Kapitel 57 - Matthias

Nervös zerquetschte Matthias den kleinen Stoffball, der an seinem Autoschlüssel baumelte, während er darauf wartete, dass sein Vater ihm die Tür öffnete. Unweigerlich wanderte sein Blick durch die Glasscheibe neben der grünen Haustür ins Innere, aber mehr als einen Haufen Schuhe und zwei Schulranzen konnte er nicht entdecken. 

Wie immer, wenn er hier war, fühlte er sich klein und unbedeutend, denn das Haus seines Vaters war einfach nur riesig. Hohe Glasfronten zierten die Giebelseiten, die für seinen Geschmack ein wenig zu viel der Privatsphäre raubten, aber unheimlich schick aussahen. 

Gerade als er den Blick wieder nach vorn richtete, wurde die Haustür endlich geöffnet. Er blickte in das genervte Gesicht seines Halbbruders Maxim, der genau wie Aaliyah neun Jahre alt war. 

„Hi", sagte er, aber Maxim wandte sich schon wieder ab und ließ die Tür einfach offen stehen. 

„Maxim, komm sofort wieder her", begrüßte ihn die Stimme von Lisa, der Freundin seines Vaters. Tamara, Maxims jüngere Schwester, schrie wie am Spieß. Offensichtlich war er zu einem wirklich ungünstigen Zeitpunkt aufgetaucht. 

Schweigend zog er sich die Schuhe aus und ging den unendlich großen Flur entlang bis er in den Wohnbereich kam. Anscheinend hatte noch niemand seine Anwesenheit zur Kenntnis genommen, denn Maxim eilte gerade wieder die Treppe nach oben, wo allem Anschein nach das reine Chaos herrschte. 

Matthias seufzte, ließ sich auf dem Sofa nieder und sah sich um. Er war allein in dem großen Raum. Das Sofa, ein großes, graues Ungetüm, stand mitten im Raum, dahinter eine der Glasfronten. Zu Matthias Linken lag der Essbereich und rechts standen weitere Sessel und jede Menge Regale mit Büchern. Hinter dem Essbereich, der von einem riesigen Tisch dominiert wurde, lag ums Eck die offene Küche. Es war ein schönes Haus, es wirkte beinahe wie aus dem Katalog, aber für seinen Geschmack war es einfach viel zu groß. Wenn er sich recht erinnerte, hatte sein Vater mal etwas von 240 Quadratmetern Wohnfläche erzählt, das was ungefähr doppelt so groß wie das Haus, in dem Sheila und er aufgewachsen waren. 

Seufzend legte er den Kopf auf der Rückenlehne ab und ließ den Blick nach oben schweifen. Das Wohnzimmer war nach oben hin offen, sodass er die Dachschräge von hier aus erkennen konnte. Erst über den Bereich der Küche, dem Flur und dem Gästezimmer, das gegenüber der Küche, getrennt durch den Flur lag, war das Obergeschoss ausgebaut. 

Matthias blickte nach oben, denn das obere Stockwerk war eine riesige Galerie. Er sah direkt in den Flur, der wie ein Balkon vor ihm lag. Eine Glasscheibe hinderte neugierige Kinder daran, herunter ins Wohnzimmer zu fallen. Geradeaus lag das Bad, rechts das Elternschlafzimmer und links die beiden Kinderzimmer, aus denen noch immer Geschrei kam. 

Kopfschüttelnd kramte er sein Handy aus der Hosentasche und warf einen Blick darauf. Niemand hatte sich bei ihm gemeldet, auch wenn Oskar ihm eigentlich auf diesem kleinen blöden Zettel geschrieben hatte, dass er es tun wollte. Genau in diesem Moment erschien Lisa, eine schlanke, blonde Frau, oben im Flur. Beinahe erschrocken sah sie zu ihm herunter. 

„Oh, du bist schon da?", fragte sie und begab sich, bevor er auch nur hatte antworten können, zur Treppe. Matthias setzte sich ein wenig aufrechter hin, schob sein Handy zurück in die Hosentasche und wartete, bis Lisa nach unten gekommen war. Endlich verstummte auch der Lärm aus den Kinderzimmern und Matthias glaubte, sie erleichtert durchatmen zu hören. Als sie wenige Augenblicke später zu ihm ins Wohnzimmer trat, lächelte sie. 

