Kapitel 7 - Matthias

„Komm noch mal her", forderte Matthias und breitete die Arme aus. Jonas würde nur bis morgen Abend weg sein, dennoch fühlte es sich merkwürdig schwer an, ihn gehen zu lassen. Jonas gehorchte und umarmte ihn fest. Matthias legte seine Hände an seine Hüfte und zog ihn eng an sich. Er bemerkte den schwachen Geruch nach Rauch, der inzwischen so vertraut war, dass er ihn kaum noch störte. 

„Okay, also... Pass auf dich auf", sagte er, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und suchte seinen Blick, die Hände noch immer an seinen Hüften. 

„Mach ich. Ich bin ja morgen schon wieder zurück", sagte er sanft, allerdings bemerkte Matthias allein beim Klang seiner Stimme, dass er eigentlich nicht fahren wollte. 

„Ich liebe dich", hauchte Matthias, küsste ihn zärtlich auf die Lippen und löste sich von ihm. Jonas lächelte und senkte verlegen den Blick. Es war schon verrückt, dass er tief in sich drin auch nach all den Jahren noch immer unsicher war. 

„Ich liebe dich auch", erwiderte er, schob ihm mit einer schnellen Bewegung das Haar hinters Ohr und wandte sich zum Gehen. 

„Schreib mir, wenn du angekommen bist", sagte er, was Jonas mit einem Nicken beantwortete, dann verschwand er aus der Wohnungstür. 

Matthias machte einen Schritt nach vorn und schloss sie leise, anschließend schlenderte er mit den Händen in den Hosentaschen in Aaliyahs Zimmer, um dort ein wenig aufzuräumen. Vielleicht sollte er wirklich beharrlicher darauf bestehen, dass sie ihr Zimmer ordentlicher aufräumte. Er sammelte benutzte Gläser und Bonbonpapierchen ein und brachte beides in die Küche. 

Auf einmal fiel sein Blick auf den Esstisch und die Kuchenform mit den Cupcakes, die Jonas mit zu Antoine nehmen wollte. Er stieß einen erschrockenen Laut aus, griff nach der Form und stürmte aus der Wohnung. So schnell er konnte rannte er auf Socken die angenehm kühlen Marmorstufen nach unten, doch als er auf die Straße trat, war von Jonas schon nichts mehr zu sehen. Sein Blick wanderte abwechselnd von den Cupcakes auf die Straße, aber er war zu spät. Jonas war schon gefahren. 

Schulterzuckend ging er wieder nach oben und stellte die Cupcakes auf dem kleinen Wohnzimmertisch ab. Dann würde er sie eben alle allein essen müssen. Grinsend nahm er den Deckel ab und genehmigte sich einen der süßen kleinen Küchlein, die er gestern mit Aaliyah gebacken hatte. 

Als er sich die Krümel von den Fingern wischte, bemerkte er die Stille, die ihn auf einmal umgab. Es war ungewohnt, dass er allein war und komischerweise fühlte er sich ein wenig beklommen. 

Seine Gedanken schweiften zu Jonas und unweigerlich stellte er sich ihn in der Disko vor, wie er mit seinen Freunden trank und Spaß hatte. Natürlich gönnte er ihm, dass er sich nach all dem Stress auf der Arbeit noch einmal ablenken konnte, aber immer wieder schlich sich auch dieser elende Markus in seine Gedanken. Jedes Mal, wirklich jedes Mal, wenn Jonas in Frankreich war, tauchte dieser Kerl auf und brachte ihn durcheinander. Nicht, dass Jonas ihn betrügen würde, aber ihn störte einfach schon die bloße Tatsache, dass Markus ihn anscheinend liebte. Oder Gefühle für ihn hatte. 

Matthias schnaubte, nahm sich noch einen Cupcake und holte sein Handy aus dem Schlafzimmer. Vielleicht würde ihm das Treffen mit seiner Schwester ganz gut tun, auch wenn sie offensichtlich mit irgendetwas zu kämpfen hatte. 

Er entschied sich sie kurz anzurufen, damit sie einen Treffpunkt ausmachen konnten. Als er Sheilas Nummer wählte und anschließend dem Tuten lauschte, fing er an, nervös an seinem Daumennagel zu knabbern. Sicherlich würde es ihm auch guttun, wenn Sheila ihn ein wenig beruhigen könnte, dass Jonas sicherlich Markus nicht begegnete. 

„Hey", begrüßte Sheila ihn, klang dabei aber müde und abgekämpft. 

„Hey. Wann willst du dich treffen?", fragte er ohne Umschweife, woraufhin Sheila einen Moment lang überlegte. 

„Treffen wir uns doch im Einkaufszentrum", schlug sie vor, allerdings war Matthias von dieser Idee nicht wirklich begeistert. 

„Es ist Samstag und bestimmt voll", bemerkte er und dachte an die Massen, die samstags ins Einkaufszentrum strömten. 

„So schlimm wird es sicherlich nicht. Ich brauche ein Kleid und du musst mich beraten", flötete sie, nun ganz und gar nicht mehr bedrückt. 

