34. Kapitel

Kapitel 34 tw- ansprechen von Selbstmord. (Kurz)

"Ich bin dann weg!", ruft Minho durch das Haus, auch wenn's eigentlich niemanden so wirklich interessiert.
Youngjae ist mit seiner Arbeit am Laptop beschäftigt und seine Mom ist wahrscheinlich noch nicht einmal Zuhause.
Eigentlich ruft er dies nur wegen Jeongin, dabei weiß er gar nicht, ob dieser überhaupt Zuhause ist, oder ob dieser bei seinem Freund ist.
Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit schon.
Sie stecken sich in diesem Moment, mit höchster Sicherheit, die Zungen in den Hals des anderen.
Verwundern würde es Minho noch nicht einmal.
Doch bevor er die Tür öffnen und verschwinden kann, kommt Hwasa in den Flur, lehnt sich gegen die Wand.

"Wo gehst du hin?", fragt sie, schaut ihren Sohn an, welcher auf die Tür schaut, nicht glauben kann das sie mit ihm redet.
Ist ewig nicht mehr vorgekommen.
Er atmet tief durch, versucht nicht sofort dieses pissige im Ton zu haben, als er anfängt zu sprechen.

"Zum Tanzen. Ich wurde gefragt ob ich bei einer Probe mit machen könnte, weil sie heute zu wenig sind und so etwas wie ein 'professiolles Auge' benötigen."

Hwasa nickt etwas, auch wenn ihr Sohn es nicht sieht.
"Hab Spaß...und sei zum Abendmahl Zuhause", sagt sie dann noch, eh sie sich wieder umdreht und den Flur verlässt.
Einen verwirrten Minho zurück lässt.

Was ist denn jetzt mit ihr?
Seid wann wünscht sie ihm 'viel Spaß', wenn er zum Tanzen geht?
Sie hasst es doch, wenn er dort hin geht, seinem Traum nach geht.
Verstehe mal einer diese Frau.

Er schüttelt nur den Kopf, verlässt das Haus um zum Tanzstudio zu laufen.
Eigentlich wollte er mit dem Auto fahren, aber ein Spaziergang, klingt gerade einfach besser.

Muss seinen Kopf nun klar bekommen, etwas was aber nicht wirklich funktioniert.
Sein gesamter Kopf ist voll mit sonstigen Gedanken.
Schule, sein Geburtstag, welcher immer näher rückt, Jisung und nun auch noch seine Mom...aber am meisten ist es wohl doch Jisung.

Minho geht die Straße entlang, die Hände in den Taschen vergraben, und versucht die wirren Gedanken zu ordnen, die ihm durch den Kopf schwirren.
Der Tag ist warm, für Anfang Oktober, die Sonne steht hoch am Himmel und taucht die Umgebung in ein goldenes Licht.. es schaut wunderschön aus.
Etwas was Jisung absolut gefallen würde.

Der Spaziergang tut ihm gut, auch wenn er sich fragt, was in seine Mutter gefahren ist.
Was für eine Gehirnwäsche ihr wohl unterfahren ist, in den letzten vierundzwanzig Stunden.

Je näher er dem Tanzstudio kommt, desto klarer werden seine Gedanken...oder sie werden einfach nur vom Glücksgefühl verdrängt.
So genau kann er es nicht erklären...aber so war es schon immer.

Tanzen hat immer diese Wirkung auf ihn gehabt – es bringt ihn zurück ins Hier und Jetzt, lässt alles andere unwichtig erscheinen. Als er schließlich vor dem Studio steht, holt er noch einmal tief Luft, bevor er die Tür aufstößt und hineingeht...sich in seinem Safeplace begeht..in sein Leben.

Drinnen herrscht reges Treiben.
Einige Tänzer stehen in der Mitte des Raums und üben Schritte, während andere an der Seite sitzen und sich dehnen oder miteinander plaudern.
Minho wird sofort von seinem Freund Hyunjin bemerkt, der mit einem breiten Lächeln auf ihn zukommt, ihm auf die Schulter schlägt.
Ohne Minho wären sie heute echt am Arsch.

"Gut das du kommen konntest. Du rettest uns wortwörtlich den Arsch. Dafür schulde ich dir was.", sagt er.

