Clean

Als wollte ich beweisen, dass Jack recht hatte, als er mich als unreif bezeichnet hatte, verbrachte ich die nächsten zwei Tage damit, mit einem grimmigen Gesicht durch die Wohnung zu stampfen. Ich hätte Matt fast den Kopf abgerissen, als er Jack "PMS" zurief, nachdem ich ein Glas so heftig hingestellt hatte, dass der größte Teil der Flüssigkeit herausgeschwappt war.

Natürlich konnte ich ihm nicht erklären, dass nicht die einsetzende Periode der Grund dafür war, dass ich mich wie eine Wilde verhielt, sondern die Tatsache, dass das Miststück von unten mich davon abgehalten hatte, mit seinem besten Freund zu knutschen. Würde ihm da nicht gleich das dumme Grinsen vergehen?

Aber nicht nur in der Wohnung hatte ich schlechte Laune. Die Wolke verfolgte mich bis in die Uni, wo ich in den Kursen und Vorlesungen kaum ein Wort mitbekam. Selbst Adam konnte mich nicht aus meiner schlechten Laune reißen, obwohl er sein Bestes gab; noch in der Woche zuvor hätte ich mich bei seinen Späßen vor Lachen auf dem Boden gewälzt.

Simone, die mich schon so lange kannte, wusste, dass es am besten war, mir aus dem Weg zu gehen, wenn ich schmollte, und deshalb sah ich sie kaum. Wir telefoniert ein paar Mal miteinander und ich denke, das war mehr als genug Kontakt für sie. Schlau wie sie nun mal war.

Jack, schien in seiner total ahnungslosen Art, nicht zu verstehen, was er getan hatte, um mich so zu verärgern, und ich war zu wütend, um es ihm zu erklären. Ich gebe zu, dass ich mich wie ein Kind benahm, ein freches, gemeines, unhöfliches Kind, und ich schämte mich dafür. Ich wusste, dass ich völlig überreagiert hatte, aber ich konnte scheinbar nichts dagegen machen.

Zum Glück sah ich Haley am Montag oder Dienstag nicht, sonst hätte ich sie wahrscheinlich die nächstbeste Treppe hinuntergestoßen.

****

Die ganze Sache spitzte sich, wie so oft, am Mittwoch zu. Es war genau zwei Wochen, nachdem die ganze Sache begonnen hatte, und ich ging nach der Arbeit zurück zu meinem Auto. Meine Füße schmerzten und mein Kopf pochte vom ständigen "Piep, piep, piep" der Registrierkasse.

Als ich um die Ecke auf den Parkplatz bog, erstarrte ich, als ich die Silhouette eines Mannes sah, der sich an mein Auto lehnte. Es war noch nicht sehr spät, aber der Rest der Gegend war völlig verlassen und die Gebäude die den Platz umringten, waren alle dunkel. Die Straßenlaternen spendeten ein wenig Licht, aber es war dieses unheimliche Orange, das allem die Farbe zu rauben schien und selbst ganz gewöhnliche Gegenstände wirklich unheimlich erscheinen ließ.

Ich erinnerte mich an die Angriffe auf die Mädchen im Jahr zuvor, fischte mein Handy aus der Tasche und hielt es bereit, während ich zielstrebig zu meinem Auto ging. Irgendeine dumme Bewegung und ich würde so schnell wie der Blitz die Polizei anrufen.

Der Typ sah mich, als ich mich ihm näherte und stieß sich vom Auto ab, bevor er auf mich zuging. Mein Herz machte einen gewaltigen Sprung vor Schreck und sank dann, als ich erkannte, wer es war, in meine Schuhe.

"Hallo Brad.", sagte ich, schrecklich lustlos.

"Hallo Talia." Seine Stimme Klang kleinlaut, und mit tief in die Taschen gesteckten Händen und gesenktem Kopf sah er aus und hörte sich an wie ein schuldbewusster Schuljunge im Büro des Direktors.

Ich drängte mich an ihm vorbei, schloss mein Auto auf und warf meine Sachen auf die Rückbank, und gab mir damit selbst die Zeit, meine Gedanken zu sammeln und den Schreck zu überwinden, den er mir eingejagt hatte, bevor ich mich ihm wieder zuwandte.