„Tut mir leid, die beiden sind vollkommen wahnsinnig heute", sagte sie und machte eine Kopfbewegung nach oben. Matthias grinste, denn er wusste nur zu gut, wie sehr Geschwister sich streiten konnten. 

„Wie geht's dir?", fragte sie, während sie sich erschöpft neben ihn auf das Sofa fallen ließ. Matthias Brust wurde eng. Lisa war immer so aufmerksam und auch wenn sie nicht seine leibliche Mutter war, hatte sie sich in den letzten Jahren durchaus in sein Herz geschlichen. Nicht, dass sie eine Ersatzmutter war, immerhin war er schon erwachsen gewesen, als sein Vater und sie ein Paar geworden waren, aber sie war eine Vertraute geworden. 

Erst als er sie ansah, wurde ihm klar, dass er bereits jetzt zu lange gezögert hatte. Ihre wachen, blauen Augen musterten ihn eindringlich, aber nicht drängend. Für eine Sekunde überlegte er, sich ihr anzuvertrauen. Und zwar nur ihr, denn sie würde den Mund halten, wenn er sie darum bat. Sie würde es nicht herumposaunen, sich lautstark darüber echauffieren und sich viel zu sehr einmischen, wie es Sheila mit Sicherheit tun würde. Und sie würde nicht direkt in Panik verfallen, dass er wieder mit dem Trinken anfing, so wie sein Vater es tun würde. 

Ein wenig verlegen schob er die Hände zwischen die Knie und holte tief Luft. Dass er es den anderen auch erzählen musste stand außer Frage, aber Lisa würde ihm vielleicht ein wenig helfen können. Ihre ruhige, besonnene Art allein wirkte schon manchmal Wunder. Sie wartete geduldig, bis er bereit war zu sprechen, aber genau in diesem Moment klingelte es. Er sah, wie sie einen panischen Blick zur Tür warf, bevor sie ihn wieder ansah. Plötzlich verließ ihn der Mut. 

„Später, okay?", fragte Lisa, drückte sanft seine Schulter und erhob sich. Matthias sah ihr nach, wie sie zur Tür ging und sie öffnete. Herein purzelten die restlichen Leute, von denen er erwartete, dass sie auftauchen würden. Allen voran seine Schwester Sheila mit Mona, gefolgt von seiner Tochter Duygu und ihrem Freund Michael. Jonathan schien nicht dabei zu sein, wahrscheinlich ruhte er sich noch von seinem Treppensturz aus. Matthias kämpfte sich auf die Beine und ging den anderen entgegen. Nur von seinem Vater fehlte bisher noch jede Spur. 

„Hey, da bist du ja schon", rief Sheila aus, wirbelte auf ihn zu und drückte ihn fest. Nach wenigen Sekunden ließ sie ihn wieder los, schwang ihr langes, pinkes Haar über die Schulter und drängte sich an ihm vorbei. Mona lächelte ihn schüchtern an und als er ihr zuwinkte, hob sie ebenfalls die Hand. Sie war noch ein wenig schüchtern, aber das war vollkommen okay, immerhin war sie erst vier. Als auch Mona ins Wohnzimmer gegangen war, wandte er sich Duygu zu, die sich gerade noch die Turnschuhe auszog. Sie hatte inzwischen auch langes Haar, das ihr bis in den Rücken fiel und ihr Teint war deutlich dunkler als sein eigener. 

„Hey", sagte sie und grinste. Allerdings wandte sie sich schnell wieder zu ihrem Freund um, der ein wenig schlaksig wirkte. Matthias mochte ihn, er war ein netter Kerl und Duygu und er waren schon ein paar Jahre zusammen. Er winkte ihm zögerlich, was Michael lächelnd erwiderte. Allerdings scheuchte Duygu ihn zu den anderen ins Wohnzimmer, während sie selbst bei ihm stehen blieb und ihn musterte. 

„Papa, ist alles okay? Ich... habe irgendwie so ein komisches Gefühl. Aaliyah hat da was erzählt und...", sagte sie so leise, dass nur er es hören konnte. Unwillkürlich zuckte er zusammen. 

„Was... was hat sie denn erzählt?", fragte er nervös und spürte, dass seine Gedanken anfingen, umherzukreisen. Hatte Aaliyah womöglich berichtet, dass Jonas in den letzten Wochen immer seltener Zeit für sie hatte? Duygu beugte sich noch näher an ihn heran, bevor sie sprach. 

