Kapitel 111 - Sheila
Sheila war vollkommen verwirrt, weil Jonathan auf einmal versuchte, sich mit ihr zu versöhnen. Es machte ihr nur noch ein schlechteres Gewissen wegen dem Kuss mit Leonard, aber gleichzeitig traute sie Jonathan nicht so recht.
Es war doch sehr unwahrscheinlich, dass es ihm auf einmal vollkommen egal war, dass sie Leonard geküsst hatte, wo er vorher einen riesigen Aufstand veranstaltet hatte, als sie sich nur unterhielten.
Kopfschüttelnd vertrieb sie Jonathan und Leonard aus ihren Gedanken und versuchte, einfach nur an nichts zu denken. Es fiel ihr schwer, aber es gelang ihr einigermaßen und sie konnte sich ein wenig in der Sonne entspannen.
Nach wenigen Minuten jedoch wurde sie von lautem Gequatsche gestört und neugierig öffnete sie die Augen und sah sich um.
Sie entdeckte einen Animateur, der ein auffälliges gelbes T-Shirt trug und an einem Mikrofon herumfummelte, das er ähnlich wie Kopfhörer an seinen Ohren befestigte, sodass das kleine Mikro nahe an seinem Mund war.
Er war braun gebrannt und zwinkerte ihr zu, was sie verlegen den Blick abwenden ließ. Erst da bemerkte sie, wie eine Gruppe von Leuten, hauptsächlich bestehend aus älteren Damen, sich in den Pool begab.
Auf einmal ertönte laute Musik und Sheila begriff, dass hier offensichtlich gleich eine Art Wassergymnastik stattfand. Sie grinste, denn sie hatte das immer albern gefunden, auch wenn es sehr anstrengend war.
Der Animateur versuchte durch Zwinkern und aufforderndes Winken, sie und die anderen Leute zum Mitmachen zu bewegen und alle, bis auf Sheila selbst, folgten seiner Anweisung. Sie kam sich dämlich vor, dass sie nun als Einzige nicht mitmachte, doch sie hatte einfach keine Lust darauf.
„Komm schon, mach auch mit", rief der Animateur durchs Mikro zu ihr und Sheila wäre am liebsten im Erdboden versunken. Sie hasste es, so bloßgestellt zu werden und sie wusste, dass sie nun keine andere Wahl mehr hatte.
Seufzend erhob sie sich, ließ sich ins kühle Wasser gleiten und stellte sich nach ganz hinten. Erst dann fing der Typ, der am Beckenrand stand und dämliche Tanzschritte, oder zumindest so etwas Ähnliches, vormachte.
Genau wie die anderen ahmte sie seine Bewegungen im Rhythmus der Musik nach und nach ein paar Minuten musste sie zugeben, dass es Spaß machte. Eine halbe Stunde lang marschierte sie auf der Stelle, hob mal den Arm, mal den anderen und spürte immer wieder die Blicke von dem Kerl auf sich.
Nachdem er sein Programm beendet hatte, klatschten sie alle und einige verließen den Pool. Sheila entschied sich, noch ein wenig im Wasser zu bleiben und die Abkühlung zu genießen. Sie legte die Arme auf dem Beckenrand ab und ließ sich treiben, bis ein Schatten auf ihr Gesicht fiel.
„Hi", sagte jemand zu ihr und schon als sie die Stimme hörte, wusste sie, dass es der Animateur war. Sie öffnete die Augen und sah ihn an. Er war am Beckenrand in die Hocke gegangen und grinste dämlich.
„Hi", erwiderte sie, eigentlich nur, um nicht unhöflich zu sein.
„Du sprichst deutsch?", fragte er mit einem eindeutig spanischen Akzent und sie nickte.
„Fantastisch, ich hätte eine Frage an dich", fuhr er fort und auch wenn Sheila eigentlich lieber ihre Ruhe gehabt hätte, sah sie ihn erwartungsvoll an.
„In zwanzig Minuten gebe ich einen Trampolinkurs. Du siehst sportlich aus, hast du nicht Lust, mitzumachen?", fragte er und Sheila war sich unsicher, was sie sagen sollte. Einerseits würde es sie von dem Gefühlschaos in ihrem Kopf ablenken. Andererseits wollte sie eigentlich nur ihre Ruhe haben.
