ONE - Willkommen in Philadelphia
Victoria POV
*Alle Dialoge sind ab jetzt zwar deutsch geschrieben, aber eigentlich englisch*
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Ziemlich aufgeregt, vor allem aber extrem müde, starre ich aus dem kleinen, ovalen Fenster des Flugzeugs. Unter mir erstreckt sich Philadelphia, wo ich gleich landen werde, und obwohl ich weit und breit nur Häuser und Land sehe, verschlägt es mir trotzdem irgendwie die Sprache. Es ist nicht das erste Mal, dass ich in den USA bin - wäre mit einer Familie mit so unglaublich viel Geld wohl auch etwas speziell. Jedoch war ich noch nie alleine hier, und vor allem war ich noch nie für ein ganzes Jahr hier.
Und Philadelphia habe ich auch noch nie von oben gesehen, mal so nebenbei bemerkt. Bisher war ich nur in den Mega-Metropolen wie New York und LA, wo man gut und gerne mal ein ganzes Vermögen loswird. Schon nur deshalb bin ich irgendwie ganz froh, nicht in New York oder LA platziert worden zu sein. Zwar hat meine Mutter mir angeboten, dass ich alle Features meiner Organisation nach Belieben nutzen dürfte - also auch die Staatenwahl -, doch ich habe mich darauf nicht eingelassen, und mich für das ganz normale Programm entschieden, wie fast jeder andere auch.
So ist die Chance sicherlich auch größer, dass meine Gastfamilie wirklich zu mir passen wird.
Eine Flugbegleiterin läuft schnell durch die Gänge und checkt kurz, ob alle die Anweisungen befolgen, die befolgt werden müssen für die Landung. Dann gesellt sie sich nach vorne zu ihren Kolleginnen, und kurz darauf spürt man deutlich, wie das Flugzeug langsam aber sicher den Landeanflug startet. Als kleines Kind war das für mich immer der spannendste Moment. Nicht, weil ich Fliegen an sich spannend fand, ganz im Gegenteil - ich hatte panische Angst vor diesen komischen Maschinen, die trotz ihres Gewichts in der Luft bleiben.
Für mich war es der spannendste Moment, weil ich wusste, es würde nicht mehr lange dauern bis ich festen Boden unter den Füßen haben würde. Mittlerweile habe ich nicht mehr so viele Probleme mit einem Flugzeug. Zwar ist es garantiert mich immer nicht mein bevorzugtes Transportmittel, doch es gibt viel Schlimmeres. Ein versiffter Zug zum Beispiel.
Desto näher wir dem Festland kommen, desto größer erscheint es mir, und schon von weit kann ich deutlich einige Wolkenkratzer erkennen. Philadelphia mag zwar nicht ganz so groß wie New York zu sein, doch es ist wirklich nicht ohne. Ich freue mich ungemein auf die Zeit hier, und weiß jetzt schon, dass ich wohl noch öfters herkommen werde.
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„Hä?!"
Mehr als nur verwirrt stehe ich vor der Anzeigetafel, die mir jedoch nur wirre Zeichen präsentiert. Irgendwas sagt mir, dass mir diese Zeichen was erklären wollen, doch ich verstehe nur Bahnhof. Dabei möchte ich doch nur zu meinem Koffer. Ich raufe mich innerlich zusammen, schaue mich kurz um und stelle mich dann so nah an die Tafel wie möglich ran. Vielleicht erkenne ich es ja aus unmittelbarer Nähe besser.
Doch als auch dieser Versuch kläglich scheitert, beschließe ich, jemanden um Hilfe zu bitten. Da alle Fluggäste die eben noch neun Stunden ruhig mit mir im Flugzeug saßen jetzt herumrennen als hätten sie den wichtigsten Termin ihres Lebens, erspare ich mir den Versuch sie auf mich aufmerksam zu machen, und steuere direkt auf eine junge Frau zu, die hier zu arbeiten scheint. Noch bevor ich bei ihr abgekommen bin scheint sie zu verstehen, dass ich sie etwas fragen möchte, und empfängt mich somit mit einem breiten Lächeln.
„Ähm, entschuldigen Sie bitte, aber könnten Sie mir beschreiben, wo es lang geht zum Gepäckband?" Obwohl ich bisher nur in der Schule englisch gesprochen habe, finde ich, dass mein Englisch wirklich vorzeigbar ist, und bin ziemlich stolz darauf. „Natürlich. Wissen Sie was, Sie können mir gleich folgen. Ich wäre sowieso gleich losgelaufen." So breit wie möglich strahlend nicke ich, und geselle mich mit meinem Handgepäckkoffer an die Seite meiner neuen Heldin, welche immer noch freundlich lächelt.
