Kapitel 22 - Jonas
Dröhnender Kopfschmerz, das war Jonas erste Empfindung, als er die Augen aufschlug. Er stöhnte und fasste sich mit der Hand an den Kopf, während er sich gleichzeitig zusammenrollte.
Erst nach uns nach wurde ihm bewusst, wo er war. Er lag in einem Bett. In Markus Bett, fiel ihm wieder ein. Oh nein! Mit schwerfälligen Bewegungen schlug er die Decke zurück und setzte sich auf die Bettkante, die Hände neben sich in die Matratze gestemmt. Jede noch so kleine Muskelanspannung schmerzte und er fühlte sich elend.
Nur langsam kehrte sein Verstand zurück und immer mehr Details der letzten Nacht drängten sich in sein Hirn. Das L'Affaire. Der Alkohol, den er ganz und gar nicht vertragen hatte. Und Markus. Es durchfuhr ihn wie ein Blitz. Er hatte mit Markus geschlafen.
Panisch wandte er den Blick um, aber das Bett war leer. Seine Hand wanderte an seine Stirn, um sie ein wenig zu kühlen. Es war viel zu heiß hier drin und er schwitzte, obwohl er noch immer nackt war. Mühsam erhob er sich und suchte nach seinen Klamotten, allerdings blieb sein Blick an etwas ganz anderem hängen. Neben dem Bett auf dem Boden lag ein benutztes Kondom. Gott verflucht, er hatte wirklich... Sein Magen drehte sich um und er glaubte, dass sich jeden Moment ein Loch im Boden auftun müsste, durch das er geradewegs in die Hölle fiel. Denn es fühlte sich an, als brenne das Höllenfeuer bereits in ihm. Er konnte nicht glauben, dass er das wirklich getan hatte! Warum nur? Wäre er unglücklich mit Matthias gewesen oder hätte es einen riesigen Streit gegeben, aber... Oh Gott! Matthias! Tränen schossen in Jonas Augen und fassungslos presste er die Hand auf den Mund, um das Schluchzen zu unterdrücken. Nein, nein, nein! Immer wieder kreiste dieses Wort in seinem Hirn, während er fahrig nach seinen Klamotten griff, die noch immer gefaltet am Fußende der Matratze lagen.
Von Markus war nichts zu hören und er beschloss, sich so schnell es ging aus dem Staub zu machen. Etwas ungeschickt zog er sich an, fuhr sich durch die Haare und ging zur Schlafzimmertür.
Erst da bemerkte er, wie sehr seine Hände und auch seine Lippe zitterten. Bilder von letzter Nacht, das Gefühl von Markus Haut auf seiner prasselten wieder auf ihn ein und es fühlte sich an, als würde er von Reue zerfressen werden. Ja, er bereute es, mehr als alles andere, was er bisher so angestellt hatte.
Plötzlich spürte er, wie ihm eine Träne über die Wange lief, dann noch eine. Eilig wischte er sie weg, straffte die Schultern und öffnete die Schlafzimmertür. Möglichst leise trat er ins Wohnzimmer, doch als er den Blick hob, sah er Markus auf dem Sofa sitzen. Wie angewurzelt blieb er stehen, denn Markus Blick hielt den seinen direkt gefangen. Ein paar Sekunden sah Markus ihn einfach nur an, dann lächelte er und erhob sich ächzend.
„Guten Morgen, Schatz. Brauchst du was gegen die Kopfschmerzen? Du hast sicherlich Kopfschmerzen. Und ich habe dein Handy aufgeladen und dir neue Zigaretten geholt", plapperte Markus drauf los, während er näher zu ihm kam.
Neue Tränen liefen über Jonas Wangen. Unfähig, irgendetwas zu sagen, stand er da, vollkommen überfordert mit sich selbst. Was war nur in ihn gefahren? Warum hatte er zugelassen, dass Markus und er... Ein Schluchzen entwich ihm und keine Sekunde später spürte er Markus Arme um sich.
