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Wir saßen nun alle gemeinsam in dem Flur vor der Intensivstation. Die Stühle waren bereit voll besetzt, deshalb begnügten wir uns mit dem Boden. Während man so die Ärzte umherrennen sieht, wird einem ganz mulmig zu Mute. Besonders, da heute Weihnachten war. Sowas gehörte verboten. Ich schloss die Augen und lehnte meinen Hinterkopf wieder gegen die Wand hinter mir.
Vor ein paar Minuten sind Taehyung und Yoongi losgegangen, um uns allen einen Kaffee zu besorgen, da es dem Arzt zufolge eine lange Nacht werden würde. Hoseok hat schreckliche innere Verletzungen und mehrere Knochenbrüche. Es steht nicht einmal fest, ob er die momentan laufende Operation überleben würde, geschwiegedenn ob er nach dieser wieder aufwachen wird. Und selbst dann ist der entstandende Schaden für uns noch nicht erkennbar.
Ist doch alles scheiße.
Namjoon ist ganz zu Anfang kurz raus gegangen, um das Management zu informieren. Daraufhin ist Sejin direkt hergefahren gekommen und hat sich persönlich nochmal vom Arzt unterrichten lassen. Mich hat er nur ein einziges Mal angesehen. Und das flüchtig, mit dem säuerlichen Hauch von Mitleid. Aber ganz ehrlich? Das brauchte ich nicht.
Was ich wirklich brauchte, wurde soeben von den Chirurgen zusammengeflickt. Und ich konnte nur beten und hoffen, dass der Engel dies auch wirklich schaffen wird. Nicht auszumalen, was ich machen sollte, wenn es wirklich vorbei sein wird.
Yoona gähnte leise und ihr Kopf fiel wieder auf meine Schulter. Ich schmunzelte leicht. Sie hätte den Weg eigentlich nicht auf sich nehmen müssen, hat es trotzdem für mich getan. Und weil ich wusste, dass ich ohne sie nicht wieder zu mir gekommen wäre, bin ich ihr mal wieder unendlich dankbar.
Mit einem müden Blick sah ich in der kleinen Runde herum. Jimin saß auf meiner anderen Seite und unterhielt sich im Flüsterton mit Areum. Namjoon hatte sein Gesicht in seinen Händen vergraben und Yoongi hatte die Augen geschlossen und schien Musik zu hören. Jungkook starrte ins Leere, während Taehyung und Jin mit ihren leeren Getränkebechern herum spielten.
Und dann war da noch Jiyeon. Die Schwarzhaarige saß etwas abseits von uns allen, starrte auf ihr Handy und weinte leise. Sie hat keine Sekunde vom Unfallort bis hier hin damit aufgehört. Wenn ich die Kraft dafür hätte, würde es auch mir noch immer so ergehen. Doch mittlerweile fühlte ich mich so unendlich schwach, dass selbst das Atmen während der andauernden Wartezeit, zur Qual wurde.
Ich seufzte leise und drückte den dunklen Schopf meiner Freundin von mir, lehnte ihn dann gegen die Schulter von Jin, welcher die Stirn runzelte und mich fragend ansah. Ich schüttelte nur kurz den Kopf und stand dann vorsichtig auf, ging zu meiner vermeindlichen Erzfeindin und lies mich neben ihr nieder.
Sie schluchzte leise auf und wischte sich mit dem Handrücken wieder unter der Nase her, ich lugt auf das Bild auf ihrem Handy. Es zeigte Hoseok und sie, beide grinsten in die Kamera während er ihr hinter dem Kopf Hasenöhrchen zeigte. Doch wenn ich mich nicht irrte lag dieses Bild verdammt viele Jahre zurück. Die zwei sahen aus, als wären sie vierzehn.
,,Ich kannte ihn seitdem ich denken konnte", hauchte sie und ich sah zu ihr, während sie mir tief in die Augen schaute.
,,Unsere Eltern sind gut miteinander befreundet, demnach waren wir oft dazu gezwungen uns gemeinsam die Zeit zu vertreiben. Wir fanden schnell heraus, dass wir beide gerne tanzten und fingen an uns auch ohne unsere Eltern mal zusammen zu treffen. Jedenfalls..", sie seufzte und sah wieder zurück zu dem bild.