"Also, gibt es einen bestimmten Grund, warum du im Dunkeln um mein Autoher umschleichst und mich fast zu Tode erschreckst?", fragte ich, stemmte die Hände in die Hüften und sorgte dafür, dass ich so kompromisslos wie ein Felsen aussah. Das war nicht schwer, schließlich hatte ich die letzten zwei Tage damit verbracht, Leute zur Schnecke zu machen.

Ich war nicht in der Stimmung, mich mit Brad zu befassen, vor allem nicht mit dem seltsamen Wesen, in das er sich seit unserer Trennung verwandelt hatte, und wenn er mir keine gute Antwort auf meine Frage geben würde, würde ich auf der Stelle verschwinden.

"Wir müssen reden.", sagte er leise und sah selbst ziemlich Gefühlskalt aus.

"Oh mein Gott, du bist schwanger.", sagte ich mit einem vorgetäuschten Keuchen und hielt mir eine Hand vor den Mund, ließ sie aber sogleich wieder sinken und warf ihm einen verächtlichen Blick zu.

"Kannst du das nicht mal eine Sekunde lang  lassen?", schnauzte er mich an, und ich war kurz davor, ihm ein klares "Nein" entgegenzuwerfen und wegzufahren. Stattdessen verschränkte ich meine Arme rebellisch und schloss demonstrativ den Mund.

"Willst du etwas trinken gehen? Die Uni-Bar hat noch auf.", sagte er und deutete die Straße hinunter, als ob ich nicht wüsste, wo sie war.

Da dieses Mal offensichtlich eine Antwort erlaubt war, schaute ich ihn vernichtend an und schüttelte den Kopf: "Mit dir da reingehen? Ich wüsste nicht, was ich mehr hassen würde. Jeder würde einen Blick auf uns werfen und annehmen, dass ich deinen jämmerlichen Arsch zurückgenommen hätte, und das wird nicht passieren. Was denkst du, was du hier tust? Ich sollte nicht einmal mit dir reden, so wie du mich behandelt hast."

Oh ja, ich bin eine Frau, hört mich brüllen.

"Warum musst du nur so verdammt engstirnnig sein?" Ich schwöre bei Gott, es klang, als würde er jammern. "Kannst du nicht über einen kleinen Fehler hinwegsehen? Soll das wirklich die gute Vereinbarung die wir hatten ruinieren? Wir waren gut zusammen, das weißt du. Wir haben uns verstanden, wir haben die Dinge leicht gehalten. Ich meine was ich sagte, als ich dich angerufen habe, die Dinge waren gut, als alle miteinander auskamen."

„Dann hättest du vielleicht ein wenig besser darüber nachdenken sollen, bevor du das ganze ruiniert hast, oder nicht?", schrie ich, und hatte gründlich die Nase von ihm voll. Ich hatte keine Lust mehr, noch länger in der Kälte herumzustehen und mir sein Gefasel anzuhören. Also ging ich um das Auto herum zur Fahrerseite, bereit, einzusteigen und loszufahren, aber Brad packte mich am Arm, bevor ich weit kam.

Ichschaute ihn erstaunt an und dann hinunter zu seiner Hand, die mich knapp oberhalb des Ellbogens umfasste. "Was zum Teufel glaubst du, tust du da?", fragte ich ungläubig. "Lass mich los."

"Siehst du, das war eines der größten Probleme mit uns, Talia.", sagte Brad wütend und ließ meinen Arm immer noch nicht los. "Du hast mich nie an dich herangelassen."

"Und wenn man bedenkt, was für ein Arsch du geworden bist, kann ich nur sagen, Gott sei Dank.", zischte ich. "Und jetzt lass mich los." Ich zerrte an meinem Arm und er entließ ihn aus seinem Griff.

"Aber denkst du nicht, dass ich ein bisschen mehr verdient habe?", fragte er und ich blieb bei seinen Worten stehen. Ich muss ziemlich wütend ausgesehen haben, als ich mich wieder zu ihm umdrehte, denn ich könnte schwören, dass ich ihn nervös schlucken sah.

