Kapitel 35 - Sheila
Sheila saß am Esstisch und surfte im Internet, während Jonathan unter der Dusche stand. Sie hatte ihm befohlen, sich Zeit zu lassen, damit sie in Ruhe nach Ausflugszielen suchen konnte.
Doch gerade als sie die Suchmaschine im Browser ihres Handys aufrief, klingelte ihr Handy. Es war Matthias und erst da fiel ihr wieder ein, dass Esra im Moment vielleicht eine Freundin brauchen könnte. Wie unaufmerksam sie doch war. Schnell nahm sie das Gespräch entgegen.
„Hey", meldete sie sich und ihr Bruder erwiderte den Gruß. Er klang ziemlich gut gelaunt.
„Ich wollte nur mal nachfragen, wie es dir geht", sagte er und Sheila nickte, obwohl er es nicht sehen konnte.
„Gut", sagte sie nur, doch ihr Bruder schwieg.
„Gut?", fragte er misstrauisch.
„Ja, wirklich. Jonathan und ich haben uns wieder vertragen", sagte sie und spürte, wie ein warmes Glücksgefühl sie durchströmte.
„Ihr hattet Streit?", fragte er und Sheila biss sich auf die Zunge. Sie wusste gar nicht, wie viel ihr Bruder mitbekommen hatte, denn wirklich mit ihm geredet hatte sie noch nicht.
„Naja, ein bisschen. Aber es ist alles wieder in Ordnung", sagte sie schnell.
„Willst du mir erzählen, was los war?", fragte er und er wirkte irgendwie vorsichtig, oder eher auf der Hut.
„Ach, es ist nicht wirklich ein richtiger Streit gewesen. Er ist im Moment im Stress, da knallen einem schon mal die Sicherungen durch", versuchte sie ihn zu beruhigen, denn eigentlich wollte sie nicht schon wieder über das Thema Schwangerschaft sprechen. Das hatte sie in den letzten Tagen gefühlt hundert Mal durchgekaut.
„Wie meinst du das?", fragte ihr Bruder mit alarmierter Stimme. Sheila seufzte.
„Er ist gestern Abend weggegangen und ich wusste nicht, wann er zurückkommt. Erinnert mich an dich", erklärte sie und hoffte, ihn ein wenig zu ärgern und von sich abzulenken. Matthias gluckste.
„Du würdest dich wundern, wie sehr das hilft. Meistens jedenfalls", erwiderte er und Sheila lachte leise.
„Sag mal, wie geht es eigentlich Esra?", wechselte sie das Thema und hoffte, ihr Bruder würde keinen Verdacht schöpfen, dass sie und Jonathan im Moment öfter aneinander gerieten.
„Gut soweit. Wir haben ihr gestern noch geholfen, ihre Wohnung wieder in Ordnung zu bringen und wir haben das Schloss gewechselt. Sicher ist sicher", berichtete er.
„Gut. Ist der Kerl noch mal aufgetaucht?", wollte sie wissen, doch Matthias verneinte.
„Nachdem Jonathan ihn k.o. geschlagen hat, schien er genug zu haben. Was ist mit seiner Hand, ist die echt gebrochen?", fragte er und sie hörte, wie er leise lachte.
„Jap, ist gebrochen", bestätigte sie und sie spürte, wie ihr vor Stolz die Brust anschwoll. Jonathan hatte sich als Einziger getraut, diesem bescheuerten Typen die Stirn zu bieten.
„Oh Mann. Aber es hat sich gelohnt. Ich glaube, er hatte einen kleinen Selbstvertrauensschub dringend nötig", sagte er. Sheila wusste, dass er recht hatte.
„Stimmt", gab sie zu, dann schwiegen sie für eine Weile.
„Sag mal, hast du eine Idee, wohin man einen Ausflug machen könnte?", fragte sie Matthias, in der Hoffnung, er hatte einen guten Tipp. Er schien einen Moment zu überlegen, doch dann sog er die Luft ein, als wäre ihm etwas eingefallen.
„Ich wüsste tatsächlich etwas. Jonas und ich waren letztens dort. Ich habe den genauen Namen vergessen, aber es ist so eine Art Salzgrotte. Also wie eine riesige Höhle wo man durchgehen kann. Soll gut für die Haut sein, weil die Luft so salzig ist", sagte er und Sheila war sofort begeistert. Das würde Jonathan vielleicht helfen, sich ein wenig abzulenken.
„Da gibt es auch noch andere Steine, die da an den Wänden wachsen. Es sah wirklich cool aus und man konnte auch mit einem Boot über einen kleinen See fahren", fuhr er fort und Sheila glaubte, dass Matthias Jonas gleich vorschlagen würde, dort noch einmal hinzufahren.
„Klingt gut. Wo war das denn, vielleicht finde ich es im Internet", fragte sie, doch Matthias brummte vor sich hin.
„Ich schicke dir gleich den Link. Jonas weiß bestimmt noch, wie das hieß. Aber es war nicht so weit weg, vielleicht eine halbe Stunde mit dem Auto", sagte er.
