Kapitel 6 - Jonathan

Jonathan würgte seinen Cousin ab, nachdem sie vereinbart hatten, dass er und Kathi zum Kaffeetrinken vorbeikommen würden, um ihr Portemonnaie abzuholen. Leonard freute sich darauf, Mona zu sehen, denn die beiden verstanden sich ziemlich gut. Auch wenn Leonard sie manchmal zu Dummheiten anstiftete, freute Jonathan sich, dass die beiden eine doch recht enge Beziehung zueinander hatten. 

Er schob sein Handy zurück in seine Hosentasche und ging zu Sheila, um ihr von den beiden weiteren Gästen heute Nachmittag zu erzählen. Sie war noch immer in der Küche und holte gerade einen herrlich duftenden Kuchen aus dem Ofen. 

„Leonard und Kathi kommen das Portemonnaie heute Nachmittag abholen", sagte er, woraufhin Sheila missmutig zu dem Kuchen blickte, dann seufzte sie. 

„Meinst du, das reicht trotzdem oder soll ich noch was backen?", fragte sie und runzelte die Stirn. Wenn es Essen umsonst gab, war Leonard immer der Erste, der sich meldete. Zerknirscht sah er sie an, denn für sieben Leute könnte es tatsächlich ein wenig knapp werden. 

„Ich mach noch ein paar Muffins, die gehen schnell", sagte sie in einem Ton, der eindeutig hieß, dass sie eigentlich keine Lust darauf hatte. 

„Ich mache das schon. Ruh dich aus", sagte er und trat näher an sie heran. Er griff nach ihren Händen und zog die Ofenhandschuhe aus, die sie noch immer trug. Nur widerwillig ließ sie es zu, doch als er sie mit einer scheuchenden Bewegung aufforderte, zu gehen, trat sie einige Schritte beiseite und lehnte sich mit dem Rücken in den Türrahmen. 

„Über was habt ihr geredet?", fragte sie betont neutral, doch sie konnte ihre Neugier nur schwer verbergen. 

„Ach, Kathi war ein wenig verunsichert, ob wir sie mögen", erklärte er und Sheila nickte wissend. 

„Naja, sie... ist jung", stellte Sheila fest, was Jonathan jedoch die Stirn runzeln ließ. 

„Ja, schon, aber sie ist alt genug", sagte er, denn auf einmal begriff er, warum Sheila mit ihrem Alter ein Problem hatte. Natürlich mutmaßte er nur, aber es musste so sein. 

„Erinnert dich das an...", setzte er an, doch Sheila zuckte so heftig zusammen, dass er verstummte. Warnend hob sie den Zeigefinger. 

„Wir reden nicht über ihn", sagte sie bestimmt und auf einmal wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. Jonathan schluckte, denn auch wenn diese ganze Sache mit ihrem Ex schon etliche Jahre her war, schien es sie noch immer zu belasten. Natürlich belastete es sie, immerhin hatte er ihr Gewalt angetan. 

„Es ist einfach nur komisch, weil sie in einer ganz anderen Lebensphase ist, als wir. Das meine ich", sagte sie bestimmt, aber Jonathan wusste, dass sie nicht ehrlich war. Dennoch beließ er es dabei. 

Sie verfielen in Schweigen, was jedoch nicht unangenehm war und er machte sich daran, in Sheilas Ordner mit den Rezepten zu blättern. 

„150 Gramm Mehl", sagte sie und er befolgte ihre Anweisung und füllte die angegeben Menge in eine Schüssel. Fragend sah er sie an, was sie die Augen verdrehen ließ. Gleichzeitig lachend kam sie auf ihn zu, küsste ihn auf die Wange und kramte alle benötigten Zutaten aus dem Schrank. 

Jonathan machte ihr Platz und beobachtete mit verschränkten Armen, wie sie nun doch den Teig machte. Ihre Bewegungen waren so geübt und er konnte ihr stundenlang einfach nur zusehen, auch wenn seine Gedanken allmählich zum vergangenen Abend wanderten. 

