Kapitel 120 - Jonathan

Jonathan hatte sich in sein Bett gelegt und sich irgendwelche schwachsinnigen, aber lustigen Videos angesehen. Immer wieder waren währenddessen Nachrichten von Leonard eingegangen, die er alle ignoriert hatte. 

Er hatte ihn enttäuscht, denn es war absolut nicht in Ordnung die Frau seines Cousins zu umwerben. Denn das hatte er zweifelsfrei getan, auch wenn er ihm versprochen hatte, sie in Ruhe zu lassen. Leonard hatte ausgenutzt, dass bei ihnen beiden die Nerven blank lagen und das war ziemlich hinterhältig. Sollte er noch eine Weile schmoren und sein schlechtes Gewissen behalten. 

Jonathan klickte alle seine Nachrichten weg, ohne sie zu lesen, doch auf einmal konnte er an nichts anderes mehr denken als Leonards Hand in ihrer Hose, auf ihrem Bauch, an ihrer Wange. Jonathan versuchte noch eine Weile, sich mit Videos abzulenken, doch es gelang ihm nicht wirklich. Hoffentlich würde Sheila bald zu ihm nach oben kommen, denn er wollte sie und Jonas nicht unterbrechen, nur weil er eifersüchtig auf seinen Cousin war. 

Er legte sich gemütlicher hin, doch genau in diesem Moment rief Leonard an. Jonathan schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief und und aus, bis sein Handy aufhörte zu klingeln. Genervt warf er sein Handy neben sich aufs Bett und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. Warum war Leonard so penetrant? Selbst wenn er sich persönlich bei ihm und Sheila entschuldigte, könnte er diese Sache nicht mehr rückgängig machen. Es würde nichts ändern. 

Doch als sein Handy noch einmal klingelte, nahm er kurzentschlossen das Gespräch an, damit er Ruhe gab. Ihm war klar, dass Leonard so genau das bekommen hatte, was er wollte, aber er sollte einfach nur aufhören, ihn mit Nachrichten und Anrufen zu bombardieren. 

„Was willst du?", fauchte Jonathan ihn an und tatsächlich war Leonard für einen Moment sprachlos. Er druckste herum, doch dann atmete er tief durch. 

„Ich wollte mich noch einmal mit dir treffen. Und vielleicht auch mit Sheila. Wenn es für dich in Ordnung ist. Ich wollte mich bei euch beiden entschuldigen und alles klären", sagte er dann, doch Jonathan schnaubte. 

„Was willst du denn klären? Es gibt nichts mehr zu klären", entgegnete er bitter, woraufhin Leonard einen erstickten Laut ausstieß. 

„Egal was du sagst, du kannst es nicht mehr rückgängig machen. Es ist nun einmal passiert und ich will die Sache endlich abhaken. Hör auf, mich die ganze Zeit daran zu erinnern", redete Jonathan sich in Rage und biss die Kiefer so fest zusammen, dass es wehtat. 

„Oh Mann", sagte Leonard und klang dabei so, als würde er blöd grinsen. 

„Mag ja sein, dass du das abhaken willst, aber ist es bei ihr genau so?", fragte er frech, was Jonathan nur noch wütender werden ließ. Was zum Teufel meinte er nun schon wieder damit? Hatte Sheila sich etwa mit ihm getroffen, als er nicht da gewesen war? Ungläubig schüttelte er den Kopf, denn er war sich sicher, dass sie es ihm erzählt hätte. 

„Du redest Blödsinn", sagte er bemüht ruhig, doch er hatte etwas in Jonathan geweckt, das ihm Angst machte. Er zweifelte zwar nicht an Sheilas Gefühlen für ihn, doch was sollte er tun, wenn sie sich einfach in einen anderen verliebte? In Leonard? 

Sein Herz schmerzte, doch sein Hirn arbeitete dagegen an. Er wusste, dass Sheila Leonard zwar mochte und ihn lustig fand, aber solche Gefühle hatte sie ganz sicher nicht für ihn. Andererseits hatte sie es auch zugelassen, dass er sie berührte. 

„Kann schon sein, dass es Blödsinn ist, aber sie hat mich so angesehen, als du abgehauen bist", erklärte Leonard sich, doch Jonathan lachte bitter. 

„Sie hat dich angesehen? Na, das ist doch ein sicheres Zeichen, dass sie dich liebt", spottete er, doch sein Herz schien dabei in Stücke gerissen zu werden. Eine Weile schwieg Leonard, dann holte er tief Luft. 

„Ich will es nur klären, das ist alles", sagte er und klang, als könnte er sich nicht von diesem Vorhaben abbringen lassen. 

„Es gibt nichts zu klären", brummte Jonathan, dann legte er einfach auf. Dieser Kerl, den er bisher eigentlich immer gemocht hatte, wusste einfach nicht, wann Schluss war. Er war offensichtlich in Sheila verliebt, das wusste Jonathan schon lange, doch anscheinend hatte er nun eine Chance bei ihr gewittert. 

