Kapitel 40 - Jonathan
Jonathan sah immer wieder auf Zettel in seiner Hand, den der Arzt ihm ausgedruckt hatte. Als hätte er es geahnt, dass der Arzt ihn anrief, hatte er gerade eine Pause bei der Arbeit eingelegt, als es klingelte. Er hatte erst da gesehen, dass Sheila versucht hatte, ihn anzurufen, doch sie würde warten müssen.
„Muss ich mir Sorgen machen über den Befund?", fragte Oskar ihn. Jonathans Hand und Finger waren noch immer eingegipst und er konnte nicht wirklich Auto fahren, da hatte er kurz entschlossen nebenan bei Oskar und Johnny geklingelt und gefragt, ob einer von beiden ihn fahren konnte. Oskar hatte direkt zugestimmt und nun saßen sie in seinem Auto und fuhren durch den dichten Verkehr der Stadt.
Auf der Hinfahrt hatte Jonathan fast eine Krise bekommen, so nervös war er. Jonathan bemerkte Oskars fragenden Blick und erst da fiel ihm wieder seine Frage ein.
„Nein, eigentlich nicht", sagte er schnell und er sah, wie Oskar aufatmete.
„Es geht mich ja nichts an, aber...", setzte er an, doch dann verstummte er, als hätte er es sich anders überlegt. Kurz zögerte Jonathan, entschied sich aber schließlich, Oskar alles zu erzählen. Wenn er es nicht schon wusste, denn er war sich sicher, dass Sheila es Johnny erzählt hatte und der war eine genau so große Quatschtante wie Sheila.
„Wir versuchen seit fast zwei Jahren, dass Sheila schwanger wird. Offensichtlich klappt es nicht, also haben wir uns untersuchen lassen. Bei ihr ist alles in Ordnung und...", fing er an, dann hielt er den Zettel hoch, den er in der Hand hielt.
„Bei dir auch?", fragte Oskar nach, bevor er seinen Satz beenden konnte. Jonathan nickte.
„Ja, alles okay", bestätigte er und spürte, wie sich Tränen in seinen Augen bildeten. Mühsam versuchte er, sie zu unterdrücken, doch es gelang ihm nicht wirklich.
„Erleichtert?", fragte Oskar, doch Jonathan brachte nur ein Nicken zustande. Ja, er war unendlich erleichtert, gleichzeitig drängte sich ihm die Frage auf, warum es nicht klappte, wenn doch alles okay war. Jonathan atmete tief durch, rieb sich über die Augen und straffte die Schultern.
„Wenn es bald nicht klappt, wird sie sicher Schluss machen", hörte er sich sagen und spürte, dass das seine größte Angst war.
„Glaube ich nicht", sagte Oskar schnell und es klang ehrlich. Jonathan musterte ihn für einen Moment, doch er konnte nicht erkennen, ob er es nur sagte, um ihn zu beschwichtigten. Offensichtlich bemerkte Oskar seine Unsicherheit.
„Hey, du weißt, dass ich dich dabei nicht anlügen würde. Ich bin mir zu einhundert Prozent sicher, dass sie dich nicht deswegen verlassen wird. Vertrau mir", sagte Oskar dann und Jonathan spürte, wie er nickte.
Er und Oskar hatten nicht wirklich einen guten Start gehabt, als sie sich kennengelernt hatten, doch inzwischen schätzte er ihn wirklich. Er war schlau und dachte anders als er selbst immer fünf Schritte im Voraus. Außerdem hatte er eine wirklich beeindruckende Menschenkenntnis.
Jonathan zog seine Mütze zurecht und sah aus dem Fenster. Oskar schwieg, doch Jonathan konnte an nichts anderes denken als an Sheilas Gesicht, wie sie am Wochenende diesen blöden Schwangerschaftstest gemacht hatten. Sie war eindeutig enttäuscht, auch wenn sie es versuchte, vor ihm zu verbergen.
Oskar parkte seinen Wagen am Straßenrand vor seinem Haus und legte Jonathan anschließend die Hand auf die Schulter.
„Sprich offen mit ihr darüber. Und falls du... ich meine, falls du mal mit jemand anders quatschen willst, du weißt, wo ich wohne", sagte er und lächelte ihn an. Auch Jonathan lächelte, dann sah er ihn an.
„Danke noch mal. Ihr kommt doch auch zu meinem Geburtstag, oder?", lenkte er vom Thema ab. Oskar grinste.
„Klar. Sag Bescheid, wenn wir irgendetwas mitbringen sollen", sagte er, dann verabschiedeten sie sich.
Er ging zu seinem eigenen Haus und als er Sheilas Auto in der Einfahrt stehen sah, beschleunigte sich sein Herzschlag und seine Hände fingen an zu schwitzen. Er war unglaublich nervös, ihr endlich das Ergebnis zu sagen. Mit zittrigen Händen schloss er die Tür auf und zog seine Schuhe im Flur aus.
„Hey, ich bin zurück", rief er und hörte selbst, wie nervös seine Stimme klang. Er hörte Schritte und kein zwei Sekunden später stand Sheila im Türrahmen. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte ihn an.
„Hey", sagte er, doch als sie es nicht erwiderte, wurde er hellhörig.
„Was ist?", fragte er und ging zu ihr, den Zettel vom Arzt schob er in seine Hosentasche. Er legte seine gesunde Hand an ihre Hüfte und wollte sie küssen, aber sie zuckte zurück.
