Epilog

Sheila

Sheila war gestresst und sie hoffte, dass Mona und Jonathan schon schliefen und sie sich einfach nur noch in ihr Bett kuscheln und das Gleiche tun konnte. 

Ihre Schicht im Varieté war ungewöhnlich anstrengend gewesen und sie war unendlich erleichtert, nun endlich zu Hause zu sein. 

Schon in wenigen Tagen würde Jonathan nach Bremen fahren, aber sie hatte das Wochenende zum Glück frei, sodass sie noch etwas Zeit zusammen verbringen konnten. 

Etwas fahrig schloss sie die Tür auf und schlich möglichst leise in den Flur. Es war bereits halb ein Uhr in der Nacht und sie wollte verhindern, dass Jonathan aufwachte, also tapste sie im Dunkeln bis zur Garderobe und zog sich die Schuhe aus. 

Als sie sich umwandte, um die Treppe nach oben zu schleichen, machte sie ein ungewöhnlicher Schatten aufmerksam. Ein Schock durchfuhr sie, denn als sie genauer hinsah, erkannte sie im dämmrigen Licht einen Koffer, der neben dem Treppenaufgang stand. 

Panisch tastete sie, ob sie sich auch nicht geirrt hatte, aber tatsächlich stand dort ein Koffer. Ein gepackter Koffer, dem Gewicht nach zu urteilen. 

Sheila entfuhr ein Keuchen und schnell presste sie die Hand vor den Mund. Was hatte das alles nur zu bedeuten? 

Sheila spürte, wie sie panisch wurde, denn es konnte unmöglich Jonathans Koffer für Bremen sein, denn er würde erst kommenden Donnerstag wegfahren. Wollte er schon früher weg? 

Sheilas Herzschlag beschleunigte sich und vollkommen blind rannte sie die Treppe nach oben und hastete ins Schlafzimmer. Zu ihrer Überraschung saß Jonathan im Bett, den Rücken an das Kopfteil gelehnt und grinste sie an. 

Vollkommen verwirrt trat sie näher zu ihm, doch er wirkte weder wütend noch verletzt noch sonst irgendwie, was auf einen Rausschmiss von ihr oder ein freiwilliges Gehen von ihm schließen ließ. 

„Was...?", stammelte sie, doch bevor sie einen klaren Satz zustande brachte, erhob Jonathan sich, kam auf sie zu und legte ihr die Arme um die Taille. 

„Überraschung", flüsterte er, lächelnd und gar nicht wütend. Kopfschüttelnd sah sie ihn an und forderte stumm eine Erklärung. Jonathans Grinsen entnahm sie, dass er nicht vorhatte, sie zu verlassen, aber noch immer begriff sie nicht, was das alles sollte. 

„Wir drei, Mona, du und ich fahren morgen früh nach Hamburg. Ich... dachte das würde dich vielleicht freuen", sagte er und das erste Mal sah sie so etwas wie Verunsicherung in seinem Blick. 

Sheila brauchte einen Moment, bis die Nachricht zu ihr durchgedrungen war und sah ihn kopfschüttelnd an. 

„Du hast einen Ausflug nach Hamburg organisiert? Hinter meinem Rücken?", fragte sie und ein wenig schuldbewusst nickte er. 

„Ja, wir haben doch noch die Freikarten für ein Musical und ich dachte, dass es uns gut tun würde", erklärte er und zog sie ein wenig enger an sich. Ungläubig sah Sheila ihn noch einen Moment lang an, doch dann schlang sie die Arme um ihn und schmiegte sich an ihn. 

Es freute sie, dass er sich die Mühe gemacht hatte, sie zu überraschen und tatsächlich würde es ihr guttun, mal von allem hier wegzukommen. Vielleicht würde sie es dann schaffen, die quälenden Gedanken an Leonard loszuwerden, die sie in den letzten Tagen gut verborgen gehalten hatte. 

„Freust du dich?", fragte er leise an ihrem Ohr und sofort nickte sie. 

„Ja, ich habe mich nur erschrocken wegen dem Koffer", erklärte sie, was ihn leise lachen ließ. 

„Dachtest du, ich mache mich aus dem Staub?", fragte er, was sie gleichzeitig zusammenzucken und lachen ließ. 

„Bei dir weiß man ja nie", scherzte sie und stupste ihn am Arm an. 

„Aber eine Sache weißt du. Nämlich dass ich dich liebe", sagte er und Sheila spürte das vertraute Kribbeln der Verliebtheit in sich aufsteigen. 

„Du bist süß", sagte sie und schob ihn in Richtung Bett. 

„Und du weißt, dass ich dich liebe, auch wenn du mich zu Tode erschreckt hast", sagte sie und schubste ihn auf das Bett. Er ließ sich fallen und stützte sich auf den Ellbogen ab, sodass er sie beobachten konnte. 

