22. Kapitel

Kapitel 22

"Guten Morgen mein Engel, gut geschlafen?", fragt Wooyoung, als Felix sich zu ihm setzt.
Reicht ihm dann fast sofort den Kakao.

"Nicht wirklich...Ist Sungie noch immer nicht Zuhause?"

Wooyoung schüttelt den Kopf, seufzt etwas.
"Er schläft bei Yeosang...wer weiß wann er wieder nach Hause kommen möchte. Ich denke es hat ihn ziemlich fertig gemacht das Eunha weiß wo wir wohnen.", sagt er, weshalb Felix nur seufzt und auf seine Tasse schaut.

"Ich kann seine Wut ja verstehen...aber reagiert er gerade nicht komplett über? Es ist immer noch unsere Mutter und eigentlich hat sie uns nie etwas getan... abgesehen davon was sie unseren Erzeuger machen lassen hat...aber war sie doch selbst ein Opfer...Warum sieht es Jisung nicht?"

"Weil Jisung zu traumatisiert ist, Lixie...Sei ihm nicht böse deswegen. Er braucht einfach nur jemanden dem er die Schuld geben kann und dies ist in diesem Moment eure Mutter.", sagt nun auch San, welcher verschlafen in die Küche kommt.
Nichts anderes als Boxershorts trägt.

Etwas was Wooyoung zum sabbern bringt.
Trotz den ganzen Jahren, kann er nichts anderes als bei San seinem Anblick zu sabbern...und Horny zu werden.

"Aber das ergibt doch keinen Sinn. Kann er wieder anfangen logisch zu denken? Er braucht ja keinen Kontakt mit ihr haben...Kann er nicht endlich wieder nach Hause kommen? Ich vermisse ihn.."

"Dann sag es ihm.", sagt San, streicht ihm durch die Haare.
"Auf dich hört er doch sowieso am meisten."

"Aber warum sagt ihr nichts dagegen? Warum lasst ihr ihn bei Onkel Yeosang schlafen?"

"Erstens seit ihr demnächst achtzehn und zweitens habe ich es versucht. Er ist ein Sturkopf und wird es auch immer sein.", schmunzelt Wooyoung, reißt seinen Blick von dem Oberkörper seines Ehemannes los, eh er zu seinem Sohn sieht.

"Ich verstehe ihn nicht, Papa...ich verstehe Jisung einfach nicht mehr...Es fühlt sich so an als würde er mir immer fremder werden...als wäre er nicht mehr mein Bruder.."

Wooyoung nickt langsam, nimmt einen Schluck von seinem eigenen Kakao und starrt nachdenklich in die Ferne.
"Weißt du, Felix, Menschen gehen unterschiedlich mit Traumata um. Für Jisung ist das hier seine Art, damit umzugehen. Er fühlt sich betrogen und verletzt, und das braucht Zeit...Er hat es immer nur verdrängt und jetzt...Jetzt ist es ihm überkommen mit dem Auftauchen eurer Mom...Wer weiß was ihm da für Szenarien durch den Kopf gegangen sind...Du selbst bist auch traumatisiert...Nur kommst du damit besser klar.."

"Weil Sungie mich immer beschützt hatte..", haucht Felix, schaut auf seine Tasse.

San setzt sich neben Felix und legt einen Arm um seine Schultern.
Kann ihn einfach nicht so traurig sehen.
Wenn Felix traurig ist, ist jeder andere in seiner Nähe auch traurig.

"Wir müssen für ihn da sein, Lixie. Auch wenn es schwerfällt, auch wenn es uns wehtut, ihn so zu sehen...auch wenn er uns von sich stößt und manchmal ein Arschloch sein wird. Auch diese Zeit wird vergehen. Alles davon wird vergehen...mit sehr viel Zeit und Geduld."

Felix seufzt erneut und blickt weiterhin auf seine Tasse.
Was soll er schon dazu sagen?
"Aber wie lange noch? Wie lange soll das so weitergehen? Ich möchte meinen Bruder zurückhaben. Ich möchte doch nur das er endlich glücklich ist...Warum kann er nicht einfach glücklich sein..?"

Wooyoung legt seine Hand auf die von Felix. "Das wollen wir alle. Aber wir müssen geduldig sein und ihm den Raum geben, den er braucht...Er braucht aber auch jemanden der ihn versteht und ihn nicht dafür verurteilt."

