderte ich und beäugte ihn etwas misstrauisch. Jetzt, da ich ihn sah, ohne dass er schlafend eine Wange an den Tisch gepresst hatte, kam mir etwas an ihm sehr bekannt vor. Woher kannte ich ihn? Okay, und vor allem, was wollte er?

Er schien meine Verwirrung zu bemerken und drückte mir etwas in die Hand, und als ich nach unten schaute, sah ich, dass es mein Textbuch war. In meiner Eile, den Saal zu verlassen, hatte ich völlig vergessen, dass er es hatte.

"Oh. Danke.", sagte ich, nahm das Buch und schob es in meine bereits vollgestopfte Tasche.

"Nein, ich danke dir!", widersprach er. "Du hast mir vorhin das Leben gerettet. Professor Gray ist ein verdrehter alter Kauz."

"Da stimme ich dir vollkommen zu.", lächelte ich. "Aber nichts zu danken, ehrlich."

Er hob ungläubig die Augenbrauen. "Ich wette, nicht viele dieser Kriecher, mit denen wir diese Vorlesung teilen, hätten mir geholfen. Ich bin übrigens Adam." Er hielt mir die Hand hin, und nach nur einem winzig kleinen Zögern, nahm ich sie.

"Ich bin Talia.", erwiderte ich, bevor ich seine Hand schnell wieder losließ. Die Erinnerung an meinen letzten Händedruck war noch etwas zu frisch für mich, als dass ich den Moment länger als nötig hätte ausdehnen wollen.

Hmm, das widerspricht irgendwie dem Sinn meiner Lektionen mit Jack...

Wie auch immer, falls er meinen schnellen Rückzug bemerkt hatte, zeigte er es nicht und fuhr stattdessen fort:

"Nett dich kennenzulernen, Talia. Hey, hör mal, musst du jetzt dringend irgendwo hin, oder hast du Zeit, und lässt dir von mir einen 'Danke-schön' Kaffee spendieren?"

Ich öffnete den Mund, um abzulehnen, zögerte dann aber, als ich nochmal darüber nachdachte. Warum wollte ich sofort nein sagen? Er schien ein netter Kerl zu sein, und was sollte schon passieren, wenn ich etwas mit ihm trinken ging?

Als er mein Zögern bemerkte, streckte er seine Hände in einer freimütigen Geste aus.

"Hey, wenn du beschäftigt bist, verstehe ich das total. Es ist nur so, dass das mein letzter Kurs für heute war und ich mich in etwa einer Stunde noch mit einem Freund treffe, also habe ich etwas Zeit totzuschlagen."

Mir gefiel, dass er mir eine Ausrede gab, sodass ich gehen konnte, wenn ich wollte. Außerdem zeigte mir sein Termin, dass er nicht wirklich versuchte, sich an mich heranzumachen. Sehr Ehrenhaft. Ich schaltete in meinen etwas stillgelegten Flirt-Modus und stemmte meine Hände in die Hüften. "Oh, also bin ich nur eine Notlösung, oder wie?", neckte ich.

Er schaute mich an, als wolle er sich vergewissern, dass ich scherzte, und als er mein Lächeln sah, nickte er energisch.

„Jup, leider ja. Du hast mich durchschaut. Ich will nur nicht wie ein Loser ohne Freunde aussehen, für den Fall, dass mein Coolness-Faktor leidet."

"Na ja", seufzte ich tief und lachte dann. "Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass dein Coolness-Faktor leidet, mach statt Kaffee einen Smoothie daraus, und ich bin dabei."

"Großartig." Er lächelte wieder breit, und ich grinste genauso breit zurück.

Wir gingen langsam in Richtung Uni-Café und schimpften über die lange, lange Vorlesung, die wir gerade durchlitten hatten. Er erklärte mir, dass er nicht nur eingeschlafen war, weil die Vorlesung so unglaublich langweilig gewesen war, sondern auch, weil er fast die ganze Nacht wach gewesen war, um den Jackie-Chan-Film-Marathon auf SBS zu schauen.

