Kapitel 103 - Duygu

Völlig außer Atem und zitternd rannte Duygu den Flur entlang bis zu ihrer Wohnungstür. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie beinahe eine halbe Minute brauchte, um den Schlüssel endlich ins Schlüsselloch zu schieben. 

Was hatte sie nur angerichtet? Davide hatte es nicht verdient, dass sie so abweisend zu ihm war, aber was sollte sie stattdessen tun? Sich auf ihn einlassen und ihm in einem günstigen Moment sagen, dass sie schwanger sein könnte und zwar von ihm? 

Auch wenn er beinahe fertig war mit seinem Studium, konnten sie sich kein Kind leisten. Geschweige denn, dass sie selbst sich in der Lage fühlte für ein Kind zu sorgen. 

Mit pochendem Herzen lehnte sie sich an die Tür und glitt auf den Boden. Sie kramte nach ihrem Handy, denn irgendetwas musste sie tun, mit jemandem sprechen. Vielleicht mit jemandem, der die Sache ein wenig realistischer betrachtete als Hatice, denn die würde es mit Sicherheit nur aufregend finden. 

Sie scrollte durch die Kontaktliste in ihrem Handy und blieb schließlich bei der Nummer ihres Vaters hängen. Auch wenn er ihre Mutter damals im Stich gelassen hatte, würde er sich besser in ihre Lage hineinversetzen können, als Hatice. Ohne lange darüber nachzudenken rief sie ihn an. 

Es dauerte eine ganze Weile, bis er abnahm und sofort erkannte sie die Hintergrundgeräusche. Er saß im Auto, wahrscheinlich war er gerade auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. 

„Hey, endlich meldest du dich. Wie war deine Reise?", begrüßte er sie ungewöhnlich überschwänglich und gut gelaunt. Sie brachte nur einen erstickten Laut hervor, doch dann lächelte sie. 

„Ja, es war schön. Aber... könntest du vielleicht vorbei kommen? Ich könnte jemanden zum Reden gebrauchen und... vielleicht könntest du was mitbringen?", sagte sie dann, ohne darüber nachzudenken. Ihr Vater schien einen Moment zu überlegen. 

„Ja, klar. Ich bin gerade noch unterwegs, aber ich könnte in einer halben Stunde bei dir sein. Was soll ich mitbringen? Pizza oder Döner?", fragte er, was sie wieder leise kichern ließ, doch nur für eine Sekunde. 

„Nein ich...", setzte sie an, doch ihre Stimme versagte. 

„Bist du okay?", fragte ihr Vater dann, der nun endlich bemerkt zu haben schien, dass sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. 

„Nein... ich... vielleicht habe ich ein Problem", sagte sie. Es war so unglaublich schwer, es ihm zu sagen. 

„Was für ein Problem?", hakte er nach und genau in diesem Moment hörte sie, wie er den Blinker setzte. Dämliche Freisprechanlage. Duygu schloss die Augen und atmete einmal tief durch. 

„Kannst du mir einen Schwangerschaftstest mitbringen? Einen dieser Früherkennungsdinger? Gibt es in der Drogerie, habe ich gegoogelt", sagte sie schließlich in einem Rutsch und wartete angespannt auf die Reaktion ihres Vaters. 

Einige Sekunden war es still, doch dann stöhnte er. Es klang wie eine Mischung aus Verzweiflung und Wiedererkennung. 

„Bitte sag mir, dass der nicht für dich ist", flehte er, auch wenn ihm klar sein musste, was Sache war. 

„Können wir da nicht gleich drüber reden? Ich drehe noch durch", sagte sie und spürte, wie sie schon wieder anfing zu zittern. Gleichzeitig hörte sie, wie das Motorengeräusch im Hintergrund lauter wurde, anscheinend beschleunigte ihr Vater. 

„Okay, beruhige dich. Wird schon alles gut werden. Ich beeile mich", sagte er, dann legte er auf. Duygu ließ ihr Handy neben sich auf den Boden fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. 

Was für ein Schlamassel. Sie wischte sich mit den Händen durchs Gesicht, dann zwang sie sich, sich zusammenzureißen. Mühsam erhob sie sich vom Boden und ging ins Bad, wo sie sich im fahlen Licht der blöden Leuchtröhre betrachtete. Sie sah schrecklich aus und bei der Vorstellung, wie sie hier gleich mit ihrem Vater saß und wartete, bis das Ergebnis des Tests erkennbar wurde, kam ihr die Galle hoch. 

Hoffentlich gab es für all das eine andere Erklärung als eine Schwangerschaft. Doch tief in ihr flüsterte ihr eine kleine, nicht verstummen wollende Stimme zu, dass es keine andere Erklärung gab. Ihr wurde schwindelig und sie musste sich mit beiden Händen am Rand des Waschbeckens festklammern, damit sie nicht fiel. Als sie sich nach ein paar Sekunden wieder gefangen hatte, ging sie zurück in den Flur, um ihr Handy zu holen.

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