Minho nickt nur und beginnt, sich aufzuwärmen.
Er lässt seinen Blick über die anderen Tänzer schweifen und erkennt einige bekannte Gesichter.
Einige die er öfters hier sieht, aber auch Menschen die er noch nie zuvor hier gesehen hatte.
Okay...wenn er ehrlich ist, hatte er das tanzen in letzter Zeit ein wenig vernachlässigt, weil er seine Zeit einfach lieber mit Jisung verbracht hat...
Er würde Jisung auch immer noch dem Tanzen vorziehen, aber heute nicht.

Außerdem ist Jisung mit seinem Onkel in Busan, weshalb er ihn gar nicht nerven kann.
Was er wohl gerade macht?
Sicherlich hat er den Spaß seines Lebens, vor allem wegen seines Onkels...

Die Energie im Raum ist ansteckend und bald hat er seine eigenen Sorgen fast vergessen...daher fangen sie auch schon bald mit der Probe an.
Man kann und soll ja keine Zeit verschleudern.
Außerdem braucht Minho diese Ablenkung gerade einfach.
Er gibt hier und da Tipps, korrigiert Haltungen und Bewegungen, und spürt, wie die Anspannung von ihm abfällt.

Das ist alles was er heute gebraucht hat...
Vielleicht noch ein Gespräch mit Changbin, aber ist dieser mit Felix unterwegs.
Keine Ahnung was das zwischen den beiden ist, aber so wirklich interessiert es ihn auch nicht.
Changbin wird schon zu ihm kommen, wenn dieser reden möchte.
Ganz sicher.

Als sie schließlich eine Pause einlegen, setzt er sich auf den Boden und greift nach seiner Wasserflasche. Hyunjin gesellt sich, fast sofort, zu ihm und sieht ihn prüfend an.

"Alles okay bei dir? Du wirkst irgendwie... abwesend", fragt er vorsichtig.
Nicht das er noch etwas falsches sagt und Minho ihm Taschentücher in den Mund stopft.
Wäre ja nicht das erste Mal.

Minho seufzt und nimmt einen tiefen Schluck Wasser. "Es ist nichts, was mich beim Tanzen aufhält. Nur... persönliche Sachen..Es ist gerade alles komisch, aber eigentlich auch nicht.", sagt er nur, winkt ab.

"Das klingt so als würdest du gerade nicht wissen wo oben und unten ist, was? Als wäre dir gerade alles zu viel.", sagt Hyunjin, weshalb der ältere nur nickt.

"Was belastet dich am meisten, Hyung? Jisung?"

"Nein... Jisung ist neben dem Tanzen, das was mich glücklich macht. Ich denke es liegt einfach danach das ich diese Stadt hasse und ich einfach nur wieder zurück nach Hause möchte...oder weil mein Geburtstag näher rückt und ich dadurch meinen Vater mehr vermisse. Keine Ahnung...meine Mom war heute auch so anders als sonst. Sie hat mir 'Viel Spaß' gewünscht, nachdem ich ihr geantwortet habe, wo ich doch hingehe...Das hat mich so aus dem Konzept gebracht, weil sie das noch nie gesagt hat.."

"Vielleicht möchte sie ja mit dir reden? Von vorn anfangen? Du bist ihr Sohn, Hyung...Sie liebt dich, aber ihr beide redet ja nicht über eure Probleme, ignoriert lieber einander..und wenn ihr miteinander redet, endet es in einem Streit, weil ihr beide so absolut stur seid."

Da ist wohl was dran...
Aber das hat er einfach von seiner Mom...diesen Dickschädel.
Auch redet er nicht gern über sich.. nicht mit seiner Familie.

"Ich vermisse New York und meine Freunde einfach nur.", murmelt Minho, zieht die Beine an sich, legt die Arme um diese und sieht Hyunjin an.

"Ich kann dich verstehen, Hyung. Du bist hier einfach nicht Zuhause und das ist okay, aber vergiss nicht, das du auch hier Menschen hast, die dich lieben und alles für dich tun würden..Du bist nicht allein. Erst Recht nicht an deinem Geburtstag, hörst du? Binnie und ich werden vor deiner Tür stehen und uns mit dir besaufen."

Minho lächelt sanft, ist froh über Hyunjin und dessen Worte.
Oft ergeben sie keinen Sinn, aber wenn es ernst ist, ist Hyunjin der einfühlsamste Mensch den er kennt.
"Danke.", haucht er.

