32 - Ich muss durch den Monsun
Am Samstagmorgen überrascht uns der Sommerregen, der mir fast vorkommt wie ein Monsun. Mich wecken die Millionen Tropfen, die gegen das Fenster in Vincents geräumigem Schlafzimmer pladdern. Meinem Freund geht es nicht anders, wie ich schnell feststelle. Er stöhnt und zerrt sich die Decke über den Kopf.
„Was eine Apokalypse." Nur mit Mühe verstehe ich, was er da nuschelt.
„Es hat ganz plötzlich angefangen", sage ich leise. Vincent hebt seine Decke ein Stück an.
„Wie bitte?", fragt er und kneift die Augen zusammen. Langsam gewöhnt er sich an die Lichtverhältnisse. Trotzdem gibt er ein unzufriedenes Geräusch von sich und massiert seine Schläfe.
„Es ging plötzlich einfach los. Ein richtiger Sommer-Platzregen", erkläre ich erneut. Eine Erinnerung fliegt mir zu, ganz von allein. Mama hat mir mal erzählt, wie Justus als kleines Kind nackt auf unserer Terrasse stand. Er hätte im Regen geduscht, gelacht, wäre im Kreis gerannt. Mir hat so ein Wetter wie das heute als Kind immer nur Angst gemacht.
Ich rutsche umständlich auf der Matratze umher, bis ich mich mit den Armen hochdrücke.
„Was machst du?", fragt Vincent in jammerndem Tonfall.
„Ich verschaffe mir einen Frischekick", teile ich ihm mit, stehe auf und laufe ins Wohnzimmer.
„Charlotte!", ruft er mir hinterher, doch ich reagiere nicht. Es zieht mich zur Balkontür. Ich schiebe sie auf. „Hallo, was soll'n das werden?" Auch seine Frage ignoriere ich und trete ins Freie. „Hey, hallo?" Mein Freund ist hinter mir aufgetaucht und sieht mich mit riesigen Augen an. „Du bist nackt", erinnert er mich. Sein Blick wandert einmal an meinem Körper auf und ab.
„Du auch", gebe ich trocken zurück und drehe mich wieder um.
„Äh ...", macht Vincent hinter mir. Als er neben mich tritt, registriere ich mit Belustigung, dass er seine privateste Zone mit der Hand verdeckt. Mein Blick schweift zurück zu den Fenstern des gegenüberliegenden Hauses, vor denen der Regen in Striemen fällt. „Die da drüben können dich sehen", meint er sachlich. Ich schmunzle nur, brauche nichts zu sagen. Die Pause wird von den Tropfen gefüllt. Dann berühre ich ihn sanft am Unterarm, laufe mit meinen Fingern runter bis zu seinem Handgelenk. Vincent beobachtet verunsichert, was ich tue. Ich sehe ihm intensiv in die Augen. Und im nächsten Moment lässt er doch tatsächlich locker. Ich nehme seine Hand. Sie ist warm, und auch wenn der Regen nicht wäre, wäre sie wohl trotzdem feucht.
„Du bist völlig verrückt", fiept er. Mein sanftes Schmunzeln verwandelt sich kurz in ein Grinsen und dann direkt wieder zu einem zufriedenen Lächeln.
„Schau dir den Regen an, Vincenzo", erwidere ich ruhig. „Schau zu, wie es regnet."
„Verrückt", wiederholt er mit Nachdruck. Ich kann nicht anders als mir einen Scherz mit ihm zu erlauben und summe leise den Anfang von Drafi Deutschers Marmor, Stein und Eisen. „Dam, dam!", setzt Vincent die Melodie mit Gesang fort. Er klingt unendlich nervös dabei, und ich breche in Lachen aus. „Sei bloß froh, dass ich sogar noch zu dir halte, wenn du mich zwingst, im Adamskostüm bei Schietwetter auf dem Balkon zu chillen."
„Welch ein Liebesbeweis", sage ich und drücke ich ihm damit meine Wertschätzung aus.
„Klemm dir deine Ironie, Chacha", grummelt er.
„Fühlst du dich sehr unwohl?", frage ich leicht besorgt.
„Nee, du, gar nicht", antwortet er mit übermäßigem Sarkasmus.
