Kapitel 100 - Jonathan

Jonathan saß auf einer Bank in einer riesigen Halle mit jeder Menge Hüpfburgen, Trampolinen und Klettergerüsten. Mona hatte er inzwischen aus den Augen verloren, aber sie sollte zwischendurch immer hier vorbeisehen und da sie dies normalerweise auch tat, machte er sich wenig Sorgen um sie. 

Nicole saß neben ihm, den Blick auf den Boden gerichtet. Er hatte noch nicht wirklich viel mit ihr gesprochen und wenn er ehrlich war, hatte er auch keine Lust darauf. 

Seine Gedanken kreisten unablässig um Sheila und was sie gerade tat. Sicherlich war sie mit Leonard zusammen, aber was genau machten sie? Nutzte Leonard die Gelegenheit und machte sich an sie heran? Würde Sheila einknicken? 

Jonathans Herz wurde schwer, denn schon als sie noch ein Paar gewesen waren, hatte Sheila Leonards Drängen beinahe nachgegeben. Nun, das sie kein schlechtes Gewissen mehr haben musste, wenn sie es tat, würde sie sicherlich keine Zweifel mehr haben, oder? 

Jonathans Hand zuckte zu seiner Hosentasche, wo sein Handy war, aber er hielt sich zurück. Warum sollte er sie auch anrufen? Er wusste doch schon, dass sie mit Leonard zusammen war. 

Seufzend streckte er sich und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Sein Blick wanderte durch die große Halle und er entdeckte Mona auf einem der Trampoline. 

„Jonathan", hörte er eine Stimme neben sich und automatisch wandte er den Blick zu Nicole, die ihn angesprochen hatte. Sie sah ihn fordernd an, als sei er ihr irgendeine Erklärung schuldig. 

„Was?", fragte er unfreundlich, woraufhin sie ihm einen Schlag gegen die Schulter verpasste. 

„Hey", beschwerte er sich, fühlte sich aber wieder zurück in die Realität gerissen. 

„Jetzt erzähl mir schon, was mit dir und deiner Frau los ist. Das wird dir helfen, das verspreche ich dir", drängte sie, doch Jonathan schüttelte den Kopf. Er wollte keiner Fremden erzählen, was in ihm vorging. Nicole neben ihm schnaubte, wandte dann aber den Blick ab. 

„Bei deiner Laune ist es kein Wunder, dass sie lieber bei deinem Cousin ist", sagte sie, mehr zu sich selbst als zu ihm, aber es ließ ihn heftig zusammenzucken. Nicole hatte den Blick noch immer abgewandt, als sei sie beleidigt. 

„Es ist mir egal, was sie macht. Ich habe gestern mit ihr Schluss gemacht", sagte er, woraufhin Nicole ihn mit aufgerissenen Augen ansah. 

„Hast du nicht!", entfuhr es ihr, woraufhin er erst die Schultern zuckte, dann aber nickte. Nicole sog erschrocken die Luft ein und schlug sich die Hand vor den Mund. 

„Wirklich? Im Urlaub?", hakte sie nach, aber Jonathan funkelte sie nur an, anstatt zu antworten. 

„Warum?", bohrte sie weiter, auch wenn das eigentlich auf der Hand lag. Nicole hatte die beiden doch auch gesehen, als sie zusammen in der Stadt gewesen waren. 

„Sie liebt meinen Cousin und will es nur noch nicht zugeben. Ich kann nicht mit ihr zusammen sein, wenn sie ständig mit ihm flirtet und wer weiß was noch mit ihm macht", brummte er und erst da wurde ihm bewusst, dass Nicole ihn doch zum Reden gebracht hatte. Wütend auf sich selbst, dass er so leicht zu manipulieren war, biss er die Zähne aufeinander. 

„Du glaubst, sie hat dich betrogen?", fragte sie, doch Jonathan zuckte die Schultern. 

„Ich weiß es nicht. Sie sagt nein, aber... ich glaube ihr nicht", sagte er und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. 

Er fühlte sich, als sei er einen Marathon gelaufen und verspürte das drängende Gefühl, sich ausruhen zu müssen. 

„Hat sie dich schon einmal angelogen oder warum glaubst du ihr nicht?", wollte Nicole wissen, aber Jonathan hatte keine Antwort darauf. Er seufzte und suchte nach passenden Worten, wie er seine Gefühle beschreiben konnte. 

„Es ist einfach so ein Gefühl. Sie will es nicht wahrhaben, weil sie mich nicht verlieren will", sagte er, was Nicole den Kopf schütteln ließ. 

„Dich Stinkstiefel will sie nicht verlieren? Ich habe sie mit deinem Cousin zusammen gesehen, sie wirkte glücklich. Wohingegen du sie ständig nur angemault hast", sagte sie, was Jonathan mehr zu schaffen machte, als er zugeben wollte. 

Ja, er hatte in letzter Zeit oft schlechte Laune, aber doch nur, weil Leonard und Sheila die ganze Zeit zusammenhingen. 

„Rede doch mit ihr. Offensichtlich liebst du sie und sie scheint dich auch aus irgendeinem Grund zu lieben. Ihr habt ein Kind, also... klärt das", sagte Nicole, was Jonathan nur müde lächeln ließ. Immerhin war auch sie allein mit Maja hier, ohne ihren Vater. 