„Okay, dann eben nicht", sagte er und ging an ihr vorbei ins Wohnzimmer. Er ließ sich mit einem Seufzen auf dem Sofa nieder, zog den Zettel aus der Tasche und legte ihn auf den kleinen Couchtisch. Sheila setzte sich in einigem Abstand neben ihn auf das Sofa und sah ihn vorwurfsvoll an. Sofort fühlte er sich unbehaglich. War sie wütend, weil er sie nicht zurückgerufen hatte?
„Tut mir leid, dass ich dich nicht zurückgerufen habe. Es ist etwas wichtiges dazwischen gekommen", sagte er und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen.
„Wo warst du heute Vormittag?", fragte sie so leise, dass er es beinahe nicht gehört hätte. Er rutschte näher an sie heran und legte einen Arm um ihre Schultern. Sie ließ es zu, doch sie wirkte irgendwie distanziert.
„Ich war beim Arzt das Ergebnis vom Test abholen", sagte er und beinahe erschrocken riss sie den Kopf herum. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie ihn an, wobei ihre Mundwinkel zuckten. Jonathan atmete tief durch.
„Sag schon", drängte sie und stupste ihn an der Schulter an.
„Alles so, wie es sein sollte", sagte er und grinste wie ein Schneekönig. Sheila schien noch nicht so recht begriffen zu haben, was er gesagt hatte, doch er zog sie enger an sich. Er wollte sie einfach nur festhalten.
„Du... du meinst, dass...", stammelte sie, doch dann kletterte sie auf seinen Schoß und schlang die Arme fest um ihn. Jonathan erwiderte die Umarmung und er fühlte sich so erleichtert und sorgenfrei wie schon seit Wochen nicht mehr.
„Habe ich dir doch gesagt. Ich habe im Gefühl, dass es bald klappt", sagte sie an seinem Ohr, legte ihre Hände um sein Gesicht und küsste ihn. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder von ihm löste und obwohl Jonathan sie am liebsten ins Schlafzimmer gezogen hätte, zwang er sich, sie anzusehen.
„Aber was ist los mit dir? Du hast wütend ausgesehen", sagte er dann und augenblicklich senkte sie den Blick. Sie seufzte.
„Es ist Blödsinn, das weiß ich", setzte sie an, doch dann verstummte sie.
„Was ist Blödsinn?", hakte er nach, doch sie brummte nur.
„Nein, bitte sag es mir", forderte er, denn sie mussten beide damit aufhören, Dinge in sich hineinzufressen. Sheila hob wieder den Blick und legte ihm eine Hand an die Brust. Sofort beschleunigte sich sein Herzschlag.
„Hast du dich heute Morgen mit Karima getroffen?", fragte sie und sah ihn so forschend an, als versuchte sie angestrengt herauszufinden, ob er log.
„Was? Wie kommst du darauf?", fragte er ungläubig. Deswegen war sie so wütend gewesen. Sie glaubte, aus welchen Gründen auch immer, er hätte sich mit dieser Frau, die ihn am Samstag Abend geküsst hatte, getroffen.
„Kannst du einfach die Frage beantworten?", forderte sie und es klang, als erwartete sie eine Ausrede. Jonathan schloss für eine Sekunde die Augen. Würde er ihr eine pampige Antwort geben, würde sie vielleicht irgendetwas in seine Antwort hineininterpretieren.
„Nein habe ich nicht. Ich habe keinen Kontakt mit ihr und du weißt, dass ich sie nicht küssen wollte. Ich habe mich noch nicht einmal gut mit ihr verstanden. Ich habe heute Morgen gearbeitet. Wenn du willst, zeige ich es dir", sagte er ruhig, dann strich er Sheila über die Wange. Sie nickte und legte ihre Hand auf seine.
„Tut mir leid, dass ich das gefragt habe. Ich weiß doch, dass du dich mit keiner anderen treffen würdest. Aber Karim hat mir ihre Version von Samstag Abend erzählt und er hat sich Sorgen gemacht", erklärte sie sich. Trotzdem war er ein wenig verletzt, dass sie ihm das zugetraut hatte, wenn auch nur für einen Moment.
„Was hat sie ihm denn erzählt?", wollte er wissen. Sheila berichtete in kurzen Sätzen, was Karim ihr erzählt hatte. Jonathan traute seinen Ohren nicht, denn so hinterhältig hätte er Karima nicht eingeschätzt.
„Ich liebe dich, ich würde mich niemals mit einer anderen treffen wollen", sagte er, nachdem sie geendet hatte. Hoffentlich hing sie sich nicht zu sehr daran auf.
„Ich liebe dich auch. Ich war nur... ach, ich habe mir einfach Gedanken gemacht, weil du heute Morgen nicht da warst. Ich musste mich beeilen, um nicht zu spät zu kommen, da hatte ich keine Zeit mehr, zu dir ins Studio zu kommen. Vergiss einfach, was ich gesagt habe", sagte sie dann und schmiegte sich wieder an ihn.
„Okay, alles vergessen. Wie war es denn bei der Besprechung?", fragte er, doch anstatt zu antworten ließ Sheila ihre Hand von seiner Brust abwärts wandern.
„Das erzähle ich dir nachher. Vorher habe ich noch was anderes mit dir vor", hauchte sie und küsste sanft seinen Hals.
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