Mutiny
Der nächste Tag war Samstag, und da es Mitte September war, konnte das nur eines bedeuten: Zeit, die Ängste und das Drama beiseite zu legen und sich für ein glorreiches Ziel zu vereinen – Football!
Zumindest hoffte ich, dass sich die Dinge so entwickeln würden. Matt und Jack waren beim Frühstück verhalten, und ich wusste, dass das daran lag, dass sie sich Sorgen machten, wie das Team spielen würde, denn Sam und Micky hatten eindeutig andere Dinge im Kopf.
Sie gingen bald nach dem Frühstück, um sich mit den anderen Jungs zu treffen und vor dem Spiel zu trainieren, und ich beendete einige Uni-Arbeiten.
In der Wohnung war es ruhig, das Wetter hatte sich gebessert und die Sonne schien auf diese oberflächliche Weise, wie sie es sonst im Frühling tat, was zwar nicht viel Wärme spendete, aber die Dinge viel fröhlicher erscheinen ließ.
Doch so friedlich die Umgebung auch zu sein schien, in meinem Magen machte sich ein kleines Unbehagen breit, das auch nach Beendigung der Aufgabe für die Uni nicht nachließ.
Ich warf meine Bücher beiseite und sah mich nach einer anderen Beschäftigung um, bis mein Blick auf den Schwamm fiel. Perfekt. Entschlossen, mich zu beschäftigen, reinigte ich die Wohnung gründlich und schrubbte lieber die Flecken auf den Küchentheken, als darüber nachzudenken, dass heute der 18. September war.
Ja, der nächste Tag sollte der 19. sein, und ich hatte immer noch keine Ahnung, wie wir drei in der Wohnung, uns der ganzen Sache nähern würden. Würden Matt und Jack einfach den ganzen Tag und die ganze Nacht verschwinden, wie sie es in Bridunna getan hatten? Würde sie mich mitnehmen?
Ich nahm an, die letzte Frage würde davon abhängen, ob Jack vorhatte, seinem üblichen Weg zu folgen und ein beliebiges Mädchen aufzureißen, mit dem er seine Sorgen vergessen konnte.
Der Gedanken allein, sorgte dafür, dass ich mich anspannte und den Schwamm so fest in meiner Hand zusammendrückte, dass ich bezweifelte, dass er überhaupt noch Feuchtigkeit enthielt.
Aber ich sagte mir fest, wie ich es schon früher getan hatte, dass es nicht um mich ging, sondern um Jack, und dass ich kein Recht hatte, mich einzumischen, wenn er mit jemand anderem als mir schlief, um Trost zu finden.
Das war alles schön und gut, aber wie fühlte ich mich wirklich?
Der Gedanke, dass Jack mit einer anderen zusammen sein würde, bereitete mir Bauchschmerzen.
Was unglaublich egoistisch von mir ist, wenn man bedenkt, dass mein Umgang mit ihm auf nichts anderem beruhte, als auf einem dumme Abmachung, zu der ich ihn förmlich gezwungen hatte.
Oh, warum nur hatte ich die Dinge nur so kompliziert werden lassen?!
Als ich in der Wohnung so gut wie nichts mehr hatte, an dem ich meine erlösende Reinigungsroutine auslassen konnte, duschte ich schnell und zog mich in meiner ganzen Grover-Fan-Pracht an.
Ich war natürlich Stammgast bei ihren Spielen, und so war mein Outfit perfekt abgestimmt. Es bestand aus einer Jeans, einem Grover's Rovers-Trikot (das Simone für mich umgenäht hatte, damit es nicht so sehr einem Nachthemd ähnelte) und einem Schal, den meine Mutter aus blauer und grüner Wolle gestrickt hatte, um die Farben der Mannschaft widerzuspiegeln. Ich schwenkte zwar keine riesigen Bommeln, aber ich war trotzdem ganz offensichtlich ein begeisterter Fan.
Ich hatte gerade meinen Lippenbalsam, mein Handy, mein Portemonnaie, meine Schlüssel, meine Wasserflasche und eine Plastiktüte (nur für den Fall, das der Rasen vom gestrigen Regen noch nass war, ich denke halt mit) in meine Umhängetasche geworfen, als es kurz an der Tür klopfte und Simone hereinkam.