"Bedanke dich doch nicht dafür...und Hyung? Rede mit jemanden darüber. Aber jetzt Mal was anderes...warum hast du es mir eigentlich nicht erzählt?", fragt Hyunjin schmollend, zeigt ihm taddelnd den Finger.

"Was meinst du denn jetzt schon wieder, Hwang? Sprich Klartext und nicht in Rätseln.", schmunzelt der ältere von beiden, stellt seine Flasche neben sich.

"Na das du Jisung deine Gefühle gestanden hast! Du hast es nur Changbin erzählt und mir nicht! Sag doch gleich das du ihn lieber hast als mich!", jammert Hyunjin, lässt sich dramatisch nach hinten auf dem Boden fallen.

"Ich dachte eigentlich das wäre klar das ich Changbin lieber habe als dich.", sagt Minho schmunzelnd, zieht eine Augenbraue hoch.
Dieser Junge...

"..und er sticht noch mit einem Salzmesser in meine Wunde!", ruft Hyunjin dramatisch, hält sich die Brust und tut so als würde diese Aussage ihn wirklich treffen.
So eine Dramaqueen.

Minho schüttelt lachend den Kopf. „Du bist unmöglich, weißt du das?“

Hyunjin richtet sich halb auf und grinst frech. „Na klar, aber du liebst mich trotzdem.“

„Manchmal frage ich mich warum“, entgegnet Minho, schaut dann auf dem Spiegel, welcher ihm gegenüber ist, fährt sich durch die verblassten silbernen Haare.

"Aber jetzt Mal ernsthaft Hyung. Wie jat Jisung auf dein Geständnis reagiert? Wann war das überhaupt?"

"An Seungmin seinem Geburtstag. Wir sind in ein Café abgehauen, weil das einfach nichts für uns gewesen ist...okay nein, er wusste es schon ein paar Tage vorher, aber an dem Tag hat er mich gefragt wann und warum ich mich in ihn verliebt habe und hab's ihm halt erzählt. Seine Reaktion war die pure Überforderung darauf, weshalb wir seid dem nicht mehr darüber gesprochen haben...Es ist alles so wie immer und ich gebe Jisung die Zeit die er braucht um zu wissen was er möchte. Wenn er keine Gefühle für mich hat, werde ich das so hinnehmen und dann anfangen zu lernen meine Gefühle für ihn zu verlieren, aber noch hab ich ein wenig Hoffnung."

"Ein wenig Hoffnung? Bro, der Typ ist absolut verliebt in dich. Wie kann er das noch immer nicht verstanden haben?"

"Lass ihn.", sagt Minho, lächelt Hyunjin sanft an, steht dann auf, damit sie weiter machen können.

"Deine Geduld hätte ich gern.", brummt der jüngere, lässt sich von Minho hoch ziehen.

"Manchmal ist Geduld das einzige was einem bleibt um in diesem Leben überhaupt noch überleben zu können.", sagt der ältere nur, eh er einmal laut klatscht, die Pause somit beendet.

Nun würde das Tanzen weiter gehen und das bedeutet das seine Gedanken sowieso komplett aus sein werden.
Wenigstens für einen kleinen Moment, an diesem Tage, wo sein Kopf nicht die gesamte Kontrolle übernehmen möchte.

"Du bist wirklich zum Abendessen gekommen.", sagt Hwasa, schaut ihren Sohn überrascht an.
Dieser nickt nur, setzt sich, frisch geduscht, an den Tisch.
Schaut auf das Essen und schluckt etwas.
Es war sein Lieblingsessen.
Ewig hat er es nicht mehr gegessen...
Nicht seid dem sein Vater an seinem Geburtstag gegangen ist und nie wieder gekommen ist...Minho hat ihn erst wieder auf seiner Beerdigung gesehen...

"Ich habe doch kein Hunger mehr.", sagt er, möchte aufstehen, doch hält Jeongin ihn am Arm fest.
So das Minho keine andere Wahl hat als sitzen zu bleiben.

"Bist du dir sicher das du nichts essen möchtest? Es ist dein Lieblingsessen.", sagt Hwasa, mustert ihren Sohn.

"Das letzte Mal hab ich es mit zehn gegessen.", murrt Minho, umklammert sein Besteck so sehr, das seine Haut schon weiß hervor steht.
Warum heute?
Warum muss das alles heute sein?
Heute wo er sich sowieso schon so komisch fühlt?