„Naja, sie meinte, dass Jonas oft lange gearbeitet hat und dass sie ihn vermisst", sagte sie leise, klang aber so, als wollte sie eigentlich etwas ganz anderes sagen. Matthias schluckte. Auch wenn Duygu erwachsen war und sie beide nur fünfzehn Jahre trennten, war sie noch immer seine Tochter. Er sollte ihr das Gefühl geben, dass alles in Ordnung war. 

„Ja, er hat wirklich viel zu tun im Moment und...", setzte er an, merkte aber schon bei den ersten Worten, dass ihn jeder, der auch nur den Hauch von Menschenkenntnis hatte, ihn durchschauen würde. Er seufzte, hob den Blick und sah in die dunklen Augen seine Tochter. 

„Es... es kriselt im Moment ein wenig. Ich muss ihm ein paar Tage Zeit geben und...", sagte er, doch auf einmal schossen ihm Tränen in die Augen. Panisch schlug er die Hand vor den Mund und wandte sich ab. Duygu legte beruhigend die Hand auf seine Schulter und führte ihn in das angrenzende Gästezimmer, um den neugierigen Blicken aus dem Wohnzimmer zu entkommen. Dankbar folgte er ihr und wartete, bis sie die Tür geschlossen hatte. 

Allerdings wurde sie nach kaum einer Sekunde wieder geöffnet und er erkannte Lisa, die hereinkam. Sorgfältig schloss sie die Tür wieder hinter sich und trat näher an ihn heran. Matthias wusste, dass das hier der Moment war, in dem er sich öffnen sollte. Denn sicherlich gäbe es den ganzen Abend über keine andere passende Gelegenheit, wenn er nicht wollte, dass der ganze Mob da draußen – vor allem Sheila – über sein Liebesleben diskutierte. 

Er wischte sich die Tränen von den Wangen, atmete tief durch und sah anschließend erst Duygu, dann Lisa an, auf der sein Blick hängen blieb. 

„Bitte behaltet es erst noch für euch, ich... ich will nicht, dass sich alle einmischen, bevor ich selbst weiß, was los ist", sagte er und auch wenn er Duygu nicht angesehen hatte, sah er im Augenwinkel wie sie nickte. Beruhigend legte Lisa eine Hand auf seine Schulter, während Duygu seine Hand nahm. Matthias schloss die Augen, denn er spürte, wie sich schon wieder neue Tränen bildeten. 

„Jonas hat Schluss gemacht. Er ist wieder mit seinem Ex zusammen, glaube ich", sagte er so leise, dass er Angst hatte, die beiden hätten es nicht gehört. Als Duygu erschrocken nach Luft schnappte, wusste er, dass sie durchaus verstanden hatte. 

„Was? Ich meine... das geht doch nicht", sagte sie und auf einmal fing auch sie an zu schluchzen. Panisch sah Matthias zu ihr und bemerkte, dass auch sie den Tränen nahestand. Was nur logisch war, immerhin war er ziemlich lange ein Teil ihres Lebens gewesen. Matthias zuckte die Schultern, bevor er weitersprach. 

„Er hat mit ihm geschlafen, als er in Frankreich war und... naja, mehr weiß ich eigentlich auch nicht. Er blockt alles ab und erklärt gar nichts", brummte er, klang aber gleichzeitig weinerlich. Lisas Griff um seine Schulter verstärkte sich. 

„Was willst du jetzt machen?", fragte sie, ruhig und besonnen wie immer. Matthias zuckte übertrieben die Schultern und warf die Arme in die Luft. Er wurde wütend. 

„Ich habe keine Ahnung, verdammt! Ich will nicht, dass er einfach verschwindet."

Heftig fing er an zu zittern, bis Lisa ihn fest an sich zog. Zögernd erwiderte er die Umarmung und komischerweise fühlte es sich tröstlich an. 

„Du willst nicht, dass ihr euch trennt", stellte sie fest und auch wenn es keine Frage war, nickte er. 

„Ich weiß nur nicht, wie ich ihn davon überzeugen soll. Ich... ich dachte, ich gebe ihm ein paar Tage Zeit und... dann reden wir noch einmal", plapperte er weiter, ohne wirklich darüber nachzudenken. 

„Das klingt vernünftig", sagte Lisa, löste sich wieder von ihm und nickte ihm zu. 

„Oh Papa", stieß Duygu aus, umklammerte seinen Arm und weinte leise. Eilig legte er ihr die Hand auf den Kopf und fuhr sanft durch ihr Haar. 