Sie war ziemlich ähnlich gekleidet wie ich, obwohl sie ihr Trikot mit einem gezackten Ausschnitt, einem kürzeren Saum und sogar einigen funkelnden Strasssteinen etwas flippiger und weiblicher gestaltet hatte. Sie liebte es, normale Outfits aufzupeppen, und hatte angeboten, das Gleiche mit meinem Trikot zu machen, aber ich war einfach schon froh, dass es etwas weniger sackartig aussah.
Ich wartete darauf, dass sie mit ihrem üblichen Geschwätz begann, aber offensichtlich war sie nicht 100 % sie selbst, da ihr Blick etwas unruhig hin und her wanderte. Enttäuscht darüber, dass sie anscheinend immer noch schwer an etwas zu nagen hatte, gelang es mir gerade noch, einen langen Seufzer zu unterdrücken und stattdessen ein strahlendes Lächeln auf meine Lippen zu zaubern.
"Also, bist du bereit zu gehen?", fragte ich, was ziemlich unsinnig war, da sie diejenige war, die mich abholen wollte, und daher diejenige sein sollte, die mir diese Frage stellte. Dennoch schien eine Konversation etwas jenseits von ihr zu liegen, also übernahm ich die Aufgabe.
Wir gingen gemeinsam aus der Wohnung und die Treppe hinunter, und ich war schon auf dem Weg zum Parkplatz, als ich bemerkte, dass Simone stehen geblieben war. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie sie an Haleys Tür klopfte, und mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich mich daran erinnerte, dass wir Haley normalerweise mit zu den Spielen nahmen.
Einen Moment später erschien Haley in der Tür, und mir fiel auf, dass sie zwar in Anspielung auf die Aktivitäten des Tages blau und grün gekleidet war, aber weder ein Trikot noch ein Fanschal zu sehen war.
Nun, dachte ich mit einer gewissen Genugtuung, so wird sie keinen der Jungs für sich gewinnen können.
Haley bemerkte, dass ich sie aufmerksam musterte und lächelte verlegen, winkte dümmlich und sagte leise: "Hallo Natalia."
Sie war nervös wegen meiner Reaktion auf sie. Gut, und das sollte sie auch sein, denn ich war nur einen winzigen Schritt davon entfernt, in ihr perfekt geschminktes Gesicht zu schlagen. Ich grunzte zur Begrüßung und klang genau wie einer der Jungs, drehte mich um, verließ das Gebäude und ging zu Simones Auto.
Als ich näher kam, sah ich, dass bereits jemand darin saß. Ich neigte meinen Kopf, um besser durch das Fenster sehen zu können und erkannte, dass es Alex war. Das machte Sinn, er liebte Football, also wollte er wahrscheinlich mitkommen.
Ich hatte wohl für einen Moment vergessen, dass Alex immer noch die "Ich hasse alles"-Phase durchlief, denn obwohl ich mich deutlich daran erinnern konnte, dass er mir erst vor einem Jahr oder so gesagt hatte, dass Football sein Ein und Alles sei, bekam ich, als ich ins Auto stieg und ihn fragte, ob er sich schon auf das Spiel freute, ein sehr vorhersehbares:
"Verpiss dich." Im Gegenzug.
Ich rollte mit den Augen, öffnete eine der hinteren Türen und warf mich auf den Rücksitz, denn ich hatte das Gefühl, dass es ein sehr langer Nachmittag werden würde; mit Simones niedergeschlagenheit, Alex pubertären Missmut und Haley, mit ihrem üblichen Verhalten.
Das Oval der Grove Universität lagt direkt am Ende des Campus, und obwohl es keine Tribünen gab, fielen die Ränder des Ovals nach oben ab und bildeten einen natürlichen Sitzbereich. Wir platzierten uns direkt gegenüber dem Mittelkreis, so dass wir gleich weit von den Toren entfernt waren, und ganz vorne, so dass wir das Spielgeschehen gut sehen konnten.
Wie ich erwartet hatte, war das Gras noch nass vom Regen des Vortages, aber da wir Mädchen schon seit zwei Jahren zu den Spielen gingen, hatten wir alle unsere Plastiktüten mitgebracht, und Simone hatte sogar daran gedacht, eine Ersatztüte für Alex mitzubringen.
