Kapitel 14 - Jonas
Jonas spürte, wie ihm der Schweiß den Rücken entlang lief und in sein Shirt sickerte. Auch Isabelles Wangen glühten und er erkannte einen feuchten Film auf ihrer Stirn. Wie immer war es im L'Affaire rappelvoll und nicht erst einmal hatte er den ein oder anderen Rempler gespürt.
Er betrachtete das Glas in seiner Hand, das noch immer halb voll war. Einen Moment lang zögerte er. Sollte er wirklich das Glas in einem Zug leeren? Oder sich vielleicht doch lieber etwas Alkoholfreies holen gehen? Sein Blick wanderte über seine Schulter zur Bar, die in einigen Metern Entfernung lag. Er entdeckte Antoine, der gerade dem Barkeeper etwas zuschrie. Was machte schon ein Glas? Er hatte Durst und als er das Glas an die Lippen führte und den Alkohol roch, wusste er, dass er vielleicht auch ein wenig vermisst hatte, zu trinken. Er schmeckte den Alkohol deutlich mehr raus als noch vor einigen Jahren, gleichzeitig spürte er die angenehme Wärme in sich aufsteigen.
„Dein Glas ist leer!", schrie Isabelle und deutete mit dem Finger darauf. Jonas nickte und betrachtete das Glas in seiner Hand.
„Komm, gehen wir uns noch etwas holen", schlug sie vor und zog ihn am Arm durch die Menge, bevor er antworten konnte. Er stolperte ein paar Mal beinahe, so oft wurde er von den tanzenden Leuten angerempelt und erleichtert atmete er auf, als er schließlich an der Bar ein wenig Luft schnappen konnte.
„Mann, es ist echt voll", rief er Isabelle zu, die nickte. Anschließend drängelte sie sich nach vorn, sodass sie direkt als Nächste dem Barkeeper etwas zurufen konnte und keine Minute später stand sie mit zwei randvoll gefüllten Gläsern vor ihm.
„Hier", sagte sie und reichte ihm eines, welches er dankend annahm. Wieder roch er Alkohol, aber auch süße Cola.
„Auf uns. Und auf Antoine", sagte sie und prostete ihm zu. Jonas schlug sanft sein Glas gegen ihres und nahm einen langen Zug. Es schmeckte gut und mit jedem Tropfen, der seine Kehle entlanglief, fühlte er sich gelöster. All den Stress auf der Arbeit, Matthias Eifersüchteleien wegen Markus und Aaliyahs enttäuschten Blick konnte er so ziemlich leicht vergessen. Auch wenn es nur für einen Abend war.
Als er das Glas absetzte, bemerkte er, dass er es in einem Zug leergetrunken hatte. Grinsend drängelte er sich zur Bar durch, genau wie Isabelle eben und bestellte sich noch einen Whiskey-Cola. Er lächelte den Barkeeper an, den er noch von früher kannte. Allerdings erwiderte er es nicht, sondern knallte ihm sein Getränk hin und kassierte ab.
Er nahm das Glas, wandte sich mit einer schwungvollen Bewegung um und suchte nach Isabelle, die sich jedoch mit einem Typen unterhielt. Er hatte sich zu ihr heruntergebeugt, allerdings sah Jonas nur seinen Rücken. Er war ziemlich dick und trug ein weißen T-Shirt, sein blond-graues Haar war mit reichlich Gel nach hinten gekämmt. Als hätte der Kerl bemerkt, dass er ihn betrachtete, wandte er sich genau in diesem Moment zu ihm um.
Jonas erstarrte. Seine Finger umklammerten sein Glas und eilig senkte er den Blick auf den Boden, denn wenn er etwas um jeden Preis vermeiden wollte, dann war es Blickkontakt mit Markus. Seinem Ex. Der ihn damals betrogen hatte und der ihm mehr oder weniger regelmäßig Nachrichten schickte, dass er ihn noch immer liebte.
Jonas spürte, wie er unsicher wurde und eilig nahm er noch einen Schluck aus seinem Glas. Matthias Befürchtung war also wahr geworden. Natürlich lief er hier Markus über den Weg, wie sollte es auch anders sein?
Panisch sah Jonas sich nach Antoine um, der zusammen mit Luc und Raphael an der Bar saß und lachte. Niemand außer Isabelle schien mitzubekommen, was gerade passierte. Wobei, was passierte eigentlich?
„Hey", hörte er eindeutig Markus Stimme und obwohl er leise sprach, konnte er ihn trotz der wummernden Musik deutlich verstehen. Wie automatisiert hob er den Blick und spürte, wie er unfreiwillig lächelte. Wieso musste er nur so gut erzogen sein?
„Hey", sagte er möglichst kühl, wandte sich ab und drückte sich durch die Menschenmenge in Richtung Bar. Auch wenn er das drängende Bedürfnis nach einer Zigarette bekam, würde er ganz sicher nicht allein nach draußen gehen, denn Markus würde ihm ohne Zweifel folgen und mit ihm reden wollte. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter und erschrocken wirbelte er herum.
„Hey, ich bin es", sagte Isabelle und als er begriff, dass es ihre Hand auf seiner Schulter war, atmete er erleichtert auf. Noch einmal wanderte sein Blick auf den Boden, anschließend in sein Glas.
