Kapitel 119 - Sheila

Sheila hatte sich nach dem Frühstück in das Bügelzimmer begeben und angefangen, ihre ganze Wäsche aus dem Urlaub zu bügeln. Jonathan und Mona spielten irgendetwas und sie war froh, einen Moment für sich zu haben. 

Es war doch alles aufregend in letzter Zeit gewesen und sie war erleichtert, dass nun wieder Ruhe einkehrte. 

Jonathan schien ihr wirklich ihre Fehler mit Leonard verziehen zu haben, gleichzeitig schien er auch nicht wirklich darüber reden zu wollen. Es war ihr ganz recht, nur machte es ihr noch zu schaffen, dass Leonard wegen ihr litt. 

Eilig verdrängte sie den Gedanken und dachte wieder an Karim, der ihr die Fotos seiner kleinen Tochter geschickt hatte. Sie war ein wirklich süßes Baby und sie hatte ihm alles Glück auf der Welt gewünscht. 

Die ersten Wochen waren die aufregendsten, zumindest hatte sie es nach Monas Geburt so empfunden, da alles ganz anders war. Das Leben drehte sich von diesem Moment an nur noch um dieses kleine Lebewesen und es gab nichts Schöneres. 

Bei der Erinnerung an die ersten Wochen mit Mona wurde ihr warm ums Herz. Damals war zwischen ihr und Jonathan noch alles in Ordnung gewesen, keine Streits und keine Eifersüchteleien. 

Sie nahm sich vor, dass alles wieder so werden würde wie damals, denn wenn sie ehrlich zu sich war, dann war es genau das, was sie wollte. Keine aufregenden Abenteuer mit Leonard, keine dämlichen Absprachen, wer wann mit Mona Zeit verbrachte und keine kleine Wohnung, die sie sich von ihrem Gehalt gerade so würde leisten können. 

Sie wollte hier bei Jonathan und Mona sein, mehr als alles andere. 

Sie konzentrierte sich wieder auf die Wäsche, doch schnell wurde ihr Arm lahm und sie quälte sich, alles halbwegs vorzeigbar von Falten zu befreien, dann ging sie wieder nach unten, wo Mona und Jonathan sein mussten. 

Sie fand die beiden im Garten, wo Mona auf der Wiese auf einer Decke saß und auf ihrem Klemmbrett malte, während Jonathan es sich auf einem Liegestuhl in der Sonne bequem gemacht hatte. Beide schienen sie nicht zu bemerken, also schlich sie sich an Jonathan und legte die Arme von hinten um seine Schultern. 

Erschrocken zuckte er zusammen und wandte sich zu ihr um. 

„Oh, da bist du ja schon", sagte er und sie sah, wie er eilig sein Handy, das er gerade noch in der Hand gehalten hatte, auf Seite legte. 

„Was machst du da?", fragte sie, denn sie mochte es nicht, wenn er so heimlichtuerisch war. Sein Blick wanderte zu seinem Handy, dann wieder zu ihr. 

Er wirkte, als wollte er nicht so recht mit der Sprache herausrücken, seufzte dann aber und wand sich aus ihrem Griff, um sich zu ihr umzudrehen. Er klopfte mit der Hand auf seinen Schoß und Sheila folgte seiner Aufforderung und setzte sich. 

Skeptisch betrachtete sie ihn, denn er konnte tausend Dinge getan haben, die er vor ihr geheim halten wollte. Leonard schreiben, zum Beispiel. 

„Ich...", setzte er an, unterbrach sich dann aber und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. 

„Was hast du?", fragte sie und wappnete sich. Jonathan senkte für eine Sekunde den Blick, dann lächelte er und sah ihr direkt in die Augen. 

„Ich habe gerade die Miete für das nächste halbe Jahr für dein Studio bezahlt. Ich dachte... ich dachte, es würde dir vielleicht irgendwie helfen, den Kopf auszuschalten", sagte er dann und Sheila begriff im ersten Moment nicht, was er da sagte. Fassungslos sah sie ihn an, dann weiteten sich ihre Augen. 

„Du hast... was?", fragte sie kopfschüttelnd, was Jonathans Grinsen nur noch breiter werden ließ. 

„Du kannst noch ein halbes Jahr weiter tanzen, danach kannst du dich entscheiden, ob du es sein lassen willst oder nicht. Aber... ich musste daran denken, wie du im Urlaub getanzt hast und... naja, du weißt schon, auf der Promenade", sagte er, doch sofort spürte Sheila einen Stich im Herz. 