„Hey, alles ist okay. Ich bin bei dir", raunte er leise, ganz eindeutig der schwache Versuch, ihn zum Bleiben zu bewegen. Er wand sich aus seinem Griff und eilte ins Bad. Er wollte den Schlüssel im Schloss herumdrehen, aber seine Hand griff ins Leere. Es gab keinen Schlüssel.
Jonas zitterte heftig und er zwang sich, ein paar Mal ruhig zu atmen. Er hatte Matthias betrogen. Auf die schlimmste Art und Weise. Immer wieder sah er Matthias besorgten Blick, hörte seine Worte, dass er sich ein wenig Sorgen machte, dass Markus ihm hier über den Weg lief. Dass er eifersüchtig war und dass er von den Nachrichten wusste, die Markus ihm schrieb. Das hatte er nun davon, dass er nicht loslassen konnte. Dass er es schön fand, umgarnt und geliebt zu werden. Dass er von diesem Gefühl, begehrt zu werden, nie genug bekommen konnte.
Auf einmal landete er auf dem Boden und schluchzte bitterlich. Er vergrub das Gesicht in den Händen und konnte an nichts anderes denken als an Matthias. Sollte... sollte es das etwa gewesen sein? Hatte er mit der letzten Nacht die letzten zehn Jahre seines Lebens in die Tonne getreten? Ein Klopfen ließ ihn zusammenzucken, aber er ignorierte es.
„Schatz, bitte. Lass mich rein", sagte Markus auf der anderen Seite der Tür, allerdings lehnte er mit dem Rücken dagegen, sodass er nicht hereinkommen konnte. Dass Markus ihn Schatz nannte, machte alles nur noch schlimmer.
Das drängende Verlangen nach einer Zigarette machte sich in ihm breit und er beschloss, geradewegs ins Wohnzimmer zu gehen und sich sein Zeug zu schnappen und zu verschwinden.
Mühsam erhob er sich, doch kaum dass er stand, wurde die Tür von Markus geöffnet. Erschrocken wandte er sich zu ihm um und sah in sein bleiches Gesicht. Markus sah wirklich nicht mal im Ansatz so aus wie früher. Er war übergewichtig, sein Haar wurde grau und sein Gesicht wirkte fahl und kränklich. Er sah wirklich nicht gut aus, der Glanz in seinen Augen war vollkommen verschwunden. Er sah genau so aus, wie Jonas sich fühlte.
Er ignorierte ihn und wandte sich dem Waschbecken zu, denn auf der kleinen Ablage darüber schwammen seine Kontaktlinsen in den kleinen Döschen. Mit noch immer zittrigen Händen setzte er sie ein, blinzelte ein paar Mal und wandte sich um. Er musste weg hier, den Kopf frei kriegen. Sich überlegen, wie er Matthias noch unter die Augen treten konnte.
Natürlich blockierte Markus wieder die Tür, doch als er auf ihn zukam, ließ er ihn direkt durch. Allerdings folgte er ihm auf dem Fuß wie eine nervige Klette. Jonas ging zum Wohnzimmertisch, der über und über mit Zeug voll war und schnappte sich sein Handy und Portemonnaie, seine silberne Zigarettendose und sein Feuerzeug. Er nahm sich gleich eine Zigarette heraus und zündete sie an, ohne Rücksicht auf Markus zu nehmen oder darauf, dass er seine ganze Bude vollqualmte. Es war ihm herzlich egal. Nur langsam wirkte das Nikotin und seine Nerven waren noch immer zum Zerreißen gespannt.
„Hier, ich habe dir Gauloises Menthol geholt, die rauchst du doch noch immer oder?", fragte Markus und hielt ihm ein Päckchen Zigaretten vor die Nase. Genervt schlug Jonas seine Hand weg, sodass das Päckchen auf dem Boden landete. Markus sah ihn geschockt an.