„Ich wollte dich zu nichts zwingen. Aber du musst jetzt wirklich nichts verstecken." Mein Freund schürzt die Lippen. In seinem Kopf rattert es.
„Dass du das denkst, finde ich auch schön", erwidert er. Um es zu unterstreichen, küsst er meine Stirn. „Ich will nur nicht, dass die von gegenüber derselbe Gedanke streift", fährt er fort. „Auch nicht in Bezug auf dich, wenn ich ganz ehrlich bin. Aber das ist dein Körper, deine Entscheidung." Mir wird warm ums Herz. Ich lächle, küsse ihn auf den Mund und genieße das Gefühl von Regentropfen, die meine Arme runterlaufen. Hier draußen falten alle Schmetterlinge ihre Flügel zusammen, bei Regen fliegt es sich schlecht. Die in meinem Bauch flattern dafür euphorischer denn je.
+
Nach unserem Frühstück, zwei Schüsseln Müsli und vier Tassen Kaffee, liegen wir auf Vincents Couch und ich fühle mich unglaublich wohl. Es läuft eine Folge How i met your mother, die wir beide kaum verfolgen. Ich für meinen Teil schere mich nicht darum, denn Vincent sieht besser aus als die gesamte männliche Besetzung der Serie. Er riecht außerdem besser, und ich kann mich besser an ihn kuscheln. Mein Freund hat sein Handy gezückt. Er hat mich sogar vorhin vorbildlich gefragt, ob das okay für mich ist. Ich vermute, er schreibt mit Freunden oder Kollegen. Wo auch immer er da die Grenze zieht. Mir ist es gleich. Gerade reicht es mir vollkommen, dass ich unter seinem weißen T-Shirt seinen Bauch kraueln kann, und er mich ab und an küsst. Auf den Haaransatz, die Schläfe, die Wange - Jedes Mal entlockt er mir ein zufriedenes Lächeln damit.
Als er sein Handy nach einer Weile sperrt, zieht er mich näher zu sich ran, küsst meinen Hals und beißt mich vorsichtig im Nacken. Ich seufze genießerisch, beklage mich aber trotzdem: „Hör auf, ich werde schwach." Vincent strahlt mich freudig an.
„Das gibt mir eher einen Grund, auf keinen Fall aufzuhören." Er fährt fort mit den Liebkosungen, doch ich maule weiter. Eigentlich bloß, um ihn zu triezen. Leider lässt er jetzt tatsächlich von mir ab. „Okay, wenn du dich genierst, hab ich einen anderen Vorschlag."
„Was?", hake ich verdattert ein und fahre mir durchs Haar. Vincent richtet sich ein Stück auf.
„Dag will, dass ich mir eine Meinung über so ein Mädel bilde, mit dem er seit ein paar Tagen schreibt. Sie ist eine Cousine von Bastian, falls du dich an ihn erinnerst. Dag ist scharf auf sie, und sie auf ihn."
„Und warum musst du das absegnen?" Vincent runzelt die Stirn.
„Ich bin sein bester Freund", erwidert er und lacht glucksend. „Er hat dich auch abgesegnet, weißt du."
„Wie? Er hat mich abgesegnet?" Darunter kann ich mir nichts vorstellen.
„Na, wir sind Kumpels, wir passen aufeinander auf", meint Vincent. Ich glaube, meine Verwirrung irritiert ihn zunehmend. „Sie gehen heute Abend zusammen feiern. Ich will nur mal ein bisschen mit der quatschen, mir ein Bild von ihr machen. Ob sie cool drauf ist, oder er sich lieber vor ihr in Sicherheit bringen sollte", witzelt er, doch ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Das kann er nicht allein einschätzen?" Vincent mustert mich. Seine Miene ist undefinierbar.
„Ich sage ab", beschließt er monoton, und greift bereits nach seinem Handy.
„Halt", stoppe ich ihn. „Wenn du da mit mir hinwillst, komme ich mit." Sein Gesicht erhellt sich.
„Ehrlich?"
„Ehrlich", bestätige ich, schiebe sein Handy aber außer Reichweite und setze mich auf seinen Schoß. „Aber nur unter einer Bedingung ...", gurre ich. Mein Freund lacht. Er küsst mich und zieht mir prompt sein T-Shirt aus, in das ich vorhin geschlüpft bin.
+
„Wir trinken nichts."