"Es liegt bei dir, Minho.", sagt sie nur, macht sich und den anderen etwas drauf.
Lässt extra noch genügend für Minho übrig, weil sie weiß, das er es später sicherlich essen wird.
Dieser Junge liebt es zu Essen.

Minho sieht zu Jeongin, welcher ihn sanft an lächelt, dann mit essen beginnt.
Keine Ahnung von all dem hat.
Was auch nicht verwunderlich ist.

Mit acht hat sich Hwasa von Minho seinem Vater getrennt. Kurz darauf kam sie mit Youngjae an und einem kleinen Jungen.
Einem kleinen vierjährigen, wo er erst Jahre später erfahren hatte, das Jeongin ihr Kind ist.
Sie hat seinen Vater also betrogen und ein Kind mit jemanden anderen bekommen.
Sicherlich einer der Gründe warum er sich immer mehr von ihr zurück gezogen hatte.
Dann war sein Vater an seinem zehnten Geburtstag bei ihm, meinte dann das er das Geschenk holen würde...Er hat seinen Vater nie wieder gesehen...sein Vater hat an diesem Tag Selbstmord begangen.
Etwas was er auch erst später heraus gefunden hat...kurz bevor er es nicht mehr in Seoul ausgehalten hat, hier einfach weg musste. Seine Mom hat die ganze Wut von ihm abbekommen, dabei kann sie doch auch nicht wirklich viel dafür...dann aber noch ihr ganzes gegen das Tanzen sein...das Tanzen, welches Minho von all dem gerettet hat, hat sie immer wieder schlecht gesprochen.
Der einzige der jemals bei Auftritten von ihm gewesen ist war Jeongin...
Vielleicht ist seine Wut gegenüber seiner Mom nicht gerechtfertigt, aber irgendwie ist sie es aber doch schon...
Er möchte wirklich wieder ein gutes Verhältnis mit ihr, aber auf der anderen Seite ist da diese Wut, welche in ihm kocht, seid dem er acht ist.

"Minho..", sagt Youngjae, weshalb der Silberhaarige zusammen zuckt, zu diesem blickt.
Youngjae ist ein guter Mann, liebt Hwasa und würde alles für diese drei tun.
Ja, auch für Minho, ganz gleich wie wenig dieser ihn leiden kann.

"Ja?"

"Du kannst ruhig in dein Zimmer gehen, wenn es dir zu viel wird, ja? Du wirst nicht gezwungen hier sitzen zu müssen...aber es wäre wirklich schön, wenn du etwas essen würdest. Du warst den ganzen Tag tanzen, du musst unglaublich hungrig sein..du kannst uns ja auch erzählen was du dort heute gemacht hast.", sagt Youngjae, lächelt ihn an.

Minho sieht ihn mit großen Augen an, kann nicht glauben was er da gerade zu hören bekommen hat.
Oh Gott...
Er spürt richtig wie etwas in ihm bricht, sein inneres Kind zum weinen bringt...auch spürt er wie die Tränen hoch kommen.
Tränen die er dieses Mal nicht einfach weg blinzeln und weg schlucken kann.

Sein Blick fällt auf seine Mom, welche in aller Ruhe isst.
"Ein anderes Mal..", murmelt Minho, steht dann auf und flieht in sein Zimmer, sperrt sich ein.

Kaum sitzt er auf seinem Bett, ruft er Jisung an.
Muss die Stimme von dem Alien einfach hören...
Muss sein Alien hören.

Tief atmet er durch, zittert am gesamten Körper, als die Tränen den Kampf gewinnen, über seine Wangen laufen.

"Minho?", entkommt es dem Alien auf der anderen Seite des Hörers. "..ist alles okay?"

"Kannst du mir einfach etwas erzählen?", fragt er, seine Stimme absolut brüchig vom weinen.
Hoffentlich erkennt Jisung das nicht.

"Natürlich“, sagt Jisung sanft, erkennt den Ernst in Minhos Stimme und weiß instinktiv, dass jetzt nicht der richtige Moment ist, um Fragen zu stellen. „Weißt du, heute habe ich mit Yeosang, versucht, ein neues Rezept auszuprobieren. Es war ein Desaster. Wir dachten, wir könnten diesen komplizierten Kuchen backen, aber irgendwie ist er völlig in sich zusammengefallen. Die Küche sah aus wie ein Schlachtfeld...Aber Onkel Yeosang meinte dann nur das es so sein müsste...dabei ist das Haus nur von seinem guten Freund, Jongho. Jongho ist durchgedreht, als er die Küche gesehen hat.", kichert Jisung, erinnert sich gern an den Vormittag.