Nicht, dass er besonders dankbar dafür gewesen wäre. So wie er sich benahm, konnte er froh sein, wenn ich ihn bis zur Halbzeit nicht mit seiner Plastiktüte erstickte.
Wir waren etwa eine halbe Stunde vor Spielbeginn da und amüsierten uns damit, mit den Leuten um uns herum, zu reden und die Gegner niederzustarren, während sie sich auf dem Oval warmliefen.
Wenngleich es von außen so aussah, als wäre zwischen uns Vieren alles normal, gab es einen seltsamen kleinen Unterton zwischen uns. Im Grunde gab es nur sehr wenig Konversation, aber viele bedeutungsvolle Blicke.
Haley versuchte immer wieder, meinen Blick zu erhaschen, und wenn es ihr durch meine Unaufmerksamkeit gelang, lächelte sie entschuldigend, sichtlich darum bemüht, meine Vergebung zu erlangen.
Ich hingegen versuchte, Simones Blick zu fangen und mich zu vergewissern, dass es ihr gut ging, aber sie wich, wie ich es mit Haley tat, meinem Blick standhaft aus, und ich fing stattdessen immer wieder Alex Blick.
Aus irgendeinem Grund schien er auch verärgert über mich zu sein, aber es war schwer zu sagen, weil er ja mit allem unzufrieden war, jedoch glaube ich, dass er einen ganz besonderen Blick der Verärgerung nur für mich reserviert hatte.
Was bin ich doch für ein glückliches Mädchen.
Alles in allem war ich ziemlich froh, als der Schiedsrichter nach vorne kam, um das Spiel zu beginnen. Jack kam nach vorne, um den Anstoß zu übernehmen, Micky war im gegnerischen 50iger Raum, Tommo stand im Grover-Torquadrat, und Matt und Sammsa lungerten an den Seiten des Mittelkreises herum, während der Rest der Mannschaft sich um sie herum auf dem Oval verteilte.
Die Gegner standen fast ganz unten auf der Rangliste und es gab keine Zweifel daran, wer gewinnen würde. Die einzige Frage war, wie hoch die Grovers sie schlagen würden.
Da der Boden noch ziemlich aufgeweicht war, warf der Schiedsrichter den Ball hoch, um das Spiel zu beginnen, und Jack und sein Gegner sprangen im selben Moment nach vorne. Jacks Arme waren länger, und so konnte er den Ball mit einer einzigen fließenden Bewegung, die sie in jahrelangem Spiel perfektioniert hatten, zu Matt schmettern.
Jack rannte los, und ohne sich umzudrehen, spielte Matt ihm den Ball zu, weil er wusste, dass er da sein würde. Es war wie ihre morgendliche Routine beim Frühstück, alles Instinkt, alles Vertrauen in den anderen, und es war wirklich sehenswert.
Während Matt die Gegner davon abhielt, einen Angriff zu starten, flog Jack den Mittelweg hinunter, schlug den Ball zweimal auf und schoss ihn dann präzise zu Tommo, der etwa 30 Meter vor dem Tor einen sensationellen Schuss abgab.
Ich jubelte laut zusammen mit den anderen Grovers-Fans, denn ich wusste, dass Tommo aus so kurzer Entfernung direkt vor dem Tor nicht daneben schießen würde. Und tatsächlich schoss er den Ball genau in die Mitte zwischen die beiden höheren Pfosten.
Ein Tor in drei Spielzügen? Die andere Mannschaft war ja sowas von am Arsch.
Das erste Viertel verlief ähnlich, bis kurz vor Ertönen der Viertelsirene eine trickreiche Mittelfeldarbeit des Gegners dazu führte, dass der Ball zum ersten Mal in die gegnerische Hälfte getreten wurde. Der Ball war für ein Eins-gegen-Eins bestimmt und hätte keine wirkliche Gefahr darstellen sollen, aber Micky, der dem besten Stürmer der gegnerischen Mannschaft zugeteilt war, schien nicht aufzupassen, so dass der Ball plötzlich abgefangen wurde und in Windeseile ein Tor für die Gegneseite fiel.