„Hey, ist alles in Ordnung?", riss ihn Sheilas sanfte Stimme aus den Gedanken. Erschrocken drehte er sich zu ihr um und breitete sofort die Arme aus. Sheila schloss die Schlafzimmertür hinter sich, krabbelte zu ihm ins Bett und schmiegte sich an ihn. 

„Ist Jonas gegangen?", fragte er und spürte, wie sie nickte. 

„Ja, gerade als er gegangen ist, habe ich dich gehört. Hast du telefoniert?", wollte sie wissen, doch Jonathan schnaubte nur. Sheila wand sich aus seinen Armen und setzte sich auf. Sie musterte ihn eindringlich und ganz offensichtlich misstrauisch. Jonathan wurde klar, dass er sich erklären musste. 

„Es war Leonard. Er hat mich die ganze Zeit mit Nachrichten genervt und dann hat er auch noch angerufen. Er ist offensichtlich... durcheinander", berichtete er und spürte, wie sich seine Augenbrauen zusammenzogen und sein Blick hilfesuchend wurde. 

„Inwiefern durcheinander?", hakte sie nach, doch sie entspannte sich sichtlich. 

„Naja, er glaubt, dass du...", setzte er an, unterbrach sich aber. Es fiel ihm schwer, es auszusprechen. Jonathan holte tief Luft, dann sprach er es einfach aus. 

„Er glaubt, dass du seine Gefühle erwiderst und dich in ihn verliebt hast. Er meinte, du hättest ihn so angeguckt", sprudelte es aus ihm heraus und gespannt beobachtete er Sheilas Reaktion. Die nicht kam. Sie starrte ihn einfach nur an, nicht lächelnd oder wütend, sondern einfach ausdruckslos. Sein Herz pochte unangenehm und nun setzte auch er sich auf und rutschte näher an Sheila heran. 

„Oh nein", murmelte sie und endlich zeigte sie ihre Gefühle. Sie sah panisch aus. Schnell legte er seine Hände um ihr Gesicht und sah sie eindringlich an. 

„Bitte sag mir, dass er sich irrt", forderte er, denn ein kleiner Zweifel blieb. Immerhin schien Leonard sich ziemlich sicher gewesen zu sein. Sheila kletterte rittlings auf seinen Schoß und sah ihm genau in die Augen. 

„Ich hätte nicht zulassen sollen, dass er mich anfasst, aber ich habe keine Gefühle für ihn. Ganz sicher nicht. Ich habe ihn auch nicht irgendwie angesehen, er verrennt sich da in irgendetwas", sagte sie langsam und deutlich, als wäre er bescheuert. Dennoch erleichterten ihre Worte ihn. Sie kam noch näher an ihn heran und küsste ihn sanft auf die Lippen. 

„Ich liebe nur dich. Und unser Baby", hauchte sie sanft und führte seine Hand dann langsam zu der minimalen Wölbung. Jonathan stockte der Atem und er strich sanft mit dem Daumen über ihren Bauch. Durch ihre Nähe und ihre Worte war sein ganzer Ärger verraucht und er wollte sie nie wieder los lassen. 

„Ich bin so froh, dass ich noch bei dir sein darf. Ich habe das gar nicht verdient", murmelte er, doch sie brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen. 

„Hör auf. Vergessen wir das Ganze und sehen nach vorn. So wie wir es immer getan haben", sagte sie leise und schlang die Arme um seinen Hals. Er legte seine Hand an ihre Hüfte und ließ sich nach hinten in die Kissen fallen, sodass sie auf ihm lag. Seine Hände gingen auf Wanderschaft und sie schien es genau so sehr zu genießen wie er.

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Als er am nächsten Morgen aufwachte, hörte er Sheila im Bad herumhantieren. Verschlafen warf er einen Blick auf die Uhr und erst da fiel ihm wieder ein, dass sie heute Vormittag eine Probe für die Mitarbeiter-Vorführung hatte. 

Er quälte sich aus dem Bett und ging zum Bad. Leise klopfte er an, doch dann öffnete er einfach die Tür und streckte den Kopf herein. Sie trug die Leggings von gestern, dazu ein weißes T-Shirt, das für seinen Geschmack ein wenig zu durchsichtig war. Sie band sich gerade ihre Haare zusammen und grinste ihn im Spiegel an. 

„Gut geschlafen?", fragte sie, legte die Bürste weg und drehte sich zu ihm um. Sie lehnte sich mit dem unteren Rücken gegen das Waschbecken und verschränkte lässig die Arme vor der Brust. Sie schien gute Laune zu haben, was ihn freute. 

„Ziemlich, immerhin lag die schönste Frau der Welt in meinem Arm", scherzte er und sie prustete. 

„Du bist bescheuert", erwiderte sie, doch sie lächelte. 

„Aber glücklich", gab er zurück, warf ihr eine Kusshand zu und ließ sie wieder allein. Er zog sich schnell etwas an und ging nach unten in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Sicherlich wollte sie sich vor dem Tanzen nicht den Bauch vollschlagen, also schob er einfach ein paar Aufbackbrötchen in den Ofen. 