Sie wusste nur allzu genau, welchen Abend er meinte, nämlich den, an dem er sie verlassen hatte. 

„Oh... ich... danke", murmelte sie, erhob sich langsam von ihm und ging zurück ins Haus. 

Auf einmal waren ihr Tränen in die Augen geschossen, die sie ihm nicht zeigen wollte. Aber die Erinnerung an diesen jenen Abend traf sie hart und unvorbereitet und all die Gefühle von damals kamen wieder hoch. 

Eilig wischte sie die Tränen weg, als sie die Küche betrat. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Jonathan ihr hinterher lief und sie entschied sich, stehen zu bleiben. Ein wenig außer Atem kam er ihr nachgelaufen und schlang die Arme um sie. Sie spürte seinen aufgeregten Herzschlag und erwiderte seine Umarmung. 

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht daran erinnern", sagte er leise an ihrem Ohr, dann spürte sie seine Lippen auf ihren. Bevor sie den Kuss erwidern konnte, zog er sich schon wieder zurück und umfasste ihr Gesicht mit den Händen. 

„Sheila, bitte. Sei nicht mehr traurig", flehte er und suchte ihren Blick. Als ihrer den seinen traf, erkannte sie die Reue, die er empfand. 

„Ich verspreche dir, es wird alles wieder gut", sagte er und ohne darüber nachzudenken nickte sie. 

„Ja, ich... war nur nicht darauf vorbereitet. Aber... danke, dass du das für mich machst", sagte sie und lenkte ihre Gedanken wieder auf das Tanzstudio. 

Sicherlich wäre es nicht so wie mit Karim, aber es könnte ihr tatsächlich helfen, diese ganzen Streits und diese Sache mit Leonard hinter sich zu lassen. 

„Für dich würde ich alles tun", sagte Jonathan unerwartet ernst, was Sheila glucksen ließ. 

„Hey, das meine ich ernst", beschwerte er sich, grinste nun aber ebenfalls. Sheila klammerte sich an ihm fest und beugte sich vor, um ihn noch einmal zu küssen. Dieses Mal war der Kuss leidenschaftlicher und würde ihre Tochter nicht wenige Meter entfernt sitzen und malen, hätte sie ihm hier und jetzt die Klamotten vom Leib gerissen. Ihr Atem beschleunigte sich, doch eilig löste sie sich wieder von ihm und sah zu Mona, die noch immer unverändert auf ihrer Decke saß. 

„Gehen wir wieder zu ihr?", fragte sie, woraufhin Jonathan nickte, ihre Hand ergriff und sie wieder nach draußen in den Garten führte. 

„Du sag mal... Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich nachher etwas arbeite? Dann könnten wir dich morgen ins Studio begleiten", fragte er dann, was Sheila verwirrte. Jonathan war selten mit zu ihren Proben gekommen, denn das war schon immer ihr Ding gewesen, ihre Zeit, in der sie abschalten und auch von ihm eine Auszeit bekam. 

„Ja, wieso nicht", sagte sie, was ihn lächeln ließ. 

„Vielleicht eigne ich mich ja als neuer Tanzpartner", scherzte er und knuffte sie in die Seite. Sheila kicherte, denn Jonathan war vollkommen unbegabt, was das Tanzen anging. 

Sie gingen gemeinsam zurück zu Mona und setzten sich nun beide auf die Liegestühle und beobachteten sie eine Weile. 

„Ach, wann musst du eigentlich arbeiten diese Woche?", fragte Jonathan nach ein paar Minuten und erst da wurde Sheila bewusst, dass sie das Thema Arbeit erst einmal von sich geschoben hatte. Kurz überlegte sie, doch dann fiel ihr wieder ein, wie ihr Dienstplan für diese Woche war. 

„Erst am Donnerstag und Freitag wieder", antwortete sie und erst da wurde ihr bewusst, dass die Schichten ohne Karim viel langweiliger werden würden als mit ihm. 

„Also hast du am Wochenende frei?", fragte er nach und Sheila nickte. Ein Lächeln zuckte über seine Lippen, doch er schwieg. Offensichtlich plante er etwas, das eine Überraschung werden sollte. Sheila beschloss, sich darauf einzulassen und ihn nicht mit Fragen zu löchern, sondern ihn einfach machen zu lassen. Immerhin hatte auch er etwas gutzumachen und nicht nur sie. 

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