Kapitel 10 - Jonathan
Jonathan wachte von einem merkwürdigen Leuchten auf. Als er die noch immer bleischweren Augenlider aufschlug, sah er die Quelle des unnatürlichen Lichts.
Sheila lag neben ihm im Bett und sah auf ihr Handy. Sie lag auf dem Rücken und tippte eindringlich darauf ein und auf ihrer Stirn bildete sich nach und nach eine tiefe Furche. Mühsam rollte er sich näher an sie heran, doch sie hörte nicht auf, auf ihrem Handy herumzutippen.
Erst als er seine Hand unter ihrem Schlafanzug auf ihren Bauch legte, schien sie ihn zu bemerken. Sie zuckte zusammen, lächelte dann aber und legte ihr Handy auf den kleinen Nachttisch neben sich.
„Gut geschlafen?", fragte sie und strich ihm sanft über die Wange. Jonathan streckte sich und nickte.
„Ist alles okay?", fragte er und schielte zu ihrem Handy, denn er mochte es gar nicht, wenn sie sich wegen irgendetwas Sorgen machte und dann nicht mit ihm darüber sprach. Seufzend folgte sie seinem Blick, nahm dann ihr Handy wieder in die Hand und hielt es ihm hin, damit er lesen konnte, was sie geschrieben hatte.
Es dauerte einen Moment, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, aber als er erkannte, dass sie mit Leonard hin und her geschrieben hatte, fühlte er sich auf einmal hellwach.
Reflexartig griff er nach dem Handy und nahm es ihr aus der Hand. Er las die Nachricht, die Leonard ihr vor wenigen Minuten geschrieben hatte, dann die Antwort, die sie bereits eingegeben, aber noch nicht abgeschickt hatte.
„Kathi hat Schluss gemacht. Sie hat mich angeschrien und meinte, dass ich ja offensichtlich Gefühle für eine andere habe. Was soll ich denn jetzt tun? Wie kann ich ihr beweisen, dass es nicht so ist?", schrieb Leonard und auch wenn Jonathan sich unangenehm an den vergangen Tag und die Diskussionen mit Sheila erinnert fühlte, zeigte diese Nachricht doch, dass Leonard nicht an Sheila interessiert war. Zumindest schien er seine Beziehung mit Kathi retten zu wollen.
„Erkläre es ihr. Aber wenn du mich fragst, hat sie dich nicht verdient. Sie ist gestern einfach rausgestürmt und hat dich sitzen lassen. Außerdem war sie viel zu jung für dich und du solltest sie vergessen", hatte Sheila bisher geschrieben und nun wusste Jonathan, wieso sie eben so wütend ausgesehen hatte.
„Du bist anscheinend immer noch kein Fan von Kathi?", fragte er und sah sie an. Sheila schnaubte und schüttelte vehement den Kopf.
„Du etwa? Sie hat mich gestern angefahren, obwohl ich ihr nur helfen wollte", empörte sie sich, doch auf einmal schwammen Tränen in ihren Augen. Sofort beugte Jonathan sie über sich und küsste sie.
„Hey, mach dir darüber doch keinen Kopf. Anscheinend ist sie verrückt. Wer würde schon annehmen, dass Leonard auf dich steht", scherzte er, denn ihm war durchaus bewusst, dass er in der Hinsicht manchmal Gespenster sah. Sheila grinste und wischte sich dir Tränen aus den Augen.
„Stimmt. Jeder, der das denkt ist ein Trottel", sagte sie und knuffte ihn gegen die Schulter.
„Aber noch ein größerer Trottel wäre man, wenn man denkt, ich würde jemals jemand anders lieben", sagte sie mit sanfter Stimme, legte die Hand in seinen Nacken und zog ihn zu einem Kuss heran.
Jonathans Herz stockte für einen Moment bei ihren Worten, gleichzeitig wollte es ihm aus der Brust springen. Sanft erwiderte er den Kuss, bis sich sein Herz wieder beruhigt hatte.
„Sag so was doch nicht so früh am Morgen zu mir, mein Gehirn muss erst einmal aufwachen", lachte er, ließ sich wieder auf seine Matratze fallen und rieb sich über die Augen. Sheila neben ihm kicherte, doch dann stand sie mit einer schwungvollen Bewegung auf und verschwand in Richtung Bad.
Jonathan blieb noch einen Moment liegen, bis er leises Fußgetrappel hörte. Anscheinend war Mona aufgewacht, wie üblich vor dem Wecker. Er hörte sie in ihren Zimmer oben auf dem Dachboden hin- und herlaufen, bis sie eindeutig die quietschende Treppe nach unten kam.
Keine zehn Sekunden später öffnete sich die Schlafzimmertür einen kleinen Spalt und sie streckte den Kopf herein. Sie verharrte an der Tür, bis Jonathan sie mit einer Handbewegung zu sich ins Zimmer winkte.
Eilig kam sie zu ihm gelaufen, ihre Hörgeräte noch in der Hand und sprang auf Sheilas Seite des Bettes. Sie hielt ihm die Hörgeräte hin, ohne die sie so gut wie taub war. Jonathan nahm sie und zog sie ihr an. Ein paar Sekunden lang saß Mona reglos da, bis sie das leise Piepen hörte. Sofort schmiss sie sich auf ihn und umarmte ihn fest.
„Na du, gut geschlafen?", fragte er und Mona nickte.
„Wo ist Mama?", fragte sie und Jonathan sagte es ihr.
„Bringst du mich heute in den Kindergarten?", fragte sie und er nickte. Sheila würde zwar ein wenig traurig sein, aber Mona war schon immer eher auf ihn fixiert gewesen. Jonathans Herz schmerzte regelmäßig, wenn er Sheilas traurigen Blick sah, wenn Mona lieber etwas mit ihm unternehmen wollte oder über ihre Sorgen mit ihm sprach.
Auch äußerlich sah Mona ihm ziemlich ähnlich. Obwohl Sheilas Haar schwarz war, hatte Mona genau wie er dunkelbraunes, eine schmale Nase und volle Lippen. Nur ihre Augen waren ebenso dunkel wie die von Sheila.
Jonathan strich Mona über den Kopf und küsste sie auf den Scheitel.
„Sollen wir dich fertig machen?", fragte er und sie nickte, beinahe begeistert.
„Nur noch fünf Mal in den Kindergarten, dann komme ich in die Schule!", verkündete sie freudestrahlend und sprang aus dem Bett.
„Erst hast du doch noch ganz viele Tage Ferien. Da kannst du den ganzen Tag spielen", erinnerte er sie und wieder nickte sie.
„Fahren wir denn auch in den Urlaub in den Ferien?", fragte sie und sah ihn flehend an. Komischerweise hatten sie sich dieses Jahr noch gar keine Gedanken über Urlaub gemacht, bis auf gestern.
Allerdings war das nicht verwunderlich, denn sie beide, Sheila und er, hatten relativ viel Stress. Mona wurde immer lebhafter und wissbegieriger, gleichzeitig arbeitete er selbst mehr als sonst und Sheila war in ihrem Training ziemlich eingespannt.
Aber eigentlich konnte er sich nicht beschweren. Mit seiner Musik lief es gut und Sheila und Mona schienen glücklich zu sein, was wollte man mehr?
„Wir können Mama ja gleich mal fragen, was sie von einem Urlaub hält", schlug er vor, was Mona zum Strahlen brachte.
„Aber jetzt musst du dich anziehen, sonst kommst du zu spät in den Kindergarten", mahnte er sie, auch wenn sie noch massig Zeit hatten.
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