Kapitel 68 - Jonathan

Sheila roch nach ihm. Das war das erste, das ihm auffiel. Dann ihr nasses Haar und seine Klamotten. Jonathans Hand klammerte sich so fest um den Türgriff, dass seine Knöchel schmerzten. Sein Atem beschleunigte sie und auf einmal strömten tausend Gedanken auf ihn ein. 

Was hatte sie letzte Nacht mit ihm getan? Warum trug sie seine Klamotten und warum zum Teufel stand sie nun vor ihm, als wäre nichts passiert? 

„Ich muss mich umziehen", sagte sie und machte Anstalten, das Zimmer zu betreten. Jonathan versperrte ihr mit dem Arm den Weg, was sie erschrocken zusammenzucken ließ. 

„Was... Lass mich bitte rein, ich...", stammelte sie, doch er blieb hart. Das hier war ihre einzige Chance, ihren Fehler zu beichten. 

„Willst du mir nicht was sagen?", fragte er provokant, was Sheila gequält das Gesicht verziehen ließ. In ihr arbeitete es, das war eindeutig zu sehen, dann wanderte ihr Blick auf den Boden. 

„Du glaubst, ich hätte mit ihm geschlafen", stellte sie fest, was Jonathan schnauben ließ. Sie sagte es so, als wollte sie ihm allen Ernstes erzählen, dass sie nicht mit ihm in die Kiste gesprungen war? Immerhin war sie sturzbetrunken gewesen und schien sich mit Leonard einen schönen Abend gemacht zu haben. 

„Wo ist Mona?", fragte sie dann und spähte an ihm vorbei ins Zimmer. 

„Auf dem Spielplatz. Ich wollte sie gleich abholen und mit ihr ins Aquarium fahren", erklärte er und erleichtert atmete Sheila auf. 

„Okay... ich... kann ich bitte rein kommen?", fragte sie erneut, dieses Mal eindringlicher. Einen Moment lang zögerte er, doch dann ließ er die Hand sinken und trat einen Schritt beiseite, damit sie hereinkommen konnte. 

Eilig betrat sie das Zimmer und ging zum Schrank, öffnete ihn und ließ den Haufen Klamotten, den sie in den Händen hielt, in der Tüte für Dreckwäsche verschwinden. Anscheinend wollte sie alle Spuren ihres „Ausrutschers" beseitigen. 

Jonathan schloss die Tür und verschränkte die Arme vor der Brust. Unschlüssig blieb er stehen und versuchte in sich hinein zu lauschen, was er fühlte. Sheila kramte noch immer in Schrank herum, bis sie Leonards Klamotten auszog und sich ihre eigenen anzog. 

Jonathan beobachtete sie und es schien sich nicht zu stören, dass er sie so sah. Nachdem sie sich anständig angezogen hatte, atmete sie tief durch und straffte die Schultern, dann trat sie näher an ihn heran. 

Erst da bemerkte er, dann Sheila etwas in der Hand hielt, womit sie herumspielte. Es war sein Ring, den er gestern auf dem Tisch auf der Terrasse abgelegt hatte. Sheila sah noch eine Weile auf den Ring, dann hob sie den Blick und sah ihm so direkt in die Augen, dass sein Mund ganz trocken wurde. 

„Du hast gesagt, wenn ich mit ihm schlafe, ist es vorbei", sagte sie, als hätte er seine eigenen Worte vergessen. Jonathan schluckte schwer, denn jetzt, wo sie vor ihm stand, fiel es ihm doch schwer, ihr das noch einmal ins Gesicht zu sagen. 

Sheila nickte, griff dann aber nach seiner Hand und hob sie hoch. Verwirrt, was sie vorhatte, ließ er es geschehen. Sie hob seine Hand ungefähr auf Brusthöhe und schob dann ganz langsam seinen Ring wieder auf seinen Finger. 

„Dann ist es nicht vorbei", sagte sie, strich sanft über seinen Ring und schlang dann langsam und vorsichtig die Arme um ihn. 

Jonathan begriff im ersten Moment nicht, was sie da sagte, aber irgendwie durchflutete es sein Herz mit Wärme. Ja, er war gestern Abend wütend gewesen, als er den Ring abgelegt und sich dafür entschieden hatte, ihre Ehe zu beenden, aber traute er ihr wirklich zu, dass sie ihm so dreist ins Gesicht log? 

Er blinzelte ein paar Mal um sich zu versichern, dass er nicht träumte. 

„Ich meine... ja, ich war betrunken und ja, ich habe mich mit ihm zusammen betrunken, aber ich schwöre dir, bei allem was mir wichtig ist, es ist nichts passiert. Rein gar nichts und ich wollte es auch nicht. Bitte", flehte sie und schmiegte sich enger an ihn. 

Jonathans Herz pochte wie verrückt, unschlüssig, ob er ihr glauben sollte oder nicht. 

„Du denkst, dass du mich nicht mehr beschützen musst, aber das musst du. Bitte, verlass mich nicht. Ich liebe dich und ich weiß, dass wir das alles wieder hinbekommen", flüsterte sie leise in sein Ohr, was ihm sofort eine Gänsehaut bereitete. 

Natürlich liebte auch er sie noch, aber seine Eifersucht verhinderte, dass es zwischen ihnen funktionierte. 

„Sheila...", setzte er an, aber sie brachte ihn mit einem leisen Zischen zum Verstummen. Er schluckte schwer, schob sie dann aber entschieden ein Stück von sich weg, um sie anzusehen. 