"Verdient?", spie ich. "Wir leben nicht mehr im elisabethanischen Zeitalter, Brad, du kannst keine ehelichen Rechte oder was auch immer einfordern. Du verdienst nichts, weder von mir noch von irgendeiner anderen Frau, die etwas auf sich hält." Ich machte mich bereit, einen ausführlichen Monolog zu halten, aber er hielt eine Hand hoch und unterbrach mich.

"Ich versuche, wieder mit dir zusammenzukommen, warum willst du nicht zuhören?"

"Warum versuchst du, wieder mit mir zusammenzukommen?", konterte ich. Dann erinnerte ich mich plötzlich an das Telefongespräch, das ich vor zwei Wochen mit Simone geführt hatte.

Brad hatte seinen Freunden erzählt ... oh ja, ganz recht, jetzt ergab alles einen Sinn. "Es geht gar nicht darum, dass es dir leid tut, nicht wahr?", fragte ich und bemerkte mit einiem gewissen Stolz, dass meine Stimme fast so gefährlich klang wie die meiner Mutter am Sonntag. "Es geht darum, dass du deinen Freunden erzählt hast, dass du mich trotz unserer Trennung noch vor Ende des Jahres ... wie hat Simone es gleich noch ausgedrückt ... ins Bett bekommst."

An seinem Gesichtsasdruck konnte ich erkennen, dass ich genau ins schwarze getroffen hatte. "Du bist widerlich!", zischte ich.

„Talia-", versuchte er es, aber ich redete über ihn hinweg.

"Hör zu, ich werde das einfach für dich machen. Es ist vorbei, mehr gibt es nicht zu sagen, versuch nicht noch einmal, mit mir zu reden."

Ich riss meine Autotür auf, hielt aber gegen meinen Willen inne, als er einen Wortschwall auf mich losließ.

"Vorbei? Na klar, okay. Viel Glück bei der Suche nach einem anderen Kerl, der nicht sofort die Flucht ergreift, sobald er deine Mutter oder deinen Bruder kennenlernt. Sorry, ich meinte Brüder. Alle, verdammt verrückt.", knurrte er und klang furchterregend und gemein, sein Gesicht so sehr von Wut verzerrt, dass er überhaupt nicht wieder Typ aussah, den ich einst kennenlernte.

Ich sah rot. "Wage es ja nicht, so über meine Familie zu reden." Normalerweise bevorzuge ich verbale Angriffe, da ich nicht gerade in der Lage bin, besonders überzeugende körperliche Angriffe zu inszenieren, aber in diesem Moment war ich bereit, ihn in Stücke zu reißen, und meine Absicht musste mir deutlich anzusehen gewesen sein, denn er wich ein paar Schritte zurück. "Jedes einzelne Mitglied meiner Familie ist das zehnfache von dir wert."

"Oh Mann, jetzt fühle ich mich schlecht.", erwiderte er sarkastisch. "Natalia Davenport hält mich nicht für so gut wie ihre Familie, was für eine verdammt große Überraschung. Tut mir leid, wenn ich nicht gleich nach Hause gehe und mich wegen meiner Unwürdigkeit umbringe."

Ich weiß, ich habe es schon einmal gesagt, aber was zum Teufel habe ich jemals in diesem Kerl gesehen?

„Also, was passiert jetzt?" Er sprach immer noch mit dieser seltsamen, wütenden Stimme. "Du fährst nach Hause und verpetzt mich, und Jack kommt und schlägt meinen Kopf wieder an die Wand?"

"Das wäre nicht mehr, als du verdienst!", zischte ich "Wenn ich seine Stärke hätte, würde ich deinen Kopf gegen eine Wand schlagen!"

Wartet mal kurz. War es nicht eigentlich Matt, der ihn gegen die Wand geschleudert hat?

Ich zögerte einen Moment und sagte dann mit etwas ruhigerer Stimme: "Und, nur um das klarzustellen, wann hat Jack deinen Kopf das erste Mal gegen eine Wand geschlagen?"

Aber noch bevor er antwortete, wusste ich, was er sagen würde.

"Tu nicht so unschuldig, Talia. Trotz deiner Frigidität passt das nicht zu dir. Du weißt genau, dass Jack mich am Tag nach unserer Trennung gegen eine Wand geworfen hat. Jeder weiß das."