Seine Gedanken wirbelten umher, von der Vorstellung, wie Markus ausgerechnet mit einer Frau fremdgegangen war zu den Nachrichten, die er ihm schrieb und gegen die er nichts unternahm.
„Alles okay?", fragte Isabelle, die nun näher an ihn herantrat und ihr Ohr an seinen Mund führte, so als hätte sie Angst, sie könnte seine Antwort nicht hören. Ihre Hände lagen dabei ruhig auf seinen Schultern.
„Ich... will nicht mit ihm reden", sagte er so leise, dass es beinahe von der Musik verschluckt wurde. Allerdings sah Isabelle ihn mitleidig an.
„Er... er hat gefragt, ob er dich ansprechen soll. Ich habe ihm gesagt, er solle es lassen", erwiderte sie und dankbar nickte er.
„Komm, gehen wir eine rauchen", fuhr sie fort, griff wieder nach seinem Arm und zog ihn zielstrebig in Richtung Ausgang.
Jonas war erleichtert, dass sie ihn aus dieser Situation rettete, allerdings warf er wie automatisiert noch einmal einen Blick über die Schulter. Er erkannte Markus sofort, allerdings sah er ihm nicht wie erwartet nach, sondern bewegte sich ohne ihn zu beachten wieder in Richtung der Tanzfläche.
Als Jonas gemeinsam mit Isabelle in die inzwischen angenehm kühle Nachtluft trat, atmete er auf.
„Warum ist dieses verfluchte Kaff nur so klein, dass ich ihm immer wieder begegne?", fragte er mehr sich selbst als Isabelle, allerdings antwortete sie ihm dennoch.
„Er ist fast jedes Wochenende hier. Es ist also nicht wirklich etwas Besonderes, ihm hier zu begegnen."
Jonas blieb stumm, zog stattdessen die kleine Metalldose aus seiner Hosentasche und klappte sie auf. Er hielt sie Isabelle hin, die sich eine der Zigaretten nahm, bevor er sein Glas in ihre Hand drückte, sich ebenfalls eine herausnahm und sie zwischen die Lippen schob.
„Hier", sagte sie, ließ ein Feuerzeug klicken und zündete seine Zigarette an. Er nahm einen tiefen Zug und genoss einen Moment lang das beruhigende Gefühl des Nikotins. Anschließend nahm er sein Glas wieder zurück und trank.
Allerdings wurde ihm bewusst, dass er sich wirklich langsam etwas zurückhalten sollte, wenn er nicht betrunken werden wollte. Ein wenig angetrunken war er allemal.
„Weißt du das von mir und Antoine?", fragte Isabelle auf einmal und erschrocken wandte er den Blick zu ihr. Das erste Mal an diesem Abend betrachtete er sie richtig. Sie sah besorgt aus, ihre blauen Augen schimmerten nicht mehr ganz so fröhlich wie sonst. Ihr Haar, das ihr inzwischen bis über die Taille reichte, umrahmte ihr hübsches Gesicht. Würde er nicht ausschließlich auf Männer stehen, wäre sie sicherlich interessant.
„Er hat es mir vorhin erzählt", sagte er, hielt aber den abwertenden Kommentar zurück. Immerhin hatte Isabelle auch gewusst, dass Antoine glücklich mit Nathalie verheiratet war, als sie und er in die Kiste gesprungen waren. Isabelle seufzte.
„Es... es gibt wirklich wenig, was ich bereue, aber..."
„Ich will es nicht wirklich so genau wissen", unterbrach er sie, denn er wollte nicht mehr in diese Sache hineingezogen werden als nötig.
„Okay. Tut mir leid, ich... ich muss nur die ganze Zeit daran denken. An ihn", platzte sie dennoch heraus, griff nach seinem Glas und nahm einen Schluck, bevor sie es ihm wieder in die Hand drückte.
Jonas brauchte einen Moment, bis er begriff, dass Isabelle ihm sagen wollte, dass sie sich in Antoine verliebt hatte. Verlegen trat er von einem Fuß auf den anderen, denn er war sich ziemlich sicher, dass Antoine Nathalie niemals freiwillig verlassen würde, auch wenn er sie betrogen hatte. Er warf vorsichtig einen Blick zu Isabelle, die stumm die Zigarette an die Lippen führte und den Rauch durch die Nase entweichen ließ.
„Ich denke, Antoine wird Nathalie nicht verlassen", sagte er leise und nahm einen einen Schluck, um ihre direkte Reaktion nicht zu sehen.
„Ist mir klar. Ändert nichts daran, dass ich ihn mag", murmelte sie, warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Jonas rauchte ebenfalls zu Ende, ließ aber noch einmal die Dose aufschnappen und nahm sich gleich noch eine Zigarette heraus.
„Ich geh wieder rein", sagte sie, doch Jonas hielt sie am Arm fest.
„Warte", forderte er, allerdings schüttelte sie nur den Kopf und machte sich von ihm los. Er sah ihr nach, wie sie wieder im Club verschwand und sie schon nach wenigen Schritten von der Menge verschluckt wurde.
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