Sheila war sich seiner Blicke durchaus bewusst und sie fing an, ganz langsam ihre Bluse aufzuknöpfen. Sie hörte, wie sein Atem heftiger wurde und dachte an die letzten Tage zurück. 

Seit sie aus dem Urlaub zurückgekommen waren, schien er unersättlich zu sein, was körperliches Verlangen anging. Es schmeichelte ihr und sie wusste, wie sie ihn reizen konnte. 

„Wir sollten schlafen, bestimmt fahren wir morgen früh los, hab ich recht?", fragte sie, ließ absichtlich verführerisch ihre Bluse auf den Boden fallen und lächelte ihn an. Jonathan grinste, schüttelte aber ganz langsam den Kopf. 

„Du weißt, dass wir vorher noch etwas anderes tun müssen, wenn du dich so ausziehst", sagte er, was Sheila glucksen ließ. 

„Wir sind keine Teenager mehr und unsere Tochter schläft oben", sagte sie, schlüpfte auch aus ihren restlichen Klamotten und zog sich ihren Schlafanzug an. Sie spürte, dass er ihr mit seinem Blick folgte, als sie sich zu ihm ins Bett legte und unter die Decke krabbelte. 

„Ich bin müde, die Arbeit war die Hölle", sagte sie, schloss demonstrativ die Augen und wartete darauf, dass er zu ihr kam. 

Keine zwei Sekunden später spürte sie seine Hände an ihrer Hüfte und seine Lippen auf ihrer Schulter. Sofort entspannte sie sich und sie genoss seine Berührungen, die sie schnell erwiderte.

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Der nächste Morgen kam unerwartet schnell und Sheila glaubte, erst fünf Minuten geschlafen zu haben. Mit schweren Gliedern drehte sie sich zu Jonathan um, der sanft an ihrer Schulter gerüttelt und sie somit geweckt hatte. 

„Gut geschlafen?", fragte er leise, doch bevor Sheila antwortete, streckte sie sich erst einmal ausgiebig. 

„Zu kurz", antwortete sie dann, was Jonathan grinsen ließ. 

„Du kannst gleich im Auto weiterschlafen, wenn du willst fahre ich", sagte er und Sheila nickte. Noch einmal streckte sie sich, dann setzte sie sich auf und wartete, bis ihr Kreislauf einigermaßen in Gang gekommen war. Jonathan tat es ihr gleich und erst da bemerkte sie, dass er bereits angezogen war. 

„Bist du schon lange wach?", fragte sie, woraufhin er den Kopf schüttelte. 

„Vielleicht eine Stunde. Ich konnte nicht mehr schlafen", erklärte er, dann hielt er ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. 

„Freust du dich auf unser Familien-Wochenende?", fragte er und sofort nickte sie. 

„Ja, das wird sicher schön", sagte sie und nun nickte er. 

„Ich wecke eben Mona", sagte er, küsste sie auf die Wange und verschwand. Sheila sah ihm verwirrt nach, denn er wirkte ungewöhnlich fahrig. 

Mühsam kramte sie nach ein paar frischen Klamotten, denn die Müdigkeit wollte nur langsam verschwinden. Nachdem sie sich für eine bequeme Jeans und ein T-Shirt entschieden hatte, griff sie nach ihrem Handy und schlurfte ins Bad. Wie gewöhnlich ging sie nach unten, damit Mona sich im Bad im mittleren Geschoss fertig machen konnte, auch wenn von ihr noch nichts zu hören war. Wahrscheinlich war auch sie noch ziemlich müde, genau wie sie selbst. 

Während sie nach unten ging sah sie auf ihr Handy und bemerkte, dass sie eine neue Nachricht hatte. Neugierig klickte sie sie an und bereute es sofort. Sie war von Leonard, der ihr einen recht langen Text geschickt hatte. 

Sie beschloss, ihn in Ruhe im Bad zu lesen, damit Jonathan nicht auf einmal auftauchte und ihr über die Schulter sah. Sicherlich würde das seine Laune nicht gerade verbessern und das konnte sie heute nicht gebrauchen. 

Immerhin wollten sie sich ein schönes Wochenende machen. Sheila eilte ins Bad, schloss die Tür hinter sich und ließ sich auf dem geschlossenen Klodeckel nieder, dann öffnete sie die Nachricht. 

Ihr Herz pochte ihr bis zum Hals, denn tatsächlich hatte sie in den letzten Tagen noch viel an Leonard denken müssen. Sie spürte, wie ihre Hände anfingen zu zittern, als sie die ersten Worte der Nachricht las. 

