Kapitel 34 - Jonathan

Jonathan wachte am nächsten Morgen mit pochenden Kopfschmerzen auf, dabei hatte er gar nicht so viel getrunken. Verschlafen schlug er die Augen auf und blinzelte, denn er schaute genau in den einzigen Sonnenstrahl, der ins Zimmer fiel. 

Er drehte sich auf die andere Seite und betrachtete Sheilas friedliches Gesicht. Obwohl ihr Veilchen noch immer dunkelblau leuchtete, schwoll ihre Wange langsam ab und die Rötung war verschwunden. 

Allmählich kamen die Erinnerungen an den vergangen Abend zurück. Der Kuss von Karims Schwester, die ihn davor die ganze Zeit mit Fragen bombardiert hatte. Sein Aussetzer, als er weggelaufen war und schließlich der negative Schwangerschaftstest. 

Er schluckte, denn sein Herz schmerzte bei dem Gedanken, wie Sheila sich bei der ganzen Sache gefühlt haben musste. Erst war alles in Ordnung zwischen ihnen, sie hatten sogar Spaß bei dem Geburtstag von Karim gehabt. Doch dann küsste ihn einfach eine andere Frau und er hatte es einfach geschehen lassen. Denn das hatte er. Weder hatte er sich weggedreht und sie von sich weggeschoben oder so etwas. Er hatte es zugelassen, dass sie ihre Lippen auf seine legte und ihm diesen Zettel in die Hosentasche schob. 

Und Sheila hatte alles gesehen. Da er ihr noch nie einen Anlass gegeben hatte, wusste er nicht recht, wie sehr sie so etwas verletzte. Er wusste nur, dass es ihn rasend machen würde. Die ganze Fahrt hatte er sich wie ein Idiot benommen und dann hatte er sie auch noch weinend stehen lassen. Oder besser liegen gelassen, denn sie hatte so sehr geweint, dass sie auf den Boden gefallen war und trotzdem war er einfach gegangen, weil er wütend auf sich und die ganze Welt war. Nur weil es im Moment nicht so lief, wie er es sich wünschte. Er durfte Sheila nicht dafür bestrafen, denn obwohl er sich wie ein Trottel benahm, stand sie noch immer hinter ihm. 

„Über was grübelst du?", riss ihn Sheilas Stimme aus seinen Gedanken. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass sie aufgewacht war. Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss, doch dann beschloss er, ehrlich zu ihr zu sein. Immerhin war sie es auch. 

„Dass ich ein Trottel bin und dich schlecht behandele", sagte er, woraufhin sie ihn verwirrt ansah. 

„Du behandelst mich nicht schlecht", widersprach sie und streckte die Hand so weit in seine Richtung, dass sie so gerade über seine Brust fahren konnte. Sofort bekam er eine Gänsehaut, denn ihre Berührung fühlte sich so schön an. 

„Doch. Ich habe dich gestern einfach allein gelassen, als du weinend auf der Straße lagst. Das war falsch und es tut mir leid", sagte er vollkommen ernst. Sheila nickte langsam, doch es wirkte nicht, als wäre sie wütend deswegen. 

„Es gibt schlimmeres. Aber du kannst aufhören, dich ständig zu entschuldigen. Ich habe kapiert, dass es dir leidtut. Viel lieber wäre es mir, wenn du es nicht mehr machst", sagte sie, während sie unablässig über seine Haut strich. Das trug nicht gerade dazu bei, dass er sich konzentrieren konnte, doch es war wichtig, dass er seine Fehler zugab. 

„Ich verspreche dir, dass ich ab jetzt wieder ein besserer Ehemann bin. Keine Ahnung, was mit mir los ist. Ich will dich deswegen nicht verlieren", sagte er und legte seine Hand auf ihre. Er beobachtete ihre Reaktion. Sie wandte verlegen den Blick ab, doch sie lächelte. 

„Du bist schon ein ziemlich guter Ehemann. Jeder hat mal eine Phase, in der alles beschissen ist. Erinnere dich nur daran, wie schlecht es mir ganz am Anfang ging. Wie ich dich behandelt habe", sagte sie dann und es klang irgendwie verbittert. Jonathan dachte daran zurück, wie sich sich kennengelernt hatten. Es war für sie eine schwere Zeit gewesen, doch er hatte nie den Eindruck gehabt, dass sie ihn schlecht behandelt hatte.

„Du hast mich immer gut behandelt. Seit ich dich kenne bin ich ziemlich glücklich", widersprach er, doch Sheila lachte leise. 

„Nur in den letzten Wochen nicht", sagte sie und sofort meldete sich sein schlechtes Gewissen. Er hatte ihr auch gestern versprochen, sich mehr Mühe zu geben und doch war er schon wieder ein Arsch gewesen. 

„Ich bin glücklich", gab er schnell zurück, vielleicht ein wenig zu schnell, denn wenn er ehrlich zu sich war, dann fühlte er sich nicht wirklich glücklich. Sheila sah ihn lange an, dann schüttelte sie kaum merklich den Kopf. 

„Ich sehe dir doch an, dass du nicht glücklich bist. Und das macht mir Angst", sagte sie und er öffnete den Mund, um zu widersprechen, allerdings zog sie die Augenbrauen hoch, was ihn verstummen ließ. 

„Auch wenn du meinst, dass es nicht an mir liegt. Ich schaffe es offensichtlich auch nicht, das zu ändern. Ich weiß, dass es dich belastet, dass ich nicht schwanger werde. Aber ich habe es irgendwie im Gefühl, dass es bald klappt", sagte sie. Jonathan schluckte. Er konnte nicht einschätzen, ob sie es nur sagte, damit er zufrieden war oder ob sie es ernst meinte. 

„Dieser blöde Zettel, den sie dir gestern zugesteckt hat. Das hat mich auch verletzt. Ich mache mir auch Gedanken, warum es nicht klappt. Aber lass uns in zwei Wochen noch einmal einen Test machen", fuhr sie fort und hielt ihm den ausgestreckten kleinen Finger hin, als würde sie eine Abmachung treffen oder einen Schwur leisten. Er lächelte, dann hakte er seinen kleinen Finger ein. 

„Okay, in zwei Wochen. Das ist ein Tag nach meinem Geburtstag", bemerkte er und Sheila lächelte wieder. 

„Wäre doch ein schönes nachträgliches Geschenk, oder?", scherzte sie, doch er zwang sich, nicht allzu ernst darüber nachzudenken. 

„Stimmt", sagte er dennoch und erwiderte ihren Blick. Eine Weile sahen sie sich nur an, bis sie ihren verschränkten Finger löste und näher an ihn heranrutschte. 

„Lass uns heute was Schönes unternehmen", schlug sie vor und legte ihren Kopf an seine Brust. Er schluckte. Ihm war klar, dass es nicht nur ihm guttun würde, sich von allem abzulenken und einfach nur Spaß zu haben. 

„Okay, auf was hast du Lust?", fragte er und sie legte einen Finger ans Kinn, als würde sie überlegen. 

„Ich google gleich mal. Aber zuerst haben wir noch etwas anderes vor", sagte sie und schwang sich mit einer eleganten Bewegung auf ihn. 

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