Kapitel 19 - Sheila
Nachdem Sheila Mona ins Bett gebracht hatte, ging sie wieder nach unten. Im Wohnzimmer war es dunkel, doch sie hörte die Stimmen von Leonard und Jonathan. Sie schlich durch den Raum bis in die Küche und blickte nach draußen auf die Veranda, wo die beiden auf der Bank saßen und sich unterhielten. Auf dem Tisch vor ihnen standen schon einige Bierdosen und die Stimmung schien gelöst zu sein.
Erst als sie nach draußen trat, bemerkten die beiden sie und Leonard rutschte ein Stück, damit sie sich ebenfalls setzen konnte, während Jonathan mit der flachen Hand auf seinen Schoß klopfte. Sheila schlang die Arme um sich, denn es war ganz schön kalt geworden.
Mit einer schnellen Bewegung setzte sie sich auf Jonathans Schoß, der sofort die Arme um sie schlang. Seine Körperwärme zu spüren fühlte sich gut an und ihr wurde direkt etwas wärmer.
„Ist Mona im Bett?", fragte er leise an ihrem Ohr und sie nickte. Jonathans Atem roch nach Bier, doch er schien nicht betrunken zu sein. Sheila sah zu Leonard, der offensichtlich deutlich mehr getrunken hatte. Sein Blick war glasig und seine Wangen ein wenig gerötet, doch er lächelte und schien einigermaßen zufrieden zu sein. Sheila spürte, wie Jonathan sie fester umschlang und seine Wange an ihre schmiegte.
„Sag mal... du hast doch Monas Bilder gesehen", setzte Jonathan an Leonard gerichtet an und Sheila wurde klar, dass er so lange mit diesem Thema gewartet hatte, bis sie wieder zu ihnen nach unten gekommen war.
Verwirrt sah Leonard ihn an, doch dann konnte man förmlich sehen, wie er begriff. Er fing an zu lachen und schüttelte den Kopf.
„Ihr würdet mich echt mitnehmen in euren Familienurlaub?", fragte er und sah so belustigt aus, als würde er das für einen Scherz halten. Jonathan spannte sich ein wenig an, doch Sheila wollte sich nicht einmischen. Immerhin hatte Jonathan beschlossen, seine Meinung zum Urlaub auf einmal zu ändern, da sollte er diesen Vorschlag auch Leonard machen.
„Vorausgesetzt du passt ein paar Abende auf Mona auf, damit wir beide was zu zweit machen können", sagte er vollkommen ernst. Sheila lächelte zaghaft und suchte Leonards Blick. Wie automatisch fand sie seinen und sie versuchte ihm so zu sagen, dass es ein ernst gemeinter Vorschlag war.
Als Leonard das nach wenigen Augenblicken endlich zu begreifen schien, zog er gequält die Augenbrauen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ihr nehmt mich nicht auf den Arm oder sagt das nur, weil ihr mich aufmuntern wollt?", fragte er und nun nickte Sheila.
„Nein, ich fand die Idee die ganze Zeit gut. Und Mona würde sich auch freuen, wenn du mitkommst", sagte sie und nun hellte sich Leonards Miene ein wenig auf, auch wenn er noch darüber nachzudenken schien.
„Also... wenn ihr das wirklich ernst meint... Klar, wieso eigentlich nicht?", sagte er und fing an, bis über beide Ohren zu grinsen.
„Mona möchte nach Spanien ans Meer. Klingt eigentlich ganz nett. Wie fändet ihr die Kanaren?", schlug Sheila vor und erinnerte sich daran zurück, wie sie vor etlichen Jahren schon einmal mit ihrem Vater und ihrem Bruder dort Urlaub gemacht hatten. Leonard klatschte in die Hände und lachte.
„Mein letzter Urlaub war auf Lanzarote. Ist wirklich schön da", sagte er und rutschte näher an sie und Jonathan heran.
„Wann war das denn?", fragte Jonathan und lachte, denn auch soweit Sheila sich erinnern konnte, hatte Leonard noch nie etwas von einem Urlaub erzählt.
„Auf jeden Fall vor deiner Zeit", sagte er und schluckte schwer.
„Was? So lange warst du nicht mehr im Urlaub?", fragte Sheila, denn Jonathan und sie waren zumindest einmal im Jahr weggefahren.
„Naja, ich hatte nie jemanden, mit dem ich wegfahren konnte. Und allein Urlaub machen ist auch irgendwie blöd", sagte er schulterzuckend.