„Nicht weinen. Das wird schon alles wieder", sagte er, auch wenn er sich da gar nicht so sicher war. Sie nickte an seiner Schulter, schniefte noch einmal und wischte sich anschließend die Tränen aus dem Gesicht. 

„Könnte das vielleicht erst einmal unter uns bleiben? Ich... ich werde in ein paar Tagen noch mal versuchen, mit ihm zu sprechen", sagte er und wie erwartet nickten beide. 

„Du kannst immer vorbeikommen, wenn etwas ist, okay?", versicherte sich Lisa noch, was er wiederum mit einem Nicken beantwortete. Für einen Moment lang sammelte Matthias sich, bevor er sich selbst Mut zusprach. Immerhin gab es da noch etwas anderes, das er loswerden musste. Allerdings wollte er von seiner Kündigung gleich allen erzählen, denn das war eindeutig ein weniger sensibles Thema. 

„Gehen wir wieder zu den anderen", sagte er und straffte die Schultern. 

„Okay. Darren müsste auch gleich kommen, er wollte was zu Essen holen", erklärte Lisa und augenblicklich knurrte sein Magen. 

„Essen klingt wunderbar", sagte er bemüht fröhlich, anschließend verließen sie das Gästezimmer. Er spürte, dass alle sie anstarrten, aber niemand schien etwas sagen zu wollen. Langsam setzte Matthias sich wieder auf das Sofa, neben seine Schwester, die Mona auf dem Schoß hatte. Inzwischen waren auch Maxim und Tamara nach unten gekommen, die sich jedoch noch immer giftige Blicke zuwarfen. 

„Alles okay?", fragte Sheila leise, woraufhin er sofort nickte. Er wollte ihr noch nicht von dieser ganzen Sache mit Jonas erzählen, für ihr Drama das sie unweigerlich daraus machen würde, war er noch nicht bereit. Sheila stupste ihn an der Schulter an, doch bevor sie ihn noch weiter in die Mangel nehmen konnte, wurde die Haustür aufgeschlossen und sein Vater kam herein. 

Er balancierte zwei gigantische Pizzakartons, die beinahe drohten, herunterzufallen, als er die Haustür mit einem Schubser zustieß. Sofort rannte Michael zu ihm und nahm sie ihm ab. Matthias sah, dass er übers ganze Gesicht strahlte, als hielte er den größten Schatz in den Händen. Michael machte eine Kopfbewegung zu Duygu, die sofort aufsprang und die Blumenvase vom Esstisch nahm, damit er die zwei Ungetüme darauf platzieren konnte. Sogar die Pizzen waren in diesem Haus ungewöhnlich groß. 

Matthias grinste, erhob sich und begab sich zusammen mit den anderen an den Esstisch. Darren, sein Vater, war in der Küche verschwunden und holte Teller und Besteck aus dem Schränken. Er stellte alles ans Kopfende des Tisches, aber niemand beachtete ihn, sondern stürzten sich auf die dampfende Pizza. 

„Also echt, als hättet ihr seit Tagen nichts zu Essen mehr bekommen", beschwerte er sich mit einem Lächeln auf dem Lippen und ging zu Lisa, die sich ebenfalls schon ein Stück genommen hatte und es über dem aufgeklappten Deckel aß. Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange und setze sich neben sie, direkt gegenüber von Matthias. 

Er spürte, dass sein Vater ihn musterte. Mühsam schluckte er den Bissen hinunter und räusperte sich. Besser er sagte allen sofort, dass er seine Arbeit verloren hatte. Sonst würde er sicherlich die ganze Zeit darüber nachdenken müssen und vielleicht lenkte es so die anderen auch von der Tatsache ab, dass Jonas nicht hier war. 

„Ich muss euch was sagen", setzte er mit lauter Stimme an und sofort richteten sich mehrere Blicke auf ihn. Nur die Kinder schien es nicht zu interessieren, die Pizza war eindeutig interessanter als er. 

Auf einmal bemerkte er, dass seine Hand zitterte und er legte die Pizza zurück in den Karton. Am durchdringendsten ruhte der Blick seines Vaters auf ihm, der schon wieder die Augenbrauen zusammengezogen hatte, so wie er es immer tat, wenn er wütend war. Unruhig rutschte er hin und her, atmete tief durch und sprach es einfach aus. 

„Meine Zweigstelle der Caritas wird geschlossen und ich wurde gekündigt."

