Kapitel 2 - Jonathan
„Über was hast du mit Kathi geredet?", fragte Jonathan Sheila, die noch damit beschäftigt war, ihre Klamotten zusammenzulegen. Obwohl er ziemlich sicher war, dass sie sie morgen in die Wäsche schmeißen würde, unterbrach er sie nicht. Es war schön, sie bei alltäglichen Dingen zu sehen, gleichzeitig war er noch immer erstaunt, dass jemand, der so hübsch war wie sie, sich für ihn interessierte. Und das auch schon seit zehn Jahren.
Er drehte sich auf die Seite und stützte den Kopf auf der Hand ab, um sie genauer beobachten zu können. Seine Matratze quietschte ein wenig und erinnerte ihn unbarmherzig daran, dass er in den letzten Jahren einige Kilo zugenommen hatte. Nicht, dass er dringend abnehmen musste, aber im Vergleich zu früher hatte er sich doch verändert.
Sheila hielt inne und sah zu ihm. Ihr schien gar nicht bewusst zu sein, dass sie nur in Unterwäsche dastand und dass der Alkohol seine Fantasie spielen ließ. Auch sie war betrunken, doch allmählich ließ die Wirkung bei ihr nach.
„Sie hat mich gefragt, ob Leonard es ernst mit ihr meint. Was soll ich denn auf so eine Frage antworten?", empörte sie sich und stemmte die Hände in die Hüften.
„Was hast du denn geantwortet?", wollte er wissen, doch Sheila winkte ab und schnalzte mit der Zunge.
„Ich habe ihr gesagt, dass er glücklich wirkt oder so etwas. Keine Ahnung", murmelte sie, entledigte sich auch ihrer letzten beiden Kleidungsstücke und schlüpfte in ihren Schlafanzug. Jonathans Körper reagierte auf sie, auch wenn er wusste, dass sie viel zu müde war, um noch irgendetwas anderes zu tun als zu schlafen.
„Komm her", sagte er dennoch und streckte die Hand nach ihr aus. Sheila grinste verwegen, als wäre sie sich ihrer Wirkung auf ihn durchaus bewusst und krabbelte zu ihm ins Bett. Sie kuschelte sich an ihn und fing an, mit dem Finger über seine Brust zu fahren. Jonathan zog sie enger an sich und spürte die Muskeln an ihrem Rücken, für die sie in letzter Zeit ziemlich viel trainierte.
Sie war Tänzerin, hatte aber schon einige Jahre nicht mehr in diesem Beruf gearbeitet und dem Tanzen den Rücken gekehrt. Seit knapp einem Jahr trainierte sie jedoch wieder, zusammen mit einem Kollegen, den sie bei ihrer Arbeit im Varieté kennengelernt hatte. Sie beteuerte immer, dass sie das nur zum Spaß machte, doch er wusste, dass sie sich insgeheim wünschte wieder auf der Bühne zu stehen. Wenn er sie darauf ansprach, winkte sie immer ab und meinte, dass man mit sechsunddreißig Jahren viel zu alt sei, aber er sah dabei das Funkeln in ihren Augen. Das inzwischen tägliche Training sah man ihr an, sie war wirklich gut in Form und hatte all ihre Pfunde, die sie nach der Schwangerschaft behalten hatte, wieder abgenommen und durch Muskeln ersetzt.
„Schlaf gut", murmelte er und küsste sie auf das schwarze Haar, doch Sheilas Atem beschleunigte sich auf einmal. Ihr Finger, der soeben noch über seine Brust gewandert war, fuhr auf einmal weiter nach unten. Sie küsste sanft seinen Hals, was ihn erzittern ließ.
„Was machst du?", hauchte er, doch seine Stimme zitterte.
„Weiß nicht", gab sie unschuldig zurück, schob dann aber ihre Hand in seine Hose.
Sheila war so schnell eingeschlafen, wie er es schon lange nicht mehr bei ihr erlebt hatte. Kaum dass sie sich bequem hingelegt und die Augen geschlossen hatte, schnarchte sie und Jonathan versuchte ebenfalls, einzuschlafen.
Allerdings gelang es ihm nicht, denn ihm ging Leonards Idee nicht mehr aus dem Kopf. Sicherlich war es nicht ernst gemeint und er konnte sich nicht vorstellen, dass Sheila damit einverstanden sein würde, aber Leonard hatte so begeistert geklungen. Leonard hatte tatsächlich vorgeschlagen, dass sie gemeinsam in den Urlaub fahren könnten. Er, Sheila und Mona und Leonard und seine Freundin, die er heute zum ersten Mal gesehen hatte.
Sicherlich war das eine verlockende Idee, immerhin fuhren viele Freunde gemeinsam in den Urlaub, doch Leonard und Sheila hatten eine Vorgeschichte. Nicht in dem Sinne, dass sie mal ein Paar gewesen waren, aber doch war da etwas zwischen ihnen gewesen, das sie leugnete und an das Leonard sich offensichtlich viel zu gern erinnerte. Jonathan war nicht eifersüchtig, nicht mehr, aber die Aussicht, dass Sheila und Leonard eine Woche lang jeden Tag Zeit miteinander verbrachten, gefiel ihm gar nicht. Abgesehen davon, dass es Kathi gegenüber unfair wäre, wusste er irgendwie, dass Leonard tief im Innern noch immer Gefühle für Sheila hatte. Dass sie einmal da gewesen waren, leugnete er nicht und er hatte Sheila in einem Moment erwischt, in dem er selbst versagt hatte.
Schweren Herzens dachte er an diese Zeit zurück, in der sie sich oft gestritten hatten und er mehr als einmal ein Arsch gewesen war. Allerdings wusste er, dass Sheila nichts für Leonard empfand, das über Freundschaft hinaus ging. Auch wenn es verrückt war, liebte sie nur ihn und war glücklich. Gleichzeitig sah er die Blicke, die sein Cousin ihr zuwarf und an ihr abprallten. Sicherlich hatte Kathi es auch schon bemerkt, sie schien eher der beobachtende, aufmerksame Typ zu sein. Vielleicht hatte sie deswegen mit Sheila über Leonard geredet.
Jonathan seufzte. Wahrscheinlich machte er sich viel zu viele Gedanken und die Sache wäre schon morgen vom Tisch und sie lachten darüber, was sie sich doch Dämliches unter Alkoholeinfluss ausdachten.
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