Kapitel 54 - Jonathan
Jonathan zitterte vor Wut. Was fiel Sheila ein? Noch vor einer halben Stunde war sie traurig und nachdenklich und nun planschte sie mit Leonard im Meer herum? Am liebsten hätte er die beiden belauscht, wer wusste schon, was sie zu ihm gesagt hatte. Es musste irgendetwas gewesen sein, was ihn dazu angestiftet hatte, sie ins Meer zu werfen, vermutlich um ihr eine Abkühlung zu verpassen. Oder um seinen Blicken zu entgehen, denn dass die beiden ihn bemerkt hatten, war auch ihm nicht entgangen.
Jonathan war hin- und hergerissen, was er nun tun sollte. Ganz offensichtlich schien Sheila das alberne Geplansche mit ihm zu genießen und es war nur gut für sie, wenn sie all den Stress wegen diesem Grabscher vergaß, gleichzeitig machte es ihn rasend, dass sie anscheinend lieber mit Leonard sprach als mit ihm selbst.
Wütend ballte er die Hände zu Fäusten, sah noch einmal zu Sheila und Leonard, die sich gerade gemeinsam ins Wasser fallen ließen und traf dann eine Entscheidung. Sollte sie doch auch noch die ganze Nacht bei ihm verbringen und das tun, was sie schon die ganze Zeit tun wollte.
Jonathan verzog sich ins Hotelzimmer, schloss die Terrassentür und legte sich ins Bett. Sheila hatte bestimmt keine Schlüsselkarte mitgenommen und sie würde nicht mehr ins Zimmer kommen, wenn er es nicht wollte.
Jonathan presste die Kiefer so fest aufeinander, dass es wehtat, dann warf er einen Blick zu Mona, die seelenruhig schlief. Sie hielt ihr Stofftier, einen kleinen Elefanten, fest umklammert und ihr Gesicht war ganz friedlich. Augenblicklich beruhigte auch Jonathan sich wieder und auch er schloss die Augen.
Sofort spielten sich Szenen vor seinem inneren Auge ab, die ihn nicht würden schlafen lassen. Sheila und Leonard, die offensichtlich Spaß miteinander hatten. Er sah Sheila vor sich, wie sie klitschnass und mit durchsichtigem Top vor Leonard stand, zitternd vor Kälte. Sicherlich würde Leonard sich diese Chance nicht entgehen lassen und er wusste, dass Sheila leicht um den Finger zu wickeln war.
Ganz offensichtlich wollte sie ja lieber mit Leonard zusammen sein.
Jonathan presste sich die Fäuste auf die Augen, bis er Sternchen sah. Er war wütend und dachte nicht rational, das wusste er. Aber würde Sheila nicht innerhalb der nächsten Minuten an die Tür klopfen, wäre es aus.
Jonathan erschrak sich vor seinem eigenen Gedanken, gleichzeitig hallte er wie ein Echo immer und immer wieder in seinem Kopf wieder. Zwar wusste er, dass seine Eifersucht nicht normal war, aber es war auch nicht normal, dass Sheila bei ihm so reserviert und zurückhaltend war und gleichzeitig mit Leonard reden wollte und ganz offensichtlich auch noch durch seine Worte wieder gut gelaunt war. Eigentlich war das seine Aufgabe.
Jonathan spürte, dass er nicht schlafen konnte, solange Sheila nicht da war und so sprang er noch einmal aus dem Bett und ging zur Terrassentür. Er zog die Vorhänge zurück und warf einen Blick zum Strand, wo Sheila und Leonard noch immer im Wasser waren.
Genau in diesem Moment erhob Sheila sich aus dem flachen Wasser und er erstarrte. Sie hatte ihren Rock und ihr Top ausgezogen und planschte nun in ihrem knappen Bikini herum. Immerhin hatte sie einen Bikini drunter gehabt und nicht ihre normale Unterwäsche.