Oft frage ich mich, wie Leute wie sie es hinbekommen, immer so freundlich auszusehen, obwohl sie jeden Tag wohl die dümmsten Menschen kennenlernen. Ich glaube, ich würde schon lange mit meiner Tasche um mich schlagen, sobald auch nur ein eventueller Idiot in meinem Radar auftauchen würde.
Wir passieren noch eine Menge dieser nicht wirklich aussagekräftigen Schilder, und fast zeige ich jedem einzelnen meinen Mittelfinger. Doch dann erinnert mich die Stimme meines Bruders in meinem Kopf wieder lachend daran, dass ich in der Öffentlichkeit bin, und mich meine Eltern umbringen würden, wenn ich einem verdammten Schild meinen Mittelfinger präsentiere. Also reiße ich mich am Riemen und hetze weiterhin der Frau nach, die einen ziemlich sportlichen Schritt draufhat.
Da ich nicht wirklich ungraziös keuchend neben ihr herlaufen will, versuche ich mich an Atemübungen. Zwar fühle ich mich, als würde ich gleich in den Kreissaal kommen und gebären, doch es hält mich davon ab, wie ein Walross zu klingen. „So, da wären wir. Mit welchem Flug sind Sie denn gekommen?" Die Frau bleibt beim Eingang zu einer riesigen Halle stehen, und für den Bruchteil einer Sekunde kann ich nicht anders, als meinen Blick staunend über all die Gepäckbänder schweifen zu lassen.
Zwar ist es nicht das erste Mal, dass ich so eine riesige Halle voller Gepäckbänder, Koffer und vor allem Menschen sehe, doch es erstaunt mich jedes Mal wieder aufs Neue. „Ich bin mit der Maschine von Frankfurt gekommen", stammle ich immer noch überwältigt, und beobachte die Frau dabei, wie sie eine elektronische Anzeigetafel studiert. „Gepäckband zwanzig", sagt sie dann breit lächelnd, und zeigt nach links. Ich nicke ebenfalls lächelnd, bedanke mich bei der Frau, und mache mich mit meinem kleinen Rollkoffer auf den Weg.
Beim Gepäckband angekommen stelle ich zu meinem Glück fest, dass die ersten Koffer gleich erscheinen werden, und so langsam macht sich die Aufregung bemerkbar. Ich werde gleich meine neue Familie für die nächsten zehn Monate kennenlernen. Ich werde das Haus sehen, in dem ich leben werde, und mein Zimmer. Ich werde die nächsten Tage auf eine neue Schule gehen, neue Leute kennenlernen, neue Arten von Unterricht. Neue Fächer. Neue Erfahrungen, in einem Land, in dem ich vorher nur die luxuriösesten Hotels gesehen habe.
Das reale Leben durfte ich bisher noch nie begutachten, das war ja in Deutschland schon kaum möglich. In die Schule gehen zu dürfen war für mich ein wahrer Kampf, obwohl das doch eigentlich etwas völlig Normales sein sollte, oder nicht? Ich dränge mich durch die Leute zum Gepäckband durch, und entdecke nur wenig später meinen Koffer. Ich schaffe es, ihn ohne irgendwelche Pannen vom Gepäckband zu ziehen und auf den Boden zu stellen, und fühle mich dabei schon sehr stark.
In Frankfurt musste Alex mir meinen Koffer ziehen und rumtragen, da ich einfach noch zu müde war, um irgendwas in der Art zu machen. Ich nehme je einen Griff meiner beiden Koffer in die Hand, und suche dann nach dem Ausgang dieser viel zu grossen Halle. Es dauert eine Weile bis ich diesen gefunden habe, und innerlich stöhne ich genervt auf, als ich feststellen muss, dass die Türen leider nicht gerade vor meiner Nase sind. Nein, die sind mindestens fünf Gepäckbänder weiter vorne.
Immer noch recht geschafft vom langen Flug schleppe ich mich also auch noch die letzten Meter zur Türe, diesmal mit mindestens einer Tonne Gewicht dabei, und bin heilfroh, als sich wenigstens die Türen automatisch öffnen. Sobald ich eine noch viel größere Halle betrete, halte ich nach meiner Gastfamilie Ausschau, und muss gar nicht so lange suchen. Ein knallrotes Plakat mit meinem Namen drauf springt mir förmlich entgegen, und unter dem Plakat entdecke ich meine offensichtlich sehr aufgeregte Gastmutter.
Neben ihr steht mein Gastvater, und soweit ich das beurteilen kann, sind auch meine Gastgroßeltern dabei. Ich laufe breit lächelnd auf die Bande zu, und werde mit offenen Armen von meiner Gastmutter empfangen. „Willkommen in Philadelphia", sagt sie lächelnd als wir uns voneinander lösen, und kurz darauf werde ich von meinem Gastvater ebenfalls kurz, aber kräftig gedrückt. Dann kommen meine Gastgroßeltern auf mich zu, und umarmen mich ebenfalls herzlich.
