Kapitel 9 - Sheila

Inzwischen war es Abend. Mona lag im Bett und schlief, zumindest war schon seit einer ganzen Weile kein Ton mehr aus ihrem Zimmer zu hören. Sheila und Jonathan lagen im Bett, doch zumindest Sheila konnte noch lange nicht einschlafen. 

In ihrem Kopf kreisten die Gedanken umher und ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Jonathan lag stumm und reglos da, doch sein Atem verriet, dass er noch nicht schlief. Vorsichtig schob Sheila ihre Hand über die Matratze, bis sie seinen Arm berührte. Beinahe erschrocken sog er die Luft ein und seine Decke raschelte ein wenig. 

„Kann ich dich was fragen?", hörte sie ihre eigene Stimme, obwohl sie eigentlich gar nicht wusste, was genau sie ihn fragen wollte. Es ging ihr einfach nicht aus dem Kopf, dass Jonathan und auch Kathi gestern Abend den Eindruck gehabt hatten, dass sie etwas anderes für Leonard empfand als Freundschaft. Sicherlich war es bei Jonathan auch ein wenig belastet durch diese eine Geschichte, als Leonard sie berührt hatte, wo er nichts zu suchen hatte, aber Kathi kannte sie vorher nicht. 

„Was denn?", hakte Jonathan nach und auch wenn es dunkel in dem Zimmer war, konnte sie seinen Blick auf sich ruhen spüren. Sie schluckte schwer und suchte nach einer Frage oder irgendetwas, das ihre Gedanken zusammenfasste. Bevor ihr etwas eingefallen war, raschelte Jonathans Decke erneut, dann spürte sie seine Hand über ihre Wange streicheln. 

„Du bist noch aufgewühlt wegen... Kathi?", fragte er, allerdings entging ihr sein Zögern keineswegs. Sheila nickte. 

„Ja, sie... ich weiß auch nicht. Ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass sie annimmt, dass...", stammelte sie, brach dann aber mit einem Seufzen ab und versuchte, sich zu sammeln. 

Sie wollte nicht schon wieder riskieren, mit ihm zu streiten, gleichzeitig musste sie irgendwie darüber sprechen. Jonathan ließ seine Hand zu ihrer Schulter wandern und massierte sie sanft. Sofort entspannte sie sich und atmete noch einmal tief durch. 

„Ich habe einfach nicht erwartet, dass es für Außenstehende so wirkt, als würde ich etwas für ihn empfinden. Das ist nicht so und ich wollte auch nicht, dass irgendjemand das denkt", sagte sie dann und wartete gespannt auf Jonathans Reaktion. 

Einige Sekunden blieb es still, bis auf sein immer schneller werdender Atem, der sich immer beschleunigte, wenn er nervös war oder ihn etwas beschäftigte. Er massierte weiter ihre Schulter, doch sie spürte, dass er ihre Meinung nicht teilte. 

„Du bist schon sehr vertraut mit ihm. Sie kannte gestern niemanden und vielleicht...", setzte er an, unterbrach sich dann aber. Sheilas Herz wurde ihr schwer, denn egal was er nun sagte, es würde ihr wehtun. 

„Du hast immer sehr viel Körperkontakt. Nicht nur mit ihm, mit all deinen Freunden", sagte er und eine Weile dachte sie darüber nach. Es war ihr bisher gar nicht bewusst gewesen, dass sie viel Körperkontakt hatte. Was meinte er damit überhaupt? 

„Wie meinst du das?", fragte sie, doch er seufzte. Es fiel ihm schwer, aber es störte ihn und es war schwierig, irgendetwas abzustellen, das ihr gar nicht bewusst war. 

„Ich weiß auch nicht. Du... drückst Leuten oft die Schulter, hakst dich bei ihnen unter und so etwas. Wenn man nicht weiß, dass du das immer machst, könnte man es falsch verstehen", erklärte er und Sheila sank das Herz in die Hose. Wenn sie so darüber nachdachte, musste sie zugeben, dass er recht hatte, aber es war ihr immer ganz natürlich vorgekommen. 

„Tut mir leid... ich...", begann sie, doch Jonathan brachte sie mit einem sanften Druck auf ihrer Schulter zum Schweigen. 

„Es muss dir nicht leid tun. Ich weiß, dass du eben so bist und das ist nicht schlimm. Es ist nur... weil er zumindest mal in dich verliebt war und ihr diesen einen... Zwischenfall hattet. Vielleicht bin ich deswegen so empfindlich, was ihn angeht", sagte Jonathan und Sheila nickte. 

Ihr schlechtes Gewissen meldete sich, denn was sie und Leonard damals getan hatten, war viel weiter gegangen, als sie es hätte zulassen sollen. Aber eigentlich hatte sie gedacht, dass sie darüber hinweg wären und es keine Rolle mehr spielte. 

„Ich verstehe das, aber du musst dir wirklich keine Gedanken darüber machen. Ich empfinde so nicht für ihn und werde es auch niemals. Bitte sei nicht eifersüchtig", erwiderte sie, doch Jonathan sagte nichts mehr dazu. Stattdessen griff er nach ihrer Hand und küsste sie. 

„Solltest du jemals in Versuchung kommen, muss ich dich als edler Ritter eben vor dem bösen Drachen retten, der dich mir entführen will", sagte er, gluckste dann aber leise. Auch Sheila lachte und dachte an Monas Bild, das sie gemalt hatte. 

„Bevor der Drache mich entführt, schlage ich ihn k.o.", lachte sie, rutschte dann über die Matratze näher an Jonathan heran und schmiegte sich an ihn. Sofort schlang er die Arme um sie und drückte sie an sich. 

„Nichts anderes habe ich erwartet. Aber manchmal, vor allem wenn ich mich wieder wie ein Trottel benehme, vergisst du das mit dem k.o. Schlagen", sagte er und auch wenn es lustig war, sich auf das Bild des Drachen zu beziehen, war ihr durchaus bewusst, dass er es ernst meinte. 

Damals hatten sie sich wirklich oft gestritten und Leonard war ihre Schulter zum Ausheulen gewesen, nur dass er irgendwann mehr für sie empfunden hatte. In einem Anflug von Dummheit und Stress hatte sie seine Nähe zugelassen. 

„Keine Sorge", versicherte sie, kletterte dann mit einer eleganten Bewegung auf ihn und küsste ihn. Sie spürte seinen aufgeregten Herzschlag und seine Hände, die ihren Körper entlangfuhren. Sheila war erleichtert, dass sie vernünftig über alles reden und er offensichtlich noch rational denken konnte, was er manchmal in Bezug auf Leonard nicht mehr hinbekam. 

Wenn er eifersüchtig wurde, dann setzte bei ihm im Hirn irgendetwas aus und er sagte absichtlich verletzende Dinge, anstatt ihr zuzuhören. Sheila nahm sich vor, es nie wieder so weit kommen zu lassen, denn ihre schlimmste Befürchtung war, dass er sie in einem Ansturm von Wut verlassen könnte. 

Auch wenn es ihm ein paar Tage später wahrscheinlich leid tat und er alles ungeschehen machen wollte, würde ihr Herz daran zerbrechen und sie war sich nicht sicher, ob sie so etwas unbeschadet überstehen würde. Aber darüber wollte sie sich nun keine Gedanken machen und sie verdrängte Leonard aus ihrem Kopf, indem sie Jonathan küsste. 

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