Jonathans Hand umklammerte den Griff der Terrassentür, als er sah, dass Sheila aus dem Wasser herauswatete. Auf dem Weg sammelte sie ihre Klamotten ein und presste sie an sich. Leonard folgte ihr und auch er hatte sein T-Shirt ausgezogen. Jonathan sah, dass sie beiden noch etwas zueinander sagten, dann liefen sie nebeneinander her den Strand entlang in Richtung Hotel. Offenbar wollte sie zurückkommen, aber Jonathan war sich nicht sicher, ob sie nicht vielleicht zu Leonard gehen wollte.
Würde sie das wirklich tun? Wenn sie doch wusste, dass er hier auf sie wartete?
Eilig verzog er sich zurück in sein Bett, denn sie musste ihn nicht direkt an der Tür stehen sehen, wenn sie den Weg entlang kam. Jonathan kochte innerlich und er würde morgen früh in aller Ruhe mit ihr reden müssen, was das alles sollte.
Warum aus „Ich rede kurz mit Leonard" ein „Ich plansche halb nackt mit Leonard im Meer herum" geworden war. Vorausgesetzt sie kam zurück und entschied sich nicht dafür, ihre Ehe eigenständig zu beenden, indem sie mit Leonard ins Bett stieg.
Jonathan beobachtete durch den Schlitz in den Vorhängen, wie Sheila und Leonard immer näher kamen, bis sie sich mit einem Winken verabschiedeten. Fassungslos sah er sie an, denn auch wenn sie lächelte, kam sie zu ihrem eigenen Hotelzimmer, während Leonard ins Richtung seines Zimmers verschwand.
Jonathan spürte, wie eine unendlich schweres Gewicht von ihm abfiel und er sprang auf, um Sheila hereinzulassen. Auch wenn er wütend auf sie war, war er auch erleichtert, dass sie zu ihm zurückgekommen war.
Noch immer hielt sie ihre tropfnasse Kleidung umklammert und auch aus ihren Haaren tropfte Wasser. Sie klopfte, doch genau in diesem Moment öffnete er ihr die Tür. Sheila zuckte erschrocken zusammen, dann drängte sie sich an ihm vorbei.
Wortlos verschwand sie im Bad und schloss die Tür hinter sich. Jonathan sah noch einmal zu Mona, die wie ein Stein schlief. Gott sei Dank bekam sie von alldem nichts mit. Jonathan folgte Sheila und klopfte an die Badezimmertür.
„Ich komme gleich", sagte sie mit gedämpfter Stimme, woraufhin er die Lippen aufeinanderpresste und wartete. Es dauerte nicht lange, bis sie in ein Handtuch gewickelt und mit frisch gekämmten Haaren aus dem Bad kam. Sie ging einfach an ihm vorbei, als wäre er Luft.
Sie ging zum Bett, wo sie nach ihrem Schlafanzug griff und das Handtuch fallen ließ. Automatisch wanderten sein Blick ihren Körper entlang, bis sie sich den Schlafanzug überzog und sich dann nach ihm umsah. Mit einer Kopfbewegung bedeutete sie ihm, dass er zu ihr kommen sollte und er gehorchte. Gleichzeitig pochte ihm das Herz bis zum Hals, denn seine Gedanken fingen wieder an zu kreisen. Würde sie mit ihm über gerade eben reden wollen?
Er ging zu ihr und strich ihr im Vorbeigehen sanft über den Arm. Sie hatte eine Gänsehaut und kaum dass er sie berührt hatte, griff sie nach seinem Arm. Ein wenig überrascht blieb er stehen und wandte sich zu ihr um, woraufhin sie die Arme um seinen Hals schlang und sich an ihn schmiegte.
Etwas verwirrt erwiderte er die Umarmung und musste zugeben, dass es sich schön anfühlte, ihre Nähe zu spüren. Dennoch musste er wissen, über was sie mit Leonard geredet hatte. Er löste sich aus ihrer Umarmung, woraufhin sie ihn beinahe so ansah, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.
„Was hast du mit ihm besprochen?", hörte er sich dann sagen, woraufhin Sheila in sich zusammensank. Sie senkte den Blick und krabbelte dann unter die Decke und legte sich eng zusammengekauert in ihr Bett. Jonathan folgte ihr und legte sich auf die Seite, um sie ansehen zu können. Sie hatte die Augen geschlossen, doch ihre Stirn lag in Falten.
