Kapitel 46 - Jonathan
Bei dem Geräusch der zufallenden Tür zuckte Jonathan zusammen. Wieso hatte er seine Klappe nicht halten können? Natürlich war es unangenehm, dass Leonard sie in Unterwäsche gesehen hatte, aber Sheila schien es wirklich nicht mit Absicht getan zu haben. Aber anscheinend hatte sein Hirn sich entschieden, wieder einen Aussetzer zu haben.
Wütend auf sich selbst und sein dämliches Verhalten sprang er aus dem Bett, blieb dann aber unschlüssig stehen. Mona schlief noch immer tief und fest, aber er wollte sie nicht hier allein lassen.
Sein Blick fiel zu Sheilas Nachttisch, wo ihr Handy lag. Anrufen konnte er sie also nicht. Noch einmal sah er zu Mona, dann öffnete er die Vorhänge an der Tür zur Terrasse und blickte nach draußen.
Als er Sheila in Richtung Strand gehen sah, atmete er erleichtert aus. Anscheinend ging sie wirklich nur ein wenig spazieren und war nicht, wie befürchtet, zu Leonard marschiert. Jonathan öffnete die Tür einen Spalt und trat auf die Terrasse.
„Sheila, warte!", rief er mit gedämpfter Stimme, doch anstatt stehen zu bleiben, hob sie nur schwach eine Hand und ging weiter. Er beobachtete sie, wie sie zum Strand ging und sich dort in den Sand setzte, die Arme um die Knie geschlungen und den Kopf darauf gelegt.
Jonathan zögerte. Sollte er zu ihr gehen und sich entschuldigen? Oder sie erst eine Weile in Ruhe lassen? Hin- und hergerissen wanderte sein Blick von Sheila zu Mona und wieder zurück. Seine Tochter schlief und bis zum Strand war es wirklich nicht weit. Sheila saß noch immer unverändert dort und sie sah wirklich so aus, als hätte sein blödes Getue sie verletzt.
Kurzentschlossen schlüpfte er zurück ins Zimmer und zog sich etwas über, dann eilte er die wenigen Meter bis zum Strand. Es war deutlich kühler geworden und sicherlich fror Sheila. Als er sich neben sie setzte, schluchzte sie, hob aber nicht den Kopf.
„Hey", sagte er sanft und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie ignorierte ihn und wimmerte weiter leise vor sich hin. Jonathans Brust zog sich unangenehm zusammen, denn er war Schuld daran, dass es ihr so schlecht ging.
„Sheila", sagte er und rüttelte ein wenig an ihrer Schulter. Endlich, nach ein paar Sekunden, die sich aber wie eine Ewigkeit angefühlt hatten, hob sie den Kopf und sah ihn an. Ihre Wangen waren tränennass und instinktiv streckte er die Hand aus und wischte sie trocken.
„Tut mir leid. Kommst du wieder mit rein?", fragte er, doch sie schüttelte den Kopf. Jonathan fühlte sich, als wäre die Luft um ihn herum um weitere zehn Grad abgekühlt.
„Bitte. Ich habe es nicht so gemeint", versuchte er es weiter, doch ihre Miene wurde hart.
„Doch, das hast du", widersprach sie, entwand sich seinem Griff und rutschte ein Stück von ihm weg. Resigniert ließ er die Hand sinken, die eben noch an ihrer Wange gelegen hatte.
„Ich weiß doch auch nicht, warum ich immer so... eifersüchtig werde. Aber du provozierst...", setzte er an, wurde aber von ihr unterbrochen. Sie hatte den Zeigefinger warnend erhoben und funkelte ihn an.
„Wehe du sagst, dass ich es provoziere. Ich mache überhaupt nichts. Wenn es schon verboten ist, dass ich ganz normal mit ihm rede, dann hast du ein Problem und nicht ich", fuhr sie ihn an, leise und drohend. Jonathans Herz sank ihm in die Hose, denn auch wenn sie im Prinzip recht hatte, stimmte das so nicht ganz.
„Ich verbiete dir gar nichts. Aber du redest ja nicht nur ganz normal mit ihm", setzte er ihr entgegen, denn bei der Erinnerung an jenen Abend, als sie diese dämlich Idee mit dem gemeinsamen Urlaub gehabt hatten, war Sheila ziemlich vertraut mit ihm gewesen. Er hatte den Arm um sie gelegt und sie hatte beim Lachen ihren Kopf an seine Schulter sinken lassen, als wäre sie mit Leonard verheiratet und nicht mit ihm.
