Kapitel 48 - Jonathan
Monas kleine Hand in seiner war das Einzige, das Jonathan davon abhielt an den Tisch zu stürmen, an dem Sheila zusammen mit Leonard saß und sie anzuschreien. Sie saßen im Innenbereich des Restaurants, beide einen Teller vor sich. Sie saßen sich gegenüber und unterhielten sich und es sah eindeutig so aus, als würden sie sich gut verstehen. Noch vor wenigen Stunden war Sheila heulend an den Strang gegangen und nun war alles wieder in Ordnung, nur weil er da war?
„Da ist Mama ja", sagte Mona und zeigte auf Sheila.
„Ja, da ist sie", erwiderte er kalt, ging dann die letzten Schritte bis zum Tisch und stieß sie unsanft an der Schulter an. Erst da schien sie ihn zu bemerken und Leonard, der gerade irgendetwas von einem Kaktus redete, verstummte und richtete den Blick auf ihn.
Mona zog ihre Hand aus seiner und setzte sich neben Sheila an den Tisch. Sheila blickte zu ihm auf und wirkte so, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.
„Wo warst du?", fragte er leise, woraufhin sie einen hilfesuchenden Blick zu Leonard warf. Nach nur einer Sekunde sah sie wieder zu Jonathan.
„Ich konnte nicht mehr schlafen und war am Strand", sagte sie, allerdings wusste er sofort, welches Detail sie ausließ. Wissend nickte Jonathan, ging dann um sie herum zu Mona und forderte sie mit einer Kopfbewegung auf, mit ihm zu kommen. Sie gehorchte und gemeinsam gingen sie zu Buffet.
Immer wieder warf er Blicke zu Sheila, die den Kopf gesenkt hielt und mit der Gabel auf ihrem Teller herumpiekste, während Leonard eindringlich auf sie einredete. Kopfschüttelnd wandte er den Blick ab.
Die beiden hatten doch wieder irgendetwas angestellt. Hatte Leonard schon wieder seine Finger nicht bei sich behalten können oder hatte er ihr wieder einmal gesagt, dass er sie liebte? Beides gefiel ihm ganz und gar nicht und machte ihn wütend.
„Papa? Warum bist du so böse auf Mama?", fragte Mona und riss ihn zurück in die Realität. Er schluckte schwer, denn auch wenn er eifersüchtig war, musste er sich noch immer um Mona kümmern und genau das sollte seine oberste Priorität sein.
„Weißt du, manchmal streiten sich Erwachsene eben", erklärte er, doch Monas fragender und auch irgendwie ängstlicher Blick war noch immer auf ihn gerichtet.
„Lasst ihr euch jetzt scheiden?", fragte sie, was Jonathan nervös lachen ließ. Er hatte keine Ahnung, woher Mona das hatte, aber eilig schüttelte er den Kopf.
„Nein, natürlich nicht. Manchmal streitet man sich und dann ist man ein paar Tage wütend aufeinander und dann ist wieder alles in Ordnung", versuchte er sie zu beruhigen, doch Mona schien weiterhin Angst zu haben. Jonathan legte den Arm um sie.
„Mach die keine Sorgen, es ist alles in Ordnung", sagte er und schob sie weiter zum Buffet. Jonathans Blick wanderte wieder zu Sheila, die inzwischen ihren Teller von sich weggeschoben hatte. Nur mühsam riss er den Blick wieder von ihr los und half Mona, sich Essen auf ihren Teller zu laden.
Als er wenige Minuten später wieder zum Tisch kam, herrschte Schweigen. Jonathan spürte Leonards strafende Blicke und ihm wurde klar, dass Sheila ihm alles erzählt haben musste. Fantastisch. Mona kletterte wieder auf den Stuhl neben Sheila, sodass er sich notgedrungen neben Leonard setzte.
„Ihr wart zusammen am Strand?", fragte er dann niemand bestimmtes, aber es war Leonard, der antwortete.
