Kapitel 30 - Jonathan
Jonathan spürte ein merkwürdiges Gefühl in sich aufkochen, als er Leonards Wagen in seiner Einfahrt stehen sah. Er wollte doch erst später kommen.
Gleichzeitig kam ihm die Idee, dass Sheila ihn vielleicht angerufen hatte, um mit ihm über diese Sache mit Karim zu sprechen, aber eigentlich glaubte er es nicht. Missmutig biss er die Kiefer aufeinander, stieg aus dem Auto und ging zur hinteren Tür, um Mona beim Aussteigen zu helfen.
„Ist Onkel Leonard schon da?", fragte sie und deutete auf sein Auto, das er nun zugeparkt hatte.
„Ja, scheint so", antwortete er, woraufhin Mona vergnügt aus dem Auto sprang und zur Haustür lief. Jonathan griff nach ihrem kleinen pinken Rucksack und folgte ihr. Gerade als er die erste Stufe, die zur Haustür führte betrat, öffnete Sheila die Tür. Sie lächelte und breitete die Arme aus, um Mona zu umarmen. Allerdings ließ Mona es nur kurz zu und stürmte an ihr vorbei, zweifelsfrei auf der Suche nach Leonard.
Jonathan sah Sheila fragend an, während er an ihr vorbei ins Haus ging.
„Kathi hat ihm geschrieben und er wollte wissen, wie er sich nun verhalten soll", antwortete sie auf seine unausgesprochene Frage und wirkte ehrlich.
„Er ist draußen auf der Veranda beim Kuchen, hoffentlich lässt er etwas übrig", lachte sie dann, schloss die Tür hinter ihm und umarmte ihn. Jonathan ließ Monas Rucksack auf den Boden gleiten und erwiderte die Umarmung.
„Und was hast du ihm geraten?", fragte er, unfähig seine Stimme neutral klingen zu lassen. Dieses ständige Gefühl der Eifersucht, wenn Sheila und Leonard allein waren, fing mal wieder an, sein Hirn zu zernagen.
„Ich habe ihm nur gesagt, dass er das selbst wissen muss. Er ist auch erst vor zehn Minuten gekommen. Vielleicht redest du noch mal mit ihm", erklärte sie. Jonathan nickte, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und löste sich von ihr.
„Und wie geht es dir?", fragte er, denn auch sie war heute Morgen aufgewühlt und konnte sicherlich jemanden zum Reden gebrauchen. Doch Sheila winkte ab.
„Ach, ich bin schon okay. Ich denke, ich sollte einfach mal eine Nacht drüber schlafen. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus", plapperte sie drauf los, eindeutig ein Zeichen, dass es sie doch mehr beschäftigte, als sie im Moment zugeben wollte.
„Okay, aber... wenn du reden willst, weißt du, dass ich immer für dich da bin", sagte er und sah sie eindringlich an.
„Ja, das weiß ich", erwiderte sie sanft, griff nach seiner Hand und zog ihn in Richtung Wohnzimmer. Jonathan hielt sie an der Schulter fest und zwang sie so zum Anhalten. Zwar wusste er, dass sie ihn nicht anlügen würde, gleichzeitig war ihm durchaus bewusst, dass sie nichts sagen würde, was seine Eifersucht schüren würde.
Lächelnd drehte sie sich noch einmal zu ihm um, woraufhin er ihre Taille umfasste und sie zu einem Kuss näher an sich heranzog. Sie stieß einen überraschten Laut aus, erwiderte dann aber seinen Kuss. Sie löste sich von ihm, ließ aber ihre Hand flach auf seiner Brust liegen. Ihre Wangen röteten sich und ein wenig verlegen senkte sie den Blick.
„Ich freue mich schon, wenn wir bald zusammen am Strand sind und Zeit für uns zu zweit haben", sagte sie leise, küsste ihn noch einmal und ließ ihn dann stehen. Jonathan spürte, wie sein Körper auf diese Vorstellung reagierte, doch eilig riss er sich zurück ins Hier und Jetzt und folgte ihr ins Wohnzimmer.
Er sah Leonard durch das Fenster zum Garten hin auf der Veranda stehen, Mona hüpfte aufgeregt um ihn herum und plapperte. Genau in diesem Moment trat auch Sheila hinaus auf die Veranda und nahm einen Kuchen, der auf dem kleinen Beistelltisch stand und trug ihn in die Küche.
„Soll ich uns was zu Essen machen?", fragte sie und sah ihn fragend an.
„Also ich hätte Hunger", sagte Jonathan und grinste. Immerhin hatte er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und wie auf Kommando knurrte sein Magen.
„Okay", sagte Sheila und scheuchte ihn mit einer Handbewegung nach draußen zu den anderen, während sie sich dem Kühlschrank zuwandte.
Er befolgte ihre Aufforderung und gesellte sich zu Leonard. Mona lief gerade in den Garten und setzte sich ins Gras. Einen Moment beobachtete er sie, wie anfing, Gänseblümchen zu pflücken und eine Kette daraus zu basteln.
Jonathan setzte sich mit einem Seufzen auf die Bank und lauschte dem Klappern von Töpfen, das aus der Küche kam. Leonard setzte sich neben ihn und Jonathan spürte seinen Blick auf sich ruhen.