„Seit wann bist du schwer von Begriff, Chacha? Ja! Wir trinken nichts. Sag ich doch die ganze Zeit." Ich werfe Vincent einen beleidigten Blick zu.
„Ich bin nicht schwer von Begriff. Ich muss dir bloß deine eigenen Worte ins Hirn hämmern."
„Tu mal nicht so scheinheilig", foppt er mich. „Das wäre immerhin auch das erste Mal, dass ich dich eine Flasche Bier ablehnen sehe." Er grinst und vergräbt die Hände in den Taschen seiner Jeans. Ich mache einen eleganten Satz über eine Pfütze vor uns. Der Regen hat aufgehört und jetzt ist es schwül sondergleichen. Da bin ich nur froh, dass ich mir eine luftige Culotte und ein Spaghettiträger-Top zu Vincent mitgenommen habe. Ich habe mich gegen einen Pullover oder ähnliches entschieden. Wozu hat man einen Freund? Soll er mich wärmen, wenn es in der Nacht endlich kühler wird.
Wir haben ein gutes Stück Weg von der U-Bahnstation zurückgelegt und den Schuppen schon im Blick, zu dem Vincent von seinem Freund bestellt worden ist, als sein Handy klingelt.
„Dicka, wir sind gleich da", informiert Vince offenbar seinen Kumpel. Er runzelt die Stirn. „Äh, okay. Und was ist mit dir?" Ich spitze die Ohren, doch der Straßenlärm macht es mir leider unmöglich, den Anrufer zu verstehen. „Ja, dann sag ihr das doch." Er lacht kurz. „Na, is' ja irgendwie berechtigt, oder? ... Ey, schieb ma' keine Panik jetze, wir sind gleich da ... Ja! ... Ja, bis gleich."
„Was ist los?", frage ich ohne Umschweife und Vincent wirft mir einen Blick zu, als hätte er kurz vergessen, dass ich existiere. Er wischt irgendwas auf dem Screen seines Smartphones beiseite und steckt es ein.
„Sie will ihn auf der Clubtoilette vernaschen." Angewidert verziehe ich das Gesicht.
„Na ja, vielleicht ist das ein gutes Zeichen. Sie will ihn so sehr, dass sie die Geschlechtskrankheit in Kauf nimmt, die sie dadurch riskieren würde."
„Schade, ich wollte dich eigentlich auf der Clubtoilette durchnehmen", erwidert er unbeeindruckt.
„Wolltest du nicht", strafe ich ihn lügen und lache. „Du mit deinem Fimmel treibst es bestimmt gern auf irgendwelchen versifften Toiletten, Meister Proper", höhne ich.
Wir werden vom Türsteher, der mit Vincent offenbar per du ist, durch den Hintereingang geschleust.
„Nicht mit meinem Fimmel, mit meinem -"
„Aus!", befehle ich mit erhobenem Zeigefinger. Vincent lacht.
„Aus, sagst du mir?"
„Charlotte Engler!", dringt eine männliche Stimme an mein Ohr.
„Anwesend", vermelde ich überrascht, ehe ich Bastian entdecke, der mit ausgebreiteten Armen auf uns zukommt. „Dein Namensgedächtnis hätte ich gerne", mache ich ihm ein indirektes Kompliment. Wir umarmen einander kurz.
„Bastian, falls du's vergessen hast", erinnert er mich unnötig. „Würd' ich dir nicht übel nehmen." Als er sich Vincent zudreht, hebt der einen Finger, um ihm zu signalisieren, dass er kurz warten soll. Mein Freund lehnt sich zu mir rüber und seine Lippen kitzeln an meinem Ohr.
„Pimmel", sagt er und ich breche in Gelächter aus. Er ignoriert Bastian, der fragend eine Augenbraue gehoben hat, schlägt nur mit ihm ein und fegt seine Verwirrung mit einer Handbewegung beiseite.
„Dag hat mich angerufen, der hat Angst vor deinem Cousinchen. Anscheinend ist die mega rallig. Muss wohl in der Familie liegen." Er stößt Bastian mit dem Ellbogen an und hält mir seinen Arm hin. Ich hake mich bei ihm unter.
„Ja", meint Bastian langgezogen. „Ich hab ihm gesagt, das wird nur schlimmer, wenn er sich jetzt vor ihr versteckt, aber der Junge hört nicht auf mich."