"Ich habe Onkel Yeosang nie so schnell rennen sehen. Jongho wollte ihn in zwei Teilen, ist ihm mit einem Messer gefolgt.", erzählt er weiter, kichert immer wieder niedlich auf.

Minho hört zu, wie Jisung ihm von dem chaotischen Backversuch erzählt, von der Mehlwolke, die er versehentlich ausgelöst hat, und wie der Teig mehr auf dem Boden landete als in der Backform... genauso erzählt er noch einmal von dem Mordversuch auf Yeosang und das sie dann, als alles wieder sauber war, sie sich Pizza bestellt haben...und das Jongho Yeosang einfach auf die Wange geküsst hatte.

Während er den Worten seines Freundes lauscht, spürt er, wie sich die Anspannung in ihm langsam löst. Jisung schafft es immer wieder, ihn zu beruhigen, selbst in den dunkelsten Momenten.

"Es war wohl ein chaotischer Tag, was?"

"Wenn Yeosang und ich zusammen sind, wird's immer chaotisch, Hyung.", kichert Jisung, hört immer noch das zittern aus Minho seiner Stimme.

"Bist du okay, Hyung? Du weißt das du mit mir reden kannst, wenn du bereit dafür bist. Ich höre dir zu und bin für dich da...so wie du für mich.", sagt Jisung, setzt sich auf der Couch auf.
Möchte Minho gerade am liebsten von Angesicht zu Angesicht sehen, ihn umarmen und ihm den Schmerzen nehmen.
Egal was es ist...
Er möchte Minho diesen Schmerz nehmen.
Dieser Junge ist so ein guter Mensch...er hat das nicht verdient.

Minho schließt die Augen und lässt Jisungs Worte auf sich wirken. Die Tränen fließen noch immer, aber er fühlt sich nicht mehr ganz so verloren. "Danke, Jisung. Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet."

"Doch, das weiß ich", entgegnet Jisung sanft. „Und Minho? Egal, was dich gerade beschäftigt, du musst es nicht allein durchstehen. Wir sind alle für dich da, egal was kommt.“

Minho atmet tief durch und nickt, obwohl Jisung es nicht sehen kann. "Ich weiß. Danke, dass du für mich da bist."

„Immer“, versichert Jisung. „Und wenn du bereit bist zu reden, bin ich hier. Aber für jetzt, lass uns einfach weiterreden. Möchtest du noch etwas hören?"

"Ja, bitte", sagt Minho, während er sich auf dem Bett zurücklehnt und die Augen schließt, bereit, sich in Jisungs beruhigenden Geschichten zu verlieren.

"Ich erzähle dir was von dem Sternbild: 'Fische.'...Ich fange mit dem Mythos davon an...da ich diese verdammt schön finde.."

"Ich höre dir auch zu, wenn du ein Telefonbuch vorliest.", murmelt Minho, bringt Jisung zum kichern, eh dieser anfängt zu erzählen:

"Einst vor langer Zeit wurde die Liebesgöttin Aphrodite von Typhon verfolgt, der ein eigenartiges Schicksal hatte: er war zwar unsterblich, wurde aber trotzdem immer älter. So musste er als alter Greis leben, sein Körper verfiel, aber er konnte nicht sterben. Sein Anblick war einfach schrecklich. Trotzdem verliebte er sich noch einmal, und zwar in die wunderschöne Aphrodite. Er war hinter ihr her und wollte sie für sich gewinnen.
Aphrodite fand den alten Riesen furchtbar und nahm sich vor ihm in Acht. Einmal war sie gerade mit ihrem Sohn Amor unterwegs. Die beiden wurden von Typhon überrascht und flüchteten. Sie retteten sich in letzter Sekunde vor dem hässlichen Riesen, indem sie ins Meer sprangen und sich in Fische verwandelten. Um sich in den Tiefen des Meeres nicht zu verlieren, verbanden sie ihre Schwanzflossen mit einem Faden. Von den Göttern wurden sie später an den Himmel versetzt und durch Bänder miteinander verbunden, da sie ja zusammengehörten. Diese Verbindung steht für das Sinnbild der Mutterliebe.."