Das war keine totale Katastrophe, wenn man bedenkt, dass die Rovers zur Halbzeit 32 Punkte Vorsprung hatten, aber es sorgte für mehr als nur ein paar hochgezogene Augenbrauen, da es so untypisch für Micky war, seinen zugeteilten Mann zu verlassen. Ich wusste, dass alle dasselbe dachten: Wo war Micky nur mit seinen Gedanken?
Die Sirene ertönte, und die Jungs joggten über das Oval, um sich zu versammeln und die Taktik für das zweite Viertel zu besprechen und Anweisungen von Sam zu erhalten. Ich konnte sehen, dass Sam Micky besondere Aufmerksamkeit schenkte und mehrere Minuten lang ununterbrochen auf ihn einredete, während die anderen gierig aus ihren Wasserflaschen tranken.
Leider schien das, was Sam zu seinem Zwilling gesagt hatte, keine Wirkung zu zeigen, denn schon nach zwei Minuten des zweiten Viertels fing derselbe Spieler, den Micky eigentlich davon abhalten sollte zu punkten, einen leichten Ball ab und schoss Sekunden später ein Tor.
Und so ging es weiter, die Rovers konnten den Spielfluss größtenteils in Richtung ihres Stürmers halten, aber jedes Mal, wenn der Ball in die entgegengesetzte Richtung ging, nutzte Mickys Mann dies unweigerlich aus.
Die Zuschauer der Rover waren außer sich, und ich schrie mich fast heiser, um Micky zu sagen, dass er aufpassen solle.
Nach etwa 20 Minuten sah ich, wie Sam die Gelegenheit einer Auszeit wegen einer Verletzung der anderen Mannschaft nutzte, um auf seinen Bruder zuzugehen, und ich wusste, dass er Micky zum ersten Mal wegen schlechten Spiels vom Platz schicken würde und nicht wegen der Blutregel oder einer Pause.
Micky kam nach vorne, um Sam direkt vor unserem Sitzplatz zu treffen, und ich wusste sofort, dass die Kacke wirklich am Dampfen war. Ich schaute instinktiv nach Matt und Jack und sah, dass sie sich in der Nähe positioniert hatten, aber nicht eingreifen würden, wenn es nicht absolut notwendig war. Dies war Sams Revier, und wenn das Spiel lief, war er vor allem ihr Kapitän.
Als sich die Zwillinge gegenüberstanden und die Spannung stieg, ergriff Simone plötzlich meine Hand, und als ich sie ansah, bemerkte ich, dass sie noch blasser war als sonst. Ich schaute mich um und sah, dass, obwohl viele in der Menge sich über ein bisschen Drama freuten, Alex unbehaglich aussah und aufgestanden war, als ob er sich, wie Jack und Matt, darauf vorbereitete, notfalls einzuspringen. Auch Haley sah furchtbar unbehaglich aus und so, als wäre sie in diesem Moment lieber irgendwo anders auf der Welt gewesen.
"Du bist raus.", sagte Sam barsch, und seine Stimme drang deutlich zu uns herüber, da wir nicht mehr als acht Meter entfernt waren.
"Ich bin was?", fragte Micky wütend und drückte sein Gesicht ganz nah an das seines Bruders. Als Sam teilnahmslos blieb, schnaubte er angewidert und wandte sich ab: "Nein, verpiss dich."
Ich wusste, dass Sam ihm das nicht durchgehen lassen würde, und tatsächlich packte er seinen Zwilling an der Schulter und riss ihn zurück, bevor er die Chance hatte, weit zu gehen. "Ich bin dein Team-Kapitän", sagte Sam, sein Gesicht eine Maske aus Gleichgültigkeit. "Und wenn ich sage, du bist raus, dann bist du raus."
Micky nahm Sams Trikot in die Hand und schüttelte ihn ein wenig, als er antwortete: "Ich glaube, du hast mich nicht verstanden, Kapitän, ich habe nein gesagt."
Daraufhin machte mein Bruder einen kleinen Schritt nach vorne. "Hey, komm schon, Micky...", begann Matt, offensichtlich verärgert über dieses offene Eingeständnis der Meuterei, aber Micky warf ihm einen finsteren Blick zu und schnauzte:
"Und du kannst dich auch verpissen, das hat überhaupt nichts mit dir zu tun."
