Kapitel 38 - Jonathan

Jonathan betrachtete Sheila die ganze Fahrt über. Er fühlte sich seltsam gelöst und zufrieden. Sie hatte wirklich eine gute Idee gehabt und der Ausflug hatte ihm gut getan. Erinnerungen an ihre Reise waren aufgekommen und er konnte das Glücksgefühl nachempfinden, das er damals verspürt hatte. 

„Hat es dir gefallen?", fragte Sheila nach einer Weile und riss ihn damit aus seinen Gedanken. 

„Ja", sagte er und betrachtete die Papiertüte auf seinem Schoß, in der Sheilas Steine verstaut waren, die sie gekauft hatte. 

„Die Steine sind schön, die du gekauft hast", sagte er, was ihr ein Lächeln entlockte. 

„Weißt du, was ich am schönsten fand?", fragte sie, anstatt weiter über ihre Errungenschaften zu reden. Neugierig sah er sie an. 

„Was denn?", hakte er nach, als sie keine Anstalten machte, weiterzusprechen. Sie sah ihn noch einen Moment lang an, dann wandte sie den Blick wieder auf die Straße. 

„Dass du wieder glücklich wirktest", sagte sie, dann sah Jonathan, wie sie hart schluckte. Sofort fühlte er sich schlecht. 

„Ich bin glücklich", sagte er deutlich, denn tief in sich drin wusste er, dass er es war. Zwar lief es gerade nicht so gut, doch das änderte nichts daran, dass er glücklich mit Sheila war. Sie nickte nur, schwieg aber. 

Er wusste nicht so recht, was er dazu sagen sollte, also hielt auch er den Mund. Nach einer Weile holte Sheila tief Luft, als wollte sie etwas sagen, doch dann stockte sie. Offensichtlich beschäftigte sie etwas, aber sie wollte nicht so recht mit der Sprache herausrücken. Abwartend sah er sie an, doch sie setzte nicht erneut an. Obwohl Jonathan sich nicht ganz wohl dabei fühlte, dass sie nicht aussprach, was sie dachte, wollte er sie nicht zu sehr ausfragen. Sie hatten in den letzten Tagen genug gestritten.

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Sheila lenkte den Wagen in ihre Einfahrt und schaltete den Motor aus. Doch bevor sie ausstieg, griff sie nach seinem Arm. 

„Ich könnte uns gleich was kochen und du machst dir Gedanken um deinen Geburtstag?", schlug sie vor, doch Jonathan spürte, dass es nicht das war, was sie eigentlich hatte sagen wollen. Er musterte sie eindringlich, allerdings war ihre Miene undurchdringlich.

 „Okay", sagte er langsam und hielt ihren Blick fest. 

„Sagst du mir dann, was dir durch den Kopf geht?", fragte er und sie schien zu zögern. Doch nach ein paar Sekunden nickte sie, dann senkte sie für eine Sekunde den Blick. Als sie ihn wieder hob, wirkte ihr Blick ernster, als er erwartet hatte. 

„Ich habe daran gedacht, dass dich wahrscheinlich morgen der Arzt anruft. Kannst du mir versprechen, dass du nicht wieder wegläufst und mit mir über das Ergebnis sprichst?", fragte sie und ihre Finger krallten sich unangenehm in seine Haut, als hätte sie Angst, dass er davonstürmen würde. 

Er spürte, wie ihm die Brust eng wurde, denn es klang doch so, als erwartete sie ein negatives Ergebnis. Doch er wusste, dass es richtig sein würde, mit ihr alles zu besprechen. Immerhin betraf es sie auch. Er legte seine Hand an ihre Wange und strich sanft mit dem Daumen darüber. 

„Versprochen. Aber du klingst, als erwartest du, dass es negativ sein wird", sagte er, doch bei den letzten Worten brach seine Stimme. Sheila wand sich unter seinem Griff, doch sie beugte sich näher zu ihm, anstatt unruhig hin und her zu rutschen.

 „Nein, das glaube ich nicht. Wirklich nicht. Irgendwie habe ich da so ein Gefühl, dass es bald klappt", sagte sie, dann küsste sie ihn zärtlich. Jonathan glaubte, sein Herz würde stehen bleiben. Obwohl er ihren Optimismus nicht teilen konnte, wirkte sie aufrichtig. 

„Okay, warten wir ab. Aber jetzt sollten wir erst einmal rein gehen, ich habe tierisch Hunger", sagte er dann, woraufhin Sheila lachte. Es war schön, sie lachen zu hören und er musste unwillkürlich grinsen. 

„War ja klar, dass du immer nur ans Essen denken kannst", sagte sie, doch dann löste sie sich von ihm und stieg aus.