Für eine geschlagene Minute herrschte angespannte Stille, dann fingen alle auf einmal an zu plappern. Auch Lisa und Duygu, die davon noch nichts gewusst hatten, sahen ihn ungläubig an. 

„Scheiße. Und was machst du jetzt?", fragte Sheila, während sein Vater langsam dem Kopf schüttelte und anschließend eine Hand an die Stirn legte, als müsste er sie kühlen. 

„Weiß nicht. Morgen ist mein letzter Tag und... naja, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist in knapp sechs Monaten bin ich freigestellt bei Lohnfortzahlung", erklärte er und auch wenn das eigentlich gute Nachrichten waren, sah sein Vater ihn schon wieder so an, als sei er eine einzige Enttäuschung. 

Seit er damals, vor inzwischen zwanzig Jahren Esra geschwängert hatte, als sie beide erst vierzehn gewesen waren, hatte er diesen Blick ziemlich gut drauf. 

„Bis dahin hast du ja noch etwas Zeit, was neues zu finden", sagte Sheila beinahe fröhlich, so als würde das alles halb so wild sein. 

„Das stimmt", pflichtete Lisa ihr bei, legte aber gleichzeitig eine Hand auf Darrens Schulter, um ihn zu besänftigen. 

„Ich kann wirklich nichts dafür. Louisa wurde auch gekündigt", erklärte er leise, sodass nur sein Vater und Lisa es mitbekamen, was seinen Vater tatsächlich ein wenig freundlicher aussehen ließ. 

„Ja, ist nur trotzdem mehr als unglücklich", kommentierte er trocken, so als würde Matthias das nicht selbst wissen. Nur mit Mühe konnte er ein Augenrollen unterdrücken. 

„Ich finde schon was neues", sagte er, auch wenn er noch keine Minute darauf verschwendet hatte, sich um eine neue Stelle zu bemühen. Matthias sah, wie Lisa seinem Vater etwas eindringlicher die Schulter drückte, bis er sie abschüttelte. Sichtlich zwang Darren sich zu einem Lächeln. 

„Okay, das klappt schon alles. Ein halbes Jahr Zeit hast du ja noch. Und Sozialarbeiter werden überall gesucht", sagte er, allerdings wusste Matthias, dass er ihm eigentlich etwas ganz anderes hatte sagen wollen. So etwas wie: Das war bestimmt wieder einmal deine Schuld oder: Wage es ja nicht, einen Cent weniger an Esra zu zahlen, selbst wenn du dir dann nur noch trockenes Brot leisten kannst. Dennoch nickte Matthias und lächelte ebenfalls. 

„Ich kriege das hin, Papa. Du musst dir keine Sorgen machen", sagte er selbstsicherer, als er sich fühlte. 

„Wenn du Hilfe brauchst, dann sag mir Bescheid", bot sein Vater sich noch an und auch wenn Matthias nickte, wusste er schon jetzt, dass er von ihm kein Geld nehmen würde. Denn das hatte er zweifelsfrei damit gemeint. Sein Vater hatte schon viel zu viel Geld wegen ihm ausgeben müssen, als Duygu auf die Welt gekommen war und er logischerweise noch keinen Unterhalt hatte zahlen können. 

„Ja Papa, du findest bestimmt schnell wieder was. Michi bräuchte einen Sozialarbeiter, denn er kriegt sein Leben nicht auf die Reihe", scherzte Duygu und stieß ihren Freund am Arm an, der jedoch verlegen den Blick senkte. 

Matthias grinste, denn nicht erst einmal hatte Duygu sich über Michaels fehlende Motivation zur Ordnung und seine Unfähigkeit, sein Studium mit der Entschlossenheit durchzuziehen wie sie selbst, beschwert. Aber er war jung, als er in seinem Alter gewesen war, hatte er auch ganz andere Dinge im Kopf gehabt, als zu Studieren und seine Bude aufzuräumen. 

„Du hast einfach zu hohe Ansprüche", sagte Michael und Matthias konnte sich nur zu gut vorstellen, dass er dafür heute Abend einen drüber bekommen würde. Matthias nahm sich wieder das Stück Pizza heraus und komischerweise fühlte er sich schon viel erleichterter. Gut, das mit Jonas wussten noch nicht alle, aber dafür war er auch noch nicht bereit. Vielleicht kam Jonas ja noch zur Vernunft und in ein paar Tagen wäre alles wieder in Ordnung. 

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