Kapitel 51 - Sheila

Leise vor sich hin fluchend suchte Sheila ihr Haargummi. Nach einer gefühlten Ewigkeit fand sie es endlich und band sich die Haare zusammen, damit sie sich ordentlich abtrocknen konnte. Sie griff nach dem Handtuch und wischte sich damit durchs Gesicht, als sie plötzlich eine Hand an ihren unteren Rücken spürte. 

Unwillkürlich zuckte sie zusammen, denn es konnte nicht Jonathan sein. Sie wirbelte herum und blickte in das Gesicht des ekelhaften Typen, der sie schon in der Schlange vor dem Buffet so dämlich angemacht hatte. 

Panisch sah sie in Richtung ihres Hotelzimmers, ob Jonathan vielleicht noch zu sehen war, aber sie konnte ihn nirgends entdecken. 

„Wo ist denn dein Mann?", fragte der Kerl, der viel zu nah bei ihr stand. Sein Atem roch nach Schnaps und er war eindeutig angetrunken. Sheila packte ihre Strandtasche und wollte zurückweichen, doch sie stieß dabei gegen die Liege und strauchelte. 

Das einzige, woran sie sich festhalten konnte, war dieser Kerl, also versuchte sie irgendwie, sich abzufangen. Ihr Knöchel schrammte an der Kante der Liege entlang und sie spürte einen brennenden Schmerz, bevor sie mit dem Hintern im Sand landete. 

„Vorsicht, Vorsicht", säuselte der Typ, der genau wie bei ihrer ersten Begegnung eine helle Leinenhose und ein Polohemd trug. Er war widerlich und Sheila fragte sich, was er von ihr wollte. 

Etwas unbeholfen rappelte sie sich auf und sammelte das ganze Zeug auf, das aus ihrer Tasche gefallen war. Die geifernden Blicke des Mannes entgingen ihr nicht und sie beschloss, ihn einfach zu ignorieren. Ihr Knöchel brannte noch immer wie verrückt und sie wollte nur noch weg. Doch bevor sie sich davon machen konnte, packte er sie am Arm. Ein Schrei entfuhr ihr und sie versuchte, sich von ihm loszumachen, doch es gelang ihr nicht. Allerdings hatte sie nun die Aufmerksamkeit der anderen Strandbesucher und einige warfen ihr schon verwunderte Blicke zu. 

„Lassen Sie mich", zischte sie, riss sich von ihm los und rannte davon. Sie umklammerte die Tasche und das Handtuch, das sie eigentlich hatte um sich wickeln wollen und ihr war durchaus bewusst, dass der Kerl ihr hinterhergaffte, aber sie wollte so schnell wie möglich weg. Sie eilte zu ihrem Zimmer und klopfte, bis Mona ihr schließlich die Tür öffnete. 

„Mama?", fragte sie und trat eilig beiseite, damit sie hereinkommen konnte. Sheila sah Jonathan, der auf dem Bett gesessen hatte und nun aufsprang. Mona schloss die Tür und sog erschrocken die Luft ein. 

„Mama, dein Fuß blutet!", rief sie erschrocken aus und erst da blickte Sheila nach unten und bemerkte, dass sie eine Blutspur auf den hellen Fliesen hinterlassen hatte. Dort, wo sie sich den Knöchel angehauen hatte, zog sich ein knapp vier Zentimeter langer Schnitt, der zwar nicht tief war, aber ordentlich blutete. Jonathan stieß ein merkwürdiges Geräusch aus und nahm ihr die Strandtasche und das Handtuch ab. 

„Was ist denn passiert?", fragte er, packte sie am Arm und führte sie ins Bad, wo sie sich auf den Toilettendeckel setzte. Ihr Herz schlug ihr noch immer bis zum Hals und sie schaffte es noch nicht, ihm von dem Kerl zu berichten. Jonathan legte ihr eine Hand aufs Knie und begutachtete ihren Knöchel, doch sofort wurde er kreidebleich. 

„Mona, hol Onkel Leonard und sag ihm, er soll ein Pflaster mitbringen", sagte er Mona, die sofort losrannte. Sheila beruhigte sich allmählich und legte Jonathan die Hand auf die Schulter. 

„Schon okay, es ist nicht so schlimm", sagte sie, woraufhin er nickte und sich eilig zurück ins Schlafzimmer verzog. Sie hörte, wie er die Terrassentür aufriss und tief ein- und ausatmete. Er konnte kein Blut sehen und schon bei einem einzigen Tropfen wurde ihm speiübel. 

Sheila riss ein Stück Klopapier ab und tupfte vorsichtig an ihrem Köchel herum, bis Leonard ihr Hotelzimmer betrat. Mona ging zu Jonathan, während Leonard schwungvoll die Tür hinter sich zuwarf und mit einem Satz bei ihr war. 