„Wir haben gedacht, wenn unsere Familie schon Zuwachs bekommt, dann müssen wir das sehen", erklärt mir meine Gastgroßmutter lachend, und ich schmunzle leicht. „Nun, ich hoffe ihr seid nicht enttäuscht." Meine Gastgroßmutter macht eine wegwerfende Handbewegung und schüttelt den Kopf. „Ach nein, Kind. Auf keinen Fall." Ich lächle sie herzlich an, ehe sich meine Gastmutter wieder zu Wort meldet.
„Also, du kennst unsere Namen ja natürlich schon, aber ich dachte wir könnten uns doch nochmals vorstellen. Ich bin Allison, das hier ist mein Mann Chris. Dann sind hier meine Eltern Katherine und Jack. Sie werden die nächsten Tage bei uns bleiben, wohnen aber nicht sehr weit weg. Wir werden sie sicherlich oft besuchen können." Ich nicke, und grinse breit. „Freut mich, euch alle endlich sehen zu können. Ihr glaubt nicht, wie nervös ich war."
Allison lacht nur, und legt einen Arm um meine Schultern. Wir gehen langsam in Richtung des Ausgangs, und ohne zu fragen übernimmt Chris meine beiden Koffer und zieht sie mit Leichtigkeit hinter sich her. Katherine und Jack folgen uns, während Allison ununterbrochen davon spricht, wie sehr wie sich darauf gefreut haben, mich zu sehen, und dass sie mir mein Zimmer einen ganzen Tag lang hergerichtet haben. Laut Chris waren sie sogar in einem Möbelladen um mir ein Bett zu kaufen, da ich ihre erste Austauschschülerin bin.
Dementsprechend waren sie auch noch nervöser.
Überwältigt davon, dass ich sogar ein ganz neues Bett bekomme, und so viel Mühe in die Vorbereitung für meine Ankunft gesteckt wurde, kann ich nur noch nicken und lächeln, wenn ich mich nicht gerade erstaunt umsehe. Mittlerweile sind wir aus dem überfüllten Gebäude raus, und ein wunderschöner, blauer Himmel erstreckt sich vor uns. Auf der Fahrt zu meinem neuen Zuhause für die nächsten zehn Monate erzählt mir Allison, dass sie noch einen Sohn hat, der jedoch momentan auf einem Internat ist. Für die Ferien würde er jedoch nach Hause kommen, doch das dauert ja noch eine Weile. Immerhin fängt das Schuljahr gerade erst an.
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„Und das hier ist dein Zimmer."
Allison hält mir die Türe auf, und als ich mein neues Zimmer erblicke, fällt mir wortwörtlich die Kinnlade auf den Boden runter. Ich suche eine Weile nach Worten in meinem Hirn, die dieses Zimmer beschreiben könnten, doch ich finde keine. Nicht mal perfekt ist genug. „Es... wow. Es ist wunderschön", murmle ich, und mache vorsichtig einen Schritt in den Raum hinein. Ich spüre das Grinsen meiner Gastmutter förmlich, und drehe mich breit strahlen zu ihr um. „Vielen, vielen Dank. Ich weiss gar nicht, was ich sagen soll. Ich bin überwältigt, wirlkich. Es ist wunderschön."
Ich umarme Allison fest, und hieve dann meinen Koffer auf mein neues Bett. „Das haben wir gerne gemacht. Wir möchten dich hier wie ein Familienmitglied ansehen, also wirst du auch so behandelt. Ich muss leider nochmal weg, aber Chris und meine Eltern sind natürlich hier und stehen dir zur Verfügung." Ich nicke Allison lächelnd zu, und sie verschwindet aus meinem Zimmer. Ich schliesse die Türe, und lasse dann nochmals in Ruhe meinen Blick durch den ganzen Raum gleiten.
Die Farben sind vor allem weiss und ein sehr helles grau, hier und da hat es noch ein fast nicht sichtbares Rosa dazwischen. Eigentlich mag ich rosa überhaupt nicht, und Pink noch viel weniger, doch mit diesen Farben und so dezent gehalten sieht es wirklich sehr gut aus. Ich überlege mir sogar, mein Zimmer in Deutschland neu zu streichen, wenn ich wieder da bin. Zwar würde meine Mutter mich köpfen, doch daran denke ich jetzt gar nicht. Ich bin schließlich nicht mal mehr auf dem gleichen Kontinent wie sie.
Ich bin jetzt in Amerika, und werde die nächsten zehn Monate in vollen Zügen genießen.
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Ich verstehe auch nie, was diese Anzeigetafeln mir sagen wollen... :')
- Xo, Zebisthoughts
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