Und ich schätze, dass ich in gewisser Weise gewusst hatte, dass es Jack gewesen war. Er hatte sich an dem Abend so verdächtig verhalten, und er war schon immer ein schlechter Lügner gewesen. Derjenige, der es Simone erzählt hatte, muss wohl durcheinandergeraten sein und dachte, es sei Matt. Dann hatte Matt nicht von unserer Trennung erfahren, als er Brad belauscht hatte, sondern als er mich belauscht hatte. Ich war so sehr damit beschäftigt, mich auf die Gespräche zu konzentrieren, die ich vor zwei Wochen geführt hatte, dass ich kaum registrierte, dass Brad wieder sprach.

Jedoch war ich ziemlich schnell wieder bei der Sache, als ich mitbekam, wovon er sprach.

"Er hat es zu einer ziemlichen Routine gemacht, weißt du, Jack der Held. Letztes Jahr hat er Jeremy Symons gegen die Wand geworfen, weil er sich an das Mädchen, das unter dir wohnt, wie heißt sie noch mal ... herangemacht hat."

"Haley.", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

"Ja, das ist sie." Er schaute mich gerissen an. "Du magst sie nicht, nicht wahr?"

"Haley?", fragte ich in gespielt überrascht. "Oh, ich habe nichts gegen sie."

"Doch, hast du. Du hasst sie wirklich." Er lächelte, fast schadenfroh. "Dann weißt du sicher auch von der Tippgemeinschaft im Pub. Du weißt schon, die, wo die Leute darauf wetten können, welche zweiPersonen vor Ende des Semesters zusammenkommen?"

Ich nickte, natürlich wusste ich davon. Man kann nicht auf die Grove gehen und nichts davon wissen.

"Nun, dein geschätzter Jack und Haley, das Mädchen, gegen das du angeblich nichts hast, sind einer der heißesten Kandidaten. Die meisten Wetten gehen darauf, dass sie sich noch in diesem Monat übereinander hermachen. Aber das wusstest du ja schon, nicht wahr?"

Mit großer Willenskraft zuckte ich mit den Schultern und sagte neutral: "Ich kümmere mich nicht wirklich um diese blöden Wetten. Es hat sowieso keine Bedeutung."

Brad war trotz all seiner Fehler nicht dumm, und ich wusste, dass er mein Theater direkt durchschaute. "Oh, da bin ich mir nicht so sicher, Baby.", sagte er und lehnte sich dicht an mich. "Es hat fast nie falsch gelegen."

Ich musste nach Hause. Ich musste Jack finden, mit ihm reden und ihn dann umbringen.

"Nun, das war nett.", sagte ich sarkastisch. "Was für ein nettes kleines Gespräch wir doch hatten. Also, noch mal zu Erinnerung: du bist der mieseste Abschaum, der jemals wertvollen Sauerstoff auf diesem Planeten verbraucht hat, und ich möchte, dass du nie wieder mit mir oder über mich sprichst. Ist das klar?"

Jedoch bevor er antworten und mich in einen weiteren Streit verwickeln konnte, stieg ich ins Auto, schlug die Tür zu und schaltete die Zündung ein, voll darauf vorbereitet, diesen Parkplatz zu verlassen, auch wenn das bedeutete, Brad auf dem Weg dorthin über den Haufen zufahren.

*****

Ich schaffte es in Rekordzeit zur Wohnung, indem ich fast genauso rücksichtslos fuhr wie in der Nacht, in der ich Brad mit Allison im Bett erwischt hatte. Als ich mein Auto auf meinen üblichen Parkplatz lenkte, bemerkte ich, dass Jacks Wagen ein Stück weiter unten geparkt war, er musste also zu Hause sein. Ich stürmte die Treppe hinauf und hatte einige Augenblicke lang Mühe, meinen Wohnungsschlüssel ins Schloss zu bekommen, aber schließlich stürmte ich in das Wohnzimmer und sah mich wild um.

Die Wohnung sah ziemlich verlassen aus, aber ich rief Jacks Namen ein paar Mal und steckte meinen Kopf in jedes der Zimmer, um sicherzugehen, dass die Wohnung leer war. Seine Jacke und seine Tasche lagen auf dem Bett in seinem Zimmer und seine Schlüssel lagen auf dem Küchentisch, also musste er irgendwo in der Nähe sein.