Er hätte nichts Liebenswerteres sagen können, selbst wenn er es versucht hätte.

"Oh mein Gott, du hast sie dir gestern Abend alle angesehen?!", rief ich erstaunt und bewundernd aus. "Ich habe sie aufgenommen, weil wir Freunde zu Besuch hatten, aber ich wollte auch die ganze Nacht aufbleiben und sie mir ansehen."

"Ich wollte sie eigentlich auch nur aufnehmen, aber dann bin ich hängen geblieben und Teufel noch eins, nur um Professor Gray glücklich zu machen, wollte ich nicht ins Bett gehen."

Nach diesen Worten entstand eine Pause, während ich verzweifelt versuchte, mir ein Lächeln zu verkneifen, und er wurde knallrot.

"Das klang anders als es sollte!", sagte er hastig, und sogar seine Ohren glühten praktisch rot.

"Das will ich doch hoffen!", brachte ich hervor. "Sonst könnte Verdacht aufkommen, wie du das erste Jahr Jura bestehst!"

Wir lachten zusammen, und die Tatsache, dass er über sich selbst lachen konnte und mir meine Bemerkungen nicht übel nahm, obwohl wir uns gerade erst kennengelernt hatten, erwärmte mein Herz.

Als wir im Café ankamen, bestellte ich einen Mango-Smoothie, und nachdem Adam darauf bestanden hatte, zu bezahlen, ergatterten wir einen Tisch in der Nähe des Fensters und nutzten die letzten Strahlen der schwachen, späten Wintersonne.

Als wir uns beide niedergelassen und die ersten Schlucke unserer Getränke genommen hatten, nahm ich mir einen Moment Zeit, um ihn zu studieren. Er sah nicht wirklich gut aus. Seine Nase war ziemlich lang, seine Ohren standen etwas zu sehr ab, und obwohl ich gehört habe, dass manche Frauen das attraktiv fanden, törnten mich sein rotes Haar und die darauf folgende blasse, weiße Haut einfach nicht an. 

Allerdings war er freundlich und offen und hatte ein tolles Lächeln, was vieles wieder wett machte. Ganz zu schweigen davon, dass ich selbst kaum Helena von Troja war, also hatte ich nicht das Recht, ihn so zu kritisieren.

Die Tatsache, dass ich nicht wusste, woher ich ihn kannte, machte mir jedoch zu schaffen. Wo hatte ich ihn schon mal gesehen? Ich scheute mich davor, ihn zu fragen: "Kennen wir uns?", denn das klang einfach zu sehr nach einer kitschigen Anmache. Vielleicht erinnerte ich mich auch nur aus vergangene Vorlesungen an ihn.

Ich spürte, dass die Pause, in der ich ihn kurz musterte, unangenehm lang geworden war, und suchte nach etwas, das ich sagen konnte. Bevor mir jedoch etwas einfiel, erwähnte Adam die Hausarbeit, die wir nächste Woche abgeben mussten, und schon waren wir wieder fröhlich in ein Gespräch verwickelt.

Es war gut, mit jemandem über die Uni reden zu können. Alle meine engsten Freunde studierten andere Fachrichtungen, und die Freunde, die ich in Jura gefunden hatte, gehörten zu der Sorte von Leuten, die nicht zu den Vorlesungen und nur selten zu den Kursen kamen. Außerdem war das Mädchen, mit dem ich normalerweise in der Freitagsvorlesung saß, eine Freundin von Allison, sodass es keine Überraschung war, dass ich an diesem Tag alleine war.

Um ein abgedroschenes, aber sehr zutreffendes Klischee zu verwenden: Die Zeit verging wie im Flug, während wir uns unterhielten. Adam war unglaublich locker, es machte Spaß, sich mit ihm zu unterhalten, und wahrscheinlich, weil er wusste, dass es seine beste Eigenschaft war, lächelte er viel und gab mir das Gefühl, dass ich ein wirklich unterhaltsamer und interessanter Gesprächspartner war. Es ging doch nichts über eine kleine Stärkung des Selbstbewusstseins an einem Freitagmorgen.