"Es scheint auch nichts mit Football zu tun zu haben.", warf Jack scharf ein, immer auf der Hut, um zu Matts Verteidigung zu springen.
"Ja", stimmte Matt zu und warf einen kurzen Blick zu Jack hinüber. "Und angesichts dessen, dass wir mitten in einem Spiel sind, kann der ganze Scheiß, den ihr zwei am Laufen habt, nicht noch eine Weile warten?"
Mein Bruder, meine Damen und Herren, ein treuer Beschützer der Australischen Football Regeln, unabhängig von der Situation.
"Ich bin der Kapitän", wiederholte Sam, dessen Augen sich in die von Micky bohrten und der nicht einmal zu bemerken schien, dass Jack und Matt gesprochen hatten, "und wenn ich dir sage, du sollst an deinem Mann bleiben, dann bleibst du an deinem Mann. Und wenn du es versaust und ich dir sage, du sollst von meinem Oval runter, dann gehst du von meinem verdammten Oval runter."
Er riss Mickys Hand von seinem Trikot und schubste ihn nach hinten. "Also", sagte er, seine Stimme strotzte vor Autorität, "Bruder oder nicht, wenn du nicht in zehn Sekunden auf der Bank sitzt, schmeiße ich dich aus dem Team, nicht nur für heute, sondern für immer."
Einen Moment lang sah Micky fassungslos aus und ich wusste, wenn irgendetwas einem der fünf Jungs das Herz brechen würde, dann wäre es, ihr geliebtes Spiel nicht mehr zu spielen. Sam hatte mit dieser Drohung große Geschütze aufgefahren. Alle waren für einen Moment wie erstarrt, dann stahl sich ein seltsamer Ausdruck auf Mickys Gesicht und ich spürte, wie sich die Härchen auf meinen Armen aufstellten, als er wieder auf Sam zuging.
"Oh, ich verstehe schon.", begann er, und aus dem Augenwinkel sah ich, wie Alex den Kopf schüttelte und dann über die Begrenzungslinie joggte, um zusammen mit Tommo die anderen auf dem Oval zurückzuhalten, die herbeigelaufen waren, um zu sehen, was los war.
"Das hat nichts damit zu tun, dass ich mein Ziel aus den Augen gelassen habe.", fuhr Micky fort, seine Stimme war tief und gefährlich. "Das hat mit dir und deinem kleinen Geheimnis zu tun. Glaubst du etwa, dass es mir schwerer fällt, allen zu sagen, was mit dir los ist, wenn ich nicht mehr im Team bin? Scheiße, ich könnte es ihnen sofort sagen."
Simone sprang auf und schrie: "Micky, nicht."
Er schaute kurz zu ihr hinüber, und in diesem Moment der Unaufmerksamkeit stürzte sich Sam auf ihn. Jack und Matt stürmten nach vorne, aber es war zu spät, denn die Zwillinge waren in einer Prügelei verwickelt, die kein Sterblicher je zu lösen vermochte.
Ich stand ebenfalls auf und hielt Simones Hand fest, während ich zusah, wie sich die Zwillinge gegenseitig auf den Boden warfen, und fühlte mich überwältigend nutzlos. Ich fing Jacks Blick und formte Wortlos mit den Lippen:
'Was ist hier los?'
Aberwie schon am Vortag hatte er keine Antwort für mich.
"Können sie nicht etwas tun?", keuchte Simone, ihr Blick auf die streitenden Zwillinge gerichtet.
Ichwollte gerade fragen: "Wie genau?", als Sam die Oberhand in dem Kampf zu gewinnen schien und seinen Bruder flach auf dem Boden drückte, sich auf seine Brust setzte und seine Arme festhielt, die Micky weiterhin wild um sich schlug.
"Du bist mein Bruder.", keuchte Sam, sein Gesicht war rot und sein Trikot zerrissen. "Vor all dem anderen Scheiß solltest du mein Bruder sein."
"Was ist mit dir?!", knurrte Micky, immer noch wütend strampelt. "Was ist damit, dass du ein Bruder für mich bist? Warum musstest du alles vermasseln? Warum muss immer alles so beschissen enden?!"