Sie redeten noch eine Weile über Belangloses, dann beendeten sie das Gespräch, gerade als Jonathan mit noch nassen Haaren zur Tür herein kam. Er hatte sich wirklich Zeit gelassen.
„Hey", sagte sie und sah ihn freudestrahlend an. Sie freute sich auf den Tag mit ihm.
„Selber hey", erwiderte er und ging an ihr vorbei in die Küche.
„Soll ich uns was zum Frühstück machen?", fragte er und streckte den Kopf zu ihr ins Wohnzimmer.
„Ja", sagte sie ein wenig überrascht, denn er schien wirklich entspannt zu sein, anstatt es krampfhaft versuchen zu müssen. Sie richtete den Blick wieder auf ihr Handy, denn gerade hatte sie noch eine Nachricht bekommen. Wie erwartet war sie von Matthias und sie klickte auf den Link, den er ihr geschickt hatte. Sie klickte sich durch die Internetseite der Salzgrotte und es sah wirklich cool aus. Tatsächlich war sie nur knapp 35 Kilometer entfernt und sie beschloss, Jonathan einfach nach dem Frühstück mitzunehmen. Vielleicht würde es ihn freuen, wenn sie ihn überraschte.
Sheila legte ihr Handy zur Seite und stand auf. Sie ging zu Jonathan in die Küche, doch dann lehnte sie sich an den Türrahmen, um ihm nicht im Weg zu stehen. Er briet Eier in der Pfanne und der Toaster war eingesteckt.
„Und hast du was gefunden, was du machen willst?", fragte er und sah sie neugierig an.
„Ja, ich hätte eine Idee", sagte sie und grinste.
„Und?", wollte er wissen, doch sie schüttelte den Kopf.
„Das wird eine Überraschung", sagte sie verschwörerisch, was ihn zum Lachen brachte. Vielleicht würde sie ihn danach zum Essen einladen, denn das würde ihm mit Sicherheit gefallen.
„Womit habe ich das denn verdient?", lachte er und lächelte sie an. Ihr Herz machte einen Sprung, denn seit langem wirkte sein Lächeln echt.
„Weil du mich glücklich machst", antwortete sie und legte ihm die Arme von hinten um die Mitte.
„Du bist verrückt", gab er zurück, doch es schien ihn zu freuen.
„Kann schon sein. Aber das macht nichts, so lange du bei mir bist", erwiderte sie und küsste ihn in den Nacken.
„Hör auf so süße Sachen zu sagen", beschwerte er sich, doch Sheila dachte gar nicht daran, denn es schien ihn von seinem Schmerz und seiner schlechten Laune abzulenken.
„Du sagst genau so viele süße Sachen, also sind wir quitt. Außerdem sage ich so etwas gerne zu dir", gab sie zurück, doch dann entwand Jonathan sich ihrer Umarmung, stellte den Herd aus und balancierte die Pfanne auf den Esstisch.
Eine Weile aßen sie schweigend, bis Jonathan auf einmal auflachte.
„Was ist?", fragte sie, doch er kaute erst zu Ende und schluckte seinen Bissen hinunter.
„Das errätst du nie", setzte er an, fuhr aber ohne eine Antwort abzuwarten fort.
„Leonard hat mir erzählt, dass er Esra süß findet", sagte er und Sheila sah ihn überrascht an. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet.
„Ach was?", fragte sie und sofort schlich sich das Bild in ihren Kopf, wie Leonard Esra schöne Augen machte und um sie herum scharwenzelte. Sie musste kichern, doch ihr gefiel die Vorstellung. Sie hatte gleich zwei gute Seiten, einerseits würde Esra dadurch vielleicht endlich von Matthias loskommen und würde sich nicht mehr irgendwelche Schlägertypen anlachen und zweitens wäre Jonathan dann nicht mehr grundlos eifersüchtig, weil er sich einredete, Leonard würde in sie verliebt sein. Sheila war sich zwar sicher, dass Leonard sich ein wenig in sie verguckt hatte und sie attraktiv fand, doch zwischen ihnen beiden würde niemals etwas Ernstes sein, auch wenn sie Jonathan nicht hätte.
„Doch, wirklich. Er hat es mir gesagt, als wir zu ihrer Wohnung gefahren sind", berichtete er.
„Meinst du, er versucht sie besser kennenzulernen?", fragte sie, doch er zuckte die Schultern.
„Vielleicht. Mich würde es freuen, Esra würde ihm bestimmt Feuer unterm Hintern machen", lachte er und Sheila nickte.
„Wir können sie ja beide zu deinem Geburtstag einladen", schlug sie vor, doch nun war es Jonathan, der überrascht die Augen aufriss.
„Was für eine Riesenparty planst du denn?", fragte er, doch sie zuckte nur die Schultern.
„War nur so eine Idee. Aber es ist deine Party, du machst du Gästeliste", sagte sie, aber würde er sich nicht bald darum kümmern, würde sie es in die Hand nehmen.
„Ich überlege mir bis morgen Abend was", versprach er und sie hoffte, dass er es ernst meinte.
„Okay. Eine Party wird dir guttun", sagte sie dann ernster, denn eigentlich war sie der Meinung, dass jede Ablenkung gut für ihn war.
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