Wir hatten gerade angefangen, darüber zu diskutieren, was wir mit unseren Jura-Abschlüssen machen wollten, nämlich Gutes für die Welt tun oder einen Haufen Geld verdienen, welches die einzigen beiden Wege zu sein schienen, die man einschlagen konnte, als ich aus dem Augenwinkel sah, wie jemand auf unseren Tisch zukam. Als ich aufblickte, sah ich zu meinem großen Missfallen, dass es Micky war, und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er auch nicht gerade erfreut, mich zu sehen.

"Hey Mann, ist es schon elf?", fragte Adam, der Micky ebenfalls sah, aber nicht zu bemerken schien, dass Micky und ich uns gegenseitig hasserfüllt anstarrten. Oder vielleicht bemerkte er es auch, beschloss aber klugerweise, es nicht zu erwähnen.

"Nein.", antwortete Micky knapp. "Es ist 11.30 Uhr, die Band wartet am Brunnen." Er machte eine bedeutsame Pause und fügte dann hinzu: "Du weißt schon, wo wir uns treffen wollten."

"Scheiße.", fluchte Adam und kippte den Rest seines Getränks in einem großen Schluck hinunter. "Tut mir leid, Kumpel." Als er begann, seine Sachen zusammenzusuchen, ging mir ein Licht auf.

"Warte mal! Band?!", rief ich aus. "Ich wusste doch, dass ich dich irgendwoher kenne, du bist bei den Wheelwrights."

Adam sah mich überrascht an. "Du hast uns spielen sehen?", fragte er ungläubig.

"Ja, ein paar Mal.", antwortete ich und schlug mit der Hand auf den Tisch. "Gott sei Dank habe ich herausgefunden, wo ich dich schon einmal gesehen habe, das hätte mich sonst wahnsinnig gemacht."

„Als ob wir da einen Unterschied erkennen würden.", spottete Micky, und mit einem Blick zu Adam fügte er hinzu: "Sie ist nur bei unseren Auftritten, weil sie die ganze Zeit ihrem Bruder hinterherläuft."

"Dann wären wir ja schon zwei.", schnauzte ich.

Adam war unsere offensichtliche Feindseligkeit ein wenig unangenehm, aber er tat sein Bestes, um wieder etwas Höflichkeit in das Gespräch zu bringen. "Was hältst du von der Band?"

"Oh, ihr wart ziemlich gut, abgesehen von einem beschissenen Gitarrenspiel.", fügte ich hinzu und funkelte Micky finster an, der, als meine Beleidigung bei ihm ankam, so aussah, als würde er mir gleich eine reinhauen.

"Adam, wir sollten besser gehen.", knurrte er und machte sich auf den Weg zur Tür, aber Adam blieb zurück.

„Hey, ähm, wir spielen morgen Abend ein Konzert in der Uni-Bar, du solltest kommen.", sagte er und schaute mich gespannt an.

Nachdem ich einen Blick an ihm vorbei zu Micky geworfen hatte, der mich finster anstarrte, lächelte ich Adam freundlich an und antwortete ganz lieb: "Ja, vielleicht sehen wir uns ja dort. Danke für den Smoothie."

"Jederzeit, und das meine ich ernst. Nochmals vielen Dank für..." Aber er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden, denn Micky, der offensichtlich genug von der Verabschiedung hatte, packte ihn am Kragen und zerrte ihn vom Tisch weg. Er winkte mir resigniert zu, als er weggezerrt wurde, und ich winkte zurück, bevor ich meine Tasche schnappte und ebenfalls das Café verließ.

*****

Nachdem ich etwa zwei Stunden in der Bibliothek verbracht hatte, ging ich nach Hause, und war froh, dass mein Wochenende endlich begann. Als ich den Parkplatz zu unserem Wohnblock überquerte und meinem kleinen Auto zur Begrüßung auf das Dach klopfte, hatte ich ziemlich gute Laune.