Für einen kurzen Moment empfand ich einen Anflug von Sympathie für Micky, er klang wie ein verwirrtes kleines Kind, und ich hatte das Gefühl, dass das, was mit Sam los war, nur eine weitere Enttäuschung in einer langen Reihe von Enttäuschungen war, die ihm das Leben beschert hatte. Sein Bruder jedoch schien kein solches Mitgefühl zu hegen.
"Oh, du Armer.", rief er sarkastisch. "Meinst du, dass manche Dinge vielleicht wegen dir und deiner verdammten Einstellung so enden, wie sie es tun? Ich kann nichts dafür, was passiert ist, aber du und dein ständiges Gezicke haben nichts gebracht, und ich habe es satt."
Micky sah überrascht zu ihm auf, und Sammsa nickte nachdrücklich. "Ja, das stimmt, ich habe es satt, dass du auf alle um dich herum losgehst, wenn die Dinge nicht so laufen, wie du es willst. Ich meine, was hat Talia dir je angetan? Wirklich, wenn du darüber nachdenkst, kannst du einen einzigen Moment nennen, in dem sie ehrlich und böswillig gegen dich gearbeitet hat?"
Schönen Dank, Sam, dachte ich sarkastisch, danke, dass du mich da mit reingezogen hast. Die Leute auf dem Oval und auf dem Rasen um uns herum sahen mich an und ich spürte, wie ich errötete, als Sam fortfuhr:
"Der einzige Grund, warum du sie so sehr hasst, ist, weil sie dir Paroli bietet, und ehrlich gesagt, denke ich, dass es verdammt noch mal an der Zeit ist, dass es jemand tut."
Ich überlegte kurz, ob es angemessen wäre, das zu tun, was sie im Parlament immer taten, und 'Hört, hört!' zu singen, entschied mich dann aber dagegen.
Micky hörte für einen Moment auf, sich gegen Sam zu wehren und knurrte: "Weißt du, du könntest recht haben, im Vergleich zu dir steht sie jetzt ziemlich gut da."
"Und zu wissen, dass ich recht habe, macht dich fertig, nicht wahr?", trumpfte Sam auf. "Wenn ich es mir recht überlege, ist dein größtes Problem in Wirklichkeit der ganze Mist, den du Talia dieses Jahr an den Kopf geworfen hast. Sieh es ein, Bruder, ich bin nicht derjenige, der dir die Dinge versaut hat, sondern du."
Es gab einen Moment, in dem ich versuchte zu begreifen, wie ich Mickys 'größtes Problem' verursacht haben könnte, und Schweigen breitete sich um uns herum aus. In diesem Augenblick schien alles stillzustehen und ich dachte, dass der Streit zwischen den Zwillingen vielleicht vorbei sei. In der nächsten Sekunde jedoch blähte sich Mickys Gesicht seltsam auf, als wäre es mit heißer Luft gefüllt, und Simone und ich schrien beide:
"Sam!", als Micky seinen Arm frei drehte und mit einem kräftigen Schwung Sams Nase zur Seite schlug. Es gab ein unangenehmes Knirschen, das selbst von dort, wo Simone und ich standen, zu hören war, und eine Kaskade von Blut ergoss sich über Mickys Hand und Sams Gesicht.
Einen Moment lang sahen ich und anscheinend auch alle anderen mit entsetzter Faszination zu, wie sich die purpurne Flüssigkeit über die Zwillinge ergoss, bevor ein leises Wimmern von Simone mich aus meiner Benommenheit riss.
Ich drehte mich zu Simone um, um zu sehen, ob es ihr gut ging, und konnte sie gerade noch rechtzeitig auffangen, als sie schwankte und das Gleichgewicht verlor. Sie sah furchtbar aus, und ich wusste, dass der Anblick von so viel Blut ihr zu allem Überfluss auch noch zugesetzt hatte.
Ich drückte sie fest an meine Brust und ließ zu, dass sie ihr Gesicht vor all dem verbarg. Ich spielte die Starke und wünschte mir nichts sehnlicher, als zu Jack zu laufen und mich von ihm trösten zu lassen, wie ich Simone jetzt tröstete.
