Kapitel 95 - Sheila

Sheila konnte nicht fassen, wie kalt Jonathan war. Es passte einfach nicht zu ihm und sie nahm es ihm irgendwie nicht ab. 

Ja, sicherlich war er sauer und sie konnte es auch verstehen, aber sie konnte ihm einfach nicht glauben, dass er wirklich mit ihr Schluss machen wollte. 

Warum hatte er nicht gesagt, dass er eine Pause wollte, einfach mal ein wenig Abstand? 

Kaum dass sie Mona und Leonard ins Restaurant hatte gehen sehen, taumelte sie irgendwie bis zu ihrem Zimmer und klopfte an die Tür. 

Jonathan musste hier sein und nun würden sie ein wenig Zeit haben zu reden. Sie mussten doch reden, wie sollte sie sonst den restlichen Urlaub überstehen? 

Ihre Finger schmerzten vom Klopfen und erst da fiel ihr wieder einmal ein, dass sie sich endlich angewöhnen sollte, die dämliche Schlüsselkarte mitzunehmen. 

Jonathan öffnete ihr nicht die Tür, also ging sie um das Haus herum und versuchte, durch die Lücke in den Vorhängen durch die Terrassentür hineinzusehen. Er musste die Vorhänge zugezogen haben, denn sie waren nur noch einen winzigen Spaltbreit geöffnet. 

Tatsächlich konnte sie etwas sehen und als sie erkannte, was es war, blieb ihr Herz stehen. Es war eindeutig ihr Koffer, der geöffnet auf dem Bett stand. Ab und zu sah sie Jonathans Hand, wie er achtlos ihre Kleider hineinwarf. 

Panisch hämmerte sie an die Terrassentür, um ihn davon abzuhalten, sie rauszuschmeißen. Das konnte er doch nicht wirklich so wollen, oder? 

Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, reagierte Jonathan und zog mit einem so heftigen Ruck die Vorhänge auf, dass Sheila erschrocken zusammenzuckte. 

Ein paar Sekunden lang starrten sie sich einfach nur durch die Glasscheibe an, dann öffnete er langsam die Tür und trat einen Schritt zur Seite. Einen Moment lang zögerte Sheila, doch es schien wirklich eine Aufforderung zu sein, hereinzukommen. 

Eilig schlüpfte sie ins Zimmer, woraufhin Jonathan die Tür wieder schloss und die Vorhänge zuzog. 

Sheilas Blick fiel auf das Bett, wo er im Schein der Nachttischlampe ihre ganzen Klamotten ausgebreitet hatte. Einige lagen bereits im Koffer, doch etwas zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. 

Ihr Schlafanzug, der, der Jonathan so gut gefiel, lag etwas abseits, so als wollte er ihn nicht einpacken. 

Sheilas Blick wanderte langsam zu Jonathan, der mit gesenktem Kopf und verschränkten Armen vor ihr stand. Langsam trat sie näher an ihn heran und hoffte, dass er mit sich reden ließ. Dass er vielleicht beim Packen ihrer Klamotten Zweifel bekommen hatte. 

Sheila streckte ihre Hand nach ihm aus, bis sie ihn sanft am Arm berührte. Sofort schien er sich anzuspannen und wich vor ihr zurück, als hätte ihre Berührung ihn verbrannt. 

„Ich habe angefangen, deine Sachen zu packen. Jetzt wo du da bist, kannst du ja weiter machen", sagte er kalt, aber doch irgendwie mit zitternder Stimme, so als würde er mit sich ringen. 

Sheila schluckte schwer und versuchte krampfhaft, die Tränen zurück zu halten. Wieder trat sie näher an ihn heran und berührte seinen Arm, dieses Mal bestimmter. 

„Nein", sagte sie, denn sie wollte einfach nicht akzeptieren, dass Jonathan es womöglich ernst meinte mit der Trennung.

 Jonathan riss den Kopf hoch und endlich trafen sich ihre Blicke und sie versuchte mühsam, ihn festzuhalten. 