Jonathan biss sie Kiefer aufeinander, denn ihm war durchaus bewusst, dass seine und Sheilas Meinung in diesem Thema gegensätzlich waren. Sheila schnaubte verächtlich, schüttelte den Kopf und wandte sich von ihm ab.
„Das ist lächerlich", murmelte sie so leise, dass er es kaum verstehen konnte, gleichzeitig klingelten die Worte in seinen Ohren. Blinde Wut stieg in ihm auf und wieder schlichen sich unangemessene Bilder von Sheila und Leonard in sein Hirn. Wie sie an der Tür vorbeiflitzte und er nun im Bett lag und an sie dachte.
Jonathan biss sich auf die Zunge, denn er wollte ihr nichts Unangebrachtes an den Kopf werfen, sodass ihr Streit schon wieder eskalierte. Er wartete, bis der Großteil seiner Wut unter Kontrolle war und stupste sie dann am Arm an.
„Komm mit, gehen wir ins Bett", sagte er, stand auf und hielt ihr die Hand hin. Sheila schüttelte den Kopf und ignorierte die ihr dargebotene Hand.
„Komm schon", wiederholte er, doch noch immer blieb sie stur sitzen. Kopfschüttelnd über ihre Sturheit ließ er die Hand sinken und ging dann wortlos zurück in Richtung Hotelzimmer. Immerhin war Mona dort ganz allein.
Noch einmal warf er einen Blick über die Schulter zu Sheila, die noch immer im Sand saß. Als Jonathan durch die Terrassentür ins Schlafzimmer trat, fiel sein erster Blick zu Mona. Glücklicherweise hatte sie einen recht tiefen Schlaf und sie schien von dem Ganzen nichts mitbekommen zu haben.
Jonathan zog seine Klamotten aus und legte sich wieder ins Bett. Sheila hatte keine Schlüsselkarte mitgenommen, also ließ er die Terrassentür ein Stück offen stehen, damit sie später wieder hereinkommen konnte.
Missmutig und vor sich hin grübelnd griff er nach ihrem Kissen und umklammerte es. Ihr vertrauter Duft hing noch daran und er atmete tief ein. Er wusste, dass eigentlich nicht sie das Problem war, sondern seine Eifersucht.
Allerdings machte es ihn rasend, dass Sheila so sehr an der Freundschaft mit Leonard festhielt. Natürlich war er sein Cousin und auch er wollte den Kontakt nicht abbrechen, aber Sheila könnte sich wirklich mehr im Hintergrund halten. Sie hatte doch andere Freunde, mit denen sie sich treffen konnte, warum hatte sie sich so auf Leonard eingeschossen? Sie wusste doch, dass es ihn störte und dennoch schien es sie nicht zu interessieren, dass seine Gedanken mit jedem Mal anfingen zu kreisen, wenn sie und er gemeinsam lachten oder sich unterhielten, als seien sie die besten Freunde.
Plötzlich bemerkte er im Augenwinkel eine Bewegung er er schreckte hoch. Erst dachte er, es sei Sheila, die vielleicht zur Vernunft gekommen und wieder zurück gekommen war, aber es war Mona, die mit trappelnden Schritten zu ihm kam. Mona krabbelte zu ihm ins Bett, deutete aber mit dem Finger auf die leere Seite des Bettes. Panisch überlegte er, wie er ihr erklären konnte, dass Sheila vielleicht erst in ein oder zwei Stunden wieder kam?
„Ich bin hier", hörte er dann Sheilas Stimme, die genau in diesem Moment durch die Terrassentür hereinkam und die Arme nach Mona ausstreckte. Sofort sprang Mona auf und stürzte sich in ihre Arme. Jonathan suchte Sheilas Blick, den sie jedoch gekonnt ignorierte. Mona griff nach Sheilas Hand und führte sie zu ihrer Seite des Bettes, dann krabbelte sie selbst wieder zwischen sie und Jonathan.
Sheila streifte sich die Schuhe ab und legte sich noch mit ihrem Jeansrock und der Sweatshirtjacke ins Bett. Jonathan versuchte, ihren Blick einzufangen, doch sie sagte kein Wort zu ihm und erwiderte seinen Blick nicht. Stattdessen legte sie einen Arm um Mona und schloss die Augen.
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