Wo war er? Ich zwang mich, nicht mehr wie ein Idiot in der Gegend herumzustarren, als würde ich erwarten, dass Jack jeden Augenblick hinter dem Kühlschrank oder aus dem Ofen hervorgesprungen kommen würde, sondern vernünftig nachzudenken. Als ich das getan hatte, fiel mir die Antwort sofort ein.

Ich rannte aus der Wohnung und stürmte die nächsten zwei Stockwerke hinauf, bis ich zu der großen, schweren Metalltür kam, auf die in leuchtend gelber Farbe "Dachzugang" gesprüht war. Ich stieß sie auf und spürte sofort, wie die kühle Nachtluft die Haarsträhnen, die sich im Laufe des Tages aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatten, anhob und sie wie verrückt um meinen Kopf herumwirbelte.

Durch die Strähnen hindurch sah ich Jack, der am anderen Ende des Daches an den Sicherheitsgeländern lehnte und auf die Aussicht starrte.

Ich konnte nicht einmal die paar Sekunden abwarten, die ich brauchte, um zu ihm zu gelangen, und schrie:

"Jack!"

Und obwohl der Wind versuchte, das Wort wegzutragen, hörte er mich. Er hob die Hand zur Begrüßung und begann auf mich zuzugehen, und ich schob mir die Haare aus dem Gesicht und lief ihm entgegen.

"Hi.", grüßte er und lächelte breit, wobei sich in seinen Augenwinkel kleine Lachfältchen bildeten "Hattest du einen guten...?"

"Also", unterbrach ich ihn, wobei mein Ton so bösartig war, dass er einenSchritt von mir zurückwich, "Kann ich die Wette direkt bei dir abschließen oder muss ich über die Bar gehen?"

"Was?", fragte er, und sein Gesichtsausdruck war ein Bild der völligen Verwirrung.

"Nun, nachdem ich gesehen habe, wie eifrig du Haley am Sonntagabend zu Hilfe geeilt bist, ach zur Hölle, eigentlich an jedem Abend der Woche, dachte ich, ich setze besser meine Wette darauf, dass ihr beide zusammenkommt, bevor ich meine Chance verpasse.", erlärte ich und hob mein Kinn an, damit ich seinem besorgten Blick trotzig begegnen konnte.

"Du meinst diese blöde Kneipenwettgeschichte?" Er schüttelte den Kopf. "Ich habe mir das nicht ausgedacht, Tally. Das sind nur ein Haufen Verlierer, die sich einen Spaß daraus machen, ihre Nasen in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken. Warum regst du dich so auf?"

Warum ich mich so aufregte? Eine sehr gute Frage, aber eine, auf die ich, wie mir plötzlich klar wurde, keine Antwort hatte. Von dieser plötzlichen Erkenntnis ein wenig überrumpelt, redete ich mir ein, dass der Grund warum ich so sauer war, nicht der war, dass es eine Wette auf ihn und Haley gab.

"Ich bin sauer, weil es scheint, dass, egal wie sehr ich versuche, nicht an sie zu denken, sie jedes Mal, wenn ich mich umdrehe, da ist, verdammt. Und ich meine nicht einmal physisch, jemand spricht über sie oder ich höre ihre Stimme zum Beispiel durch eine verdammte Tür." Und um meinem 'Ich bin ein unausstehliches Kind'-Gehabe die Krone aufzusetzen, stampfte ich mit dem Fuß auf.

Jack schaute auf meinen Fuß hinunter und dann wieder hoch zu mir, die Augenbrauen hochgezogen, als wollte er sagen: "Was war das?! Aber was er tatsächlich sagte, war: "Ah, es geht also um Sonntag. Ich habe dir doch schon gesagt, dass sie Hilfe mit ihrem Auto brauchte, das ist alles."

"Aber das ist eben nicht alles!", wandte ich ein. "Es gibt immer etwas anderes, etwas, das sie ausleihen muss, oder ein Regal, das aufgestellt werden muss, und obendrein laden du und Matt sie ständig ein, mit uns auszugehen, obwohl ihr wisst, dass ich..."