„Trampolin?", hörte sie sich fragen und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Der Typ setzte sich neben sie an den Beckenrand und ließ seine Füße ins Wasser gleiten.
„Ja, diese kleinen Trampoline mit einem Griff, an dem man sich festhält und dann springt", erklärte er, aber Sheila wusste, was er meinte. Sie hatte das schon einmal gesehen, wie Leute sich auf einem Mini-Trampolin an einer Art Griff, ähnlich einem Fahrradlenker festhielten und zu Musik sprangen.
Es sah anstrengend aus, aber Sheila wusste instinktiv, dass sie das gut konnte, auch wenn sie es noch nie gemacht hatte. Durch ihr Tanztraining war sie gelenkig und sie konnte gut springen. Mehr brauchte man dafür nicht.
„Ja, wieso nicht", sagte sie, woraufhin der Typ beide Daumen nach oben reckte.
„Ich bin übrigens Miguel", sagte er, dann stand er auf und blickte auf sie herab.
„Dann sehen wir uns in zwanzig Minuten an der Rezeption", sagte er, dann ließ er sie allein.
Sheila gluckste, denn eigentlich mochte sie diese aufdringlichen, immer krampfhaft gut gelaunten Leute nicht. Dennoch schwamm sie zur Leiter, die aus dem Pool führte und ging in Richtung ihres Zimmers. Sie würde mit Sicherheit nicht im Bikini auf einem Trampolin herumhüpfen.
Sie öffnete Leonards Zimmertür und ließ sie hinter sich ins Schloss fallen. Noch immer spürte sie seine Anwesenheit und sie erinnerte sich an den Kuss, der unerwartet leidenschaftlich gewesen war.
Sie spürte, wie ein angenehmes Kribbeln durch ihren Körper fuhr, dann griff sie nach ihrem Koffer, kippte ihn um und öffnete den Reißverschluss. Sie suchte nach etwas, das sie gleich anziehen konnte, doch sie hatte keine Sporthose dabei.
Sie entschied sich für ein recht hochgeschlossenes Top und kramte weiter in ihrem Koffer, ob sie nicht vielleicht doch eine Stoffhose eingepackt hatte, aber sie fand keine. Unwillkürlich wanderte ihr Blick zum Bett, wo noch die Sachen von Jonathan lagen, die er ihr gestern Abend angezogen hatte. Es war eine kurze Jogginghose, die er oft im Sommer trug und wäre sie nicht zu groß, wäre sie genau dafür gemacht.
Ohne darüber nachzudenken griff sie nach der grauen Hose und schlüpfte hinein. Sie war weit und reichte ihr bis zum Knie, doch es wäre besser als ein Minirock. Sie zog die Kordel, mit der man die Hose enger ziehen konnte, fest und zog dann das Top an.
Missmutig betrachtete sie sich im Spiegel und fing an zu grinsen. Es sah dämlich aus, aber sie wollte nicht in einer kurzen Jeans oder einem Rock zum Trampolinspringen gehen. Sie richtete ihr Top, band sich die Haare zusammen und stieg in ihr einziges Paar Turnschuhe, das sie für lange Spaziergänge mitgenommen hatte.
Eilig verließ sie wieder das Zimmer und ging zur Rezeption, den Blick stur geradeaus gerichtet. Sie wollte Jonathan nicht sehen, der sicherlich noch am Strand mit Mona war.
Wenige Minuten später betrat sie das Gebäude, in dem die Rezeption lag und ließ sich auf einem der gemütlichen Sessel nieder, die dort standen. Es war noch recht leer und auch von Miguel war noch nichts zu sehen.
Sheila ließ den Blick über die Leute schweifen, deren Urlaub gerade erst begann oder die auschecken wollten. Sie beobachtete eine Weile die unterschiedlichen Menschen, bis sie aus dem Augenwinkel etwas Gelbes sah. Sie richtete den Blick darauf und erkannte Miguel, der noch immer das gelbe T-Shirt trug.
„Hey, da bist du ja", rief er und deutete mit dem ausgestreckten Finger auf sie. Sheila nickte und erhob sich, denn hinter Miguel kam eine Traube von Mädchen hinterher. Trampolinspringen zog offensichtlich eher Mädchen im Teenageralter oder knapp darüber an, vielleicht war es aber auch Miguel, der die Mädels anzog.