Sheila hatte Spaß gehabt, was ihn freute, gleichzeitig aber auch missfiel. Nicht, dass er sie unglücklich sehen wollte, aber dass sie sich so gut mit Leonard verstanden hatte, störte ihn irgendwie. Zwischen den beiden knisterte die Luft, das wusste er. Obwohl sie es inständig leugnete, waren sie sehr vertraut miteinander und ihm zog sich immer und immer wieder der Magen zusammen, wenn er an ihre Vorgeschichte dachte. Es war schon lange Jahre her, aber Leonard hatte Sheila berührt und sie hatte es zugelassen. Zwar glaubte er ihr, dass nicht mehr gelaufen war, aber es machte ihn noch immer eifersüchtig. 

„An was denkst du?", riss Sheila ihn auf einmal aus seinen Gedanken und nur mühsam gelang es ihm, sich wieder in die Realität zurückzuholen. 

„Nichts", sagte er viel zu schnell, was sie mit einem skeptischen Blick quittierte. Sie stellte den Mixer ab, wischte sich mit einer geübten Bewegung die Haare über die Schulter und kam auf ihn zu. Ihre Hände legte sie an seine Hüfte und er spürte, wie diese Berührung Gefühle in ihm weckte. 

„Sprich doch mit mir. Ich mag es nicht, wenn du dich so verschließt", sagte sie und im ersten Moment fühlte er sich ertappt. Wahrscheinlich wusste sie, dass diese dämliche Eifersucht wieder in ihm aufstieg, denn dann war er immer gereizt und redete nicht viel. 

Seufzend legte er seine Arme um sie und zog sie enger an sich. Sofort legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen und sie schmiegte sich an ihn. 

„Ich finde immer noch, dass Leonard und du irgendwie...", setzte er an, unterbrach sich dann aber, weil er keine passende Beschreibung fand. Er wusste, dass es unnötig war, eifersüchtig zu sein und wenn es für ihn so schlimm wäre, könnte er einfach den Kontakt zu Leonard abbrechen oder zumindest verringern. Aber er war sein einziger Verwandter, der in der Nähe wohnte und sie waren miteinander aufgewachsen. 

Dass sie der gleichen Frau schöne Augen machten, war wirklich eine ziemlich verzwickte Situation, denn dass Leonard Sheila schöne Augen machte, stand außer Frage. Das hatte er schon immer getan. 

Sheila stieß genervt die Luft aus und wich dann einen Schritt zurück. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte ihn an. 

„Hör auf. Das ist lächerlich!", fuhr sie ihn überraschend aufbrausend an und wie aus Reflex hob er abwehrend die Hände. 

„Ich meine ja nur", wehrte er ab, doch Sheila schnalzte als Antwort mit der Zunge. 

„Was meinst du nur?", fragte sie und auf einmal bekam er ein schlechtes Gewissen. Dass sie so wütend reagierte, hatte er nicht erwartet. Jonathan kaute auf seiner Lippe herum, suchte dann aber ihren Blick. 

„Ich will dich einfach nicht verlieren, aber ich weiß selbst, dass du für viele Männer attraktiv bist", sagte er ausweichend, aber so war es. Sheila war objektiv hübsch und ihre Art hatte etwas Einnehmendes an sich. Für eine Sekunde zuckte ein Lächeln um ihre Lippen, aber dann wurde sie wieder ernst. 

„Die anderen Männer interessieren mich aber nicht. Nur du interessierst mich. Also mach dir keine unnötigen Gedanken und mach dadurch nicht alles komplizierter, als es sein muss", sagte sie, trat wieder näher an ihn heran und küsste ihn. Bevor er reagieren konnte, hatte sie sich schon wieder von ihm gelöst und wandte sich dem Teig für die Muffins zu. 

Jonathan schluckte schwer. Ihm war durchaus bewusst, dass es sie nerven musste, denn diese Diskussion führten sie nicht zum ersten Mal. Aber was sollte er tun? Seine Gefühle und vor allem seine Selbstzweifel konnte er einfach nicht abstellen. 

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