„Es war Zufall und sie brauchte jemanden zum Reden", sagte er und Jonathan sah aus dem Augenwinkel, wie Sheila schuldbewusst den Kopf einzog.
„Zum Reden?", fragte er skeptisch, was Leonard verächtlich schnauben ließ.
„Ja, zum Reden", wiederholte er, Sheila hingegen blieb noch immer stumm. Sie wandte sich Mona zu und fragte sie, ob sie gut geschlafen habe und nicht Lust hätte, heute Kakteen anzusehen. Anscheinend hatte sie mit Leonard schon ausgemacht, dass sie heute einen Ausflug zum Kaktusgarten machten.
Jonathan spürte, wie er immer wütender wurde und am liebsten Sheila am Arm gepackt und sie unter vier Augen zur Rede gestellt hätte. Bilder von ihr und Leonard gemeinsam am Strand tauchten vor seinem inneren Auge auf.
Mühsam atmete er ein und aus und widmete sich dann seinem Frühstück. Er schwieg, denn er wollte nicht weiter streiten. Dennoch brodelte es in ihm und er müsste gleich dringend allein mit Sheila sprechen und sie fragen, was genau sie am Strand mit ihm gemacht hatte. Immerhin hatten sie sich gestern Abend oder besser gesagt heute Nacht gestritten und vielleicht hatte Sheila sich mit Leonard getröstet. Manchmal tat sie Dinge, die sie bereute, wenn sie traurig war. Zum Beispiel zulassen, dass Leonard seine Hand in ihre Hose schob. Jonathan schüttelte den Kopf, denn er wollte nicht schon wieder an diesen Abend denken.
„Ich gehe mich mal duschen. Sagt ihr mir nachher Bescheid, ob ihr den Ausflug machen wollt?", durchbrach Leonard das Schweigen und erhob sich dann ohne eine Antwort abzuwarten. Sheila sah ihm nach, doch kaum dass er aus dem Restaurant verschwunden war, wandte sie den Blick zu ihm. Jonathan erwiderte den Blick und versuchte ihr so zu sagen, was in ihm vorging. Sheila sah ausdruckslos aus, irgendwie... leer.
Auf einmal legte sie ihren Arm auf den Tisch und schob ihre Hand zu ihm herüber, ganz eindeutig eine Aufforderung, ihre Hand zu nehmen. Jonathan schluckte, denn alles in ihm wollte glauben, dass sie wegen irgendetwas ein schlechtes Gewissen hatte. Er zögerte, griff dann aber nach ihrer Hand und drückte sie. Sheila atmete erleichtert und zitternd aus und nun suchte sie seinen Blick.
„Können wir gleich kurz reden?", fragte sie leise und sofort nickte er. Gleichzeitig war er nervös, was sie ihm wohl sagen wollte. Allerdings wusste er ganz genau, was er sagen wollte oder besser gesagt wissen wollte. Nämlich was genau heute Morgen am Strand passiert war.
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Etwa zwanzig Minuten später parkten sie Mona auf dem Spielplatz auf der Hotelanlage und gingen in ihr Zimmer. Es wäre kein Problem, sie eine halbe Stunde dort bei den anderen Kindern zu lassen und sie wusste auch, wie sie zurück zu ihrem Zimmer kam.
Jonathan schloss die Tür, während Sheila unschlüssig mitten im Raum stehen blieb. Sie hatte die Arme um sich gelegt und starrte ihn an, als erwarte sie, dass er sie anschrie. Zwar hatte er das noch vor gar nicht allzu langer Zeit tun wollen, aber während des Frühstücks war seine Wut ein wenig abgeklungen.
Zögernd ging er auf sie zu und blieb vor ihr stehen. Sofort hob sie den Blick und sah ihm direkt in die Augen. Sie sah ihn einfach nur an, ohne einen Ton zu sagen, was ihn irgendwie nervös machte.