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Sheila war direkt nachdem sie ihre neuen Steine ins Arbeitszimmer gebracht hatte, in der Küche verschwunden. Jonathan war ihr gefolgt, um seinen Geburtstag mit ihr zusammen zu planen. Wobei, wirklich viel planen mussten sie seiner Meinung gar nicht. Er würde ein paar Leute einladen und dann irgendetwas zu Essen machen. 

Sheila hatte zwar vorgeschlagen, dass sie grillen konnten, doch er traute dem Wetter noch nicht wirklich. Zwar war es in den letzten Tagen schon um die zwanzig Grad gewesen, doch es konnte auch Anfang April noch immer ziemlich kalt werden. Sheila schnitt gerade Gemüse klein, als er ihr einen Arm um die Mitte legte. 

„Vielleicht könnten wir an meinem Geburtstag einfach Pizza bestellen und dann was zusammen sitzen. Was hältst du davon?", fragte er, doch Sheila zuckte die Schultern. 

„Es ist dein Geburtstag. Du kannst das machen, auf was du Lust hast", sagte sie und lächelte. 

„Aber ich will, dass du dabei bist und es soll dir auch gefallen. Ich könnte auch ein paar von den Mädels einladen", schlug er weiter vor und nun nickte Sheila. Die meisten seiner Freunde hatten inzwischen genau wie er eine feste Partnerin an ihrer Seite und Sheila freute sich immer, wenn sie sich ein wenig mit ihnen unterhalten konnte. 

„Ja, wieso nicht. Aber du solltest auch Esra einladen. Für Leonard meine ich", sagte sie dann und setzte ein verschmitztes Grinsen auf. Jonathan erwiderte es nur kurz, denn unweigerlich musste er an das Geständnis von seinem Cousin denken. 

Vor noch gar nicht allzu langer Zeit hatte er ihm gestanden, dass er Sheila liebte. Jonathan hatte es bisher nicht wahrhaben wollen und es einfach als eine Schwärmerei abgetan, doch seit die beiden sich kannten, mochte Leonard sie etwas zu sehr. Zwar hatte er nie versucht, sie ihm auszuspannen und Sheila hatte ihm auch nie irgendwelche Andeutungen gemacht, doch anscheinend bekam er sie nicht aus seinem Kopf. Jonathan war sich nicht sicher, ob Sheila wusste, wie stark seine Gefühle waren, denn er hatte ihr nie wirklich von dem Gespräch erzählt. Allerdings war sie nicht blöd und er war sich sicher, dass sie seine Blicke deuten konnte. Da kam es ihm gerade Recht, dass Leonard Esra zumindest süß fand, so wie er es ihm im Auto gesagt hatte. 

„Stimmt. Vielleicht wird aus den beiden ja was", scherzte er, denn er konnte sich die beiden nicht wirklich zusammen vorstellen. 

„Vielleicht. Ich würde es beiden gönnen. Offensichtlich sind beide in jemanden verliebt, den sie nicht haben können", sagte sie und plötzlich spürte er, wie sie ihn intensiv musterte. Er schluckte, denn offensichtlich wusste sie es. Wie könnte sie auch nicht? Er schlang den Arm fester um sie und küsste sie auf die Wange. 

„Ich lade sie beide ein. Dein Bruder und Jonas können auch kommen", sagte er dann und er erinnerte sich nur zu gut daran, wie Matthias schon oft zur Belustigung beigetragen hatte, als er zu viel getrunken hatte. Denn das tat er regelmäßig. 

„Okay, ich habe in der letzten Zeit gar nicht so oft mit Matthias gesprochen. Und wenn dann nur, weil er Stress hatte", sagte sie und Jonathan sah, wie sie schluckte. 

„Ruf ihn doch morgen einfach mal an", schlug er vor und sie nickte. 

„Ja, sollte ich vielleicht machen", erwiderte sie und klang seltsam bedrückt dabei. Obwohl sie es nicht aussprach, wusste er instinktiv, wie sie sich fühlte. Nämlich allein. Er war in den letzten Wochen abweisend und gemein zu ihr gewesen und anscheinend hatte ihr Bruder auch nicht wirklich viel Zeit gehabt. Dazu kam noch, dass Esra mit ihrem komischen Schlägertypen beschäftigt gewesen war, sodass sie sich auch nicht mehr getroffen hatten. Esra und sie trafen sich regelmäßig zum Nägel machen. 

„Johnny und Oskar können auch vorbei kommen", schlug er weiter vor, denn das würde Sheila sicher freuen. Sie seufzte. 