,,Jedenfalls hat er sich in mich verliebt. Doch ich war nicht bereit. Und dann kam BigHit und wir trennten uns. Und erst als er weg war, habe ich gecheckt was genau ich da hab gehen lassen."
Ich hörte ihr aufmerksam zu, meine Augen ruhten auf ihrem Handy, welches sie in ihren zitternden Händen festhielt, die kleine und wertvolle Erinnerung wieder in ihren gedanken aufleben lies.
,,Ich tat alles, um ihm näher zu kommen, wollte einfach nur unsere Vegrangenheit zurück. Dann kam ich zu BigHit und merkte, dass Hoseok sich weiterentwickelt hat. Das Wiedersehen war schön, ja, aber irgendwie wusste ich, dass ich keine Chance mehr bekommen würde. Und dann.. dann fingen wir an gemeinsam zu arbeiten, nach der Arbeit wieder zusammen zu trainieren. Es hat sich so gut angefühlt, wieder was mit ihm zu machen. Ich hätte alles dafür getan, ihn wieder zu bekommen. Und dann.."
,,..dann kam ich", vollendete ich ihren Satz leise und sie nickte und schluchzte leise auf.
,,Es tat so weh zu wissen, dass falls ich damals anders entschieden hätte, heute mit dem wundervollsten Menschen dieses Planeten zusammen sein könnte. Und.. und nichts konnte ich tun, um es wiedergutzumachen oder die Tatsache zu enden, dass er ebend nicht mich liebte. Den einen Abend, wo ich dir entgegen gekommen bin, als du wahrscheinlich auf dem Weg zu Hoseoks Büro warst-"
Ich runzelte kurz die Stirn und nickte dann, da ich mich daran erinnern konnte, wie angespannt Hoseok damals gewesen war. Er hat sogar kurz gedacht ich wäre Jiyeon gewesen.
,,Damals habe ich ihm meine Gefühle offen gelegt und so weiter. Alles kam hoch, doch er versuchte mir vorsichtig zu erklären, dass es nicht funktionieren könnte. Und ab da habe ich einerseits wirklich versuchen wollen ihm sein Glück zu lassen, andererseits sah ich in dir eine schreckliche Person. Nimm es bitte nicht persönlich", nuschelte sie und ich lächelte schief und schüttelte den Kopf, sie sah mir wieder tief in die Augen.
,,Und als ich dann auch noch dein Telefonat mitangehört habe.. Da.. d wurde ich so wütend. Weil ich nicht wollte, dass jemand wie du ihn verletzte. Und besonders.. weil ich mich von früher in genau derselben Situation sah. Es tut mir leid.. ich habe überreagiert."
,,Hey jetzt ist doch alles egal.. hoffen wir einfach, dass Hoseok wieder schnell auf die Beine kommt, hm?", fragte ich leise und legte meinen Arm um ihre Schultern, wähend sie sich mit einem kleinen Lächeln an mich lehnte.
,,Weißt du.. als er sich auf dem Zebrastreifen umgedreht hat, da hab ich diese große Freude in seinen Augen gesehen, wie sie nur von der Liebe ausgelöst werden kann. Er war so euphorisch, so glücklich, dass du dich nochmal ganz offen für ihne entschieden hast. Ich wusste in diesem Moment nicht ob ich mic freuen oder heulen sollte, doch der Unfall beantwortete dann ja meine Frage... Jaehee, bitte.. wenn er wieder aufwacht, dann mach ihm nichts vor. Er ist zu kostbar für diese Spielchen."
Ich nickte und atmete ruhig. Jiyeon hörte auch auf zu weinen und zeigte mir mit einem nostalgischen leisen Kichern noch weitere Kinderbilder von dem Engel und sich. Gerade, als ich mich langam vergas und drohte die Realität hinter mir zu lassen, wurden wir wieder zurück in die Gegenwart gerissen.
Alle rappelten sich auf, als ein noch in OP-Kittel gekleideter Chirurg mit einem erschöpften und traurigem Gesichtsausdruck langsam auf uns zu kam und die Hände verschränkte, sich auf die Lippen biss und nach Wörten suchte.
Woran ich dachte? Was ich sicher wusste? Wem ich sicher vertraute?
Dem Engel. Er würde wissen was das Richtige ist.
Aber ich konnte ja nicht wissen, dass das Richtige so schmerzhaft sein würde.
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