„Bitte, lass es uns nach dem Urlaub klären. Denk an Mona", flehte sie und versuchte, seine verkrampften Arme zu lösen. Erst wehrte er sich, aber nach wenigen Sekunden gab er auf und ließ zu, dass sie noch näher an ihn herantrat. 

Seine Nähe zu spüren war noch so vertraut und sie konnte sich einfach nicht vorstellen, ihn gehen zu lassen. 

„Für Mona wäre es das Beste, wenn wir uns aus dem Weg gehen. Wir streiten doch nur noch und ich weiß, dass du lieber bei ihm wärst. Also mach es nicht noch komplizierter", sagte er tonlos, machte sich von ihr los und ging um das Bett herum auf ihre Seite, wo ihre ganzen Klamotten noch lagen. 

Sheila sah, wie er weiter ihre Sachen einpackte, dieses Mal ein wenig sorgsamer. 

Eine Weile beobachtete sie ihn, doch er schien einfach nicht mit sich reden lassen zu wollen. Ihr war klar, dass sie Schuld daran war, dass seine Eifersucht noch mehr befeuert worden war, aber es hatte sich einfach gut angefühlt, in Leonards Nähe zu sein und mit ihm herumzualbern. 

Sheila schluckte schwer und suchte nach irgendetwas, womit sie Jonathan irgendwie erreichen konnte. Ihr Blick fiel wieder auf den Schlafanzug, den er so heiß an ihr fand. 

Sie ging langsam zum Bett, griff danach und hielt ihn zusammengeknüllt in den Händen. Jonathans Blick zuckte für eine Sekunde zu ihr, dann schlenderte sie gemächlich um das Bett herum und drückte ihm den Schlafanzug in die Hand. 

Er nahm ihn und sah sie fragend an, während er ihn an seine Brust drückte. 

„Den hast du vergessen einzupacken", sagte sie, in der Hoffnung, dass er sich daran erinnerte, wie heiß er sie darin fand. 

Sicherlich war es plump und auch verzweifelt, ihn anzumachen, aber immerhin würde er sich dann vielleicht noch einmal überlegen, mit ihr Schluss zu machen. 

Ja, sie stritten viel und ja, es war auch ihre Schuld, aber sie liebten sich doch eigentlich. Sheila spürte förmlich, wie Jonathans Hirn arbeitete, während seine Hand sich fest in den Stoff krallte und sein Atem sich beschleunigte. Er schien nachzudenken und Sheila ergriff die Chance und trat so nah an ihn heran, dass sie ihn beinahe berührte. Anschließend legte sie ihre Hand an seine Wange und strich sanft darüber. 

Jonathans Augenlider flatterten, so als sei er hin- und hergerissen, wie er sich verhalten sollte, doch dann schüttelte er bestimmt den Kopf. Er griff nach ihrem Handgelenk und nahm ihre Hand von seiner Wange, dann ließ er den Schlafanzug in den Koffer fallen. 

„Stimmt, den brauchst du ja heute Nacht, wenn du bei Leonard übernachtest. Und jetzt verschwinde oder ich gehe", sagte er, kalt und hart. 

Sheila zuckte zusammen und glaubte, sie würde gleich in einen Abgrund fallen. 

„Nein", murmelte sie, mehr zu sich selbst, als zu Jonathan und griff panisch nach dem Schlafanzug und holte ihn wieder aus dem Koffer heraus. Sie hatte nur noch eine Möglichkeit und die war Angriff. 

Entschieden machte sie einen Schritt auf ihn zu, schlang einen Arm um ihn und presste ihre Lippen auf seine. Jonathan erwiderte den Kuss nicht, so sehr sie sich auch bemühte. 

„Hör auf", presste er hervor, schob sie aber nicht von sich weg. 

„Nein", erwiderte sie bestimmt, legte die Hand in seinen Nacken und küsste ihn weiter. Endlich rührte er sich und stand nicht nur da, wie eine Statue und erwiderte den Kuss. 

Sheila spürte, wie das Glück sie förmlich durchströmte und schnell intensivierte sie ihren Kuss. 