"Jetzt kommen wir der Sache schon näher.", unterbrach Jack mich. "Es geht hier überhaupt nicht um Haley, es geht um dich. Also bitte, hör nur einen Moment lang auf, über Haley zu schimpfen und sag mir, was mit dir los ist. Und sag mir jetzt ja nicht nichts, denn so ahnungslos, wie du behauptest, sind Matt und ich nicht, und selbst wir haben bemerkt, dass du in den letzten Tagen total durchgedreht bist." Sein Gesichtsausdruck wurde weicher, als ich ihn anstarrte, und mein strenger Ausdruck wich, als er mir die Wahrheit vor Augen führte. "Jetzt komm schon, die Wahrheit."

Der Wind hatte noch mehr zugenommen und zerrte an meinem locker gebundenen Pferdeschwanz, bis der Haargummi herausrutschte und mein dichtes Haar fröhlich um mein Gesicht tanzte und scheinbar seiner Freiheit genoss. Aber das war mir egal, ich war zu sehr damit beschäftigt, mir zu überlegen, wie ich erklären konnte, was mit mir los war, und zwar so, dass es auch nur ein bisschen Sinn ergab.

"Sonntagabend.", murmelte ich schließlich.

"Was?", fragte er.

"Sonntagabend.", wiederholte ich, diesmal etwas lauter. "Du hast recht, es geht um Sonntagabend. Als wir zusammen auf der Couch saßen, fühlte ich..."

Nein, das ging ein bisschen zu weit, ich revidierte meinen Satz.

"...nun, jedenfalls dachte ich, dass etwas passieren würde. Etwas Großes und Aufregendes. Ich habe mich ziemlich auf dieses etwas gefreut und es hat sich herausgestellt, dass du gar nichts gefühlt hast." Ich wurde so rot, dass ich spürte, wie meine Wangen pulsierten.

"Hey, wie kommst du darauf, dass ich nichts gefühlt habe?", fragte Jack sanft und die Tatsache, dass er versuchte, nett zu sein, um meine Gefühle nicht zu verletzen, ließ mein Gesicht noch mehr brennen.

"Oh, ich weiß nicht.", erwiderte ich beleidigt und griff auf meine altbewährte Methode zurück, zum Angriff überzugehen, wenn ich eigentlich nur fliehen wollte. "Vielleicht die Tatsache, dass du mich bei der kleinsten Unterbrechung hast sitzen lassen und praktisch aus der Tür gestürmt bist."

"Das denkst du, habe ich getan?", sagte er verwundert und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, die dadurch noch mehr abstanden.

"Nein, ich weiß, dass du das getan hast. Ich war dabei, Jack, und du hast einen ziemlich überstürzten Rückzug angetreten, das musst du zugeben." Dass er versuchte zu leugnen, was passiert war, machte mich nur noch wütender, dachte er etwa, ich hätte es einfach vergessen?

"Ich bin nicht vor dir weggelaufen, du verrückte Idiotin.", rief er aus. "Ich habe versucht, das Anständige zu tun, und zwar nicht nur für Haley, sondern auch für dich."

Was? Ich starrte ihn erstaunt und immer noch ein wenig wütend an und forderte ihn mit einer Geste auf zu erklären, was er meinte.

"Wir hatten gerade ein ernsthaftes Gespräch darüber geführt, warum du dich in der Nähe von Männern unwohl fühlst, und du hast mir mehr über diesen Idioten auf der Party erzählt und, na ja, du hast geweint."

Woran lag es, dass Jungs immer so komisch wurden, wenn ein Mädchen weinte? Es ist ja nicht so, als würden wir das absichtlich machen ... zumindest meistens nicht.

"Ich habe versucht, dir etwas Freiraum zu lassen, damit du nicht denkst, ich wäre wie: 'Oh, das ist schrecklich, aber egal, Süße, das ist jetzt Vergangenheit, also gib mir einen Kuss.'"

Ich schnaubte vor Lachen, wurde aber bald wieder ernst, als er fortfuhr.