„Okay, meinetwegen. Aber... ist sonst alles okay?", fragte er vorsichtig, denn es war klar, dass Sheila sich mit der Shoppingtour nur ablenken wollte. Sie seufzte. 

„Ja, es ist nur... Mona hat ein paar Probleme mir ihren Implantaten", sagte sie und sofort fühlte Matthias sich schlecht. Er hatte erwartet, dass sie und ihr Mann Jonathan sich mal wieder wegen irgendeiner Kleinigkeit in den Haaren hatten, aber die Tatsache, dass ihre kleine Tochter gesundheitliche Probleme hatte, machte ihm ein wenig Angst. 

„Erzählst du es mir gleich? Ich könnte mich direkt auf den Weg machen", sagte er schnell und ging währenddessen bereits in den Flur, um sich die Schuhe anzuziehen. 

„Okay. Treffen wir uns am Eingang?", fragte sie noch und als er zugestimmt hatte, legte er auf. Hoffentlich war mit Mona alles okay. Sie war inzwischen vier Jahre alt und schon seit ihrer Geburt hatte sie gesundheitliche Probleme. Sie war beinahe taub und Sheila und Jonathan hatten sich entschieden, ihr Hörimplantate einsetzen zu lassen. Tatsächlich konnte sie dadurch beinahe perfekt sprechen und sie schien kaum eingeschränkt zu sein. 

Eilig schnappte Matthias sich sein Portemonnaie vom Schuhschrank im Flur und schob es in seine Hosentasche. Anschließend verließ er die Wohnung und machte sich auf den Weg ins Einkaufszentrum, das mit dem Auto knapp fünfzehn Minuten entfernt lag.

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Einige Zeit später hetzte Matthias zum Eingang und erkannte Sheilas pinken Haarschopf schon von Weitem. Er winkte und als sie ihn entdeckte, hob sie ebenfalls die Hand. Sie löste sich von dem Schaufenster, an dem sie eben noch gelehnt hatte und kam durch die Menschenmenge hindurch auf ihn zu. 

„Hey", rief er, als sie keinen Meter mehr von ihm entfernt war und lächelte. Auch wenn Sheila es erwiderte, erreichte es nicht ihre Augen. Sie bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, dass er ihr ins Innere des Einkaufzentrums folgen sollte und setzte sich in Bewegung. Matthias ging ihr nach, bis sie schließlich das Einkaufszentrum betraten. 

Es war ein riesiges Gebäude mit allerlei Geschäften und schien die Menschen aus der Umgebung gerade am Wochenende wie magisch anzuziehen. Es war voll und schon jetzt war er genervt. In der Mitte des Ganges, an dem sich die Geschäfte säumten, waren einige Bänke aufgestellt, die jedoch allesamt bereits besetzt waren. 

„Gehen wir da hinten hin", sagte Sheila und deutete auf ein kleines Café. Er nickte und drängte sich durch die Menschenmenge, bis sie schließlich den letzten freien Tisch im Café ergattern konnten. Zum Glück lag er ganz in der Ecke, sodass sie ein wenig geschützt vor den vorbeihetzenden Leuten waren. 

Nachdem sie sich gesetzt hatten, suchte Matthias Sheilas Blick. Erst da bemerkte er die tiefen Ringe unter ihren Augen und wie erschöpft sie aussah. 

„Was ist los?", fragte er, doch anstatt zu antworten nahm sie die Karte aus dem Halter in der Mitte des Tisches und vergrub die Nase darin. Geduldig wartete er, bis sie sie wieder in den Halter steckte und seinen Blick erwiderte. 

„Mona hat im Moment Probleme. Die Ärzte bekommen die Hörgeräte nicht richtig eingestellt und sie will sie nicht mehr tragen", berichtete sie und seufzte. Matthias sah sie entschuldigend an, denn sicherlich war das alles auch für Mona nicht einfach. 

„Und Jonathan hat natürlich nichts Besseres zu tun als mich anzumeckern. Als ob ich nicht genau so gestresst wäre, wie er", beschwerte sie sich und schüttelte ungläubig den Kopf. Matthias wusste, dass Sheila und Jonathan sich manchmal ganz schön in die Haare bekamen, aber eigentlich vertrugen sie sich schnell wieder. 

„Er ist sicherlich nur im Stress und meinte es nicht so", versuchte er sie zu beschwichtigen. Sheila rutschte ein wenig unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. 

„Ja, ich weiß. Trotzdem tut es weh. Aber ich habe mir gedacht, dass ich ihn vielleicht mit einem neuen Kleid überraschen kann", sagte sie und augenblicklich hellte sich ihre Miene auf. Matthias erwiderte ihr Grinsen. 

„So genau wollte ich es nicht wissen, aber Shoppen lenkt dich ab. Na komm, machen wir uns los und du erzählst mir noch mal genauer, was die Ärzte gesagt haben", forderte er sie auf und erhob sich. Obwohl sie noch nichts bestellt hatten und der Kellner noch mit den anderen Gästen beschäftigt war, nickte sie und erhob sich ebenfalls. 

„Okay", sagte sie griff nach seinem Arm und zog ihn durchs Getümmel geradewegs in eine kleine Boutique. 

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