Plötzlich ertönt ein Klingeln an der Tür.
Alle Blicke wandern zur Tür, und Felix steht dann auf, um nachzusehen.

Als er die Tür öffnet, steht Yeosang mit einem müden Lächeln da, und neben ihm Jisung, der offensichtlich genauso erschöpft aussah.

"Ich bringe den Troublemaker wieder nach Hause.", sagt er, schiebt Jisung ins Haus hinein.
"Ihr dürft euch wieder um ihn kümmern. Meine Pflicht ist getan und meine soziale Batterie absolut leer. Wir sehen uns dann wieder wenn sie aufgeladen ist."

Yeosang wuschelt Felix durch die Haare, drückt Jisung dann einen Kuss auf dem Kopf, eh er sich umdreht und verschwindet.

Wooyoung und San die es von der Küche aus gehört haben, sehen sich an, können nicht anders als zu schmunzeln.
Das ist so typisch Kang Yeosang, aber dafür lieben sie ihn ja auch.

"Sungie..", haucht Felix, doch schüttelt dieser nur den Kopf, drückt sich an seinem Bruder vorbei um hoch in sein Zimmer zu laufen.

Felix starrt Jisung hinterher, bevor er tief durch atmet und die Treppe hinauflief, seinem Zwilling folgt.
Er klopft leicht an die Tür, bekommt aber keine Antwort.
So wie immer.
Schließlich öffnet er sie trotzdem und fand Jisung, wie er auf dem Bett lag und die Decke anstarrt, vor.

"Jisung, wir müssen reden," beginnt Felix, seine Stimme ruhig, aber bestimmt.
Hat jetzt schon Angst vor dem Gespräch, welches gleich folgen wird.
Er kennt sich und er kennt seinen Zwilling.
Das wird in ein Streit eskalieren.
In einen großen Streit.
Den letzten hatten sie als sie neun waren.
Dort haben sie eine Woche nicht miteinander gesprochen, eh Felix weinend zu seinem Bruder gelaufen ist und ihn fest umarmt hatte.

"Was gibt's zu reden?", kam die patzige Antwort.

"Wir müssen reden. Über dich und auch über Mom..", fängt Felix an.

"Wie kannst du sie nur Mom nennen? Sie war keine..", unterbricht Jisung ihn, dreht seinen Kopf zu seinem Bruder, starrt ihm in die Augen.

"Sie wäre keine gewesen, hätte sie uns nicht in ein besseres Leben gesteckt. Jisung wäre das nicht passiert, waren wir schon lange Tod.", sagt Felix, sachlich und ruhig.
So wie er immer ist.
Außer wenn er Videospiele spielt...dann ist er ganz anders drauf.

"Du verstehst mich doch sowieso nicht.", brummt Jisung nur, schließt dann die Augen.
Hat so gar keine Kraft auf diese Konversation.
Warum müssen sie diese führen?
Felix versteht ihn nicht und Jisung versteht ihn nicht.
Versteht nicht warum Felix in jedem immer nur das gute sehen muss.
Warum auch immer dieser jedem verzeihen muss.

Was hat sein Bruder auch nur so ein großes Herz?
Sein eigenes Herz ist aus Eis, Stahl und sonstiges...
Manchmal wünscht er sich mehr zu sein wie Felix...
Dann hätte er bessere Chancen auf Freunde.
Felix findet so leicht Freunde...und er?
Er stößt jeden von sich weg, weil er Angst hat.
Panische Angst.

"Genau das ist doch das Problem!", platzte Felix heraus. "Du redest nicht mehr mit mir. Früher haben wir über alles gesprochen, und jetzt... jetzt bist du nur noch in dich gekehrt. Was ist los mit dir? Warum redest du nicht mehr mit mir darüber was du fühlst oder worüber du nach denkst? Was ist nur passiert?"

  - Ich weiß es doch selbst nicht. Ich weiß nicht was ich denke oder fühle. Alles was ich weiß, ist, das ich absolut überfordert bin. Mehr als nur überfordert... überfordert von diesen ganzen Gefühlen.-

Jisung setzte sich abrupt auf und funkelte Felix an. "Du verstehst nichts, Felix. Gar nichts. Besonders nicht, was Mom angeht...Du hast das alles doch nicht ertragen müssen!"