"Vielleicht doch nicht das richtige für heute.", sagt Minho, weshalb Jisung sich auf die Lippe beißt.

"Soll ich über etwas anderes sprechen?"

"Gern, solange es nichts mit Müttern und Mutterliebe oder Familie zu tun hat.", murmelt Minho, wischt sich die Tränen weg.
Wann hört er endlich wieder auf mit weinen?
Ist ja anstrengend.

"Dann erzähle ich dir vom Herkules.", sagt Jisung, lehnt sich zurück, schaut aus dem Fenster, eh er anfängt zu sprechen:

"Um Herkules ranken sich viele Geschichten der griechischen Mythologie, nach denen er ein abenteuerliches Leben führte. Sein Vater, der Göttervater Zeus, verführte eine sterbliche Frau, die dann Herkules gebar. Hera, die Frau des Zeus, war darüber wütend und verfluchte Herkules.

Als junger Mann verfiel Herkules zeitweise dem Wahnsinn und tötete dabei seine Frau und seine drei Söhne. Als er wieder zu sich kam, erkannte er, was er getan hatte, und war von nun an voller Schuldgefühle. Das Orakel von Delphi riet ihm, sich in den Dienst seines Vetters Eurystheus zu stellen und bei ihm seine Schuld abzuarbeiten. Eurystheus stellte ihm zwölf schier unlösbare Aufgaben.

Herkules musste gegen den nemeischen Löwen und die lernäische Hydra kämpfen und sie töten. Er sollte einen windschnellen Eber einfangen und den kretischen Stier zähmen und außerdem den Höllenhund Kerberos aus der Unterwelt holen. All diese Aufträge erledigte er meisterhaft. Viele der Kreaturen, gegen die er kämpfen musste, finden sich ebenfalls am Himmel wieder...dabei hätte er keiner der Aufgaben überleben sollen.
Herkules sollte sterben, doch ist er es nie...Er sollte genauso sterben, wie er seine Familie getötet hatte."

"Das gefällt mir schon besser.", brummt Minho, bringt Jisung zum lachen.
Wie sehr Minho dieses Geräusch doch liebt...

"Das Sternbild vom Herkules hat eine ganz markante Form, es sieht aus wie ein Viereck oder Trapez mit einigen Verlängerungen an den Ecken. Die Sterne sind recht hell und gut zu erkennen.

Das Viereck kann man als Körper ansehen, und die Fortsätze an den Ecken als Arme und Beine. So gesehen ergibt sich in der Sternkonstellation das Bild eines Menschen...wenn man genau hinsieht und viel Fantasie hat.

Eigentlich hängt Herkules ja sogar kopfüber am Himmel, mit den Beinen nach oben. Sein Fuß steht dabei auf dem Kopf des Drachen, einem Sternbild über ihm.

Herkules ist von weiteren Sternbildern umgeben: dem Bärenhüter, der Nördlichen Krone, dem Schlangenträger und der Leier..alles schönere Sternbilder als Herkules selbst.

Im Sternbild finden wir auch einen Kugelsternhaufen, der die Bezeichnung M dreizehn trägt. Mit bloßem Auge ist er kaum zu sehen, aber mit einem Teleskop erkennen wir, dass er aus vielen Sternen zusammengesetzt ist, die sich kugelförmig zusammenballen."

"Was sind Kugelsternhaufen, Alien?"

"Kugelsternhaufen sind Begleitgalaxien der Milchstraße. Sie bestehen aus Sternen, die schon sehr alt sind.", erklärt Jisung, weshalb Minho nur ein leises "Ahh", von sich gibt.
Immer noch kein wirkliche Ahnung hat, aber soll Jisung ruhig weiter erzählen.
Ihn stört es nicht.

"Soll ich weiter reden oder aufhören?"

"Rede weiter.", haucht der Silberhaarige, wischt sich, schon wieder, die Tränen aus dem Gesicht.

Jisung erzählt weiter, und mit jeder Minute fühlt Minho sich ein wenig besser. Es ist nicht die Lösung für all seine Probleme, aber es ist ein Anfang. Und manchmal, denkt er, ist das alles, was man braucht: einen Anfang und jemanden, der einem zeigt, dass man nicht allein ist...

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