"Aber vor allem wollte ich dir zeigen, dass ich nicht so bin wie die Kerle, die dich früher verarscht haben, wirklich nicht." Seine Stimme, so aufrichtig und süß, brach mir fast das Herz und ich wollte schreien: 'Aber das weiß ich doch, ich weiß, dass du nicht so bist.' Aber irgendwie interpretierte mein Mund das als:

"Also, um zu zeigen, dass du nicht so bist wie die Typen, die mich verarscht haben und letztendlich mit anderen Mädchen abgehauen sind, hast du mich verarscht und bist mit einem anderen Mädchen abgehauen? Deine Logik ist wirklich verblüffend." Eine Haarsträhne peitschte mir ins Auge, als ich zu Ende gesprochen hatte, als wollte sie sagen: 'Halt die Klappe, du Idiot!'

"Ich bin nicht mit einem anderen Mädchen abgehauen!", explodierte Jack, seine Stimme wurde lauter, wie ich es nur selten bei ihm gehört hatte. "Um Himmels willen, hör auf, Haley da hineinzuziehen, ich habe nicht an sie gedacht, sondern an dich." Seine Stimme wurde mit einem Mal wieder leiser, und als könnte er nicht anders, hob er seine Hände und umfassten sanft mein Gesicht. "Sondern an dich.", wiederholte er, und sein Blick war so intensiv, dass ich spürte, wie mir der Atem stockte.

Wir starrten uns einen Moment lang an, und obwohl ich am liebsten die Arme um ihn geschlungen hätte, um ihm zu sagen, dass ich ihm glaube, sorgte eine kleine Unsicherheit, in der hintersten Ecke meines Verstands dafür, dass ich ihm entgegen flüsterte:

"Beweise es."

"Was?" Jacks Hände schoben mein wirren Haarsträhnen aus dem Gesicht, damit er meinen Gesichtsausdruck besser erkennen konnte. "Was meinst du?"

"Du sagst, dass es nicht Haley ist, sondern ich, und ich will, dass du es mir beweist." Mein Mund war jetzt auf Autopilot und sagte, was immer er wollte, anscheinend ohne Rücksprache mit meinem Gehirn.

"Wie?"

Ich atmete einmal tief durch und schaute ihm direkt in die blauen, blauen Augen.

"Küss mich."

Ich hatte so leise gesprochen, dass ich halb hoffte, er hätte mich nicht gehört, aber ich konnte an seinen sich weitenden Augen erkennen, dass er es getan hatte.

Ich habe keine Ahnung, woher ich den Mut nahm, das zu tun, was ich als nächstes tat.

Wie in Zeitlupe griff ich nach oben, zog seine Hände von meinem Gesicht weg und drückte meine Lippen ganz sanft auf seine. Es war beim besten Willen kein richtiger Kuss, es war eine Einladung, und es lag an Jack, ob er sie annahm oder nicht.

Einen Moment lang schienen wir beide in der Zeit stehen zu bleiben, ich hielt den Atem an, als hätte ich Angst, dass jede Bewegung, die ich machen könnte, alles zum Verschwinden bringen würde. Meine Lippen kribbelten, und die Schmetterlinge in meinem Bauch, die sich freuten, aus ihrem Käfig befreit worden zu sein, waren zum Leben erwacht und flogen wie wild umher.

Küss mich, flehte ich innerlich mit ganzer Kraft, bitte küss mich einfach.

Aber in der nächsten Sekunde hatte Jack sich von mir entfernt und murmelte ein welterschütterndes Wort:

"Nein."

Meine Augen füllten sich mit Tränen, heiß vor Demütigung und ich entließ meinen angehaltenen Atem überrascht, in einem erstickten Würgen.

Nein. Das war es also. Nun, damit hatte er es für mich ziemlich deutlich gemacht.

"Okay." Ich wollte eigentlich trotzig klingen, aber um ehrlich zu sein, hörte es sich eher wie ein Schluchzen an. Aus Angst, dass ich gleich in lautes Geflenne ausbrechen würde, und ich habe ja bereits erwähnt, wie unschön das bei mir aussah, wandte ich mich von Jack ab und rannte zur Tür.

Ich wollte verdammt noch mal von diesem Dach runter.

"Warte!", hörte ich Jack rufen, aber ich hatte auf keinen Fall vor, zu warten.