„Dann wird es allerhöchste Zeit, dass du deinen Koffer packst und mal wegkommst", lachte sie, denn die Vorstellung, immer nur zu Hause zu sein, kam ihr ziemlich traurig vor. Vielleicht, weil sie und Jonathan gerne reisten und auch schon viel von der Welt gesehen hatten, aber wenn sie immer nur zu Hause bleiben würde, fiele ihr mit Sicherheit irgendwann die Decke auf den Kopf.
„Wenn das für euch wirklich in Ordnung ist... wann soll ich Urlaub einreichen?", fragte er und auf einmal schien alle Traurigkeit und all der Kummer, der ihn noch vor wenigen Stunden bedrückt hatte, von ihm abzufallen. Sheila sah zu Jonathan, der kurz nachzudenken schien.
„Wenn du flexibel bist, könnten wir uns die Tage noch mal treffen und nach Angeboten suchen", schlug er vor und voller Begeisterung nickte Leonard.
„Wie wäre es gleich morgen? Ich mache um halb fünf Feierabend, danach habe ich Zeit", fragte er, doch Sheila schüttelte den Kopf.
„Geht nicht. Diese Woche passt es bei mir nur Mittwoch oder Freitag", sagte sie und bei dem Gedanken daran, dass sie morgen nach ihrem täglichen Training mit Karim noch eine Schicht im Varieté hatte, seufzte sie unwillkürlich. Auch wenn ihr die Arbeit Spaß machte, wollte sie viel lieber ihren Urlaub planen.
„Na gut, dann am Mittwoch. Ich komme dann wieder zum Abendessen vorbei", schlug er vor und Jonathan nickte an ihrer Schulter. Plötzlich schnippte Leonard mit den Fingern, als wäre ihm etwas eingefallen, das er vergessen hatte.
„Dann bringe ich auch die Chips und die Salzbrezeln mit, die ich extra vorhin noch gekauft habe und die jetzt zu Hause liegen", sagte er und erst da erinnerte Sheila sich daran, dass er beim Einkaufen Knabberzeug für heute Abend gekauft hatte. Jonathan lachte.
„Nicht die Brezeln wieder vergessen", mahnte er, lachte dann aber. Sheila spürte eine angenehme Wärme in sich aufsteigen, denn Jonathan so ausgelassen lachen zu hören tat gut.
„Mach ich nicht. Aber so langsam sollte ich mich mal auf den Weg nach Hause machen", sagte er, seufzte missmutig und erhob sich dann. Auch Sheila stand von Jonathans Schoß auf und blickte zu Leonard auf. Auch wenn sie sich inzwischen an seine Größe gewöhnt haben musste, war sie jedes Mal überrascht, wie groß er doch war.
Hinter ihr erhob auch Jonathan sich ächzend, ging dann aber an ihnen vorbei in die Küche. Leonard griff nach ihrer Schulter und hielt sie so davon ab, ihm zu folgen. Offensichtlich wollte er noch kurz unter vier Augen mit ihr reden. Er warf einen Blick über die Schulter, doch Jonathan verzog sich ohne ein weiteres Wort ins Wohnzimmer. Leonard wandte sich wieder ihr zu und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Was hast du denn mit ihm angestellt, dass er auf einmal nicht mehr eifersüchtig ist?", fragte er mit gedämpfter Stimme und deutete mit dem Daumen über die Schulter zum Haus. Sheila grinste, denn auch wenn sie noch nicht wirklich davon überzeugt war, dass Jonathan gar nicht mehr eifersüchtig war, wusste sie mit ziemlicher Sicherheit, was ihn dazu bewogen hatte, seine Meinung zu ändern.
„Mona ist passiert. Sie hat von sich aus mit dem Urlaub angefangen und du weißt doch, dass er ihr nichts abschlagen kann", erklärte sie schulterzuckend und Leonard nickte wissend.
„Na gut, aber... nehmen wir mal an, wir machen das wirklich. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass er wieder ausflippt und dadurch alles kaputt macht. Ihm muss klar sein, dass wir befreundet sind und mehr nicht", sagte er deutlich und Sheila nickte.
„Ich spreche noch mal mit ihm. Aber er wird sich schon zusammenreißen", sagte sie, aber wenn sie ehrlich war, konnte sie Leonard noch nicht versprechen, dass Jonathan nicht zumindest eine kleine Krise bekam. Aber sie war guter Hoffnung, dass in diesem Urlaub alles besser werden würde.
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