Alex, der einen kurzen Blick zu seiner Schwester geworfen hatte, als das Blut zum ersten Mal hervorbrach, stürzte nach vorne und half Sam auf die Seite, wobei er den Kopf des älteren Jungen nach unten hielt, damit das Blut nicht in den Hals lief, sondern abtropfen konnte. Angesichts dessen, wie Alex sich zuvor verhalten hatte, zeigte er, wie ich fand, eine bemerkenswerte Reife in seinem Umgang mit Sam.
Ich beobachtete ihn mit Interesse und fragte mich einen Moment lang, was genau seine Geschichte war, was in jener Nacht auf der Feuertreppe passiert war? Mein Moment des Nachdenkens war jedoch nur von kurzer Dauer, denn in der nächsten Sekunde blickte Alex auf, sah, wie ich ihn anstarrte, und schrie:
"Was zum Teufel glotzt du mich so an? Schafft sie hier raus." Und gestikulierte in Richtung Simone.
Er hatte natürlich recht, es schien, als hätte Simone einen Nervenzusammenbruch, und sie konnte wirklich nicht im Oval bleiben, also packte ich sie an den Schultern und schob meine zierliche Freundin von mir und zwang sie in eine stehende Position.
Mit Haley auf der einen und mir auf der anderen Seite schafften wir es, Simone den Hügel hinaufzuschieben, vorbei an all den starrenden Leuten und hinaus auf den Parkplatz.
Die Luft schien frischer und leichter zu werden, je weiter wir uns vom Oval entfernten, und ich fragte mich, ob ich während des ganzen Trubels unbewusst kürzer geatmet hatte.
Ich kramte Simones Autoschlüssel aus ihrer Tasche, schloss die Beifahrerseite des Autos auf und Haley und ich manövrierten sie hinein. Als Simone sich gegen die Rückenlehne des Autositzes sinken ließ, traten Haley und ich einen Schritt zurück, und dann sahen wir uns alle einen Moment lang in bestürztem Schweigen an. Simones Augen waren tränennass, Haley kaute unbehaglich an ihren Fingernägeln, und ich wusste, dass mein Gesicht immer noch rot wie eine Rote Beete war.
Football am Samstag war noch nie so dramatisch gewesen. Und ehrlich, man sagt, dass Mädchen diejenigen sind, die das ganze Drama brauchten.
"Ich schätze, wir sollten gehen.", sagte ich zögernd, als es schien, dass keiner der anderen etwas sagen würde.
Simone nickte, aber dann, als ich zur Fahrerseite hinübergehen wollte, hielt sie mich auf. "Nein, du musst zurückgehen", sagte sie zittrig.
"Hm?" Ich schaute sie verwirrt an und sie lächelte leicht.
"Komm schon Talia, ich kenne dich schon ewig und ich weiß, dass du unbedingt zurückgehen willst, um zu sehen, was da los ist. Und dass musst du sowieso, denn wenn du es nicht tust, werden wir nie erfahren, was passiert ist, weil die Jungs wie immer die Reihen schließen werden."
"Ich würde gerne wissen, ob es Sam gut geht.", sagte Haley zaghaft, und ausnahmsweise ärgerte mich ihre schüchterne Haltung nicht.
"Also gut." Ich brauchte nicht viel Überredung, Simone hatte recht, ich wollte unbedingt wissen, was los war. Ich warf die Schlüssel zu Haley und wies sie an: "Fahr Simone nach Hause."
Wir verabschiedeten uns, und während Haley Simones Auto rückwärts aus der Parklücke fuhr, holte ich tief Luft und ging zurück zum Oval. Ich ignorierte die Blicke der anderen Leute auf der Tribüne und marschierte geradewegs zur Begrenzungslinie und machte eine Bestandsaufnahme der Situation.
Micky war nirgends zu sehen, Sam saß etwas links von mir auf dem Boden und hielt sich Jacks Trikot vor die Nase, und der nun mit nacktem Oberkörper dastehende Jack hockte neben ihm und redete ernsthaft auf ihn ein.
Matt und Tommo waren von den Schiedsrichtern umringt und schüttelten ständig ihre Köpfe, was nichts Gutes für den Ausgang des Spiels verhieß.