„Sheila, über was hast du mit ihm geredet?", fragte er eindringlicher, doch sie schüttelte kaum merklich den Kopf.
„Über deine unbegründete Eifersucht und dass du damit alles kaputt machst", sagte sie dann und drehte sie um, bevor er auch nur antworten konnte. Vollkommen perplex starrte er nun auf ihren Rücken, fassungslos, dass sie ihm Vorwürfe machte. Ja, er war eifersüchtig, aber sie war auch nicht ganz unschuldig.
„Bitte? Ich mache alles kaputt? Du hast halbnackt mit ihm im Wasser...", setzte er an, doch sie unterbrach ihm mit einem Zischen.
„Ich wusste, dass du das sagst. Du vertraust mir nicht. Warum sonst hättest du uns beobachten sollen?", fragte sie mit eiskalter Stimme, noch immer das Gesicht von ihm abgewandt. Jonathan schnaubte. Er hatte gar keine Lust, mit ihr zu diskutieren, denn ohne Zweifel würde sie ihre offensichtlichen Gefühle für Leonard leugnen. Niemals würde sie mit einem Freund so herumplanschen, nicht so vertraut. Gleichzeitig hätte er sie am liebsten angeschrien, was sie sich nur dabei dachte, ihn so zu reizen.
„Du bist bescheuert", platzte es schließlich aus ihm heraus, bevor er es zurückhalten konnte. Sofort presste er die Hände auf den Mund, denn das hätte er nicht sagen sollen. Mit einer ruckartigen Bewegung drehte Sheila sich wieder zu ihm um, ihr Blick war schmerzverzerrt. Sie sah ihn einfach nur an, ohne etwas zu sagen.
„Sheila, das tut mir leid", sagte er und streckte die Hand nach ihr aus. Entschieden schob sie sie zurück und schnaubte fassungslos.
„Weißt du was? Du bist auch bescheuert. Ich habe die ganze Zeit Angst, dich wütend zu machen, wenn ich ihn auch nur angucke oder mit ihm spreche", fuhr sie ihn an und rutschte anschließend so weit von ihm weg, wie es ging.
Jonathan schluckte, denn es machte ihn schon wieder wütend, dass sie die ganze Schuld ihm zuschob.
„Wenn du ja nur das tun würdest!", erwiderte er und rutschte nun ebenfalls bis ganz an den Rand seiner Matratze.
„Das ist lächerlich. Ich mache überhaupt nichts", murmelte sie vor sich hin, gerade laut genug, dass er es verstand.
„Ach nein? Also fändest du es vollkommen okay, wenn ich das, was du eben mit ihm gemacht hast, mit einer anderen mache?", fragte er, absichtlich provokant. Sie musste endlich mal begreifen, dass das, was sie mit Leonard tat, über Freundschaft hinausging. Zumindest was sein Verständnis von Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau anging.
„Es ist Leonard, nicht irgendein Fremder", sagte sie, doch das machte ja alles nur noch viel schlimmer. Dass es sein Cousin war, von dem er wusste, dass er Gefühle für Sheila hatte.
„Dir scheint es ja ganz gut zu gefallen, wie er dich umgarnt", brummte er, auch wenn er wusste, dass Sheila das anders sah.
„Er umgarnt mich nicht. Ich rede nur mit ihm. Mit dir kann man das ja nicht mehr normal", sagte sie dann, schnaubte noch einmal und zog sich das dünne Laken bis über den Kopf.
Kopfschüttelnd starrte er sie noch eine Weile an, doch dann wandte auch er sich um und starrte auf den dünnen Strahl Mondlicht, der durch den Schlitz in den Vorhängen hineindrang. Eine Weile blieb es still, doch dann fing Sheila leise an zu schniefen.
Augenblicklich zog sich sein Herz zusammen und er sah über die Schulter zu ihr, allerdings war sie noch immer unter ihrer Decke verborgen.
„Sheila?", fragte er und schob die Hand über die Matratze zu ihr.
„Lass mich in Ruhe", fauchte sie und schluchzte weiter leise vor sich hin. Jonathan biss die Kiefer fest aufeinander, erfüllte dann aber ihren Wunsch und ließ sie in Ruhe.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top