„Tut mir leid, dass ich schon so früh hier auftauche, aber Kathi hat mir eine Nachricht geschickt, die mich ein wenig durcheinander gebracht hat", sagte Leonard und zog sein Handy aus seiner Hosentasche.
„Sheila meinte, du hast sie um Rat gefragt", erwiderte er, ohne den argwöhnischen Ton in seiner Stimme verbergen zu können.
„Ja... Anscheinend will Kathi mich zurück, aber...", setzte Leonard an, zuckte dann aber mit den Schultern. Aufmerksam musterte Jonathan ihn, denn eigentlich fand er es ganz gut, wenn sein Cousin eine Freundin haben würde. Das würde ihn von Sheila ablenken.
„Sie hat mich schon ganz schön dämlich dastehen lassen und eigentlich hatte ich mich schon damit abgefunden, allein zu bleiben. Es war in gewisser Weise der letzte Versuch und der ist gescheitert", erklärte Leonard und fing an, sein Handy in den Fingern hin und her zu drehen.
„Wenn du sie liebst, gib ihr doch noch eine Chance", riet Jonathan, doch Leonard zog skeptisch die Augenbrauen hoch.
„Ich weiß nicht", kommentierte er nur, dann seufzte er und lehnte sich mit hinter dem Kopf verschränkten Armen zurück. Jonathan warf einen Blick zu Mona, die noch immer mit den Gänseblümchen beschäftigt war.
„Ich muss mich erst heute Abend entscheiden, denn da will sie mich treffen", fuhr Leonard fort, doch er klang so, als hätte er nicht wirklich Lust, sich mit Kathi zu treffen.
„Hör dir doch einmal an, was sie zu sagen hat und entscheide dich dann. Ist ja auch eine wichtige Entscheidung, über die man auch mal ein paar Tage lang nachdenken kann", sagte Jonathan, denn eigentlich wollte er Leonard dazu bringen, sich wieder mit Kathi zu versöhnen.
„Sheila meinte auch, ich soll mir anhören, was sie zu sagen hat", lachte Leonard dann, seufzte und fuhr sich mit den Händen durch die ohnehin schon strubbeligen Haare.
„Dann scheint das doch eine gute Idee zu sein", sagte Jonathan und stupste Leonard an der Schulter an.
„Vielleicht habt ihr recht. Aber zuerst muss ich diese bescheuerte Hemd ausziehen", sagte Leonard und fing an, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen.
„Oh Mann...", murmelte Jonathan und wandte den Blick ab. Stattdessen sah er zu Mona, die genau in diesem Moment aufstand und wieder zu ihnen auf die Veranda kam.
„Ich habe einen Blumenkrone für Mama gemacht", verkündete und zeigte ihm die aneinander geknüpften Gänseblümchen.
„Die sieht wirklich schön aus. Da freut Mama sich", sagte er, woraufhin Mona in die Küche trat und mit Sheila sprach. Leonard neben ihm erhob sich, nun nur noch ein weißes Unterhemd an und knüddelte sein Hemd zusammen.
„Bekomme ich auch eine Blumenkrone?", fragte er und streckte den Kopf durch die Glastür zur Küche.
„Ja, passt zu deinem Unterhemd", lachte Jonathan, stand ebenfalls auf und quetschte sich an ihm vorbei in die Küche.
„Ja, für dich mache ich auch eine", sagte Mona und rannte wieder nach draußen.
„Cool", sagte Leonard noch und setzte sich dann wieder auf die Bank. Jonathan ging zu Sheila, die ziemlich geschäftig in einem der Töpfe auf dem Herd herumrührte. Auf ihrem schwarzen Haar lag eine Kette aus Gänseblümchen und Jonathan musste zugeben, dass es süß aussah. Sanft legte er ihr die Hand an den Rücken und sah ihr über die Schulter.
„Ich befürchte, er wird heute Abend nicht zu Kathi gehen", sagte er leise an Sheilas Ohr, woraufhin sie nickte.
„Naja, er meinte vorhin, dass er sich mit dem Alleinsein abgefunden hat", erwiderte sie schulterzuckend, legte den Kochlöffel beiseite und drehte sich zu ihm um. Jonathan spürte, wie er unruhig wurde, doch Sheila bedeutete ihm mit einem strengen Blick, dass er nicht länger über Leonard und seine Gefühle für wen auch immer nachdenken sollte.
„Holst du schon mal Teller raus? Das Essen ist in fünf Minuten fertig", fragte sie, woraufhin er nickte und eher widerwillig ins Wohnzimmer ging. Viel lieber hätte er ihr beim Kochen zugesehen, aber er wusste, dass sie das nervte.
Seine Gedanken wanderten zu Sheila und Leonard, wie sie ihm genau das gleiche sagte, wie er vorhin. Vielleicht wollte auch sie, dass er wieder mit diesem Mädchen zusammenkam. Immerhin hatte er bis zu der kleinen Feier am Wochenende ziemlich glücklich gewirkt. Jonathan schüttelte den Kopf, warf noch einmal einen Blick zu Sheila und öffnete den Schrank, in dem sie die Teller aufbewahrten.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top