„Hi, ich dachte, es sind inzwischen ein paar Tage vergangen und ich könnte mich noch einmal bei dir melden. Bitte lass uns noch einmal reden. Mir ist klar, dass ich mir falsche Hoffnungen gemacht habe und ich weiß, dass du und Jonathan anscheinend irgendwie zusammengehört. Ich flehe dich an, lass uns noch einmal einen Kaffee trinken gehen, damit ich mit allem abschließen kann. Bitte", schrieb er und Sheila zerriss es das Herz, da er offensichtlich sehr litt. 

Ein paar Sekunden lang starrte sie noch auf die Buchstaben, die vor ihren Augen verschwammen, doch dann traf sie eine Entscheidung. Mit zitternden Fingern schrieb sie ihm eine Nachricht zurück. 

„Es tut mir leid, dass es dir wegen mir schlecht geht, aber ich kann nicht. Noch nicht. Gib mir noch etwas mehr Zeit, dann können wir vielleicht noch einmal über alles reden. Aber jetzt würde es meine Wunden nur wieder aufreißen und deine sicherlich auch", schrieb sie und hoffte, dass Leonard es verstehen könnte. 

Sie bemerkte, dass er sofort die Nachricht gelesen hatte und wartete gespannt, ob er darauf noch antworten würde. 

„Okay, aber... wenn du dich nicht mehr meldest, stehe ich irgendwann vor deiner Tür", schrieb er, gefolgt von einem zwinkernden Smiley. Unwillkürlich musste sie grinsen, doch schnell verschwand es wieder. Sie wusste, dass Leonard eigentlich nicht damit einverstanden war, aber er akzeptierte ihren Wunsch, was es nur umso schwerer machte, ihn zu vergessen. 

Eilig warf sie das Handy auf ihren Klamottenhaufen auf dem Boden und beeilte sich, unter die Dusche zu kommen. Sicherlich würde ihr das heiße Wasser guttun und sie hoffte, Leonard endlich aus ihrem Kopf zu bekommen.

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Jonathan

Jonathan wartete schon mit Mona im Auto, bis Sheila endlich alles in ihrer Handtasche verstaut hatte. Gehetzt kam sie aus dem Haus, riss die Autotür auf und ließ sich mit einem Seufzen auf den Beifahrersitz fallen. 

„Entspann dich", sagte er, startete dann den Motor und lenkte den Wagen aus der Einfahrt. 

„Ja, ich... weiß auch nicht, ich bin irgendwie gestresst", erklärte sie und beruhigte sichtbar bemüht ihren Atem. Jonathan wusste, dass Leonard ihr geschrieben hatte, denn auch er selbst hatte diese Nachricht bekommen. Leonard hatte sie auch ihm geschickt, damit er nicht eifersüchtig wurde. Warum auch immer er das für nötig hielt. 

Einerseits war er froh, von der Nachricht zu wissen, andererseits machte es ihn nervös. Wie würde Sheila nun reagieren? Hatte sie ihm geantwortet? 

Panisch dachte er an seine bevorstehende Reise nach Bremen, denn da bot sich die perfekte Gelegenheit für die beiden, sich heimlich zu treffen. 

Mühsam richtete er seine Gedanken wieder auf die Straße und fuhr in Richtung der Autobahn. Schon nach fünf Minuten erkannte er im Rückspiegel, dass Mona schlief und er sah kurz zu Sheila, die gedankenverloren aus dem Seitenfenster sah. 

„Alles okay?", fragte er leise, dennoch zuckte Sheila zusammen. Sie sah ihn einen Moment lang an, ihre Augen wanderten von links nach rechts, so als würde sie über etwas nachdenken. 

„Ja, ich denke schon. Leonard hat mir heute Morgen geschrieben. Er will mich treffen, aber... ich habe ihn auf später vertröstet", sagte sie dann und er sah, wie ihre Wangen sich rot färbten. Kurz zögerte er, aber dann entschied er sich, ihr die Wahrheit zu sagen. 

„Er hat mir die Nachricht auch geschickt, die er dir geschickt hat. Also weiß ich, dass er sich mit dir treffen will", sagte er, was Sheila erneut zucken ließ. 

„Oh... und... was sagst du dazu?", fragte sie, doch Jonathan verstand nicht ganz, was sie meinte. 

„Was soll ich schon dazu sagen?", fragte er nach und Sheila wirkte einen Moment lang so, als würde sie ihre Worte sorgfältig abwägen. 

„Offensichtlich ist er noch an mir interessiert. Bist du... nicht eifersüchtig?", fragte sie, was Jonathan überraschte. Er hatte eher damit gerechnet, dass sie ihn um Erlaubnis fragen würde, sich mit ihm treffen zu können. 