Als ich merkte, dass außer Micky noch jemand fehlte, schaute ich mich nach Alex um und sah, wie er mit einer Zigarette im Mund über das Oval auf mich zuwanderte. Ich gestikulierte ihm ungeduldig zu, aber der kleine Scheißer schlenderte in aller Ruhe weiter, und es dauerte fast eine halbe Minute, bis er mich erreichte.
"Tut mir leid, wenn ich deinen kleinen Bad-Boy-Moment unterbrochen habe", sagte ich sarkastisch, "aber wo ist Micky?"
Alex stieß einen langen Strom grauen Rauchs aus und zuckte dann mit den Schultern, so dass ich ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte. Zum Glück lösten sich in diesem Moment Tommo und Matt von den Schiedsrichtern, und als sie mich bemerkten, joggte Tommo hinüber, während Matt auf Jack und Sam zuging.
"Wo ist Micky?", wiederholte ich, als Tommo neben Alex ankam.
Ärgerlicherweise zuckte auch Tommo mit den Schultern, und ich begann zu vermuten, dass die Jungs bereits begonnen hatten, ihre Reihen zu schließen, wie Simone es angekündigt hatte. Doch Tommo erklärte seine Antwort ein wenig, indem er hinzufügte:
"Er ist abgehauen, als ihr es getan habt. Geht es Simone gut?"
"Ja.", antwortete ich ihm, aber meine Aufmerksamkeit war nicht auf ihn gerichtet, sondern auf Jack und meinen Bruder. Als Matt Jack und Sam erreicht hatte, warf er Jack einen eisigen Blick zu und begann mit Sam zu reden, als wäre sein bester Freund gar nicht da.
Mir lief es Eiskalt den Rücken hinunter und ich würgte ein "Was ist mit Matt los?" hervor, und hoffte, dass ich nicht ganz so erschrocken aussah, wie ich mich fühlte.
"Oh" Tommos Mund verzog sich zu einem Lächeln, und ich begann mich ein wenig zu entspannen, da es sicherlich nicht so schlimm sein konnte, wenn er grinste.
"Siehst du den dicken Knutschfleck, den Jack auf der Schulter hat? Wir haben ihn alle gesehen, als er sein Trikot ausgezogen hat, um es Sam zu geben, aber er will uns nicht sagen, von wem er ihn hat, und Matt ist stinksauer." Sein Lächeln wurde breiter. "Nur fürs Protokoll, ich tippe auf Kristin.", gluckste er, obwohl er darauf achtete, dass er neutral aussah, als Jack eine Sekunde später zu uns stieß.
"Wir werden Sam in die Notaufnahme bringen müssen.", seufzte er und hob die Augenbrauen leicht, weil Alex rauchte, sagte aber nichts. "Er meint, dass seine Nase gebrochen ist. Und was haben die Schiedsrichter gesagt?", fragte er und drehte sich zu Tom um, als hätte er uns nicht gerade im gleichen Atemzug mitgeteilt, dass einer seiner besten Freunde eine gebrochene Nase hatte.
"Wir mussten eine Niederlage eingestehen." Tom schüttelte angewidert den Kopf und Jack tat es ihm gleich.
"Verdammt, wir hätten sie locker fertig machen können. Sam wird wütend sein."
Ich warf einen Blick zu Matt und Sam hinüber, die langsam herüberkamen. Ein Blick auf Sams Gesicht verriet mir, dass 'wütend' eine Untertreibung war.
"Iff werfe öhm ombröfen.", schnaufte Sam, als er unsere Gruppe erreichte.
"Ich glaube", sagte Matt, als wir ihn alle verwirrt ansahen, "das ist die Sprache der blutigen Nase für 'Ich werde ihn umbringen'."
In jeder anderen Situation hätte ich das lustig gefunden, aber meine Lippen zuckten nicht einmal.
Als wir zum Parkplatz gingen, schaute ich mir die Jungs genauer an: Tommo machte ein grimmiges Gesicht, Sam war hinter Jacks sehr blutigen Trikot versteckte, Alex war mürrisch, und es lag eine gewisse Kälte in der Art, wie Matt und Jack miteinander umgingen. Im Grunde sahen alle unglücklich aus, und unwillkürlich schossen mir Mickys Worte durch den Kopf: Warum muss immer alles so beschissen enden?!
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