Deshalb war ich mehr als genervt, als ich sah, wie Haley in einer weiteren ihrer Kombinationen aus luftigem Oberteil und kurzem Rock (spürten Flittchen die Kälte nicht so wie andere Menschen?) im Begriff war, den Wohnkomplex zu betreten. Sie hielt mir die Tür auf, und ich musste mich zwingen, nicht absichtlich langsamer zu werden, um den Moment hinauszuzögern, in dem ich mit ihr sprechen musste.

"Danke.", sagte ich höflich, als ich an ihr vorbei in das Gebäude ging.

„Habe ich doch gerne gemacht, Natalia.", erwiderte sie und ich musste mir ein Schaudern verkneifen bei ihrem widerlich süßen Tonfall. Grund Nummer 1268, warum ich Haley nicht mochte, mit ihrem lächerlich unschuldigen Gesichtsausdruck und ihrer Tendenz, die Dinge viel wortreicher zu machen, als sie sein mussten, wusste man nie so recht, ob sie einen nur auf den Arm nehmen wollte.

Wir gingen zusammen schweigend die Treppe hinauf, unsere Schritte hallten in dem hässlichen Betontreppenhaus wider. Als wir die Tür zu meiner Wohnung im dritten Stock erreichten, steckte ich den Schlüssel ins Schloss und machte mich bereit, mit einem hastig gemurmelten Abschiedsgruß hineinzuschlüpfen, um Haley loszuwerden, aber sie schien andere Pläne zu haben, als sie plötzlich sprach.

„Weißt du, ob Jack zu Hause ist?", fragte sie schüchtern, und ich konnte nicht verhindern, dass mir ein kleiner Seufzer entwich.

„Äh, deine Vermutung ist so gut wie meine, denn ich kam zeitgleich mit dir hier an.", sagte ich und versuchte, nicht zu unhöflich zu klingen.

„Oh, ich schätze, du hast recht." Sie biss sich auf die Lippe und wandte den Blick ab, und mir wurde mit einem Mal klar, dass sie sich wahrscheinlich selbst einladen würde, wenn er zu Hause war.

„Warte kurz, ich sehe nach, ob er da ist.", sagte ich mit einem entschiedenen Mangel an Enthusiasmus in meiner Stimme. Ich huschte an den Möbeln im Wohnbereich vorbei, schmiss meine Tasche in mein Zimmer und rief Haley zu liebe:

„Also, in meinem Zimmer ist er nicht."

Als ich wieder in das Wohnzimmer ging, sah ich, dass sie erwartungsvoll in der Tür stand. Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange, um mich davon abzuhalten, auszurasten und ihr zu sagen, sie solle sich verpissen, und stieß die Tür zu Matts Zimmer auf und steckte meinen Kopf hinein. Der Raum war leer, obwohl technisch gesehen, hätten hier angesichts des Geruchs und der Berge von Klamotten, die hier überall angehäuft waren, auch zehn Leichen versteckt sein können.

„Hinter Tür Nummer 2 ist er auch nicht.", teilte ich Haley mit, während ich zu Jacks Tür ging.„Lass uns hinter Tür Nummer 3 nach sehen." Ich öffnete die Tür und erblickte Jack, der auf seinem Bett saß, an seinen MP3-Player angeschlossen war und einige Papiere durchblätterte.

Er blickte auf, als ich hereinkam, und lächelte warmherzig. Er entfernte die Kopfhörer und öffnete den Mund, um mich offensichtlich zu begrüßen, aber vorsichtig, sodass Haley mich nicht sehen konnte, presste ich verzweifelt einen Finger auf meine Lippen und schüttelte den Kopf, um ihm mitzuteilen, er solle still sein. Ohne seine Reaktion abzuwarten, verließ ich das Zimmer und schloss die Tür.

"Nö, da drin auch nicht.", sagte ich fröhlich zu Haley, während ich schnell zur Badezimmertür hinüber marschierte. Ich klopfte ein paar Mal dagegen und rief: "Jack? Bist du da drin?" Da ich aus offensichtlichen Gründen keine Antwort erhielt, wandte ich mich wieder an Haley und zuckte mit den Schultern.

"Ich schätze, er ist nicht da. Willst du eine Nachricht hinterlassen?"