„Was... was soll das?", fragte er, was Jonas schnauben ließ. Er schüttelte den Kopf, ging um ihn herum und anschließend in den kleinen Flur, in dem seine Schuhe standen. Er klemmte die Zigarette zwischen die Lippen und zog sie an, anschließend legte er die Hand auf die Türklinke und drückte sie nach unten.
Allerdings öffnete sie die Tür nicht, sie war abgeschlossen. Jonas sah zum Schloss, aber es steckte kein Schlüssel. Wut stieg in ihm auf, denn wie erwartet wollte Markus ihn nicht gehen lassen. Hätte er ihn nur nie nach Hause begleitet. Jonas schloss die Augen, damit nicht schon wieder Tränen flossen und drehte sich zu Markus um, der zweifelsfrei direkt hinter ihm stand.
„Mach die Tür auf", forderte er, allerdings rührte Markus sich nicht von der Stelle. Nach ein paar Sekunden schlug Jonas die Augen wieder auf und sofort fing Markus an zu plappern.
„Nein, weil ich weiß, dass du dann für immer verschwindest. Aber... glaubst du wirklich, Matthias will noch mit dir zusammen sein? Nach dem, was wir beide letzte Nacht gemacht haben? Nachdem ich dir gesagt habe, dass ich dich heiraten will? Dass ich dich liebe?"
Jonas Herz drohte aus seiner Brust zu springen. Warum ließen ihn seine Worte nicht kalt?
„Ich... ich...", stammelte er, fluchte leise vor sich hin und zog noch ein mal an seiner Zigarette.
„Jonas, du weißt selbst, wie es sich anfühlt, betrogen zu werden. Du hast mich beschimpft, mich sogar geschlagen und mich aus dem Leben gekickt. Meinst du wirklich, Matthias will noch mit dir zusammen sein? Du hast mit mir die Nacht verbracht, nachdem ich dir gesagt habe, wie ich für dich empfinde. Nachdem die Wirkung des Alkohols schon nachgelassen hatte. Es war kein besoffener, kopfloser One-Night-Stand, der nichts bedeutet hat", faselte Markus weiter.
Ein verächtliches Grinsen legte sich auf Jonas Lippen. Reden konnte er ja, das musste man ihm lassen. Aber er war nicht mehr achtzehn und er sprang nicht mehr darauf an. Zumindest nicht so sehr. Na ja, zumindest redete er sich ein, dass er darauf nicht mehr ansprang.
„Doch, genau das war es. Ein One-Night-Stand, der nichts bedeutet hat", sagte er, bemerkte aber nur zu deutlich den dicken Kloß in seiner Kehle. Markus liebte ihn, sehr sogar. Er wollte ihn heiraten und er hatte keinen Zweifel daran, dass sie schon nächste Woche beim Standesamt sein würden, wenn er zustimmte. Markus lachte ebenso verächtlich, wie sein Grinsen war.
„Ach ja? Das glaube ich dir nicht. Du empfindest etwas für mich. Es geht dir unter die Haut, wenn ich dir sage, dass ich dich liebe und ich dich zu meinem Mann machen will", sagte er, verführerisch und sanft.
„Das ist Schwach...", setzte Jonas an, aber was dann passierte, kam absolut unerwartet und sein Selbsthass wuchs ins Unermessliche, dass er nicht einfach die verdammte Tür eintrat und davonrannte.
Markus ging vor ihm auf die Knie und hielt auf einmal eine kleine, schwarze Dose in der Hand. Seine Hände zitterten, als er sie aufklappte und zwei schlichte, silberne Ringe zum Vorschein kamen. Jonas glaubte, seine Beine würden ihm den Dienst versagen.
„Jonas, ich liebe dich, seit wir uns das erste Mal gesehen haben. Auch wenn wir zwischendurch getrennt waren, hat uns das Schicksal wieder zusammengebracht. Du gehörst hier her, zu mir. Heirate mich."
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