„Du willst mir sagen, dass du vollkommen betrunken bei einem Kerl im Bett geschlafen hast, von dem ich weiß, dass er dich liebt, ohne dass irgendetwas passiert ist?", fragte er und für eine Sekunde wanderte ihr Blick zur Seite. 

Sie log. Egal, was sie jetzt sagte, es war eine Lüge. 

„Können wir bitte heute Abend ganz in Ruhe darüber reden? Ich erzähle dir alles und... dann kannst du immer noch entscheiden ob du... den hier wieder ablegen willst", sagte sie und deutete mit ihrem Blick auf seinen Ring. Jonathan schluckte. 

„Also gibt es etwas, das du beichten musst?", fragte er und spürte, wie seine Knie weich wurden. 

„Nein, nicht so etwas, was du denkst, aber...", setzte sie an, unterbrach sich aber. Jonathan ließ sie los, woraufhin sie sofort die Arme um sich schlang, als wäre ihr kalt. 

„Sag es jetzt oder nie", forderte er, denn wenn er ihr die Gelegenheit geben würde, womöglich noch mit Leonard über die ganze Sache zu sprechen und sich mit ihm eine Geschichte auszudenken, würde sie mit Sicherheit lügen. Sheila sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, doch dann nickte sie. 

„Okay... Ich versichere dir, dass ich nicht mit ihm geschlafen habe. Allerdings... wir haben nebeneinander in seinem Bett geschlafen, aber es war groß genug für uns beide, jeder hatte eine eigene Matratze und... vielleicht habe ich beim Einschlafen nach seiner Hand gegriffen", sagte sie, fuhr sich dann mit den Fingern durch die nassen Haare und seufzte. 

Jonathan starrte sie an, in der Hoffnung irgendein Zeichen zu bekommen, das ihm zeigte, ob sie die Wahrheit sagte. Gleichzeitig fühlte es sich so an, als würde er fallen und das Bild von ihr und ihm, nebeneinander im Bett, händchenhaltend, tauchte vor seinem inneren Auge auf. Seine Kinnlade fiel ihm herunter und er konnte nur noch den Kopf schütteln. 

„Du lagst mit ihm in einem Bett? Und du hast seine Hand gehalten?", wiederholte er und schuldbewusst nickte sie. 

„Ja", murmelte sie leise, hob dann aber den Blick und suchte den seinen. 

„Hast du mit ihm gekuschelt? Oder noch etwas anderes berührt als seine Hand?", fragte er und wie erwartet schüttelte sie den Kopf. Jonathan biss sich so fest auf die Zunge, dass es schmerzte. 

„Warum?", fragte er nur, denn er konnte sich keine gute Erklärung vorstellen, die ihn davon überzeugen konnte, dass sie nicht noch mehr mit ihm tun würde. Sie zuckte die Schultern und versuchte noch nicht einmal, es ihm zu erklären. 

„Na klar", brummte er, stemmte die Hände in die Hüften und fing an, vor ihr auf und ab zu wandern. Schon nach ein paar Sekunden packte sie ihn unsanft am Ellbogen und zwang ihn so zum stehenbleiben. 

„Ich habe mich einsam gefühlt. Ich dachte, du würdest... mich verlassen", sagte sie und schluckte schwer. 

Jonathan musterte sie einen Moment, spürte dann aber, dass er es noch nicht konnte. Tief in sich drin regte sich noch ein Funken Hoffnung, den er gestern Abend in seiner Wut übersehen hatte. 

„Ich wollte es", gab er zu, was Sheila erneut zusammenzucken ließ. Vorsichtig trat sie wieder einen Schritt näher an ihn heran und legte ihm eine Hand an die Brust. 

„Und wie ist es jetzt?", fragte sie, schmiegte sich aber gleichzeitig an ihn. Natürlich löste ihre Berührung etwas in ihm aus und er spürte den Drang, sie zu küssen. 

„Ich will uns noch nicht aufgeben", hauchte er, dann spürte er, wie Sheila sich um seinen Hals schmiss und die Beine um seine Hüfte schlang. Eilig fing er sie auf, bevor sie auf den Boden rutschte. Er trug sie zum Bett und ließ sie darauf nieder, doch sie klammerte sich weiterhin an ihm fest, sodass sie ihn mit sich zog. Sie lag auf dem Rücken unter ihm, seine Lippen nur wenige Zentimeter von ihren entfernt. 

„Küss mich", hauchte sie und schloss die Augen. Er sah, dass sie sich nach ihm verzehrte, nicht nur körperlich. 

Angestrengt schob er die Bilder von ihr und Leonard aus seinen Gedanken und erfüllte ihren Wunsch. Augenblicklich bereute er, jemals über eine Trennung nachgedacht zu haben. Ihr Kuss fühlte sich so vertraut und so richtig an, dass er ihn intensivierte. Sie keuchte, schob ihn dann aber von sich weg. 

„Mona wartet auf dich", sagte sie und er musste zugeben, dass sie recht hatte. Widerwillig löste er sich von ihr, hielt ihr dann aber die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. 

„Kommst du mit zum Spielplatz? Sie würde sich freuen dich noch einmal zu sehen, bevor sie einen Papa-Tag hat", fragte er und sofort nickte sie und sprang ohne seine Hilfe aus dem Bett. 

„Ja, ich muss sowieso meine Schuhe suchen. Hab sie gestern irgendwo stehen lassen", sagte sie, schlüpfte in ihre Flip Flops, die sie achtlos in eine Ecke gekickt hatte und griff nach seiner Hand. 

„Ich liebe dich", rutschte es ihm heraus, was sie zum Lächeln brachte. 

„Und ich liebe dich", erwiderte sie, öffnete die Tür und zog ihn nach draußen in die Sonne. 

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