„Ich überlege es mir. Ich werde aber nicht drum herum kommen, immerhin will sie bei Mona und mir im Zimmer schlafen, aber... ich will sie nicht in meiner Nähe haben", sagte er und musste an Sheilas verzweifelten Versuch heute Morgen denken, ihn zu verführen. Als würde das ihre Probleme lösen.

 „Du bist unausstehlich", kommentierte Nicole und rutschte demonstrativ ein Stück von ihm weg. Auch wenn es ihm eigentlich egal war, was sie über ihn dachte, gab es ihm schon zu Denken. 

Sheila schien den gleichen Eindruck von ihm gehabt zu haben und eigentlich waren die Streitigkeiten eher von ihm ausgegangen. Sie hatte ihn provoziert, durch ihr Herumscharwenzeln um Leonard, aber er war wirklich derjenige gewesen der schlechte Laune gehabt hatte. 

Jonathan seufzte. Wie auch immer. Er musste nach vorn sehen und versuchen, die letzten Tage im Urlaub mit seiner Tochter zu genießen, bevor er wieder zurück in den Alltag geworfen wurde.

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Etwas mehr als fünf Stunden später betrat Jonathan gemeinsam mit Mona die Hotelanlage. Die Zeit im Indoor-Spielplatz hatte einfach nicht vergehen wollen, aber Mona hatte Spaß gehabt und sich ordentlich ausgetobt, was sie hoffentlich heute Nacht gut schlafen ließ. 

Sofort hielt Jonathan Ausschau nach Sheila und Leonard, aber er konnte sie auf den ersten Blick nicht entdecken. Vielleicht waren sie ja wieder gemeinsam in die Stadt gefahren oder gingen shoppen. 

Er zog Mona in Richtung des Restaurants, denn es wurde allmählich Zeit für einen Snack, immerhin hatten sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. 

Mona klammerte sich an seine Hand und gähnte zwischendurch, was ihn hoffen ließ, dass sie sich gleich in ihr Zimmer verziehen konnten. 

„Wo ist Mama?", fragte Mona, gerade als sie die Treppe zum Restaurant hinaufgingen und sah ihn fragend an. Jonathan zuckte die Schultern. 

„Ich weiß es nicht. Vielleicht ist sie in unserem Zimmer oder bei Onkel Leonard", antwortete er und Mona nickte. 

„Kann ich sie gleich suchen?", fragte sie weiter und nun nickte er. Immerhin konnte er Mona nicht verbieten, ihre Mutter zu sehen, auch wenn ihm das im Moment eigentlich lieber war. 

Jonathans Gedanken fingen an zu kreisen und er wollte wirklich dringend wissen, was Sheila und Leonard den ganzen Tag getrieben hatten. 

War Sheila glücklich oder traurig über die Trennung? 

Seufzend führte er Mona zu einem freien Tisch, doch sie eilte direkt weiter zum Buffet und zog Jonathan an einer Hand hinter sich her. 

„Nicht so schnell", lachte er, denn ganz offensichtlich hatte Mona es eilig, zum Buffet zu kommen. 

„Ich esse nur ein Sandwich, dann suche ich Mama", verkündete sie, schnappte sich eines der dreieckigen belegten Brote, drückte anschließend auch ihm eines in die Hand und ging ihm voran wieder zurück zum Tisch. 

Jonathan schluckte schwer, denn seit Mona von ihren Streitigkeiten Wind bekommen hatte, benahm sie sich anders als sonst. 

Natürlich, es musste auch für sie schwer sein und in diesem Moment kam Jonathan sich unheimlich egoistisch vor. Er hatte an der Promenade, an der er mit Sheila Schluss gemacht hatte, nicht an Mona gedacht. Er hatte egoistisch gehandelt, weil er selbst es nicht ertragen konnte, wenn ein anderer Mann sich für Sheila interessierte. 

Plötzlich schossen ihm Tränen in die Augen, die er nur mit Mühe zurückhalten konnte. 

„Bist du traurig?", fragte Mona, mit vollem Mund und eilig schüttelte er den Kopf. 

„Nein, es ist alles in Ordnung", antwortete er und biss eilig von dem Brot ab. Er spürte Monas kritischen Blick auf sich, aber sie aßen schweigend auf. 

Kaum dass sie den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte, sprang Mona auf und bedeutete ihm mit einer eiligen Handbewegung, dass er mit ihr kommen sollte. 

„Ich gucke zuerst in unserem Zimmer", sagte Mona und lief die Treppen nach unten, die auf den Platz vor dem Restaurant führten. Jonathan folgte ihr, doch seine Gedanken kreisten. Was, wenn sie Sheila nicht in ihrem Zimmer fanden? Wenn sie wirklich bei Leonard war? 

Kopfschüttelnd vertrieb er den Gedanken, wusste aber nicht, ob er lieber wollte, dass sie in ihrem Zimmer auf ihn wartete, um mit ihm zu reden. Beides wollte er nicht und er fühlte einmal mehr das Bedürfnis, sich einfach irgendwo einzugraben und nicht mehr rauszukommen. 

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