„Was ist passiert?", fragte er, eine kleine, rote Tasche in den Händen, auf die ein weißes Kreuz gedruckt war. 

„Ich bin hingefallen und hab mir den Knöchel an der Liege aufgeratscht", berichtete sie, woraufhin Jonathan aus dem Schlafzimmer einen erstickten Laut von sich gab. Leonard verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf, dann zog er den Reißverschluss der kleinen Tasche auf und zog eine Flasche Desinfektionsmittel heraus. 

„Ich kann das auch machen", sagte sie, doch Leonard ignorierte sie und fuhr fort, ihren Knöchel erst zu säubern und dann zu verbinden. Ein paar Mal sog sie scharf die Luft ein, doch sicherlich würde es schon morgen nicht mehr wehtun. 

„Okay, das wars", sagte Leonard, verstaute Desinfektionsmittel und Verbandsmaterial wieder in der Tasche und sah sie dann fragend an. Sie erwiderte den Blick, der ihr eindeutig sagte, dass er wissen wollte, was wirklich passiert war, aber sie schüttelte leicht den Kopf. 

„Danke", sagte sie leise, woraufhin Leonard sich wieder erhob, dann kurz ihre Schulter drückte und ins Schlafzimmer verschwand. 

„Halb so wild", sagte er zu Jonathan, dann raunte er ihm noch etwas zu, dass sie nicht verstand. 

„Na komm Mona, gehen wir schon mal zum Abendessen", sagte er und verschwand dann mit Mona im Schlepptau aus dem Zimmer. Keine Sekunde später stand Jonathan im Türrahmen, in den Händen hielt er frische Klamotten. Er sah besorgt aus, sagte aber nichts. Sheila fuhr sich einmal mit den Händen durchs Gesicht und zog sich dann den nassen Bikini aus und griff nach einem Handtuch, um sich abzutrocknen. 

„Was ist passiert?", fragte er endlich, gerade als sie ihm die Klamotten aus der Hand nahm. Sie schluckte schwer und antwortete erst, nachdem sie sich angezogen hatte. 

„Dieser komische Kerl, der mich schon beim Essen bedrängt hat, war da", sagte sie dann und sofort blitzte blanke Wut in Jonathans Augen auf. 

„Was? Hat er dich...", setzte er an, unterbrach sich dann aber und zog sie stattdessen in eine feste Umarmung. 

„Er hat mich am Rücken berührt und als ich zurückweichen wollte, bin ich über die Liege gefallen. Ich wollte weggehen, aber er hat mich festgehalten", sagte sie und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. 

„Oh nein und ich war nicht da", murmelte er leise, bevor er sie an den Schultern packte und sie ein Stück von sich wegschob. 

„Bist du okay? Hat er dir wehgetan?", fragte er, woraufhin sie die Schultern zuckte. 

„Er ist eklig", sagte sie und Jonathan nickte. 

„Warte hier, ich gucke, ob er noch da ist", sagte er und machte Anstalten, in Richtung Zimmertür zu gehen. 

„Nein, warte", rief sie schnell, denn sie wollte nicht, dass Jonathan sich in Schwierigkeiten brachte. 

„Sheila, das ist jetzt schon das zweite Mal, dass er dich bedrängt. Das geht nicht", sagte er bestimmt, doch Sheila griff eilig nach seiner Hand. 

„Ich... werde jetzt besser aufpassen", versicherte sie ihm, doch er schüttelte den Kopf. 

„Es geht doch gar nicht darum. Jemand muss ihm mal sagen, dass das nicht geht", redete er sich in Rage, doch Sheila legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. 

„Und derjenige bist nicht du. Lass es einfach gut sein. Wenn er noch einmal auftaucht, bist du ja da", sagte sie, denn das letzte was sie wollte war, dass er sich hinterher noch mit dem Kerl prügelte oder so etwas Dämliches. Jonathan seufzte, nickte dann aber. 

„Okay, wie du willst. Ich werde dich auf jeden Fall nicht mehr allein lassen", sagte er entschieden, legte ihr die Hand an die Wange und küsste sie. Sheila lächelte, denn es schmeichelte ihr, dass er sie beschützen wollte. 

„Gehen wir auch was essen?", fragte sie dann und setzte ein Lächeln auf. Jonathan sah sie noch einen Moment lang misstrauisch an, so als würde er ihr nicht abnehmen, dass ihr diese Begegnung mit dem Kerl kaum etwas ausmachte, doch dann nickte er. 

„Oh je, da ist noch Blut", sagte er und deutete auf den Boden vor der Eingangstür. Sheila lachte leise in sich hinein, holte dann aber ein angefeuchtetes Stück Klopapier und wischte die letzten Spuren weg. Jonathan wartete draußen auf sie, schon wieder recht blass um die Nase. 

„Stell dich mal nicht so an", lachte sie, trat zu ihm nach draußen und hakte sich bei ihm unter. 

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