„Ich liebe dich", hauchte sie, allerdings ließ ihn das erstarren. Verwirrt hielt auch sie inne und suchte seinen Blick. 

„Sheila, es geht nicht", sagte er, klang aber verunsichert. 

„Doch, es geht", widersprach sie, griff nach seinem T-Shirt und zog daran. Sicherlich würde es ihre Probleme nicht lösen, wenn sie jetzt miteinander schliefen, aber es würde Jonathan vielleicht daran erinnern, dass er sie auch noch liebte. 

Er ließ es zu, dass sie ihm das T-Shirt auszog, dann beeilte sie sich, aus ihren Klamotten zu kommen. 

„Würde dir das hier gefallen?", fragte sie verlockend und hielt sich den Schlafanzug an. Sie hörte, wie Jonathan leise und unterdrückt keuchte und sie zog sich kurzentschlossen den Schlafanzug an. 

Jonathan musterte sie von oben bis unten und biss sich auf die Lippe, eindeutig ein Zeichen, dass er sie genau so sehr wollte wie sie ihn. 

Sie griff nach seiner Hand und führte ihn ans Fußende seiner Seite des Bettes und drückte ihn mit sanfter Gewalt nach unten. Er ließ es zu, was sie als Aufforderung verstand, weiterzumachen. 

Wieder küsste sie ihn und dieses Mal erwiderte er den Kuss direkt und vergrub eine Hand in ihrem Haar. Ihre Finger wanderten zum Knopf seiner Hose, doch dann zog er scharf die Luft ein und packte sie unsanft am Arm. 

„Nicht", sagte er, auch wenn sein Körper eindeutig etwas anderes sagte. 

„Warum nicht?", fragte sie und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. 

„Ich kann nicht. Ich... sehe immer dich und Leonard vor mir", sagte er, schob sie von sich weg und stand auf. 

Sheila verstand den Sinn seiner Worte nicht und erst als er sein T-Shirt vom Boden aufhob und damit im Bad verschwand, begriff sie, was genau er sich vorstellte. 

Eilig rannte sie ihm nach, doch als sie die Türklinke der Badezimmertür nach unten drückte, ließ sie sich nicht öffnen. Er hatte abgeschlossen, also klopfte sie. 

Jonathan ignorierte sie und sie hörte, wie er das Wasser aufdrehte. 

„Mach bitte auf", bat sie, aber keine Reaktion kam von ihm. Sheila seufzte, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür. Irgendwann musste er ja wieder herauskommen. 

Tatsächlich hörte sie schon wenige Sekunden später, wie sich der Schlüssel im Schloss herumdrehte und eilig löste sie sich von der Tür, um nicht hinzufallen. 

Jonathan öffnete sie und als er herauskam, hatte er wieder diese kühle, berechnende Maske aufgesetzt. 

„Zieh dir was an", forderte er, aber Sheila schüttelte den Kopf. Jonathan seufzte, senkte den Blick auf den Boden und drängte sich dann an ihr vorbei. Er ging zur Eingangstür des Zimmers, schlüpfte in seine Schuhe, schnappte sich eine Schlüsselkarte und verließ das Zimmer. 

Erst da schaffte Sheila es, zu reagieren. Sie hastete zur Tür, riss sie auf und sah ihm nach, wie er in Richtung Strand ging. 

„Warte, bitte", flehte sie, aber er ignorierte sie. 

„Du meinst es also wirklich ernst mit der Trennung?", fragte sie und endlich blieb er stehen. Wie in Zeitlupe drehte er sich um und sah sie einfach nur an, dann nickte er und ging weiter den Gang entlang. 

Sheila spürte, wie ihre Knie einknickten und so gerade schaffte sie es noch, sich am Türrahmen festzuklammern. Sie hörte, wie ihr ein erstickter Laut entfuhr und als sie wieder zu Jonathan sah, blickte er über die Schulter zu ihr zurück. 

Für eine Sekunde traf sich ihr Blick, dann ließ er sie endgültig allein.

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