Kapitel 129 - Sheila
Nach dem Kuchenessen wandte Jonathan sich Jonas zu und Sheila war klar, dass er es nur tat, damit sie sich mit ihrem Bruder unterhalten konnte. Sie war ihm dankbar dafür, doch gleichzeitig hatte sie ein schlechtes Gewissen Jonas gegenüber, dass sie ihm ihn wegnahm. Immerhin hatten sie nicht viel gemeinsame Zeit in den nächsten Wochen.
Dennoch setzte sie sich auf den inzwischen leeren Platz neben Matthias, wo vor ein paar Sekunden noch Maxim gesessen hatte. Der war nun zu den Geschenken auf dem Wohnzimmertisch gerannt und sah fragend Lisa an.
„Willst du deine Geschenke auspacken?", fragte diese ihn und begeistert nickte er. Sheila drehte sich auf dem Stuhl herum und sie beobachtete, wie Maxim ein Geschenk nach dem anderen auspackte. Über jedes schien er sich noch mehr zu freuen und es brachte sie zum Lächeln, ihn so glücklich zu sehen. So sorglos wäre sie auch gerne noch mal. Wobei, gestern Abend hatte sie alle Sorgen ganz gut vergessen können.
Schließlich kam er zu dem Geschenk, das sie für ihn besorgt hatte und tatsächlich wurde sie ein wenig nervös. Lisa hatte zwar gesagt, dass es ihm bestimmt gefallen würde, doch Kinder konnten manchmal gnadenlos sein. Er riss das Papier ab und faltete den Pullover darin auseinander. Darauf war ein Bagger aufgedruckt und tatsächlich strahlte er über das ganze Gesicht.
„Was sagt man da?", fragte Lisa ihn und gehorsam bedankte er sich. Lisa machte sich daran, das Geschenkpapier einzusammeln, das er auf dem Boden verteilt hatte, während Maxim begeistert mit seinen neuen Spielsachen spielte.
Sheila beobachtete ihn noch einen Moment, dann wandte sie sich wieder Matthias zu, der den Kopf einzog, als erwartete er eine Standpauke. Sofort wurde ihr Blick sanft, denn sie war nicht mehr wütend auf ihn. Sie wusste aus eigener Erfahrung, dass man manchmal einfach neben der Spur war und Dinge tat oder sagte, die man sonst nie getan oder gesagt hätte.
„Wie geht's dir?", fing sie ein Gespräch an und suchte den Blick ihres Bruders. Eine Weile starrte er noch auf seine Hände, doch dann hob er den Kopf und nickte langsam.
„Ganz okay, denke ich", antwortete er und rieb sich beinahe nachdenklich die Stirn.
„Wie ist es denn in der Klinik?", fragte sie weiter, doch bevor er antwortete warf er einen Blick zu Jonas, der sich mit Jonathan unterhielt.
„Ich habe seit ich da bin nichts mehr getrunken", setzte er an und verkrampfte sich.
„Und wie ist das?", bohrte sie weiter. Offensichtlich schien er heute nicht wirklich gesprächig zu sein.
„Naja, da drin habe ich ja nichts, was mich aufregt oder verwirrt", sagte er bitter, doch Sheila legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Das wird schon alles. Du hast Jonas, der hinter dir steht. Und ich tue das auch", sagte sie und er riss beinahe erschrocken den Kopf herum. Fassungslos starrte er sie an.
„Was hast du denn erwartet?", fragte sie und lachte leise über seinen geschockten Gesichtsausdruck. Er schluckte schwer, doch dann zuckten seine Mundwinkel ein wenig nach oben.
„Ich weiß auch nicht. Ihr seid alle so nett zu mir. Esra wollte mich sogar mit den Kindern mal besuchen kommen, sobald es geht", berichtete er. Sheila spürte, wie ihr warm ums Herz wurde. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass sie als Familie zusammenhielten. Dazu zählte sie auch Esra, auch wenn sie und Matthias die beiden Male, die sie zusammen gewesen waren, nicht lange miteinander ausgekommen waren.
„Weißt du schon, wann man dich besuchen kann? Oder kannst du jedes Wochenende nach Hause?", fragte sie und erinnerte sich an ihre eigenen Klinikaufenthalte zurück. Doch bei ihr war es immer ganz anders gewesen. Sie war selten freiwillig dort gewesen.
„Morgen habe ich ein Gespräch, wo entschieden wird, ob ich Besuch auch in der Woche bekommen darf. Aber wenn ich will kann ich jedes Wochenende nach Hause kommen. Allerdings muss ich eine Art Vertrag unterschreiben, dass ich nichts trinke oder sonst irgendetwas mache", sagte er und Sheila wusste, was er meinte.
„Du bist also komplett clean seit einer Woche?", fragte sie mit gesenkter Stimme, denn sie war sich nicht so sicher, ob ihr Vater das alles mitbekommen sollte. Matthias grinste stolz.
„Ja, von allem. Ich hab noch nicht einmal Gras geraucht", verkündete er, doch dann sank er wieder in sich zusammen.
„Aber das war erst eine Woche von acht, die ich schaffen muss, damit ich entlassen werde", erklärte er und Sheila nickte.
„Bist du zuversichtlich, dass es klappt?", fragte sie und er nickte.
„Ja, ich denke schon. Mir ist bewusst geworden, dass ich ihn verlieren könnte, wenn ich es nicht schaffe", sagte er und Sheila sah, wie sein Blick zu Jonas wanderte.
„Das ist doch ein ziemlich guter Anreiz", erwiderte sie und er nickte.
„Stimmt. Er meinte auch, dass er nichts mehr trinken will", sagte er und sah sie fragend an, so als wäre er sich nicht sicher, was er davon halten sollte.
„Das ist doch nett von ihm. So kommst du nicht in Versuchung", gab sie zurück und sah zu Jonas. Er unterhielt sich noch immer mit Jonathan, der wild gestikulierte. Wahrscheinlich erzählte er gerade von dem Restaurant, in dem sie gestern gegessen hatten.
„Ja, schon. Aber... ich will nicht, dass er sich wegen mir einschränkt", seufzte Matthias und fuhr sich durch die Haare.
„Ich glaube, er macht das gerne für dich", versuchte sie ihn ein wenig zu bestärken, aber er zuckte nur die Schultern.
„Wie auch immer. Aber was gibt es denn bei dir neues?", fragte er, ganz offensichtlich um sich abzulenken. Sheila zögerte kurz, doch sie sah in seinem Blick, dass er sich nicht länger über dieses Thema unterhalten wollte. Also berichtete sie ihm von gestern Abend und wie gut es wieder zwischen ihr und Jonathan lief. Vielleicht würde ihn das ja motivieren, sich bei seinem Entzug anzustrengen.
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