„Der hört auf niemanden", brummt Vincent. Ich entdecke Dag derweil im Gespräch mit einem blonden Mann, den ich irgendwoher kenne. Woher, daran erinnere ich mich nicht. Könnte sein, dass er auch Künstler ist.
„Sina ist pissen gegangen", meint Bastian.
„Ist Aleks da?", fragt Vincent ihn, der nickt und auf eine Couch deutet, wo eine schlanke Frau in einer sehr knappen Hot-Pants und einem sehr knappen Crop-Top sitzt.
„Sie ist cool, das ist Luks Freundin", informiert Vincent mich. „Quatsch sie an, wenn du magst."
„Wer ist Luk?", frage ich vorerst. Er schmunzelt, Bastian schüttelt neben ihm fassungslos den Kopf.
„Wo lebst du? Hinterm Mond?" Mein Freund zeigt auf den Typen, der bei Dag steht.
„Der da ist Luk. Nur einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Musiker." Bastian lacht mich für meine Unwissenheit aus. Ich wüsste allerdings nicht, warum ich mich schämen sollte, schließlich arbeite ich nicht für irgendein Musik-Magazin. Vincent pfeift durch die Zähne, um auf sich aufmerksam zu machen.
„Kommst du mit? Ich will mit Dag reden." Ich zucke die Schultern.
„Ich sage auf jeden Fall kurz hallo."
„Wollt ihr was trinken?", ruft Bastian uns nach.
„Ja, aber was Alkoholfreies!", antwortet Vincent für uns beide. Bastian zeigt einen Daumen hoch. Komisch, ich hatte seltsamerweise erwartet, dass er uns zum Saufen animieren wollen würde.
Dag sieht sich angespannt um. Als er Vincent entdeckt, erhellt sich seine Miene.
„Perfektes Timing", sagt er, während die Jungs einschlagen. Er umarmt mich kurz und ich lächle ihn an. „Hey, schön dich zu sehen", begrüßt er mich und erwidert es. Auch Dags Gesprächspartner winkt mir zu.
„Ich bin Luk", stellt er sich vor und reicht mir die Hand. Ich schüttle sie, obwohl mir die Geste zu formell für den Anlass erscheint.
„Charlotte."
„Meine Freundin", fügt Vincent hinzu und Luk nickt.
„Ich sollte mal nach meiner eigenen Freundin sehen." Mit diesen Worten lässt er uns drei stehen.
Dag kratzt sich am Hinterkopf.
„Hast du was eingeworfen?", fragt mein Freund ihn skeptisch.
„Nein, ich schwöre", erwidert sein Kumpel.
„Gut. Wie ist die Lage?", fragt Vincent seinen Kumpel neugierig.
„Sie ist gerade zum Pinkeln abgezischt und kommt jede Minute zurück." Er hält eine zweite Zigarette hoch, an der Lippenstiftreste kleben. Die gehört sicherlich Sina. „Kluges Mädchen, hübsches Gesicht, netter Körper. Aber irgendwie ist das skurril, Dicka. Ich kann dir das nicht erklären," fasst er zusammen. Er kratzt sich am Kinn und sieht zu mir.
„Du wirfst auch mal ein Auge auf sie, ja?"
„Klar, wenn dich meine Meinung interessiert", bestätige ich. Dag zieht belustigt eine Augenbraue hoch.
„Sonst würde ich dich nicht danach fragen."
„Hi", höre ich plötzlich eine weibliche Stimme und beobachte, wie die Frau, die eben gesprochen hat, auf uns zusteuert. Ihre Haare sind glatt und kupferrot gefärbt. Sie trägt sie schulterlang. Das nächste Detail, das mir förmlich ins Auge springt, ist ihr dicker Eyeliner, der mich ein wenig an Amy Winehouse erinnert. Der Look steht ihr. Auch die Tattoos auf ihrem kurvigen Körper sind schön. Sie schenkt Dag ein umwerfendes Lächeln, der ihr ihre Zigarette hinhält. Ich sehe sofort, was Vincent vorhin so treffend beschrieben hat, als wir noch bei ihm zu Hause waren: Die beiden sind eindeutig scharf aufeinander.
„Du hast Freunde gefunden", neckt sie ihn, bevor sie sich wohlerzogen Vincent und mir vorstellt. „Ich bin Sina."
