Kapitel 3 - Matthias

Verwirrt sah Matthias Esra an, denn anstatt Aaliyah aus ihrem Zimmer zu holen und mit ihr nach Hause zu fahren, senkte sie auf einmal verlegen den Blick auf den Boden. Er schob die Hände in die Hosentaschen, blies die Wangen auf und sah sie an. Er wusste nicht so recht, was er zu ihr sagen sollte, denn auch wenn sie inzwischen ganz gut miteinander auskamen, hatte er keine Lust darauf, dass sie ihre Probleme bei ihm ablud. 

„Können wir mal reden?", fragte sie, als könnte sie seine Gedanken lesen und wollte ihn absichtlich ärgern. Einen Moment lang sah er sie zweifelnd an, nickte aber schließlich. Er wusste, dass sie ihm noch immer vertraute, auch wenn sie sich eigentlich gar nicht mehr nahe standen. 

„Schieß los", forderte er sie auf, als sie stumm blieb. Sie holte tief Luft und trippelte von einem Fuß auf den anderen. Innerlich verdrehte Matthias die Augen. Nicht, weil er ihre Sorgen nicht ernst nahm, aber er war einfach nicht der Richtige, um sie zu teilen. 

„Ich...", setzte sie an, unterbrach sich aber und wandte den Blick ab. 

„Sag es einfach."

Als sie den Blick wieder hob, erkannte er eine Mischung aus Freude und Angst. Ihre Lippe zitterte, gleichzeitig lag in ihren Augen ein freudiger Schimmer. Allerdings warf sie eilig einen Blick in Richtung Aaliyahs Zimmer, so als wollte sie sicher gehen, dass weder sie noch Jonas etwas davon mitbekamen. 

Als sie ihn wieder ansah, beugte sie sich näher an sein Ohr und hielt die Hand an ihren Mund, so als wollte sie es wirklich nur ihm sagen. Nun war er doch ein wenig neugierig, was sie loswerden wollte und beugte sich näher an sie heran. Er roch ihren auch nach all den Jahren noch immer vertrauten Duft und er spürte eine ihrer Locken an seiner Schulter. 

„Ich bin schwanger", flüsterte sie so leise, dass er es beinahe nicht gehört hätte. Gleichzeitig klingelte es in seinen Ohren. Panisch trat er einen Schritt zurück und sah sie fassungslos an. 

„Schon wieder?", fragte er lauter als beabsichtigt und schüttelte ungläubig den Kopf. Esra schluckte schwer und nickte. Matthias konnte nicht glauben, was sie ihm da sagte. Er legte die Hände auf den Kopf und wanderte ein paar Schritte auf und ab. Das würde wirklich so einiges ändern. Auch wenn er nichts mit dem Kind zu tun hatte, würde sein Vater in Esras Leben und somit auch in dem seiner Kinder eine Rolle spielen? 

Nun ja, vielleicht in Duygus Leben nicht mehr wirklich, immerhin war sie erwachsen und wohnte mit ihrem Freund Michael in ihrer eigenen Wohnung, aber was war mit Aaliyah? Würde er womöglich noch bei ihnen einziehen? 

„Ja, schon wieder", fauchte Esra und verschränkte die Arme vor der Brust. 

„Und...", setzte Matthias an, warf aber nun ebenfalls einen kurzen Blick zu Aaliyahs Zimmer um sicherzugehen, dass Jonas und sie nichts mitbekamen. 

„Wirst du es behalten? Und wer ist überhaupt der Vater?", fragte er mit gedämpfter Stimme und er erinnerte sich nur zu gut daran zurück, wie Esra sich schon einmal dafür entschieden hatte, ein Kind abzutreiben. Nicht seines, aber dennoch. Es war nicht richtig. 

Esra schnaubte verächtlich. 

„Ja, ich werde es behalten. Und es geht dich gar nichts an, wer der Vater ist", fuhr sie ihn an, schulterte Aaliyahs Schulranzen und stapfte in Richtung Flur. Kopfschüttelnd sah er ihr nach, bis sie Aaliyahs Zimmertür aufstieß und ihr mit einer energischen Kopfbewegung bedeutete, dass es nun wirklich Zeit wurde, zu gehen. 