Er deckte den Tisch und setzte Kaffee auf, doch schon nach ein paar Minuten kam Sheila nach unten. Sie schnupperte und machte ein genüssliches Geräusch, dann kam sie zu ihm in die Küche und lehnte sich an ihn. Jonathan schlang einen Arm um sie und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. 

„Du wolltest heute beim Arzt anrufen", erinnerte sie ihn und er nickte schnell. 

„Stimmt. Am besten mache ich das gleich, sonst vergesse ich es wieder", sagte er und nahm sich vor, ihn anzurufen sobald Sheila weg war. 

„Mach es doch jetzt. Ich kann auch die Brötchen rausholen", sagte sie und tippte mit dem Finger auf seinen Gips. 

„Na gut. Dann habe ich es hinter mir. Hast du dein Handy hier?", fragte er, denn seines lag noch oben. Sheila löste sich von ihm und zog es aus der Bauchtasche ihres schwarzen Pullis, den sie übergezogen hatte. 

„Hier", sagte sie und hielt es ihm hin. Kaum dass er einen Blick darauf warf, fiel ihm das Nachrichtensymbol oben in der Ecke auf. 

„Du hast eine Nachricht", sagte er und hielt es ihr wieder hin. Überrascht zog sie die Augenbrauen hoch und nahm es ihm wieder ab. 

„Das ging ja schnell. Ich habe gerade eben erst meinem Bruder geschrieben", sagte sie, doch keine Sekunde später verschwand ihr Lächeln und sie zog die Augenbrauen hoch. 

„Was schreibt er?", fragte er neugierig und schielte auf ihr Handy, doch Sheila presste es eilig an die Brust, sodass er nichts mehr lesen konnte. 

„Es war doch nicht mein Bruder, sondern Leonard", sagte sie und sah ihn zerknirscht an. 

„Zeig her", forderte er, doch sie schüttelte den Kopf. 

„Nein, lieber nicht, das verletzt dich nur", sagte sie, doch nun wollte er die Nachricht nur um so mehr lesen. 

„Jetzt zeig schon", drängte er und hielt ungeduldig die Hand auf. Sheilas Lippe fing an zu zittern, doch dann reichte sie ihm wieder ihr Handy. Er spürte, wie die Wut in ihm aufstieg, denn es war einfach nur noch dreist, was Leonard abzog. 

„Sheila, bitte triff dich heute mit mir. Ich muss dir dringend etwas sagen und ich muss wissen, was deine Meinung dazu ist. Sag mir, wann du Zeit hast, ich komme wohin du willst. Bitte komm allein, Jonathan ist im Moment nicht wirklich gut auf mich zu sprechen", schrieb Leonard und er machte doch tatsächlich ein Kusssmiley dahinter. 

Fassungslos starrte er erst ihr Handy, dann Sheila an. Ohne es wirklich zu wollen scrollte er nach oben, doch die Nachricht davor war unverfänglich. 

„Du triffst dich nicht mit ihm", sagte er streng, doch Sheila sah ihn nur verwundert an. 

„Das hatte ich nicht vor, aber hör auf, mir Dinge verbieten zu wollen. Du klingst schon wie...", sagte sie, doch sie unterbrach sich und schlug sie die Hand vor dem Mund. Langsam hob Jonathan den Blick. Ihm war sofort klar, was sie hatte sagen wollen und es tat weh. 

„Wie wer?", fragte er langsam, obwohl er die Antwort kannte. Sheila ließ die Hand wieder sinken und winkte ab. 

„Wie niemand. Ich werde mich nicht mit ihm treffen. Jetzt ruf endlich beim Arzt an und lass mich die Brötchen rausholen, bevor sie verbrennen", sagte sie und scheuchte ihn mit einer Handbewegung weg. 

Ihre Worte hallten in ihm wieder, denn er wollte nichts weniger als sie an ihren gewalttätigen Ex-Freund zu erinnern. Er schluckte schwer, streckte dann noch mal den Kopf durch die Küchentür und beobachtete sie eine Weile, wie sie die Brötchen eher in den Korb warf als sie zu legen, damit sie sich nicht die Finger verbrannte. 

„Tut mir leid. Ich meinte, dass es mir wohler wäre, wenn du ihn nicht triffst. Aber du kannst tun und lassen, was du willst", sagte er und wartete, bis sie alle Brötchen in den Korb befördert hatte. Erst dann sah sie ihn an. 

„Okay. Aber dir ist hoffentlich klar, dass ich kein Interesse an einem Treffen mit ihm habe, wenn er mir so eine Nachricht schreibt", erwiderte sie und er spürte, dass sie verletzt war. 

„Ich weiß", gab er zurück, wandte sich ab und setzte sich auf seinen Platz am Esstisch. Er wählte die Nummer des Arztes und wartete, bis sich jemand meldete. Doch seine Gedanken kreisten um Sheilas Vorwurf. Es war ihr nur so herausgerutscht, doch in jedem Wort das man sagte, steckte doch ein wahrer Kern. 

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