Sie errötete leicht, vermutlich errötete sie nie in diesem schrecklich, fleckigen, knallrot, mit dem der Rest von uns zu kämpfen hatte, und schüttelte den Kopf.

"Nein, schon in Ordnung. Danke, Natalia, wir sehen uns später."

Ich hoffte inständig, dass sie das nur als Ausdruck meinte und nicht damit drohte, nachher wiederzukommen. Als sie die Haustür schloss, kam Jack aus seinem Zimmer und warf mir einen Blick zu.

„Das war ziemlich albern von dir.", kommentierte er, ging in die Küche und schenkte sich ein Glas Saft ein.

Ich ließ mich auf die Couch fallen und streckte ihm die Zunge heraus. "Ist das der Dank dafür, dass ich dich vor einem Schicksal schlimmer als der Tod bewahrt habe, nämlich ein Nachmittag in Gesellschaft der unglaublichen Klette?"

Er nahm einen Schluck von seinem Getränk und schüttelte fassungslos den Kopf. "Ich verstehe nicht, was du gegen sie hast, wirklich nicht.", sagte er, doch als er sah, dass ich mit meiner gut einstudierten Tirade über Haley beginnen wollte, hob er eine Hand, um mich davon abzuhalten. "Aber darüber will ich jetzt nicht reden. Hast du schon zu Mittag gegessen?"

Ich war durch den abrupten Themenwechsel leicht irritiert und schüttelte deshalb nur den Kopf als Antwort, während ich mich zwang, die negativen Gedanken, die Haley in mir ausgelöst hatte, fallenzulassen.

"Ich hatte auch noch keine Zeit, also wie wäre es, wenn wir etwas essen gehen?", fragte Jack, als er seinen Saft ausgetrunken und das Glas unter dem Wasserhahn ausgespült hatte.

„Etwas essen gehen? Jack Whitby, ist das eine Verabredung?", fragte ich kokett, klimperte mit den Wimpern und wurde damit belohnt, dass Jack überrascht die Augenbrauen hochzog.

„So hatte ich das gar nicht gemeint.", sagte er locker, und obwohl ich nur einen Scherz gemacht hatte, spürte ich, wie sich mein Magen vor Enttäuschung ein wenig zusammenzog.

„Ah, na gut.", seufzte ich theatralisch, als ich mich von der Couch erhob. „Ich habe mich vor zwei Tagen erst von meinem Freund getrennt, so schnell mit jemand anderen auf ein Date zu gehen, könnte man als nuttig bezeichnen, schätze ich."

„Möglicherweise.", antwortete er, und hörte eindeutig nicht wirklich zu, während er sich nach seiner Brieftasche umschaute.

"Führst du mich an einen romantischen Ort aus?", neckte ich und nutzte die Tatsache, dass er mir offensichtlich nicht richtig zu hörte. "Irgendwohin, wo wir unter dem Tisch füßeln können und uns gegenseitig mit unseren Nasen Fleischbällchen zuschieben können?"

„Angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass wir von Leuten gesehen werden können, die wir kennen, nein.", antwortete er immer noch geistesabwesend, fand schließlich seine Brieftasche und steckte sie in die Gesäßtasche seiner Jeans. "Bist du so weit?"

Ich fühlte mich ein wenig verstimmt über sein offensichtliches Desinteresse und ging an ihm vorbei in mein Zimmer, wo ich mein Handy, mein Portemonnaie und meinen Lippenbalsam aus meiner Uni-Tasche kramte und in eine kleinere Ausgehtasche warf. Ich fuhr mir schnell mit einer Bürste durch die Haare und stellte mich vor Jack.

"Gefreiter Davenport meldet sich für die Mittagsmission, Sir!", sagte ich und salutierte scherzhaft.

Er verdrehte die Augen und hielt mir die Tür auf. "Rühren, Soldat. Aber haltet die Augen nach der Bürgerin Haley offen, das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können, sind feindliche Beziehungen zu unserem Nachbarland."

„Dafür ist es bereits zu spät.", murmelte ich, als ich begann die Treppe hinunterzugehen.





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