"Was soll das heißen?", fragte Felix, seine Verwirrung verwandelte sich in Frustration. "Ich war genauso dabei! Ich habe es mir jeden Abend mit ansehen und anhören müssen! Genauso wie du! Also hör auf zu sagen das es nicht so war! Es hat ja niemand von dir verlangt das du mich dauerhaft beschützen musstest!"

"Du wärst gestorben! Ich war stärker als du und das weißt du!"

"Damals vielleicht. Jetzt bist du nur noch ein Wrack. Ein Wrack welches nicht einmal glücklich werden möchte, weil du dir nicht helfen lassen willst.", sagt Felix ernst, sieht seinen Bruder absolut frustriert an.

Jisung ballte die Fäuste, seine ganze Haltung vor Spannung bebend. "Ein Wrack? Denkst du, ich will so sein? Denkst du, ich habe mir das ausgesucht, mhm?"

Felix schluckt schwer, seine Stimme leiser, aber nicht weniger eindringlich.
"Ich weiß, dass du das nicht willst, Jisung. Aber du lässt mich nicht mehr an dich heran. Früher haben wir uns alles erzählt. Jetzt schließt du mich aus...Du erzählst mir nichts mehr...dabei weiß ich das sogar Minho mehr weiß..."

  - und das tut weh...wo ist dein Vertrauen hin?-

Jisung schüttelt den Kopf, Tränen der Wut und Verzweiflung steigen ihm in die Augen.
"Es ist nicht so einfach. Es ist, als ob da eine Mauer zwischen uns ist, und ich weiß nicht, wie ich sie einreißen soll. Ich... ich fühle mich so allein, selbst wenn du da bist...Ich habe diese Mauer bei jedem...bei einfach jedem...Aber bei dir ist es am schlimmsten. Du bist so nahe und doch komme ich nicht an dich heran! Ich weiß doch auch nicht warum!"

Felix macht einen Schritt nach vorn, seine Stimme weicher. "Du bist nicht allein, Sungie. Ich bin hier. Wir sind hier. Lass uns dir helfen...Lass endlich Hilfe zu.."

Jisung lacht bitter auf, ein Geräusch, das mehr nach Schmerz klang als nach Freude.
Nach Schmerz welchen er jahrelang nicht heraus gelassen hatte..
Schmerz der einfach endlich heraus muss.

"Helfen? Wie willst du mir helfen, Felix? Du verstehst doch nicht mal, was wirklich los ist. Du weißt nicht mal, dass ich jahrelang verprügelt wurde von Matthew und Jiwoong!"

Felix' Augen weiten sich, der Schock steht ihm ins Gesicht geschrieben. "W-Was?"

"Ja, Felix," fährt Jisung fort, die Worte nun kaum mehr als ein Flüstern. "Das alles ist passiert, während du versucht hast, in allem das Gute zu sehen. Du hast nie gesehen, was wirklich vor sich geht.."

Felix tritt nun einen Schritt zurück, als hätte ihn der Schlag getroffen.
Tränen liefen über seine Wangen. "Jetzt bist du unfair! Du tust doch immer so als wäre alles gut. Als würde dir nichts weh tun, solange du niemanden an dich heran lässt! Also hör auf mir damit jetzt einen Vorwurf zu machen! Du hättest es mir ja erzählen können, aber hast es nicht getan!", schreit er seinen braunhaarigen Zwilling an.

"Weil ich dich schützen wollte," antwortet Jisung, seine Stimme komplett brüchig. "Weil ich nicht wollte, dass du noch mehr leidest...Du hättest da doch mehr gelitten als ich selbst.."

Felix schüttelte den Kopf, seine Verzweiflung überwältigend.
"Hör endlich auf mich beschützen zu wollen und fange an dich selbst zu retten! Sonst sehe ich dich bald noch auf deiner scheiß Beerdigung! Lass dir Gott verdammt endlich helfen!"

Die Stille, die darauf folgt, ist drückend.
Felix' Schluchzen durch bricht die Stille, seine Tränen unaufhaltsam.

"Ich... ich muss raus hier." Ohne ein weiteres Wort verlässt er das Zimmer und lässt Jisung in der Stille zurück.