Ich erreichte die Tür, griff nach dem kalten Metallgriff und zog daran. Sie rührte sich nicht. Einen schrecklichen Moment lang dachte ich, dass sie irgendwie verriegelt war und wir hier oben festsitzen würden, bis jemand merkte, dass wir fehlten, und wenn man bedenkt, dass wir mit Matt zusammenlebten, der wahrscheinlich nicht eimal mitkriegen würde, wenn ein Klavier auf seinem Kopf landen würde, wer wusste schon, wie lange das dann sein würde.

Dann bemerkte ich natürlich, dass Jack mich eingeholt hatte und eine Hand an der Tür hatte, um sie geschlossen zu halten.

"Lass mich raus." Ich blinzelte schnell, damit mir die Tränen nicht über die Wangen liefen. "Du hast deine Meinung gesagt, ich verstehe, was du meinst, und ich muss noch eine Hausarbeit für morgen vorbereiten, also lass mich raus." Ich zerrte mit beiden Händen an der Klinke, aber die Tür bewegte sich nicht einen Millimeter.

Frustriert über meine Schwäche schlug ich gegen die harte, metallene Oberfläche der Tür und lehnte dann meine Stirn dagegen, unfähig zu verstehen, warum Jack mich auf diese Weise demütigen wollte.

"Tally." Ich spürte, wie er seine freie Hand auf meine Schulter legte, aber schüttelte sie ab.

"Lass mich einfach in Ruhe.", sagte ich kläglich.

"Nein, ich werde dich nicht in Ruhe lassen." Er legte erneut seine Hand auf meine Schulter und schaffte es, mich sanft umzudrehen. "Du hast ganz eindeutig nicht verstanden, was ich meinte."

"Wie zweideutig kann ein klares 'Nein' schon sein?", fragte ich in einer erbärmlichen Imitation meines sonst so üblichen, verächtlichen Tons.

"Ich will dich nicht küssen...", begann er und ich sah ihn mit meinen geröteten Augen wütend an.

"Siehst du? Das ist es, was du gemeint hast..."

"Du hast mich nicht ausreden lassen." Sagte er, ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel, unnötig zu erwähnen, dass ich es ihm am liebsten aus dem Gesicht geschlagen hätte. Als er den gefährlichen Blick in meinen Augen sah, fuhr er schnell fort: "Ich will dich nicht küssen, um dir etwas zu beweisen, was du bereits wissen solltest."

Er ließ mir einen Moment Zeit, um seine Worte durch meine Barriere aus Wut und Schmerz dringen zu lassen, dann fuhr er fort: "Dich aus diesem Grund zu küssen, erscheint mir falsch und geschmacklos. Aber, Gott, Tally", er neigte seinen Kopf, sodass wir uns so nahe waren, dass ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren konnte, "Gib mir einen Grund, irgendeinen anderen Grund, und egal was dann auch passiert, nichts wäre in der Lage mich davon abzuhalten dich zu küssen."

Wie können zwei Sätze so völlig deine Welt verändern? Einen Moment lang glaube ich, dass ich tatsächlich spürte, wie sich die Welt auf diese neue, aufregende Offenbarung einstellte.

Der Blick in seinen Augen, als ich ihn ansah, brachte mich mehr denn je zum Weinen, und tatsächlich, machten sich ein paar Tränen schließlich auf den Weg in die Freiheit und liefen mir über die Wangen. Mit seinen Daumen wischte er sie sanft weg und lächelte auf mich herab. "Na dann los", sagte er und strich weiter sanft mit seinen Daumen über meine Wangen, obwohl alle Spuren meiner Tränen bereits beseitigt waren, "Gib mir einen Grund. Ich wette, wenn du wirklich gut nachdenkst, fallen dir sogar zwei ein."

Und schließlich spürte ich, wie ich lächelte, obwohl ich sagen muss, dass es ein ziemlich schwaches Lächeln war, da ich nicht wirklich in der Lage war, mit all den Höhen und Tiefen, die ich erlebte, Schritt zu halten.

"Nun", begann ich zittrig. "Wie wäre es mit: weil ich es möchte und weil ich glaube, dass du es auch möchtest."

"Siehst du", sagte er sanft, als meine Augenlider zu flatterten, "das sind zwei sehr gute Gründe."

Und dann küsste er mich.









Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top