„Es ist dein Geburtstag. Du musst nicht nur die Leute einladen, mit denen ich mich verstehe", gab sie zurück und wandte sie wieder der Pfanne zu, in der inzwischen das Gemüse brutzelte. Doch Jonathan legte seine Hand an ihre Wange und drehte mit sanfter Gewalt ihren Kopf zu ihm herum. 

„Hör auf, dir über so etwas Gedanken zu machen. Ich will, dass es dir gefällt und du dich nicht noch mehr allein fühlst", sagte er ernst und spürte, wie sein Herz anfing, schneller zu schlagen. 

„Ich fühle mich nicht allein", widersprach sie viel zu schnell, dann schob sie seine Hand weg und scheuchte ihn mit einer Kopfbewegung nach draußen. Er gab auf. Wenn sie nicht darüber sprechen wollte, würde er sie nicht drängen. 

Noch einmal küsste er sie auf die Wange, dann ging er ins Wohnzimmer, wo er sich aufs Sofa setzte und sein Handy aus seiner Tasche zog. Er erstellte eine Whatsapp-Gruppe und schrieb eine nette Einladung zu seinem Geburtstag. So musste er nicht die gleiche Nachricht öfter schreiben und er würde einen besseren Überblick haben, wer alles kam und wer nicht. 

Er fügte auch Sheila hinzu, denn sie mochte es, wenn sie in die Planung mit einbezogen wurde. Zwar sagte sie ständig, dass es sein Geburtstag war und er sich darum kümmern sollte, doch im Endeffekt würde sie sich um alles kümmern. Er war ihr dankbar dafür und er wusste, dass sie gerne Dinge organisierte. 

Schon nach zwei Minuten bekam er die ersten Zusagen und tatsächlich fing er langsam an sich zu freuen, alle noch einmal wiederzusehen. Vielleicht würde er Sheila nachher bitten, eine Liste zu machen, auf der sie aufschrieb, wer alles kommen würde. Solange seine Hand noch eingegipst war, würde das für ihn problematisch werden.

Etwa eine Viertelstunde später brachte Sheila eine Pfanne zum Esstisch, die sie mit beiden Händen trug. Schnell holte Jonathan zwei Teller und Besteck aus der Küche und ließ sie mit einem Magenknurren am Tisch nieder. Es roch wirklich gut und er lächelte Sheila an, die es ein wenig bemüht erwiderte. 

„Danke fürs Kochen", sagte er, doch sie winkte ab. Sie hielt die Hand nach seinem Teller aus und gehorsam reichte er ihn ihr, woraufhin sie ihm Essen auftat. 

„Wie musst du eigentlich an meinem Geburtstag arbeiten?", fragte er sie und kam sich auf einmal blöd vor, dass er das noch nicht gefragt hatte. Sheila schluckte den Bissen hinunter, den sie gerade im Mund hatte, dann sah sie ihn lange an. 

„Gar nicht. Ich habe mit Urlaub genommen. Aber ich muss Sonntag zu Nachmittagsschicht", antwortete sie und sofort fühlte er sich schlecht. 

„Du musst dir doch nicht extra Urlaub nehmen", sagte er, doch sie verdrehte die Augen. 

„Wollte ich aber", sagte sie beinahe genervt. Jonathan fragte sich, wann es angefangen hatte, dass sie voneinander genervt waren. Er erwiderte nichts, denn er wollte nicht schon wieder einen Streit provozieren.

Nachdem sie fertig gegessen hatten, griff Sheila nach seinem Teller und brachte alles in die Küche. Sie war so schnell, dass er keine Chance hatte, ihr zu helfen. Stattdessen schob er seinen Stuhl ein Stück zurück und klopfte mit seine freien Hand auf seinen Schoß, als sie wieder aus der Küche kam. 

„Komm mal her", forderte er sie auf und tatsächlich schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen und sie ließ sich mit einem Seufzen auf seinem Schoß nieder. Sofort schlang er seinen gesunden Arm um sie und auch sie legte einen Arm um seine Schultern. Es tat gut, ihr so nahe zu sein und er genoss den Moment. 

Eine ganze Weile saßen sie einfach nur da, doch dann rutschte Sheila von ihm herunter. Sie griff nach seiner Hand und zog ihn hinter sich her. Sie führte ihn durch den Flur in Richtung Treppe. 

„Wohin gehen wir?", fragte er, doch ihm war klar, dass sie mit ihm ins Schlafzimmer gehen wollte. Anstatt ihm zu antworten, warf sie ihm einen verschmitzten Blick über die Schulter zu. Sein Körper reagierte auf sie und er ließ seinen Blick an dem ihren hinauf und hinab wandern. Oben am Treppenabsatz blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um. Es war ungewohnt, von unten zu ihr hoch zu sehen, doch sie beugte sich zu ihm herunter und küsste ihn, dass seine Knie weich wurden. 

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