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Ich dachte der Döner wäre eines der wenigen Produkte, die auch ohne jegliche Werbung Verkaufsschlager waren. Aber hier stand ich nun, es war arschkalt und ich verteilte Flyer an die Passanten. Mittlerweile sind ein paar mehr Tage vergangen, wir hatten heute den 21. Oktober. Jimin hat die Nachricht noch immer nicht gelesen. Ich hab es gestern auch aufgegeben und schaute nun nicht mehr nach.

Der Job war nicht der Beste, den ich bisher hatte, aber auch nicht der Schlimmste. Das Kostüm an sich stank von innen nicht so versifft, wie ich es vermutet hatte und einigermaßen warm halten tat es mich auch. Außerdem sah man durch die riesigen Augen des Fleischspießes nicht meine pessimistische Miene, während ich den Stapel an Werbung versuchte los zu werden. Es interessierte niemanden, ob ich nun am vorherigen Abend zu tief ins Glas geschaut habe, solange ich jeden Tag die festgelegte Ladung Papier verteilte. Also war ich sogar mehr als zufrieden mit diesem Job.

Mittlerweile war es schon knapp 21 Uhr, doch ich hatte keine Flyer mehr, also zog ich mich um und hing das Kostüm in den mir zugewiesenen Spind. Während ich mir meine Jacke überzog, bemerkte ich den unangenehmen Geruch nach Schweiß und Fett, der von dem überdimensional großen Dönerspieß auf mich abgefärbt hatte. Ich wunk noch Zakar, dem niedlichen Kellner, der für mich allerdings nur noch der Kellner war, nichts weiter.

Zitternd zog ich den Reißverschluss noch höher, zog den Kopf ein. Es wurde immer kälter die letzten Tage. Dabei hatten wir gerade mal Oktober. Gestern habe ich eine Stunde lang mit mir gekämpft, ob ich die Heizung doch anschalten sollte. Mein Geldbeutel hat gesiegt und ich hab noch ein drittes Sockenpaar übergezogen. Doch ich weiß nicht wie lange ich noch durchhalten kann- denn so viele Sockenpaare habe ich nun auch wieder nicht.

Erleichtert legte ich einen Zahn zu, als die Neonschrift von meinem 2. Zuhause in der Ferne vor sich hin leuchtete. Sobald ich drinnen war, schlug mir eine Wärmewelle entgegen, die dumpfen Bässe der Musik waren heute etwas lauter als sonst, immerhin war es auch Samstag. Ich zwängte mich zwischen den tanzenden Körpern hindurch und setzte mich auf einen der letzten Plätze an der Theke, Steve kam mit einem breiten Lächeln auf mich zu, nachdem er einer Brünetten zwei Bier über die Theke zugeschoben hatte.

,,Viel los heute, was?", rief ich und beugte mich etwas vor, um mit ihm trotz der Geräuschkulisse reden zu können.

,,Kann man so sagen. Dein Shot Rekord wurde heute mehrere Male versucht zu brechen."

,,Wer kam am nächsten an die 57?"

57 Shots - ich weiß auch nicht was ich damals geraucht habe oder welcher Esel mich damals geritten hat; ich weiß nur, dass ich es heute nicht mehr ohne einen Aufenthalt im Krankenhaus schaffen werde. Ein Bekannter von Yoona hat 56 Shots getrunken und starb kurz darauf an Herzversagen. Ob ich mich dadurch besonders fühlen sollte?Eigentlich nicht. Eigentlich.

,,Der Chinese der sich an die Zahl ran getraut hat, schaffte 23, danach rief seine Begleitung den Krankenwagen."

