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,,Toller Abend heute eigentlich", meinte Hobi nach einer Weile und brach somit die Stille, in der wir mitsamt halbvollen Flaschen Alkohols einfach einen Fuß vor den anderen setzten. Das Kostüm wurde nach einer Weile so ermüdend schwer, doch lieber das, als in Unterwäsche bei solchen Scheiß Temperaturen herum zu wandern, selbst wenn Hobi mir seine Jacke geben würde, dann wären es zwei Leute die sich den Arsch abfrieren müssten.
,,Betonung auf eigentlich. Du wurdest von deinen Fans gejagt und mein kleiner Nebenjob wurde von dir aufgedeckt."
,,Das ist was Schlimmes? Also das ich es jetzt weiß?"
,,Sagen wir einfach es ist mir nicht besonders angenehm, als Dönerspieß verkleidet Flyer zu verteilen. Die Anonymität hat mein kleines Bisschen Ehre ja noch verteidigt, aber jetzt ist auch das ein Fall für dringend nötiges betrinken", ich legte die Flasche an meine Lippen und nahm erneut zwei große Schlucke von dem Discounter-Schnaps.
,,Ach was, ich sag es schon keinem. Dein Geheimnis ist bei mir sicher", grinste er und zwinkerte mir grinsend zu, salutierte unbeholfen mit der Flasche in der Hand, da er im anderen Arm meinen nach Schweiß und Deo stinkenden Kopf trug, ganz Gentleman-like.
,,Wie schaffst du es immer so optimistisch zu sein?", fragte ich verwirrt und neugierig zugleich.
,,Carpe Diem. Nutze den Tag. Irgendwann können wir das nicht mehr. Also sollten wir das Beste aus allem machen", der Rothaarige zuckte mit den Schultern und schmunzelte dann in meine Richtung.
,,Und du? Ist deine pessimistische Seite auch irgendeinem Motiv zuzuschreiben?"
,,Aber natürlich. Auch Carpe Diem, aber die abgewandelte Form. Nutze den Tag; es sei denn er ist scheiße. Dann nutze den nächsten. Ich frage mich warum bisher so ziemlich alle Tage scheiße waren."
,,Wohlmöglich weil die Weisheit ebenfalls von der goldenen Tafel stammt", meinte Hobi nachdenklich und ich hob beeindruckt die Augenbrauen.
,,Das wusstest du?"
Er nickte: ,,Als unser Spruch dran genagelt wurde hab ich die anderen Untersetzer überflogen, nach den besten Konkurrenten gesucht. Aber wie vermutet haben wir alle in den Schatten gestellt."
Ich lachte auf und verdrehte die Augen, während Hobi seine Flasche austrank und als wir an einem Mülleimer vorbeikamen, sie dort hinein warf.
,,Aber Jaehee, eine ehrliche Frage auf die ich eine ehrliche Antwort erwarten tue..", ich sah abwartend zu ihm hoch, im selben Moment senkte er seinen Blick zu mir herunter.
,,Ist das wirklich nur ein 'Nebenjob'? Oder ist das dein praktisch einziger Job, deine einzige Einnahmequelle?"
Ich seufzte schwer und lies die klare Flüssigkeit in der dunklen Glasflasche nochmals herumschwappen.
,,Ich würde nicht sagen meine einzige Einnahmequelle, aber es ist richtig, dass dieses Kostüm quasi die Uniform für meine einzige halbwegs feste Anstellung ist."
Der Engel nickte nur langsam, ich war froh darüber, dass er keine dummen Fragen stellte und wenigstens so tat, als verstünde er meine Situation und noch nicht genannten Beweggründe. Ich trank wieder etwas von dem brennenden, zugleich heilenden Gesöff, ehe ich tief durch atmete.
,,Du und Jimin, ihr seid euch echt ähnlich", meinte Hobi plötzlich und ich musste grinsen.
,,Ach, bin ich plötzlich auch so nervig wie mein herzallerliebster Bruder?"
Hoseok lachte auf und schüttelte den Kopf: ,,Ihr habt dasselbe Lächeln. Dieselbe Vorliebe für Alkohol, auch wenn sie bei dir mehr ausgeprägt ist, verträgt dein Bruder überraschend viel."