„Du wolltest reden", erinnerte er sie, woraufhin sie tief Luft holte und ihre Arme aus der Verschränkung löste. Vorsichtig griff sie nach seinen Händen und verschränkte ihre Finger mit seinen, dann ließ sie den Kopf auf seine Schulter fallen. Jonathans Herz pochte ihm bis zum Hals und er wusste in diesem Moment, dass er Sheila liebte und sie nicht verlieren wollte. Er löste seine Hände aus ihren, schlang die Arme um sie und zog sie fest an sich. Sheila erwiderte die Umarmung und eine ganze Weile standen sie einfach nur eng umschlungen da und genossen die Nähe des Anderen. Doch dann löste er sich von ihr, hielt jedoch ihre Taille umschlungen.
„Was ist heute Morgen genau passiert?", wollte er wissen, drängte aber die aufsteigenden Bilder beiseite. Er wollte ihr die Chance geben, alles zu erklären und vielleicht war es auch nicht schlimm, als er es sich vorstellte.
Sheila seufzte, doch dann fing sie an zu erzählen. Wie sie Leonard zufällig getroffen hatte und sie gemeinsam schwimmen gegangen waren. Wie Leonard ihr den Rat gegeben hatte, sich nicht so von ihm behandeln zu lassen und wie sie sich gegenseitig unter Wasser getaucht hatten.
Jonathan unterbrach sie nicht, doch er spürte, wie er am ganzen Körper anfing zu zittern. Es gefiel ihm nicht, was Leonard da zu ihr sagte und auch nicht, dass sie herumgealbert hatten, aber gleichzeitig konnte er verstehen, dass sie jemanden zum Reden gebraucht hatte. Allerdings spürte er auch so etwas wie Panik in sich, denn allein die Vorstellung, dass Sheila es in Erwägung zog, sich von ihm zu trennen ließ ihn in einen Abgrund stürzen.
„Und...", setzte er an, doch seine Stimme brach. Neugierig sah Sheila ihn an, doch Jonathan brauchte ein paar Sekunden, um sich zu sammeln.
„Ich meine... willst du, dass es... zwischen uns aus ist?", fragte er dann und bevor er es verhindern konnte, lief ihm eine Träne über die Wange. Sofort fing Sheila sie mit dem Finger auf und legte ihm dann eine Hand an die Wange.
„Nein, das will ich nicht. Aber du machst es mir nicht leicht. Deine Eifersucht ist...", setzte sie an, doch er nickte. In diesem Moment fragte er sich, wie er es hatte zulassen können, dass er sie so verletzt hatte, dass sie weinend das Hotelzimmer verlassen hatte.
„Ich weiß", sagte er, wusste aber gleichzeitig, dass er das nicht einfach würde abstellen können.
„Wenn du es weißt, warum vertraust du mir dann nicht? Warum denkst du, ich würde irgendetwas tun, was... unangemessen wäre?", fragte sie und sah dabei so hilflos aus, als wüsste sie keinen anderen Weg als die Trennung, wenn er sich nicht zusammenriss. Er wusste, dass er das Problem war, nicht sie.
„Ich weiß es nicht. Es überkommt mich einfach und dann sage ich Dinge, die ich eigentlich gar nicht sagen will", versuchte er zu erklären, musste aber zugeben, dass das alles andere als nachvollziehbar klang. Trotzdem nickte Sheila und fuhr mit dem Daumen über seine Unterlippe.
„Bitte versuch, das nicht zuzulassen. Wenn dich etwas stört, dann sag es mir bitte. Aber... du kannst mir nicht verbieten, mit ihm zu sprechen", sagte sie und er nickte. Allerdings schmerzte es, dass sie glaubte, er wollte ihr das verbieten.
„Ich werde dir nichts verbieten und ich verspreche dir, dass ich mir Mühe gebe", schwor er, auch wenn er nicht sicher war, ob das funktionieren würde.
„Okay", hauchte Sheila, beugte sich dann näher an ihn heran und legte sanft ihre Lippen auf seine.
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