Unwillkürlich drängte sich das Bild von Esra und einem fremden Mann in sein Hirn, das sich nur schwer wieder vertreiben ließ. Nicht, dass er eifersüchtig war, aber es gefiel ihm einfach nicht, dass sie irgendwelche fremden Typen aufgabelte und dann noch nicht einmal richtig verhütete. 

Auf einmal setzten sich seine Füße in Bewegung und er packte sie an der Schulter. Überrascht wandte sie sich um, sah aber gleich darauf wieder zu Aaliyah. 

„Beeil dich", sagte sie und keine Sekunde später flitzte Aaliyah an ihnen vorbei ins Bad. 

„Ich... ich wollte nicht gemein klingen, aber...", setzte er an, allerdings schienen seine Worte es nur noch schlimmer zu machen. 

„Schon okay. Jetzt weißt du es ja", sagte sie, machte sich von ihm los und ging zur Wohnungstür. 

„Aaliyah", rief sie genervt, legte die Hand an die Türklinke und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf. 

Matthias sah zu Jonas, der noch immer auf Aaliyahs Bett saß, die Hände neben seinen Beinen auf die Matratze gestemmt, als wollte er sich hochdrücken, schaffte es aber nicht. Offensichtlich war er im Stress und es behagte ihm gar nicht, dass Jonas gleich noch so weit Auto fahren wollte. 

Auf einmal hörte er die Klospülung und keine zwei Sekunden später kam Aaliyah aus dem Bad und kam zu ihm. Wie immer hielt sie ihm die Wange hin, damit er sie küsste, eilte dann zu Jonas und machte bei ihm das Gleiche. 

„Wir sehen uns am Mittwoch", sagte er, als sie wieder aus ihrem Zimmer kam und strich ihr noch einmal übers Haar. 

„Ich ruf dich die Tage an", sagte Esra und verschwand anschließend ohne noch einmal zu ihm zurück zu sehen aus der Wohnung. 

Sofort stieß er die Luft aus und lehnte sich mit dem Rücken an den Türrahmen. Er wusste nicht so recht warum, aber Esra schaffte ihn jedes Mal aufs Neue. 

Sein Blick wanderte zu Jonas, der gerade aufstand und zu ihm kam. Er schlang die Arme um seinen Hals und ein wenig überrascht von der Umarmung erwiderte Matthias sie. 

„Bin ich froh, wenn auf der Arbeit wieder weniger los ist", sagte er leise an seiner Schulter und schmiegte sich an ihn. Matthias schluckte. Er wusste, dass Jonas nicht mit ihm über die Arbeit sprach. Nicht nur, weil er es nicht durfte, sondern auch, weil er ihn nicht belasten wollte. Jonas arbeitete seit drei Jahren bei der Bundespolizei in einem Team von verdeckten Ermittlern im Bereich der Cyberkriminalität. Das war die offizielle Bezeichnung dafür, dass sie sich in die Computer von potenziellen Straftätern hackten und im Darkweb nach Auftragsmördern, Pädophilen und Betrügern suchten, indem sie Kontakt mit ihnen aufnahmen. Er fand, dass das ziemlich cool klang, wusste aber, dass auch ziemlich viel Druck damit einherging, wenn sie nicht rechtzeitig handelten. 

Anscheinend liefen die Ermittlungen in den letzten Wochen auf Hochtouren und nicht erst einmal glaubte er, dass Jonas irgendwann einfach umkippen würde. Burnout. Natürlich sah er das ganz und gar nicht ein und hängte sich noch mehr in die Arbeit rein. 

Nach ein paar Sekunden löste Jonas sich wieder von ihm, küsste ihn hastig auf die Lippen und verschwand dann in Richtung Küche. 

Matthias schluckte schwer, denn noch immer geisterte ihm die Information durch den Kopf, die Esra ihm gerade gegeben hatte. Sie würde ein Kind bekommen. Kopfschüttelnd versuchte er den Gedanken zu vertreiben und folgte Jonas in die Küche. 

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