,,Das weiß ich bereits", gab ich zu und dachte an meinen damals 13. Geburtstag zurück, als mein Bruder das erste Mal sturzbetrunken war. Aber zwischen unseren erwachsenen Verwandten hat er mit am meisten vertragen, bevor er sich in den Rosen meiner Mutter übergeben hatte. War schon lustig den Tag darauf so viele Zombies herumlaufen zu sehen, die von meiner Mama eiskalt trotz des Katers zum Gärtnern befehligt wurden.
,,Und ihr habt dieselben eigenwilligen Sturköpfe", seufzte er und legte den Kopf in den Nacken, brachte mich zum Stirnrunzeln.
,,Dein Bruder arbeitet sich bis zur kompletten Erschöpfung, einfach weil sein Ziel das glücklich machen aller Parteien ist. Das Management, die ARMYs, seine Band und seine Freunde und Familie. Er hört fast nie auf uns, lügt eiskalt wenn wir ihn nach seinem Wohlbefinden fragen, um weiter trainieren zu können. Er ist von uns allen am Schlimmsten. Und wir sind zu fucking siebt."
Ich schluckte fest, als ich das hörte. Hobi lebte jeden Tag mit Jimin unter einem Dach, verstand wahrscheinlich mit am Besten, was wirklich hinter den Kulissen abging. Mein schlechtes Gewissen wegen der Vorwürfe, die ich unterbewusst gegen meinen Bruder hegte wurde ein großes Stück größer.
,,Und du scheinst vor allen verheimlichen zu wollen, was du wirklich machst und wie du lebst", prognostizierte Hobi leider völlig richtig.
,,Aber wieso? Was ist so schlimm daran sich Hilfe geben zu lassen?In diesem Punkt sind Jimin und du euch wieder so verdammt ähnlich. Ich verstehe einfach nicht wieso der Junge nie unsere helfenden Hände annehmen will."
Wir kamen auf die Fußgängerpromenade am Rand des Flusses, der sich durch Seoul zog. Am anderen Ufer leuchteten die Laternen des Lichterfestes hell. Auch von hier war die magische Atmosphäre noch spürbar.
,,Es liegt an unserem Grundprinzip", erklärte ich und zuckte mit den Schultern.
,,Schon sehr früh wurden uns Werte wie Stolz und Wohlstand eingeprügelt, man muss hart arbeiten, um was zu erreichen. Wenn wir in der Scheiße stecken wollen wir uns da selbst heraus buddeln. Diese Kopflosigkeit ist in jedem Mitglied der Parkfamilie verankert. Nur scheint sie das erste mal trotzdem zu nichts zu führen. Ich bin im Vergleich zu meinen Brüdern ein hoffnungsloser Fall."
,,Sag sowas doch nicht", brummte Hobi und ich lachte auf.
,,Willst du mal raten der wievielte Job das jetzt für mich ist?- Der 38. Warum ich das weiß? Weil ich schon verdammt oft in dem Mist des Versagens versunken bin. So oft, dass ich mich fühle als stecke mein Kopf in dem Arsch einer durchgehend scheißenden Kuh. Einer Kuh namens Jaehees erfolgreiches Leben."
,,Also dein Humor ist jedenfalls besser als Jimins", kicherte der Rothaarige und wir blieben kurz stehen, um die Szenerie ein wenig bewundern zu können. In Filmen taten es die Pärchen auch immer so oft, auch im Winter. Jetzt verstand ich aber, wieso sie nie froren, wie ich es immer vermutet hatte. Zu zweit zu sein scheint die Kälte irgendwie abzuschirmen, was ich wirklich begrüßte.
,,Aber jetzt mal ernsthaft, denkst du wirklich, du bist dazu verdammt dein ganzes Leben von Aushilfsjob zu Aushilfsjob zu springen?"
Ich zuckte mit den Schultern.
,,Wenn man irgendwann realisiert hat, dass die eigenen Träume nicht verwirklicht werden können.. dann gibt man sich mit allem zufrieden. Carpe Diem hieß es, nicht?", fragte ich leise und schaute zu Hobi hoch, der mich mit verengten Augen musterte.
,,Scheiß Pessimisten."
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