„Bastians Cou-Sina, hab schon von dir gehört", witzelt mein Freund drauflos, wie es seine Art ist. Während ich einen Lacher unterdrücke, kräuselt Sina die Lippen. Er deutet auf die Flasche in ihrer Hand. „Was trinkst du?"
„Sternburg. Heute bin ich billig", entgegnet sie und wirft ihrem Date einen vielsagenden Seitenblick zu. „Holt euch doch auch was", schlägt sie uns im nächsten Moment vor. Offensichtlich hat sie großes Interesse daran, wieder mit ihrem Dag allein zu sein, doch der schüttelt kaum merklich den Kopf. Sina, nimmt einen Schluck und legt ihm eine Hand auf die Schulter. „Teilst du ein bisschen was von deinem Pott mit mir?" Dag reibt sich kurz über sein Ohr, in das sie die Frage halb geflüstert hat und schmunzelt. „Dein Cousin hat mich schon vorgewarnt, dass du mich das fragen würdest und mir eingetrichtert, ich soll auf jeden Fall nein sagen." Sina verdreht die Augen.
„Musst du ja aber nicht. Sag doch lieber ja."
„Er sagt, du verträgst die Mischung nicht", sträubt Dag sich weiter, kneift sie im Nacken und sie seufzt. Mit einem sexuelleren Unterton, als nötig gewesen wäre.
„Er ist nur sauer, weil ich ihm einmal danach auf seine brandneuen Schuhe gekotzt habe", erklärt sie uns. Vincent und ich grinsen amüsiert.
„Deine Schuhe haben ihre besten Tage jedenfalls hinter sich", kommentiere ich Dags abgetretene Chucks. Er zeigt mir den Mittelfinger, worüber ich nur lachen kann.
„Kein Pott für dich, Mademoiselle", beendet Dag die Konversation an Sina gewandt.
„Spielverderber", brummt sie in meine Richtung. Sie deutet auf Vincent. „Ist der auch so verklemmt?" Ich zucke die Schultern. Verklemmt ist definitiv kein Wort, das mir einfallen würde, um ihn zu beschreiben.
„Ich habe gehört, manchmal soll man wohl auch gut Spaß mit den beiden haben können." Sie spitzt die Lippen.
„Mit beiden gleichzeitig?", fordert sie mich im Scherz heraus, aber dafür bin ich ein ganzes Stück zu nüchtern.
„Danke, ich bin bedient", erwidere ich also.
Vincent legt einen Arm um meine Schultern.
„Genauso ein Schandmaul wie Bastian", ärgert er Sina.
„Pah", macht sie beleidigt. „Der ist bei mir in die Schule gegangen, nicht umgekehrt." Sie zieht an ihrer Zigarette. Dag schaut Vincent panisch ins Gesicht, versucht offenbar telepathisch mit ihm zu kommunizieren. Bastian ist inzwischen hinter uns aufgetaucht und hält eine Flasche mit Malzbier sowie eine kleinere Flasche Spicy Ginger in der Hand.
„So, wer von euch will hier was?", fragt er uns. Vincent lässt mich entscheiden. Ich greife nach der Ingwerlimonade.
+
Einige Minuten später bin ich von so vielen Reizen überflutet, dass ich nur noch staunend verfolgen kann, wie Vincent alles Soziale scheinbar problemlos navigiert. Marlene hat recht, er ist in dieser Hinsicht ein ganz anderer Mensch als ich. Obwohl ich mich nett mit den meisten unterhalten habe, merke ich, dass ich seltsam übersättigt von der Interaktion mit so vielen Menschen auf einmal bin. Sina lacht gerade herzhaft. Vincent hat ihr eben erst verständlich gemacht, dass Dag von ihr eingeschüchtert ist, und sie ihm wohl oder übel eine andere Seite präsentieren muss als die des Sexdämons, der in ihr schlummert. Er spricht freundlich über Dag, zieht seinen Kumpel nicht ein Bisschen durch den Kakao, und doch wirkt es authentisch und nicht, als würde er ihn anpreisen wie ein Produkt in der Werbung. Er beschreibt ihn mit treffenden Worten und Verve. Ich habe das Gefühl, mich an diesem Abend nur noch hoffnungsloser in ihn zu verlieben.
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