Kapitel 94 - Jonathan
Jonathan war wütend und frustriert zugleich. Nicht nur, dass es kein einziges freies Zimmer mehr in ihrem Hotel gab, sondern dazu kam noch, dass Leonard seinen Flug erst auf morgen hatte umbuchen können.
Demnach musste er noch eine Nacht mit Sheila in einem Zimmer verbringen oder sie schlief bei Leonard. Wieder einmal.
Beides wollte er nicht, aber ihm war klar, dass er sich für Mona zusammenreißen musste. Er konnte nicht einfach abhauen, so wie Leonard.
Mit einem Seufzen verließ er das Gebäude, in dem die Rezeption lag und ging die Stufen hinunter.
Er sah, wie Sheila, die gerade noch auf der untersten Stufe gesessen hatte, aufsprang und ihn erwartungsvoll ansah, aber er hatte gar keine Lust mit ihr zu reden. Er ging an ihr vorbei und sah, wie sie die Hand nach ihr ausstreckte, was ihn wie von allein anhalten ließ.
Warum auch immer schaffte er es nicht, einfach an ihr vorbei zu gehen.
Er biss die Kiefer aufeinander und drehte sich langsam zu ihr um und erstarrte, als er ihren Blick fand. Sie sah einfach nur schrecklich aus und er bemerkte, dass sie kurz davor war, zu weinen.
Irgendwie schmerzte es, sie so zu sehen, gleichzeitig bekam er das Bild von ihr und Leonard einfach nicht aus seinem Kopf.
Wie hatte sie so lange leugnen können, dass sie Leonard liebte? Wahrscheinlich gab sie es noch nicht einmal jetzt zu, wo sie es endlich konnte.
Suchend sah er sich nach Mona um, doch er konnte sie nicht finden.
„Wo ist Mona?", fragte er und bemerkte erst da, wie kratzig seine Stimme klang. Sheila schniefte, anstatt ihm zu antworten und wischte sich mit dem Handrücken durchs Gesicht.
„Sie ist bei Leonard und... ich dachte, vielleicht können wir noch einmal reden?", fragte sie und klang beinahe hoffnungsvoll.
Jonathan wurde noch wütender, denn auch wenn Leonard sein Cousin war und er wusste, dass Mona ihn mochte, gefiel es ihm in diesem Moment gar nicht, dass seine Tochter bei ihm war.
„Warum hast du sie zu ihm gehen lassen?", fuhr er Sheila an, ihre Frage nach einem Gespräch absichtlich ignorierend.
Noch einmal wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und streckte zögerlich die Hand aus. Als sie seine berührte, glaubte er, sein Herz müsse ihm aus der Brust springen. Bevor er schwach wurde, entzog er ihr seine Hand und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Bitte", flehte sie, aber er schüttelte entschieden den Kopf.
„Nicht heute", gab er zurück, drehte sich um und marschierte davon.
Er hörte, wie Sheila weinte, aber sie schien ihm nicht hinterher zu kommen, was ihn irgendwie erleichterte. Er war noch immer ganz durcheinander, aber er fühlte sich so sehr von ihr verraten, dass er im Moment nicht mit ihr reden konnte.
Gleichzeitig wollte er zu ihr zurücklaufen, sie umarmen und ihr sagen, dass alles wieder gut war, aber so leicht war es nicht.
Sie musste endlich eingestehen, dass sie Leonard liebte, womöglich sogar mehr als ihn.
Immerhin stritten sie ständig, seit sie hier um Urlaub waren eigentlich permanent, wohingegen sie sich mit Leonard glänzend zu verstehen schien.
Wütend trat er in den Sand, denn irgendwie war er an den Strand gelangt und wanderte in Richtung ihres Hotelzimmers. Seine Gedanken wirbelten umher und er fühlte sich seltsam rastlos, was ein schreckliches Gefühl war.
Offensichtlich wollte Sheila die Situation retten, indem sie versuchte, ihn zu einem Gespräch zu überreden, aber nun war es zu spät. Sie hätte damit aufhören müssen, sich an Leonard heranzumachen, als er sie darum gebeten hatte. Als sie ihm dreist ins Gesicht gelogen hatte, dass sie ihn nicht liebte.
Jonathan erreichte sein Hotelzimmer, öffnete die Tür und ließ sie mit einem Krachen ins Schloss fallen. Der Appetit aufs Frühstück war ihm inzwischen vergangen und er ließ sich wie ein Stein aufs Bett fallen.
Sein Blick wanderte zur Terrassentür und sah nach draußen zum Meer. Genau in diesem Moment sah er Mona, wie sie an Leonards Hand an seiner Terrasse vorbei ging. Sie schien ihn nicht zu bemerken, denn sie war ganz in ein Gespräch mit Leonard vertieft und es schien ihr gut zu gehen.
Dieser Anblick brach ihm einmal mehr das Herz. Mona schien es bei Leonard gut zu gehen und er wusste, dass auch Leonard Mona gern hatte. Er konnte nicht anders als sich vorzustellen, wie Sheila ihn einfach durch Leonard ersetzte.
Es schmerzte so sehr, dass er unwillkürlich mit der Hand an seine Brust griff, als würde sein Herz tatsächlich schmerzen.
Wie hatte er nur übersehen können, was zwischen Sheila und Leonard lief? Das musste doch schon länger gehen als ein paar Tage, oder?
Seufzend erhob er sich und ging zum Kleiderschrank. Er musste irgendetwas tun, das ihn ablenkte und so fing er an, Sheilas Klamotten aus dem Schrank zu räumen und auf ihr Bett zu werfen.
Es war ein schönes Gefühl, auch wenn er bei manchen Kleidern von ihr zögerte. Das hübsche Blaue, das sie so gern trug, wenn sie gemeinsam abends im Garten saßen. Oder ihr... naja, sie nannte es Schlafanzug, auch wenn es dafür viel zu sexy war.
Jonathan umklammerte das kleine Stück blau-rosa Spitzenstoff und vergrub die Nase darin. Es roch nach Waschmittel, aber er glaubte, auch ein wenig von Sheila daran zu riechen.
Erinnerungen blitzten vor seinem inneren Auge auf, wie Sheila und er die ganze Nacht wachlagen und redeten. Ganz ohne sich zu streiten und ganz ohne Missverständnisse.
All das war schon lange her und wahrscheinlich würden sie so auch nie mehr miteinander umgehen können. Dafür war zwischen ihnen einfach schon zu viel kaputt gegangen.
Noch einmal roch er an dem Stück Stoff, dann warf er es zu ihrem anderen Zeug aufs Bett, nur um anschließend ihren Koffer unter dem Bett hervorzuholen und alles hinein zu befördern.
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