"Hay...warum weinst du denn? Ist etwas passiert?"

Changbin setzt sich neben dem blondhaarigen, welcher auf dem Boden des Tanzstudios sitzt, zieht ihn sanft in seine Arme.
Lässt den Jungen in seine Halsbeuge weinen.

"Es ist ja alles gut...Lass ruhig alles heraus...Ich bin da und halte dich fest...erzähle es mir, wenn du bereit bist.."

Felix schlingt seine Arme um Jisung und weint immer mehr.
Weinte hemmungslos.
Der Druck der letzten Stunden entlud sich in einem Strom von Tränen und verzweifeltem Schluchzen. Changbin wiegte ihn leicht, seine Stimme ein beruhigendes Flüstern.

"Es ist ja alles gut... Lass ruhig alles heraus... Ich bin da und halte dich fest... Erzähle es mir, wenn du bereit bist," wiederholt sich Changbin, streichelte Felix' Rücken in beruhigenden Kreisen.

Felix klammert sich an Changbin, als wäre er sein einziger Halt in einer stürmischen See.
Die Worte, die er versuchte zu finden, erstickten in seinen Tränen.
Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hebt er den Kopf und sieht Changbin mit verweinten Augen an.
"Es... es ist Jisung," bringt Felix schließlich hervor. "Er hat mir gesagt, dass er jahrelang verprügelt wurde. Von Matthew und Jiwoong. Und ich... ich hab's nicht gemerkt. Ich hab ihn nicht schützen können...und dann noch das mit unserer Mom..."

Changbins Augen weiten sich leicht vor Schock, doch er bleibt ruhig, drückt Felix nur fester an sich.
"Das ist schrecklich, Felix. Aber das ist nicht deine Schuld. Du konntest es nicht wissen, wenn er es dir nicht gesagt hat...Er hat es für sich behalten...daran bist du nicht Schuld."

Felix schüttelt den Kopf, Tränen rannen immer noch über seine Wangen.
"Aber ich hätte da sein sollen. Ich hätte ihm helfen sollen. Stattdessen habe ich... habe ich ihn allein gelassen.."

Changbin hob Felix' Kinn sanft an, zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. "Hör zu, Felix. Du bist nicht schuld daran, was passiert ist. Und du bist nicht allein. Wir sind alle hier, um einander zu helfen. Aber Jisung muss auch lernen, Hilfe anzunehmen...und du hast ihn nie alleingelassen. Du warst immer bei ihm. Immer, hörst du?"

Felix nickt langsam, obwohl der Schmerz in seiner Brust nicht ein bisschen nach lässt. "Ich habe ihm gesagt, dass er aufhören soll, mich zu beschützen und anfangen soll, sich selbst zu retten. Dass ich ihn sonst vielleicht auf seiner Beerdigung sehe..."

Changbin seufzt tief und zieht Felix noch näher zu sich. "Das war hart, aber manchmal muss man die Wahrheit aussprechen, um jemanden wachzurütteln. Vielleicht hilft es ihm, endlich Hilfe anzunehmen... Vielleicht wacht er endlich auf...wenn nicht schicken wir Minho zu ihm...Der kriegt das sicher hin.."

Felix schluchzt noch ein letztes Mal tief auf, dann versucht er sich zu beruhigen.
"Ich hoffe es. Ich will nicht, dass er leidet. Ich will nicht, dass wir uns verlieren...ich will und kann ihn nicht verlieren...Kann ohne meinen Bruder doch gar nicht leben...er ist das wichtigste in meinem Leben.."

Changbin drückt Felix sanft und streichelte seine Haare. "Wir werden das gemeinsam durchstehen, Felix. Du bist nicht allein, und Jisung ist es auch nicht. Wir werden einen Weg finden, ihm zu helfen."

Felix nickt erneut, dankbar für Changbins Worte und seine Nähe.
Ohne diesen wäre er heute noch an seinen Tränen erstickt.
"Und jetzt hör auf zu weinen...du bist zwar immer noch wunderschön, aber wenn du lächelst bist du noch schöner.", sagt der ältere, entlockt Felix ein sanftes lächeln.
"Idiot.."
"Hat gereicht um dich zum lächeln zu bringen...und jetzt lass uns etwas essen gehen...Essen hilft immer.."

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