Ich lachte und mein Blick wanderte über das Regal hinter Steve, zu den eingerahmten Bildern. Auf dem einen war die Eröffnung von Steves Shots abgebildet, auf einem anderen glückliche Gesichter bei einer Runde Billiard und wieder ein anderes zeigte einen jungen Mann, der den Boden der Herrentoilette auf eine ganz interessante Art und Weise inspizierte. Das letzte Bild in der Reihe zeigte eine kleine Mauer aus Shotgläsern. Um genau zu sein aus 57 Gläsern. Hinter diesen grinste ich mit roten Wangen in die Kamera, trug eine improvisierte Krone aus einer rot-weiß karierten Pappschale und zwei Getränkeschirmchen.

Lächelnd schaute ich zurück zu Steve und zog mir währenddessen meine Jacke aus, hing sie wie immer über die Lehne des Barhockers.

,,Ich bin eben die ungeschlagene und inoffizielle Königin des Alkohols", lachte ich leise und fragte nach einem einfachen Bier, als der Hocker neben mir zur Seite gezogen wurde und sich ein Engel neben mich setzte. Ungelogen, der Kerl hat seine Flügel und seinen Heiligenschein vergessen, sonst passte alles in meine Vorstellung von einem perfekten Typen. Sein dunkles Haar, die Augen, diese Jawline und an sich sein unglaublich schönes Profil. Ich habe heute noch nichts getrunken, also wieso kam es mir so vor, als würde Glitzer auf ihn herabrieseln? Heilige Scheiße, er war zu perfekt, als dass ich es nüchtern zugeben könnte.

,,Und was kann ich dir bringen?", fragte Steve dann den Engel neben mir, den ich weiterhin unentwegt anstarrte. Ich blinzelte und wandte mich dann meinem Bier zu. Großer Fehler wie mir bewusst wurde, als der Engel anfing zu sprechen.

,,Ein paar Shots."

Ich stellte meine Flasche ab und lugte aus den Augenwinkeln zu ihm, er lächelte mich währenddessen spielerisch an.

,,Ich möchte auch mein Glück versuchen und der Königin des Alkohols den Titel streitig machen."

Ich musste lachen und nippte wieder an meinem Bier. Innerlich heulte ich. Er hat es gehört. Jetzt kann ich mich nicht mehr als stinkreiche Immobilienmaklerin ausgeben.

,,Und wieso willst du diese unmögliche Aufgabe bestreiten?"

,,Einerseits habe ich gerade nichts Besseres zu tun als mich zu betrinken, andererseits hört sich das nach einer interessanten Challange an."

,,Na dann - allerdings musst du deine ganze Selbstachtung dann ablegen."

,,Wieso das?", lachte der Engel. Gott stehe mir bei, das ist wirklich nicht mehr normal.

,,Sich zu betrinken und gleichzeitig verantwortungsvoll zu sein ist ein hartes Stück Arbeit, sagen wir es so."

,,Wenn du meinst. Beherrscht du es denn? Verantwortungsvoll zu trinken?"

,,Mein verantwortungsvolles Handeln während des Trinkens beschränkt sich darauf, nichts zu verschütten", grinste ich: ,,Aber sagen wir ich mache Fortschritte."

Und wieder lachte er so liebenswürdig. Scheiße, würde ich mich nicht an die Bierflasche klammern, läge ich bewegungsunfähig unter der Theke.

,,Verrätst du mir deinen Namen?"

Ich würde ihm auch meine Nummer verraten. Und wo mein Bett schläft, so ganz nebenbei.

,,Du kannst mich Jae nennen", lächelte ich und nickte kurz, wobei mein Pferdeschwanz hin und her wippte.

,,Also Jae, würdest du mit mir versuchen die 57 Shots zu knacken?"

Oh hell... nicht nur die 57 Shots würde ich mit ihm knack- okay zu private Gedanken.

,,Unter einer Bedingung."

,,Und die wäre, meine Teuerste?"

Ich hab mich gerade fast wieder verschluckt. An meiner verdammten Spucke.

,,Ich möchte auch wissen, wie du heißt."

Der Engel grinste breit.

,,Nenn mich Hobi."

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