„Kommt, gehen wir nach unten", sagte er, machte eine Handbewegung, die bedeutete, dass man ihm folgen sollte und marschierte geradewegs an der Rezeption vorbei.
Sheila reihte sich in der Gruppe ein und folgte ihm bis zum Ende des großen Raumes, wo er durch eine Tür in einen Hinterraum ging. Es war eine Art Sportraum mit einer großen Fensterfront, vor der einige Büsche gepflanzt worden waren. Allerdings konnte man wirklich gut hineinsehen, wenn man wusste, wonach man suchte.
Ein Trampolin stand vor den anderen und auf dieses steuerte Miguel zu. Sheila verzog sich weiter nach hinten, doch Miguel zeigte wieder auf sie.
„Hey du", rief er und erst da bemerkte Sheila, dass sie ihm noch gar nicht ihren Namen gesagt hatte.
„Komm doch nach vorn", sagte er und zwinkerte, was vermutlich viele Herzen in diesem Raum höherschlagen ließ. Er war wirklich ein attraktiver Kerl, wenn man auf den Typ braungebrannter Surfer mit Schmalzlocke stand. Sheila gehorchte dennoch seiner Anweisung und spürte die gehässigen Blicke einiger Mädchen auf sich.
„Schicke Hose", murmelte eine, doch Sheila ignorierte sie. Kommentare von 15-Jährigen interessierten sie recht wenig und sie wusste, dass sie nur blöd gucken würden, wenn sie erst einmal anfingen mit dem Trampolinspringen.
Miguel war zu einem kleinen Pult gegangen, worauf sich eine Musikanlage befand und drückte einige Knöpfe. Keine fünf Sekunden später erfüllte eingängige Musik den Raum und Miguel tänzelte dämlich bis zu seinem Trampolin. Wieder trug er ein Mikrofon und er sprang elegant auf sein Trampolin.
„Erst einmal locker aufwärmen", sagte er und fing an, leicht auf und ab zu hüpfen, während er die Hände an die Griffe gelegt hatte.
„Die Schultern bleiben auf einer Höhe", rief er und Sheila tat die ersten Sprünge. Sie war froh, ein hochgeschlossenes Top angezogen zu haben, denn Miguel schien sie interessiert zu beobachten.
Eine Weile hüpften sie herum, doch dann fing Miguel an, verschiedene Schritte vorzumachen, die für einige recht schwierig waren. Er schwang die Beine nach links, dann nach rechts, während er in der Luft war und Sheila machte es ihm nach. Es war leicht und doch kam sie ein wenig aus der Puste.
„Und jetzt die Beine zum Spagat, während ihr in der Luft seid", rief er und Sheila grinste in sich hinein, als Miguel die Beine kaum weiter als 90 Grad auseinander bekam. Ihr Blick wanderte nach links zu dem Mädchen neben ihr, die ähnlich ungeschickt war, wie Miguel.
Sheila wusste, dass sie angab, aber es fühlte sich gut an. Sie sprang ab, streckte die Beine hoch und spürte ein leichtes, vertrautes Ziehen in ihren Muskeln, das ihr signalisierte, dass sie nicht weiter gehen sollte.
„Wow, wusste ich doch, dass du dich gut machst", lachte Miguel und zeigte wieder auf sie. Alle Blicke richteten sich auf sie und Sheila wiederholte den Sprung. Es fühlte sich gut an und auf einmal vermisste sie das Tanzen. Ihren Körper mit jedem Tag ans Limit zu bringen und dafür mit einem wunderbaren Gefühl belohnt zu werden.
Die restlichen Übungen, die Miguel vormachte, ließen sie glänzen und sie genoss die bewundernden Blicke der Mädchen, die sie eben noch wegen Jonathans Hose blöd angesehen hatten.
Nachdem Miguel den Kurs beendet und die Musik abgestellt hatte, ging sie ein wenig verschwitzt zurück in ihr Zimmer, um sich wieder den Bikini anzuziehen. Sie fühlte sich gut und erwischte sich dabei, wie sie lächelte.
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