„Naja, schon ein wenig. Aber ich weiß, dass du mit mir zusammen sein willst", sagte er und hasste den selbstgefälligen Ton in seiner Stimme. Sheila nickte, senkte dann aber den Blick. 

„Aber wäre es für dich okay, wenn ich ihn vielleicht noch einmal treffe, damit er alles loswerden kann? Nicht in den nächsten Tagen, vielleicht in ein paar Wochen, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen ist", wollte sie wissen und ohne darüber nachzudenken nickte er. 

Es wäre sinnlos, wieder mit seiner Eifersucht anzufangen, denn Sheila hatte ihm inzwischen mehr als einmal gezeigt, dass sie sich bemühte, Leonard zu vergessen. 

„Solange du mir versprichst, dass du deine Finger bei dir behältst und mir von dem Treffen erzählst, wäre es okay", sagte er und spürte eine kleinen Schwall Eifersucht in sich hochkochen, denn die Vorstellung, wie die beiden in einem Café saßen und unter dem Tisch Händchen hielten, verletzte ihn. 

„Danke. Ich werde nichts tun, das verspreche ich dir. Ich lasse ihn einmal alles erzählen und mehr nicht", sagte sie hektisch, als hätte sie Angst, er würde es sich anders überlegen, wenn sie es nicht unendlich oft versprach. Aber an dieser Situation war er wohl selbst Schuld. Jonathan tastete nach Sheilas Knie und legte seine Hand darauf. 

„Hey, mach dir keine Gedanken. Es ist doch alles gut zwischen uns", versicherte er ihr, woraufhin sie nickte und ihre Hand auf seine legte. 

„Ja. Ich bin nur froh, wenn... wenn mein Hirn endlich kapiert hat, dass mein Herz dich liebt und nicht ihn", sagte sie leise. Ihre Worte schmerzten, aber es war auszuhalten. 

„Ich verspreche dir, dass du dieses Wochenende nicht an ihn denken wirst. Dafür wirst du viel zu viel Spaß haben", versprach er und hoffte, dass das auch stimmte. Sheila lachte leise. 

„Stimmt. Das wird ein schönes Wochenende", sagte sie, lehnte sich dann mit einem Seufzen etwas entspannter zurück und schloss die Augen. Immer wieder warf Jonathan ihr Blick zu, denn am liebsten hätte er sie einfach nur angesehen. 

In diesem Moment wurde ihm klar, dass er glücklich war. Auch wenn das Band zwischen ihm und Sheila schon an einigen Stellen geflickt war, hielt es und war stabil. Vor allem Mona war es, die es reparierte und all die Risse, die Leonard schon hineingefressen hatte, flickte. 

Jonathan grinste über diese Vorstellung, aber sie gefiel ihm. Jeder hatte doch mal eine Krise, manche eben öfter als andere, die Hauptsache war doch, dass man diese Krisen gemeinsam durchstand. Und genau das taten Sheila und er. 

Jonathan trat das Gaspedal durch und rauschte die Autobahn entlang. Es war merkwürdig, aber irgendwie kam es ihm vor, als würde er in Richtung Glück fahren. Er wusste nicht, wieso er auf einmal so sentimental wurde, aber die Gewissheit, dass Sheila noch immer bei ihm war, obwohl er sich wie der letzte Arsch benommen hatte, zeigte ihm, wie sehr sie an dieser Ehe festhielt. 

Diese Gewissheit gab ihm ein ungemeines Gefühl der Zufriedenheit und er spürte den Drang, Sheila zu beweisen, dass er der Richtige für sie war. Natürlich hatte sie sich eigentlich schon für ihn entschieden, aber er wollte, dass sie sich immer und immer wieder für ihn entschied. 

Jonathan spürte, wie er lächelte und noch einmal betrachtete er seine Tochter im Rückspiegel. Sie schlief noch immer seelenruhig und er war unendlich erleichtert, dass sie seine und Sheilas Eskapaden im Urlaub gut verkraftet hatte. 

„Schatz?", riss Sheilas Stimme ihn aus seinen Gedanken und eilig sah er zu ihr. 

„Mh?", fragte er und sah abwechselnd auf die Straße und zu ihr. 

„Lass uns nie wieder wegen so etwas Dämlichem streiten, okay?", fragte sie so leise und verschlafen, dass Jonathan sich nicht wirklich sicher war, ob sie im Schlaf redete oder wach war. 

„Okay", antwortete er, woraufhin Sheila sich ein wenig zu ihm herüber beugte und ihm einen Kuss auf die Wange drückte. 

„Ich liebe dich", hauchte sie leise an seinem Ohr, kicherte leise und kuschelte sich wieder in den Beifahrersitz. Keine fünf Sekunden später fing sie leise an zu schnarchen, noch immer ein Lächeln auf dem Gesicht. 

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